Raum und Geometrie: Unterschied zwischen den Versionen

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==Raum als Grundkategorie der Bildmorphologie==
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==Raum als Grundkategorie der Bild&shy;morpho&shy;logie==
Die Menge der syntaktischen Komponenten [[Ähnlichkeit und wahrnehmungsnahe Zeichen|wahrnehmungsnaher Zeichen]] kann im Prinzip in zwei Gruppen aufgeteilt werden: Einerseits gibt es eine abstrakte relationale ''Basisstruktur''. Sie spannt meist mehrere koordinierte Dimensionen auf, in welche die Elemente der zweiten Gruppe eingeordnet werden können. Letztere bilden Systeme perzeptueller ''Markerwerte'', die es überhaupt erst erlauben, die zugrunde liegende Basisstruktur wahrnehmen zu können. In den Worten Kants formt die Basisstruktur eine ''[[Anschauung|reine Anschauung]]''.<ref>Als logische Voraussetzung der Wahrnehmung – d.h. als ihre „Bedingung der Möglichkeit“ – sind reine Anschauungen nicht selbst wahrnehmbar (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 33-36).</ref> Bei Bildern ist die Basisstruktur der zweidimensionale Raum, wohingegen die Markerwerte im Wesentlichen aus [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Textur]]en bestehen, die die rein räumliche Struktur sichtbar machen. Aus diesem Grunde heißt über Bilder zu sprechen auch, über Raum zu sprechen.
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Die Menge der syntaktischen Komponenten [[Ähnlichkeit und wahrnehmungsnahe Zeichen|wahrneh&shy;mungsna&shy;her]] [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem|Zeichen]] kann im Prinzip in zwei Gruppen aufge&shy;teilt werden: Einer&shy;seits gibt es eine abstrak&shy;te rela&shy;tiona&shy;le ''Basis&shy;struktur''. Sie spannt meist mehre&shy;re koordi&shy;nierte Dimen&shy;sionen auf, in welche die Ele&shy;mente der zweiten Gruppe einge&shy;ordnet werden können. Letzte&shy;re bilden Syste&shy;me perzep&shy;tueller ''Marker&shy;werte'', die es über&shy;haupt erst erlau&shy;ben, die zugrun&shy;de liegen&shy;de Basis&shy;struktur wahrneh&shy;men zu können. In den Worten Kants formt die Basis&shy;struktur eine ''[[Anschauung|reine Anschau&shy;ung]]''.<ref>Als lo&shy;gi&shy;sche Vo&shy;r&shy;aus&shy;set&shy;zung der Wahr&shy;neh&shy;mung – d.h. als ih&shy;re „Be&shy;din&shy;gung der Mög&shy;lich&shy;keit“ – sind rei&shy;ne An&shy;schau&shy;un&shy;gen nicht selbst wahr&shy;nehm&shy;bar (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 33-36).</ref> Bei Bildern ist die Basis&shy;struktur der zwei&shy;dimen&shy;siona&shy;le Raum, wohin&shy;gegen die Marker&shy;werte im Wesent&shy;lichen aus [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Textur|Textu&shy;ren]] beste&shy;hen, die die rein räumli&shy;che Struktur sichtbar machen. Aus diesem Grunde heißt über Bilder zu sprechen auch, über Raum zu sprechen.
 
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Die Regeln, die unser Sprechen über Raum organisieren (zumindest sofern dieses Sprechen als rational kontrolliert verstanden wird), sind mindestens schon seit der neolithischen Revolution mit der Einführung von Architektur, Ackerbau und den dazu benötigten aufeinander abgestimmten räumlichen Aktivitäten im Fokus der Aufmerksamkeit. Heute beeinflussen vor allem die Kalkülisierung der Geometrie im antiken Griechenland und ihre algebraische Reformulierung im 16. Jhd. die Konzeption des ''reinen Raums'', der auch der Bildsyntax zugrunde liegt.<ref>Damit wird nicht behauptet, dass jene Kalküle ausreichten, wenn es um semantische oder pragmatische Aspekte geht; ⊳ [[Theorien des Bildraums]]. </ref>
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Die Regeln, die unser Sprechen über Raum orga&shy;nisie&shy;ren (zumin&shy;dest sofern dieses Sprechen als ratio&shy;nal kontrol&shy;liert verstan&shy;den wird), sind mindes&shy;tens schon seit der neoli&shy;thischen Revo&shy;lution mit der Einfüh&shy;rung von Archi&shy;tektur, Acker&shy;bau und den dazu benö&shy;tigten auf&shy;einan&shy;der abge&shy;stimmten räumli&shy;chen Akti&shy;vitä&shy;ten im Fokus der Aufmerk&shy;samkeit. Heute beeinflus&shy;sen vor allem die Kalkü&shy;lisie&shy;rung der Geo&shy;metrie im anti&shy;ken Griechen&shy;land und ihre alge&shy;braische Refor&shy;mulie&shy;rung im 16. Jhd. die Konzep&shy;tion des ''reinen Raums'', der auch der Bild&shy;syntax zugrun&shy;de liegt.<ref>Da&shy;mit wird nicht be&shy;haup&shy;tet, dass je&shy;ne Kal&shy;kü&shy;le aus&shy;reich&shy;ten, wenn es um se&shy;man&shy;ti&shy;sche oder prag&shy;ma&shy;ti&shy;sche As&shy;pek&shy;te geht; ⊳ [[Theorien des Bildraums|The&shy;o&shy;ri&shy;en des Bild&shy;raums]]. </ref>
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==Geometrische Kalküle als Formalisierung von Raum==
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==Geometrische Kalküle als Forma&shy;lisie&shy;rung von Raum==
Ein geometrischer Kalkül ist im Grunde genommen eine Menge von Regeln, die zuallererst die Möglichkeiten festlegen, über sogenannte ''geometrische Entitäten'' ganz im Abstrakten – d.h. ohne Bezug auf Konkreta mit kontigenten nicht-geometrischen Eigenheiten – zu reden. Diese Regeln bilden die begrifflichen Bestimmungen einer Menge räumlicher Begriffe. Die Begriffe für elementare geometrische Entitäten werden im Wesentlichen durch die Relationen bestimmt, in die sie miteinander eintreten können. Diese werden üblicherweise unterteilt in Beziehungen von Kontakt und Nachbarschaft (''topologische'' Relationen),<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Topologie_(Mathematik) Wikipedia: Topologie (Mathematik)].</ref> Beziehungen, die Abstand und Ausdehnung betreffen (''metrische'' Relationen)<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Metrischer_Raum Wikipedia: Metrischer Raum].</ref> und Beziehungen hinsichtlich Richtung und Orientierung (''direktonale'' oder ''projektive'' Relationen).<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Projektive_Geometrie Wikipedia: Projektive Geometrie].</ref>  
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Ein geometrischer Kalkül ist im Grunde genom&shy;men eine Menge von Regeln, die zu&shy;aller&shy;erst die Möglich&shy;keiten festle&shy;gen, über soge&shy;nannte ''geo&shy;metri&shy;sche Enti&shy;täten'' ganz im Abstrak&shy;ten – d.h. ohne Bezug auf Konkre&shy;ta mit kontin&shy;genten nicht-geo&shy;metri&shy;schen Eigen&shy;heiten – zu reden. Diese Regeln bilden die begriff&shy;lichen Bestim&shy;mungen einer Menge räumli&shy;cher Begrif&shy;fe. Die Begrif&shy;fe für ele&shy;menta&shy;re geo&shy;metri&shy;sche Enti&shy;täten werden im Wesent&shy;lichen durch die Rela&shy;tionen bestimmt, in die sie mit&shy;einan&shy;der eintre&shy;ten können. Diese werden übli&shy;cherwei&shy;se unter&shy;teilt in Bezie&shy;hungen von Kontakt und Nachbar&shy;schaft (''topo&shy;logi&shy;sche'' Rela&shy;tionen),<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Topologie_(Mathematik) Wi&shy;ki&shy;pe&shy;di&shy;a: To&shy;po&shy;lo&shy;gie (Ma&shy;the&shy;ma&shy;tik)].</ref> Bezie&shy;hungen, die Abstand und Ausdeh&shy;nung betref&shy;fen (''metri&shy;sche'' Rela&shy;tionen)<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Metrischer_Raum Wi&shy;ki&shy;pe&shy;di&shy;a: Met&shy;ri&shy;scher Raum].</ref> und Bezie&shy;hungen hinsicht&shy;lich Richtung und Orien&shy;tierung (''direk&shy;tiona&shy;le'' oder ''projek&shy;tive'' Rela&shy;tionen).<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Projektive_Geometrie Wi&shy;ki&shy;pe&shy;di&shy;a: Pro&shy;jek&shy;ti&shy;ve Geo&shy;me&shy;trie].</ref>  
 
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Über geometrische Begriffe zu verfügen hat vor allem drei Auswirkungen:
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Über geometrische Begriffe zu verfü&shy;gen hat vor allem drei Auswir&shy;kungen:
  
* Der ''ontologische'' Aspekt der Regeln zeigt sich darin, dass sie uns erlauben, etwas als ''räumlich'' zu beschreiben.<ref>Genauer gesagt: Eine solche Beschreibung besteht aus Äußerungen, die [[Proposition]]en mit einer [[Prädikation]] verwenden, die sich auf einen geometrischen Begriff bezieht, der durch den Kalkül festgelegt ist.</ref> Etwas als Instanz eines solchen Begriffs zu verstehen, d.h. als eine geometrische Entität, bedeutet, es als ein rein räumliches Etwas zu begreifen unabhängig von allen anderen Charakteri&shy;sierungen, die ebenfalls zutreffen mögen (z.B. farbig zu sein, schwer zu sein).<ref> D.h.: »geo&shy;metrisch sein« als solches impliziert nicht not&shy;wen&shy;dig schon  »räum&shy;lich sein«.</ref> Kurz gesagt: ''Die Welt erscheint räumlich organisiert, wenn wir ihre Teile mithilfe geometrischer Begriffe unterscheiden.''
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* Der ''ontologische'' Aspekt der Regeln zeigt sich darin, dass sie uns erlau&shy;ben, etwas als ''räumlich'' zu beschrei&shy;ben.<ref>Ge&shy;nau&shy;er ge&shy;sagt: Ei&shy;ne sol&shy;che Be&shy;schrei&shy;bung be&shy;steht aus Äu&shy;ße&shy;run&shy;gen, die [[Proposition|Pro&shy;po&shy;si&shy;ti&shy;o&shy;nen]] mit ei&shy;ner [[Prädikation|Prä&shy;di&shy;ka&shy;ti&shy;on]] ver&shy;wen&shy;den, die sich auf ei&shy;nen geo&shy;me&shy;tri&shy;schen Be&shy;griff be&shy;zieht, der durch den Kal&shy;kül fest&shy;ge&shy;legt ist.</ref> Etwas als Instanz eines solchen Begriffs zu verste&shy;hen, d.h. als eine geo&shy;metri&shy;sche Enti&shy;tät, bedeu&shy;tet, es als ein rein räumli&shy;ches Etwas zu begrei&shy;fen unab&shy;hängig von allen ande&shy;ren Charak&shy;teri&shy;sierun&shy;gen, die eben&shy;falls zutref&shy;fen mögen (z.B. farbig zu sein, schwer zu sein).<ref> D.h.: »geo&shy;me&shy;trisch sein« als sol&shy;ches im&shy;pli&shy;ziert nicht not&shy;wen&shy;dig schon  »räum&shy;lich sein«.</ref> Kurz gesagt: ''Die Welt erscheint räumlich orga&shy;nisiert, wenn wir ihre Teile mithil&shy;fe geo&shy;metri&shy;scher Begrif&shy;fe unter&shy;scheiden.''
  
* Der ''epistemologische'' Aspekt beinhaltet (u.a.), dass die [[Gestalt]]en, die in Beschreibungen visuellen Wahrnehmens vorkommen, als geometrische (und daher: räumliche) Entitäten verstanden werden können. Das heißt, der Kalkül formalisiert einen abstrakten Teil unseres Verständnisses von der visuellen Wahr&shy;nehmung (auch ⊳ [[Gegenstand der visuellen Wahrnehmung|Gegen&shy;stand der visuellen Wahr&shy;nehmung]]): Kurz gesagt: ''Wir sehen die Welt als räumlich organisiert.''
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* Der ''epistemologische'' Aspekt beinhal&shy;tet (u.a.), dass die [[Gestalt|Gestal&shy;ten]], die in Beschrei&shy;bungen visu&shy;ellen Wahrneh&shy;mens vorkom&shy;men, als geo&shy;metri&shy;sche (und daher: räumli&shy;che) Enti&shy;täten verstan&shy;den werden können. Das heißt, der Kalkül forma&shy;lisiert einen abstrak&shy;ten Teil unse&shy;res Verständ&shy;nisses von der visu&shy;ellen Wahr&shy;nehmung (auch ⊳ [[Gegenstand der visuellen Wahrnehmung|Gegen&shy;stand der visu&shy;ellen Wahr&shy;nehmung]]): Kurz gesagt: ''Wir sehen die Welt als räumlich orga&shy;nisiert.''
  
* Der ''argumentative'' Aspekt bedeutet schließlich, dass die Regeln des Kalküls angeben, wie eine gegebene Beschreibung räumlicher Gegenstände umgeformt werden kann, ohne die Wahrheit der Beschreibung zu verändern: Diese Umformungen werden meist unter der Bezeichnung ‘räumliches Schließen’ zusammengefasst:<ref> Insbesondere die Regeln, die geometrische Begriffe mit&shy;einander in Beziehung setzen, wie etwa dass »links« das Inverse zu »rechts« sei oder dass »in« unter gewissen Voraussetzungen eine transitive Relation sei, können als Mittelterme in räumlichen Syl&shy;logismen verwendet werden, die verschiedene [[Proposition]]en über geometrische Entitäten mit&shy;einander verbinden. Vgl. hierzu aber auch die über die reine Geometrie hinausgehenden Anteile an solchen Schluss&shy;prozessen, wie sie insbesondere in <bib id='Herskovits 1986a'></bib> oder <bib id='Aurnague & Vieu 1993a'></bib> begründet werden, und die Kopplung dieser Überlegungen mit begriffs&shy;genetischen Argumentationen in <bib id='Schirra 1994a'></bib>: insbesondere Kap. 5. </ref> Kurz gesagt: ''Wenn wir rational über Raum diskutieren, verwenden wir die Kalkül-Regeln für geometrische Begriffe.''
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* Der ''argumentative'' Aspekt bedeutet schließ&shy;lich, dass die Regeln des Kalküls ange&shy;ben, wie eine gege&shy;bene Beschrei&shy;bung räumli&shy;cher Gegen&shy;stände umge&shy;formt werden kann, ohne die Wahrheit der Beschrei&shy;bung zu verän&shy;dern: Diese Umfor&shy;mungen werden meist unter der Bezeich&shy;nung ‘räumli&shy;ches Schließen’ zusam&shy;menge&shy;fasst:<ref> Bei&shy;spiels&shy;wei&shy;se die Re&shy;geln, die geo&shy;me&shy;tri&shy;sche Be&shy;grif&shy;fe mit&shy;ein&shy;an&shy;der in Be&shy;zie&shy;hung set&shy;zen, wie et&shy;wa dass »links« das In&shy;ver&shy;se zu »rechts« sei oder dass »in« un&shy;ter ge&shy;wis&shy;sen Vo&shy;raus&shy;set&shy;zun&shy;gen ei&shy;ne tran&shy;si&shy;ti&shy;ve Re&shy;la&shy;ti&shy;on sei, kön&shy;nen als Mit&shy;tel&shy;ter&shy;me in räum&shy;li&shy;chen Syl&shy;lo&shy;gis&shy;men ver&shy;wen&shy;det wer&shy;den, die ver&shy;schie&shy;de&shy;ne [[Proposition|Pro&shy;po&shy;si&shy;ti&shy;o&shy;nen]] über geo&shy;me&shy;tri&shy;sche En&shy;ti&shy;tä&shy;ten mit&shy;ein&shy;an&shy;der ver&shy;bin&shy;den. Vgl. hier&shy;zu aber auch die über die rei&shy;ne Geo&shy;me&shy;trie hi&shy;n&shy;aus&shy;ge&shy;hen&shy;den An&shy;tei&shy;le an sol&shy;chen Schluss&shy;pro&shy;zes&shy;sen, wie sie ins&shy;be&shy;son&shy;de&shy;re in <bib id='Herskovits 1986a'>Hers&shy;ko&shy;vits 1986a</bib> oder <bib id='Aurnague & Vieu 1993a'>Aur&shy;na&shy;gue & Vieu 1993a</bib> be&shy;grün&shy;det wer&shy;den, und die Kopp&shy;lung die&shy;ser Über&shy;le&shy;gun&shy;gen mit be&shy;griffs&shy;ge&shy;ne&shy;ti&shy;schen Ar&shy;gu&shy;men&shy;ta&shy;ti&shy;o&shy;nen in <bib id='Schirra 1994a'>Schir&shy;ra 1994a</bib>: vor al&shy;lem Kap. 5. </ref> Kurz gesagt: ''Wenn wir rati&shy;onal über Räumli&shy;ches disku&shy;tieren, verwen&shy;den wir die Kalkül-Regeln für geo&shy;metri&shy;sche Begrif&shy;fe.''
 
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Der Standardansatz zu geometrischen Kalkülen ist Euklids axiomatisches System, das auf dem Begriff eines unausgedehnten aber eindeutig lokalisierten »Punktes« beruht: Dieser Begriff ist allerdings ziemlich abstrakt und verhältnismäßig weit entfernt von der konkreten Erfahrung mit Raum. Eine Familie von Non-Standard-Geometrie&shy;kalkülen, die im Wesentlichen erst im 20. Jhd. entwickelt wurde und kognitiven Prinzipien mehr gerecht zu werden versucht, bietet eine Formalisierung von Geometrie ohne dieses Problem und mit interessanten Eigenschaften für die [[Bildmorphologie]]: ''Mereogeometrien''.
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Der Standardansatz zu geometri&shy;schen Kalkü&shy;len ist (1) Euklids axio&shy;mati&shy;sches System, das auf dem Begriff eines unaus&shy;gedehn&shy;ten aber eindeu&shy;tig loka&shy;lisier&shy;ten »Punktes« beruht: Dieser Begriff ist aller&shy;dings ziemlich abstrakt und verhält&shy;nismä&shy;ßig weit entfernt von der konkre&shy;ten Erfah&shy;rung mit Raum. (2) Eine Fami&shy;lie von Non-Standard-Geo&shy;metrie&shy;kalkü&shy;len, die im Wesent&shy;lichen erst im 20. Jhd. ent&shy;wickelt wurde und kogni&shy;tiven Prinzi&shy;pien mehr gerecht zu werden versucht, bietet eine Forma&shy;lisie&shy;rung von Geo&shy;metrie ohne dieses Problem und mit inte&shy;ressan&shy;ten Eigen&shy;schaften für die [[Bildmorphologie|Bild&shy;morpho&shy;logie]]: ''Mereo&shy;geome&shy;trien''.
 
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===Euklidische Geometriekalküle===
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===Euklidische Geometrie&shy;kalkü&shy;le===
Vor mehr als 2000 Jahren wurde das erste axiomatische System der Geometrie von Euklid vorgeschlagen.<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Euklidische_Geometrie Wikipedia: Euklidische Geometrie].</ref> Ausgehend von einer Menge grundlegender Postulate (sog. ‘Axiome’) können in diesem System Schluss&shy;folgerungen gezogen werden, um formal (d.h. nur mittels logischer Deduktion) Theoreme über geometrische Objekte und deren Eigenschaften und Relationen zu beweisen. Die Diskussion dieses Ansatzes insbesondere über die Unabhängigkeit der fünf Grund&shy;postulate hat tatsächlich in der Folge zu verschiedenen Varianten solcher geometrischer Kalküle geführt, die den Bereich der ''synthetischen Geometrie'' bilden.<ref>Vgl. [http://de.wikipedia.org/wiki/Synthetische_Geometrie Wikipedia: Synthetische Geometrie]. Vor allem das “fünfte Axiom”, wie es meist genannt wird, das sich mit dem Begriff der Parallelität befasst, erwies sich als sehr fruchtbar, obwohl die klassischen Nicht-Euklidischen Kalküle, die daraus entstanden, in der Regel für Bild&shy;syntax wenig relevant sind; vgl. [http://de.wikipedia.org/wiki/Parallelenaxiom Wikipedia: Parallelenaxiom].</ref>   
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Vor mehr als 2000 Jahren wurde das erste axio&shy;matische System der Geo&shy;metrie von Euklid vorge&shy;schlagen.<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Euklidische_Geometrie Wi&shy;ki&shy;pe&shy;dia: Eu&shy;kli&shy;di&shy;sche Geo&shy;me&shy;trie].</ref> Ausge&shy;hend von einer Menge grundle&shy;gender Postu&shy;late (sog. ‘Axi&shy;ome’) können in diesem System Schluss&shy;folge&shy;rungen gezo&shy;gen werden, um formal (d.h. nur mittels logi&shy;scher Deduk&shy;tion) Theore&shy;me über geo&shy;metri&shy;sche Objek&shy;te und deren Eigen&shy;schaften und Rela&shy;tionen zu bewei&shy;sen. Die Diskus&shy;sion dieses Ansat&shy;zes insbe&shy;sonde&shy;re über die Unab&shy;hängig&shy;keit der fünf Grund&shy;postu&shy;late hat tatsäch&shy;lich in der Folge zu verschie&shy;denen Vari&shy;anten solcher geo&shy;metri&shy;scher Kalkü&shy;le geführt, die den Bereich der ''synthe&shy;tischen Geo&shy;metrie'' bilden.<ref>Vgl. [http://de.wikipedia.org/wiki/Synthetische_Geometrie Wi&shy;ki&shy;pe&shy;dia: Syn&shy;the&shy;ti&shy;sche Geo&shy;me&shy;trie]. Vor allem das “fünfte Axiom”, wie es meist genannt wird, das sich mit dem Begriff der Paral&shy;leli&shy;tät befasst, erwies sich als sehr fruchtbar, obwohl die klassi&shy;schen Nicht-Eukli&shy;dischen Kalkü&shy;le, die daraus entstan&shy;den, in der Regel für Bild&shy;syntax wenig rele&shy;vant sind; vgl. [http://de.wikipedia.org/wiki/Parallelenaxiom Wi&shy;ki&shy;pe&shy;dia: Pa&shy;ral&shy;le&shy;len&shy;axi&shy;om].</ref>   
 
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Im 16. Jhd. entwickelte Descartes (<bib id='Descartes 1637a'></bib>) einen alternativen, auf algebraischen Formeln beruhenden Formalismus – Orte werden durch Zahlen beschrieben, die deren Entfernungen zu einem ''Ursprungs&shy;punkt'' relativ zu Koordinaten&shy;achsen enkodieren (''kartesische Koordinaten''). Von dieser ''analytischen Geometrie'', die letztlich zu den heute zumindest im technischen Bereich meist verwendeten Vektor&shy;kalkülen des Raumes geführt hat, konnte formal bewiesen werden (<bib id='Hilbert 1899a'></bib>), dass sie vollkommen äquivalent zu Euklids Kalkül ist.<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Analytische_Geometrie Wikipedia: Analytische Geometrie].</ref>
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Im 17. Jhd. entwickelte Descartes (<bib id='Descartes 1637a'>Des&shy;cartes 1637a</bib>) einen alter&shy;nati&shy;ven, auf alge&shy;braischen Formeln beru&shy;henden Forma&shy;lismus – Orte werden durch Zahlen beschrie&shy;ben, die deren Entfer&shy;nungen zu einem ''Ursprungs&shy;punkt'' rela&shy;tiv zu Koordi&shy;naten&shy;achsen enko&shy;dieren (''karte&shy;sische Koordi&shy;naten''). Von dieser ''ana&shy;lyti&shy;schen Geo&shy;metrie'', die letztlich zu den heute zumin&shy;dest im techni&shy;schen Bereich meist verwen&shy;deten Vektor&shy;kalkü&shy;len des Raumes geführt hat, konnte formal bewie&shy;sen werden (<bib id='Hilbert 1899a'></bib>), dass sie vollkom&shy;men äqui&shy;valent zu Euklids Kalkül ist.<ref>Vgl. auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Analytische_Geometrie Wi&shy;ki&shy;pe&shy;dia: Ana&shy;ly&shy;ti&shy;sche Geo&shy;met&shy;rie].</ref>
 
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Alle geometrischen Objekte werden wesentlich betrachtet als Mengen individueller Orte, genannt ‘Punkte’, die, wie Euklid sich ausdrückte, das sind, „was keine Teile hat“. Punkte können in einer oder mehreren Dimensionen organisiert sein – abhängig von der Menge der unabhängigen (‘orthogonalen’) Koordinatenachsen, die mit den Hauptrichtungen assoziiert sind. Jede Achse organisiert die Punkte zudem gemäß den reellen Zahlen. Daher sind die Euklidischen Punkte notwendig in einem Kontinuum angeordnet. 
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Alle geometrischen Objekte werden wesent&shy;lich betrach&shy;tet als Mengen indi&shy;vidu&shy;eller Orte, genannt ‘Punkte’, die, wie Euklid sich ausdrück&shy;te, das sind, „was keine Teile hat“. Punkte können in einer oder mehre&shy;ren Dimen&shy;sionen orga&shy;nisiert sein – abhän&shy;gig von der Menge der unab&shy;hängi&shy;gen (‘ortho&shy;gona&shy;len’) Koordi&shy;naten&shy;achsen, die mit den Haupt&shy;richtun&shy;gen asso&shy;ziiert sind. Jede Achse orga&shy;nisiert die Punkte zudem gemäß den reellen Zahlen. Daher sind die Eukli&shy;dischen Punkte notwen&shy;dig in einem Konti&shy;nuum ange&shy;ordnet.
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Mit den Regeln des Geometriekalküls werden räumliche ''Homo&shy;genität'' (Invarianz gegenüber Translation des Koordinaten&shy;ursprungs) und ''Iso&shy;tropie'' (Invarianz gegenüber Rotation der Koordinaten&shy;achsen) erreicht, die letztlich die Basis bilden für die [[syntaktische Dichte]] des Bild&shy;raumes. Allerdings führt die übliche euklidische Formalisierung der Geometrie auch zu der uner&shy;wünschten Folge, dass die grund&shy;legenden Pixeme notwendig unaus&shy;gedehnte Punkte sind – ein hoch&shy;abstrakter, von der Erfahrung weit entfernter Begriff also. Jede ausgedehnte Region – und damit letztlich auch jedes Pixem – muss dann aus einer unendlich großen Menge elementarer geometrischer Objekte bestehen, ganz im Gegensatz zur [[Gestalt]]-Konzeption der (Raum-)Wahrnehmung.
 
 
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Mit den Regeln des Geometriekalküls werden räumli&shy;che ''Homo&shy;geni&shy;tät'' (Inva&shy;rianz gegen&shy;über Transla&shy;tion des Koordi&shy;naten&shy;ursprungs) und ''Iso&shy;tropie'' (Inva&shy;rianz gegen&shy;über Rota&shy;tion der Koordi&shy;naten&shy;achsen) erreicht, die letztlich die Basis bilden für die [[syntaktische Dichte|syntak&shy;tische Dichte]] des Bild&shy;raumes. Aller&shy;dings führt die übli&shy;che eukli&shy;dische Forma&shy;lisie&shy;rung der Geo&shy;metrie auch zu der uner&shy;wünschten Folge, dass die grund&shy;legen&shy;den Pixe&shy;me notwen&shy;dig unaus&shy;gedehn&shy;te Punkte sind – ein hoch&shy;abstrak&shy;ter, von der Erfah&shy;rung weit entfern&shy;ter Begriff also. Jede ausge&shy;dehnte Region – und damit letztlich auch jedes Pixem – muss dann aus einer unend&shy;lich großen Menge ele&shy;menta&shy;rer geo&shy;metri&shy;scher Objek&shy;te beste&shy;hen, ganz im Gegen&shy;satz zur [[Gestalt]]-Konzep&shy;tion der (Raum-)Wahrneh&shy;mung.
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===Mereogeometrische Kalküle===
 
===Mereogeometrische Kalküle===
  
Einige Nichtstandard-Kalküle des Raumes liefern einen inte&shy;ressanten Ausweg aus diesem Dilemma: Mereogeometrien sind das Ergebnis eines formalen Ansatzes zur Geometrie, die im Wesentlichen im 20. Jhd. entwickelt wurden, und die versuchen, den fundamentalen kognitiven Prinzipien gerecht zu werden. Wenn ein Punkt, wie Euklid dachte, das sein soll, „was keine Teile hat“, dann sollten Teil-Ganzes-Beziehungen offensichtlich als zentrale Elemente der Geometrie betrachtet werden. Zumindest für eine Begründung des Bild&shy;raumes wären zudem geo&shy;metrische Entitäten ''mit'' Teilen die natürlicheren Kandidaten für die logischen Grund&shy;bau&shy;steine geo&shy;metrischer Kalküle.
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Einige Nichtstandard-Kalküle des Raumes liefern einen inte&shy;ressan&shy;ten Ausweg aus diesem Dilem&shy;ma: Mereo&shy;geome&shy;trien sind das Ergeb&shy;nis eines forma&shy;len Ansat&shy;zes zur Geo&shy;metrie, die im Wesent&shy;lichen im 20. Jhd. entwi&shy;ckelt wurden, und die versu&shy;chen, den funda&shy;menta&shy;len kogni&shy;tiven Prinzi&shy;pien gerecht zu werden. Wenn ein Punkt, wie Euklid dachte, das sein soll, „was keine Teile hat“, dann sollten Teil-Ganzes-Bezie&shy;hungen offen&shy;sichtlich als zentra&shy;le Ele&shy;mente der Geo&shy;metrie betrach&shy;tet werden. Zumin&shy;dest für eine Begrün&shy;dung des Bild&shy;raumes wären zudem geo&shy;metri&shy;sche Enti&shy;täten ''mit'' Teilen die natür&shy;liche&shy;ren Kandi&shy;daten für die logi&shy;schen Grund&shy;bau&shy;steine geo&shy;metri&shy;scher Kalkü&shy;le.
 
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Im Gegensatz zu den Geometriekalkülen im Stile Euklids ist die Familie der mereo&shy;geometrischen Kalküle auf dem Begriff einer Region aufgebaut, einer ''ausgedehnten'' Einheit, die unterscheidbare echte Teile haben mag oder auch nicht. Diese Regionen werden in der Mereo&shy;geometrie oft auch ‘Individuen’ genannt, da sie als unhinter&shy;gehbare Grund&shy;elemente des Kalküls gelten.<ref>Mereogeometrische Regionen können als für den mereo&shy;geometrischen Kalkül unteilbar (‘in-dividuum’) gelten, obwohl sie in Teil-Ganzes-Beziehungen eingehen und daher andere Regionen als Teile haben können, weil ihre Eigen&shy;schaften nicht auf die Kompo&shy;sition aus zugrunde liegenden Elementen zurückgeführt wird.</ref> Sie haben keine unmittelbaren Form- oder Positions&shy;eigenschaften:<ref> Ausnahmen belegen hier die Regel: In einigen Varianten werden etwa nur kreisförmige Regionen betrachtet (<bib id='Tarski 1929a'></bib>).</ref> Lediglich die Beziehungen zu anderen Individuen, die insbesondere ihre Teile sein können oder von denen sie ein Teil sind, bestimmen Form, Ausdehnung und relative Lage: Die Form etwa ist determiniert durch die Relationen zwischen den Teil&shy;regionen eines Gebiets.  
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Im Gegensatz zu den Geometriekal&shy;külen im Stile Euklids ist die Fami&shy;lie der mereo&shy;geome&shy;trischen Kalkü&shy;le auf dem Begriff einer Region aufge&shy;baut, einer ''ausge&shy;dehnten'' Einheit, die unter&shy;scheidba&shy;re echte Teile haben mag oder auch nicht. Diese Regi&shy;onen werden in der Mereo&shy;geome&shy;trie oft auch ‘Indi&shy;viduen’ genannt, da sie als un&shy;hinter&shy;gehba&shy;re Grund&shy;ele&shy;mente des Kalküls gelten.<ref>Me&shy;reo&shy;geo&shy;me&shy;tri&shy;sche Re&shy;gi&shy;o&shy;nen kön&shy;nen als für den me&shy;reo&shy;geo&shy;met&shy;ri&shy;schen Kal&shy;kül un&shy;teil&shy;bar (‘in-di&shy;vi&shy;du&shy;um’) gel&shy;ten, ob&shy;wohl sie in Teil-Gan&shy;zes-Be&shy;zie&shy;hun&shy;gen ein&shy;ge&shy;hen und da&shy;her an&shy;de&shy;re Re&shy;gi&shy;o&shy;nen als Tei&shy;le ha&shy;ben kön&shy;nen, weil ih&shy;re Ei&shy;gen&shy;schaf&shy;ten nicht auf die Kom&shy;po&shy;si&shy;ti&shy;on aus zu&shy;grun&shy;de lie&shy;gen&shy;den Ele&shy;men&shy;ten zu&shy;rück&shy;ge&shy;führt wird.</ref> Sie haben keine unmit&shy;telba&shy;ren Form- oder Posi&shy;tions&shy;eigen&shy;schaften:<ref> Aus&shy;nah&shy;men be&shy;le&shy;gen hier die Re&shy;gel: In ei&shy;ni&shy;gen Va&shy;ri&shy;an&shy;ten wer&shy;den et&shy;wa nur kreis&shy;för&shy;mi&shy;ge Re&shy;gi&shy;o&shy;nen be&shy;trach&shy;tet (<bib id='Tarski 1929a'>Tars&shy;ki 1929a</bib>).</ref> Ledig&shy;lich die Bezie&shy;hungen zu ande&shy;ren Indi&shy;viduen, die insbe&shy;sonde&shy;re ihre Teile sein können oder von denen sie ein Teil sind, bestim&shy;men Form, Ausdeh&shy;nung und rela&shy;tive Lage: Die Form etwa ist deter&shy;miniert durch die Rela&shy;tionen zwischen den Teil&shy;regi&shy;onen eines Gebiets.  
 
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Während in Euklidischen Geometrien zunächst die unendlich große Menge des Kontinuums von Ko&shy;ordinaten eingeführt wird, die die potentiellen Punkte bestimmen, von denen einige dann als relevant ausge&shy;wählt werden (in aller Regel sind das für praktische bedeutsame Fälle immer noch unendlich viele), beginnen mereo&shy;geometrische Kalküle mit einer (für gewöhnlich endlichen) Anzahl relevanter Regionen (‘Individuen’).<ref>Ein ausführlicheres Beispiel eines mereogeometrischen Kalküls findet sich in [[Exkurs:Mereogeometrien]].</ref> Ein solches Individuum kann man sich – den wahrnehmungs&shy;psychologischen Prinzipien der Gestalt&shy;schule folgend – sehr wohl auch als eine visuelle [[Gestalt]] vorstellen: Man muss zunächst das wahr&shy;genommene Ganze betrachten und sollte die Begriffe der perzeptuellen “Atome” erst danach als Instrumente zum Erklären der Gestalten einführen, nicht umgekehrt. Schließlich sehen Menschen – und das gilt ins&shy;besondere auch für die [[Bildwahrnehmung]] – keine unendlich großen Mengen null-dimensionaler Punkte, sondern ausge&shy;dehnte Gestalten. Der abstrakte Begriff einer räumlichen Einheit ohne Ausdehnung ist sekundär und zu dem Zweck konstruiert, einige Aspekte des Erfahrungs&shy;raums zu erläutern, während er an anderer Stelle zu ernst&shy;haften Problemen führt.
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Während in Euklidischen Geometrien zunächst die unend&shy;lich große Menge des Konti&shy;nuums von Ko&shy;ordi&shy;naten einge&shy;führt wird, die die poten&shy;tiellen Punkte bestim&shy;men, von denen eini&shy;ge dann als rele&shy;vant ausge&shy;wählt werden (in aller Regel sind das für praktisch bedeut&shy;same Fälle immer noch unend&shy;lich viele), begin&shy;nen mereo&shy;geome&shy;trische Kalkü&shy;le mit einer (für gewöhn&shy;lich endli&shy;chen) Anzahl rele&shy;vanter Regi&shy;onen (‘Indi&shy;viduen’).<ref>Ein aus&shy;führ&shy;li&shy;che&shy;res Bei&shy;spiel ei&shy;nes me&shy;reo&shy;geo&shy;me&shy;tri&shy;schen Kal&shy;küls fin&shy;det sich in [[Exkurs:Mereogeometrien|Ex&shy;kurs: Me&shy;reo&shy;geo&shy;met&shy;rien]].</ref> Ein solches Indi&shy;viduum kann man sich – den wahr&shy;nehmungs&shy;psycho&shy;logi&shy;schen Prinzi&shy;pien der Gestalt&shy;schule folgend – sehr wohl auch als eine visu&shy;elle [[Gestalt]] vorstel&shy;len: Man muss zunächst das wahr&shy;genom&shy;mene Ganze betrach&shy;ten und sollte die Begrif&shy;fe der perzep&shy;tuellen “Ato&shy;me” erst danach als Instru&shy;mente zum Erklä&shy;ren der Gestal&shy;ten einfü&shy;hren, nicht umge&shy;kehrt. Schließlich sehen Menschen – und das gilt ins&shy;beson&shy;dere auch für die [[Bildwahrnehmung|Bildwahr&shy;nehmung]] – keine unend&shy;lich großen Mengen null-dimen&shy;siona&shy;ler Punkte, sondern ausge&shy;dehnte Gestal&shy;ten. Der abstrak&shy;te Begriff einer räumli&shy;chen Einheit ohne Ausdeh&shy;nung ist sekun&shy;där und zu dem Zweck konstru&shy;iert, eini&shy;ge Aspek&shy;te des Er&shy;fahrungs&shy;raums zu erläu&shy;tern, während er an ande&shy;rer Stelle zu ernst&shy;haften Proble&shy;men führt.
 
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Da Raum traditionell durch Punkt-basierte Geometrie&shy;kalküle be&shy;griffen wurde, ist immerhin zu bemerken, dass die Eigen&shy;schaften des Euklidischen Raumes (d.h. des durch Euklidische Kalküle beschriebenen Raum&shy;konzepts) im Großen und Ganzen durchaus zu unseren allgemeinen Vor&shy;stellungen von Raum passen. Daher sollte es auch nicht überraschen, dass die meisten mereo&shy;geometrischen Kalküle zu Systemen führen, die dem Euklidischen Raum äquivalent sind (vgl. <bib id='Borgo & Masolo 2010a'></bib>). Diese Tatsache verdeutlicht, dass unsere Kognitionen von Raum ziemlich stabil und praktisch sind und nicht von der Wahl der geometrischen Primitive abhängt. Tatsächlich geht es auch nicht darum, lediglich die Eigen&shy;arten des Alltags&shy;begriffs von Raum abzudecken. Die Pointe liegt vielmehr darin zu erläutern, wie wir diesen spezifischen Begriff von Raum kognitiv erreichen. Die primäre Frage, die Mereo&shy;geometrien aus dieser Perspektive zu beantworten suchen, ist daher, welche Primitive auf ausge&shy;dehnte Objekte anwendbar sind, die ausdrucks&shy;stark genug sind, den Alltags&shy;begriff von Raum zu entfalten.
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Da Raum traditionell durch Punkt-basier&shy;te Geo&shy;metrie&shy;kalkü&shy;le be&shy;griffen wurde, ist immer&shy;hin zu bemer&shy;ken, dass die Eigen&shy;schaften des Eukli&shy;dischen Raumes (d.h. des durch Eukli&shy;dische Kalkü&shy;le beschrie&shy;benen Raum&shy;konzepts) im Großen und Ganzen durchaus zu unse&shy;ren allge&shy;meinen Vor&shy;stellun&shy;gen von Raum passen. Daher sollte es auch nicht über&shy;raschen, dass die meisten mereo&shy;geomet&shy;rischen Kalkü&shy;le zu Syste&shy;men führen, die dem Eukli&shy;dischen Raum äqui&shy;valent sind (vgl. <bib id='Borgo & Masolo 2010a'>Borgo & Maso&shy;lo 2010a</bib>). Diese Tatsa&shy;che verdeut&shy;licht, dass unse&shy;re Kogni&shy;tionen von Raum ziemlich stabil und praktisch sind und nicht von der Wahl der geome&shy;trischen Primi&shy;tive abhän&shy;gen. Tatsäch&shy;lich geht es auch nicht darum, ledig&shy;lich die Eigen&shy;arten des Alltags&shy;begriffs von Raum abzu&shy;decken. Die Pointe liegt vielmehr darin zu erläu&shy;tern, wie wir diesen spezi&shy;fischen Begriff von Raum kogni&shy;tiv errei&shy;chen. Die primä&shy;re Frage, die Mereo&shy;geome&shy;trien aus dieser Perspek&shy;tive zu beant&shy;worten suchen, ist daher, welche Primi&shy;tive auf ausge&shy;dehnte Objek&shy;te anwend&shy;bar sind, die ausdrucks&shy;stark genug sind, den Alltags&shy;begriff von Raum zu entfal&shy;ten.
  
  
==Geometriekalküle und bild&shy;morpho&shy;logische Strukturen==
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==Geometriekalküle und bild&shy;morpho&shy;logi&shy;sche Struktu&shy;ren==
  
Die Forschung zu mereo&shy;geometrischen Kalkülen stützt in der Tat einen irritierenden bild&shy;morphologischen Befund: das Fehlen von Ein&shy;schränkungen für die Wahl der morphologischen Primitive. In beiden Bereichen kommt man leicht zu äquivalenten Formalismen obwohl man von ganz unter&shy;schiedlichen Voraus&shy;setzungen ausge&shy;gangen ist. Daher darf die Wahl der Primitive nicht nur von rein formalen Eigenschaften abhängen, sondern muss von Argumenten und Beobach&shy;tungen aus anderen, insbesondere kogni&shy;tiven, evoluti&shy;onären, mentalen und wahr&shy;nehmungs&shy;psycho&shy;logischen Per&shy;spek&shy;tiven unter&shy;stützt werden. Die Entwicklung der geo&shy;metrischen Kalküle bis hin zu den Mereo&shy;geo&shy;metrien führt zu geo&shy;metrischen Ansätzen, die, indem sie unter&shy;schiedliche Primitive ausnutzen, ganz zwanglos verschiedene formale Systeme mit äquivalenter Ausdrucks&shy;stärke hervorbringen. Einerseits führt die Suche nach der Grund&shy;legung von Pixemen (als Primitive wie als Prototypen) direkt zu einer Debatte, die der Diskussion der fundamentalen geo&shy;metrischen Entitäten entspricht. Andererseits legt der Wunsch, mit einem Computer&shy;programm komplexe Bilder zu erzeugen oder zu verstehen, (zumindest in der Theorie) die Existenz einer begrenzten Zahl von Basis&shy;pixemen nahe, die in einem formalen Kalkül bei beschränkter Komplexität beliebig kombi&shy;nierbar sein sollen (⊳  [[Bildverarbeitung, digitale|Bild&shy;verar&shy;beitung, digitale]]).<ref>Natürlich umfasst die [[Bildmorphologie|Bild&shy;morpho&shy;logie]] wesent&shy;lich mehr als diese Frage; vgl. insbe&shy;sondere <bib id='Goodman 1968a'></bib>.</ref>
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Die Forschung zu mereo&shy;geomet&shy;rischen Kalkü&shy;len stützt in der Tat einen irri&shy;tieren&shy;den bild&shy;morpho&shy;logi&shy;schen Befund: das Fehlen von Ein&shy;schränkun&shy;gen für die Wahl der morpho&shy;logi&shy;schen Primi&shy;tive. In beiden Berei&shy;chen (Mereo&shy;geome&shy;trie und Bildmor&shy;pholo&shy;gie) kommt man leicht zu äqui&shy;valen&shy;ten Forma&shy;lismen, obwohl man von ganz unter&shy;schiedli&shy;chen Voraus&shy;setzun&shy;gen ausge&shy;gangen ist. Daher darf die Wahl der Primi&shy;tive nicht nur von rein forma&shy;len Eigen&shy;schaften abhän&shy;gen, sondern muss von Argu&shy;menten und Beobach&shy;tungen aus ande&shy;ren, insbe&shy;sonde&shy;re kogni&shy;tiven, evo&shy;luti&shy;onä&shy;ren, menta&shy;len und wahr&shy;nehmungs&shy;psycho&shy;logi&shy;schen Per&shy;spek&shy;tiven unter&shy;stützt werden. Die Entwick&shy;lung der geo&shy;metri&shy;schen Kalkü&shy;le bis hin zu den Mereo&shy;geo&shy;metrien führt zu geo&shy;metri&shy;schen Ansät&shy;zen, die, indem sie unter&shy;schiedli&shy;che Primi&shy;tive ausnut&shy;zen, ganz zwanglos verschie&shy;dene forma&shy;le Syste&shy;me mit äqui&shy;valen&shy;ter Ausdrucks&shy;stärke hervor&shy;bringen. Einer&shy;seits führt die Suche nach der Grund&shy;legung von Pixe&shy;men (als Primi&shy;tive wie als Proto&shy;typen) direkt zu einer Debat&shy;te, die der Diskus&shy;sion über die funda&shy;menta&shy;len geo&shy;metri&shy;schen Enti&shy;täten entspricht. Ande&shy;rerseits legt der Wunsch, mit einem Com&shy;puter&shy;programm komple&shy;xe Bilder zu erzeu&shy;gen oder zu verste&shy;hen, (zumindest in der Theorie) die Exis&shy;tenz einer begrenz&shy;ten Zahl von Basis&shy;pixe&shy;men nahe, die in einem forma&shy;len Kalkül bei beschränk&shy;ter Komple&shy;xität belie&shy;big kombi&shy;nierbar sein sollen (⊳  [[Bildverarbeitung, digitale|Bild&shy;verar&shy;beitung, digi&shy;tale]]).<ref>Na&shy;tür&shy;lich um&shy;fasst die [[Bildmorphologie|Bild&shy;mor&shy;pho&shy;lo&shy;gie]] we&shy;sent&shy;lich mehr als die&shy;se Frage; vgl. ins&shy;be&shy;son&shy;de&shy;re <bib id='Goodman 1968a'>Good&shy;man 1968a</bib>.</ref>
  
===Pixeme als geometrische Entitäten===  
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===Pixeme als geometrische Enti&shy;täten===  
Im Kontext der morphologischen Struktur von Bildern beschreibt der geometrische Kalkül, wie wir (rational) über die Basisstruktur der Bildebene und den darin enthaltenen Pixemen reden. Eine Basisstruktur, die den Regeln, wie sie vom Kalkül vorgeschrieben sind, nicht erfüllt, führt zu [[syntaktisch unkorrekte Bilder|syntaktisch unkorrekten Bildern]]. Mit einem punkt-basierten Kalkül werden Pixeme verstanden als (unendliche) Mengen von Punkten, die durch [[Gestalt]]-orga&shy;nisie&shy;rende Prozesse auf den visuellen Marker&shy;werten (⊳ [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farbe als bild&shy;syntak&shy;tische Kategorie]]) bestimmt sind. Die unendlich vielen Punkte, die jedes Pixem enthält, sind letztlich Orte, die lediglich ''potentiell'' von Interesse sein könnten: Sie mögen morphologisch relevant werden, wenn man den gerade betrachteten Bild&shy;träger mit einem anderen Bild&shy;träger vergleicht. Entsprechend kommt in Euklidischen Kalkülen ein Begriff der [[Auflösung]] nicht vor: Der hypothetische Auflösungs&shy;faktor ist hier immer unendlich entsprechend einer Gottes&shy;perspektive auf Raum.   
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Im Kontext der morphologischen Struktur von Bildern beschreibt der geo&shy;metri&shy;sche Kalkül, wie wir (rati&shy;onal) über die Basis&shy;struktur der Bild&shy;ebene und den darin enthal&shy;tenen Pixe&shy;men reden. Eine Basis&shy;struktur, die den Regeln, wie sie vom Kalkül vorge&shy;schrieben sind, nicht erfüllt, führt zu [[syntaktisch unkorrekte Bilder|syntak&shy;tisch unkor&shy;rekten Bildern]]. Mit einem punkt-basier&shy;ten Kalkül werden Pixe&shy;me verstan&shy;den als (unend&shy;liche) Mengen von Punkten, die durch [[Gestalt]]-orga&shy;nisie&shy;rende Prozes&shy;se auf den visu&shy;ellen Marker&shy;werten (⊳ [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farbe als bild&shy;syntak&shy;tische Kate&shy;gorie]]) bestimmt sind. Die unend&shy;lich vielen Punkte, die jedes Pixem enthält, sind letzt&shy;lich Orte, die ledig&shy;lich ''poten&shy;tiell'' von Interes&shy;se sein könnten: Sie mögen morpho&shy;logisch rele&shy;vant werden, wenn man den gera&shy;de betrach&shy;teten Bild&shy;träger mit einem ande&shy;ren Bild&shy;träger vergleicht. Entspre&shy;chend kommt in Eukli&shy;dischen Kalkü&shy;len ein Begriff der [[Auflösung|Auflö&shy;sung]] nicht vor: Der hypo&shy;theti&shy;sche Auf&shy;lösungs&shy;faktor ist hier immer unend&shy;lich entspre&shy;chend einer Gottes&shy;perspek&shy;tive auf Raum.   
 
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Bei einem mereo&shy;geometrischen Kalkül sind Pixeme “Individuen”, also primitive Entitäten des Kalküls. Wenn wir davon ausgehen, dass die Gestalt-Prinzipien, die visuelles Wahrnehmen organisieren, genau solche Regionen bestimmen, die syntaktisch relevant sind, können diese Pixeme also ganz zwanglos als etwas in der Wahrnehmung Gegebenes aufgefasst werden. Es besteht keine Not&shy;wendigkeit, weitere Punkte zu betrachten.  
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Bei einem mereo&shy;geometri&shy;schen Kalkül sind Pixe&shy;me “Indi&shy;viduen”, also primi&shy;tive Enti&shy;täten des Kalküls. Wenn wir davon ausge&shy;hen, dass die Gestalt-Prinzi&shy;pien, die visu&shy;elles Wahrneh&shy;men orga&shy;nisie&shy;ren, genau solche Regi&shy;onen bestim&shy;men, die syntak&shy;tisch rele&shy;vant sind, können diese Pixe&shy;me also ganz zwang&shy;los als etwas in der Wahrneh&shy;mung Gege&shy;benes aufge&shy;fasst werden. Es besteht keine Not&shy;wendig&shy;keit, weite&shy;re Punkte zu betrach&shy;ten.  
  
===Punkte, Auflösung und Mikroskopierung===
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===Punkte, Auflösung und Mikros&shy;kopie&shy;rung===
  
Während Mereogeometrien mit reinem Raum beschäftigt sind, muss Bild&shy;morpho&shy;logie weitere Faktoren berücksichtigen, wie »Granu&shy;larität« (welche sehr grund&shy;legende Eigen&shy;schaften, wie Kontakt zwischen Entitäten, und damit die Topo&shy;logie an sich, beeinflusst). In der Tat kann in der Mereo&shy;geometrie der Begriff einer ''kleinsten'' Region durchaus eingeführt werden: Sie werden in den Kalkülen für gewöhnlich ‘Punkte’ genannt, könnten aber ebenso gut als ‘Pixel’ bezeichnet werden. Ein solcher Punkt, der sich offensichtlich deutlich vom Euklidischen Punkt&shy;begriff unter&shy;scheidet, ist im wesentlichen definiert über eine Region, die keine echte Teil&shy;region im Kalkül aufweist (d.h.: es werden keine solchen Teile betrachtet!).<ref> Der mereo&shy;geo&shy;metrische Punkt ist in der Regel  nicht identisch mit der minimalen Region selbst, sondern wird als Klasse über alle Individuen/Regionen definiert, an denen er Teil hat.</ref> Wenn der Begriff »Punkt« auf mereo&shy;geo&shy;metrische Weise eingeführt wird, ist es bei der Betrachtung eines konkreten Falles – bei Betrachtung eines endlichen Raum&shy;bereichs – nicht not&shy;wendig, unendlich viele solcher Punkt-Regionen zu berück&shy;sichtigen. Lediglich “relevante” Punkte müssen instantiiert werden. Das bedeutet zugleich, dass ein solcher Kalkül den Raum stets mit endlicher Auf&shy;lösung erfasst. Allerdings haben N. Asher & L. Vieu (<bib id='Asher & Vieu 1995a'></bib>) durch eine modale Erweiterung ihres mereo&shy;geo&shy;metrischen Kalküls einen ‘Mikroskopierung’ genannten formalen Mecha&shy;nismus vorge&shy;schlagen, der eine Art ''Zooming''-Operation darstellt: Was auf einer Betrachtungs&shy;ebene ein Punkt ist, kann dann auf einer anderen, mikrosko&shy;pierten Betrachtungs&shy;ebene eine zusammen&shy;gesetzte Region sein, die aus mehreren (relevanten) Punkten besteht.
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Während Mereogeomet&shy;rien mit reinem Raum beschäf&shy;tigt sind, muss Bild&shy;morpho&shy;logie weite&shy;re Fakto&shy;ren berück&shy;sichti&shy;gen, wie »Granu&shy;lari&shy;tät« (welche sehr grund&shy;legen&shy;de Eigen&shy;schaften, wie Kontakt zwischen Enti&shy;täten, und damit die Topo&shy;logie an sich, beein&shy;flusst). In der Tat kann in der Mereo&shy;geome&shy;trie der Begriff einer ''kleinsten'' Region durchaus einge&shy;führt werden: Sie werden in den Kalkü&shy;len für gewöhn&shy;lich ‘Punkte’ genannt, könnten aber ebenso gut als ‘Pixel’ bezeich&shy;net werden. Ein solcher Punkt, der sich offen&shy;sichtlich deutlich vom Eukli&shy;dischen Punkt&shy;begriff unter&shy;scheidet, ist im wesent&shy;lichen defi&shy;niert über eine Region, die keine echte Teil&shy;region im Kalkül aufweist (d.h.: es werden keine solchen Teile betrach&shy;tet!).<ref> Der me&shy;reo&shy;geo&shy;met&shy;ri&shy;sche Punkt ist in der Re&shy;gel nicht iden&shy;tisch mit der mi&shy;ni&shy;ma&shy;len Re&shy;gi&shy;on selbst, son&shy;dern wird als Klas&shy;se über al&shy;le In&shy;di&shy;vi&shy;du&shy;en/Re&shy;gi&shy;o&shy;nen de&shy;fi&shy;niert, an de&shy;nen er Teil hat.</ref> Wenn der Begriff »Punkt« auf mereo&shy;geo&shy;metri&shy;sche Weise einge&shy;führt wird, ist es bei der Betrach&shy;tung eines konkre&shy;ten Falles – bei Betrach&shy;tung eines endli&shy;chen Raum&shy;bereichs – nicht not&shy;wendig, ''unend&shy;lich'' viele solcher Punkt-Regi&shy;onen zu berück&shy;sichti&shy;gen. Ledig&shy;lich “rele&shy;vante” Punkte müssen instan&shy;tiiert werden. Das bedeu&shy;tet zugleich, dass ein solcher Kalkül den Raum stets mit endli&shy;cher Auf&shy;lösung erfasst. Aller&shy;dings haben N. Asher & L. Vieu (<bib id='Asher & Vieu 1995a'></bib>) durch eine moda&shy;le Erwei&shy;terung ihres mereo&shy;geo&shy;metri&shy;schen Kalküls einen ‘Mikro&shy;skopie&shy;rung’ genann&shy;ten forma&shy;len Mecha&shy;nismus vorge&shy;schlagen, der eine Art ''Zooming''-Ope&shy;ration darstellt: Was auf einer Be&shy;trachtungs&shy;ebene ein Punkt ist, kann dann auf einer ande&shy;ren, mikro&shy;sko&shy;pierten Betrach&shy;tungs&shy;ebene eine zu&shy;sammen&shy;gesetz&shy;te Region sein, die aus mehre&shy;ren (rele&shy;vanten) Punkten besteht.
  
===Die leere Bildfläche und Maximal&shy;pixeme===
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===Die leere Bildfläche und Maximal&shy;pixe&shy;me===
  
Im Gegensatz zu den Räumen der Standard&shy;geometrien ist der Bild&shy;raum stets nach außen beschränkt: Die Bild&shy;ebene besteht aus einem einzigen Maximal&shy;pixem, das kein Teil eines anderen Pixems des Bildes ist – Fernande Saint-Martin verwendet hierfür den Ausdruck ‘basic picture plane’ (<bib id='Saint-Martin 1987a'></bib>).<ref>Natürlich wird dieses Maximal&shy;pixem trotzdem immer auch als Teil seiner jeweiligen räumlichen Umgebung seines [[Kontext]]s – wahr&shy;genommen.</ref> Die für mereo&shy;geo&shy;metrische Kalküle zentrale Unter&shy;scheidung des abge&shy;schlossenen, d.h. seine Grenze mit umfassenden Individuums gegenüber dem Teil&shy;individuum, das dem Ersteren ganz entspricht ohne aber die Grenze selbst zu beinhalten, liefert einen unmittel&shy;baren Ansatz für die Unter&shy;scheidung des Rahmens vom eigent&shy;lichen Bild (⊳ [[Rahmung, Rahmen]]).  
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Im Gegensatz zu den Räumen der Standard&shy;geomet&shy;rien ist der Bild&shy;raum stets nach außen beschränkt: Die Bild&shy;ebe&shy;ne besteht aus einem einzi&shy;gen Maxi&shy;mal&shy;pixem, das kein Teil eines ande&shy;ren Pixems des Bildes ist – Fernan&shy;de Saint-Martin verwen&shy;det hierfür den Ausdruck ‘basic pic&shy;ture plane’ (<bib id='Saint-Martin 1987a'></bib>).<ref>Na&shy;tür&shy;lich wird die&shy;ses Ma&shy;xi&shy;mal&shy;pi&shy;xem trotz&shy;dem im&shy;mer auch als Teil sei&shy;ner je&shy;wei&shy;li&shy;gen räum&shy;li&shy;chen Um&shy;ge&shy;bung sei&shy;nes [[Kontext|Kon&shy;texts]] – wahr&shy;ge&shy;nom&shy;men.</ref> Die für mereo&shy;geo&shy;metri&shy;sche Kalkü&shy;le zentra&shy;le Unter&shy;scheidung des abge&shy;schlosse&shy;nen, d.h. seine Grenze mit umfas&shy;senden Indi&shy;viduums gegen&shy;über dem Teil&shy;indi&shy;viduum, das dem Erste&shy;ren ganz entspricht ohne aber die Grenze selbst zu bein&shy;halten, liefert einen un&shy;mittel&shy;baren Ansatz für die Unter&shy;scheidung des Rahmens vom eigent&shy;lichen Bild (⊳ [[Rahmung, Rahmen]]).  
 
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[[Datei:Energetic-SaintMartin1990.jpg|thumb|Abbildung 1: Recht&shy;eckiges Maximal&shy;pixem mit “energe&shy;tischem Phänomen” nach Saint-Martin]]
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[[Datei:Energetic-SaintMartin1990.jpg|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 1: Recht&shy;ecki&shy;ges Ma&shy;xi&shy;mal&shy;pi&shy;xem mit “ener&shy;ge&shy;ti&shy;schem Phä&shy;no&shy;men” nach Saint-Mar&shy;tin]]
Wird die übliche recht&shy;eckige Grund&shy;form der Bild&shy;fläche ge&shy;wählt, er&shy;geben sich bei mereo&shy;geo&shy;metrischer Be&shy;trach&shy;tung zu&shy;dem ins&shy;beson&shy;dere vier Indi&shy;vi&shy;duen, die als (mereo&shy;geo&shy;metrische) Punkte zu be&shy;trach&shy;ten sind: die vier Ecken. Dabei dürfte die “energetische Auf&shy;ladung” der Eck&shy;regionen, auf die etwa Saint-Martin in ihrer bild&shy;morpho&shy;logischen Ab&shy;hand&shy;lung hin&shy;weist (s. Abb. 1), mit der Kon&shy;struk&shy;tion des Punkt&shy;konzeptes inner&shy;halb der meisten mereo&shy;geo&shy;metrischen Kalküle zusammen&shy;hängen: Im mereo&shy;geo&shy;metrischen Kalkül von Tarski etwa werden Punkte als Klasse aller im Kalkül betrachteten konzentrischen Kreise eingeführt (<bib id='Tarski 1929a'></bib>). Für jede Ecke einer recht&shy;eckigen Bild&shy;fläche müssen in einer Beschreibung also entsprechende Kreis&shy;individuuen instanziiert werden – ihre in der Bild&shy;fläche liegenden Teile entsprechen den Energie&shy;linien Saint-Martins.
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Wird die üb&shy;li&shy;che recht&shy;ecki&shy;ge Grund&shy;form der Bild&shy;flä&shy;che ge&shy;wählt, er&shy;ge&shy;ben sich bei me&shy;reo&shy;geo&shy;met&shy;ri&shy;scher Be&shy;trach&shy;tung zu&shy;dem ins&shy;be&shy;son&shy;de&shy;re vier In&shy;di&shy;vi&shy;du&shy;en, die als (me&shy;reo&shy;geo&shy;met&shy;ri&shy;sche) Punk&shy;te zu be&shy;trach&shy;ten sind: die vier Ecken. Da&shy;bei dürf&shy;te die “ener&shy;ge&shy;ti&shy;sche Auf&shy;la&shy;dung” der Eck&shy;re&shy;gi&shy;o&shy;nen, auf die et&shy;wa Saint-Mar&shy;tin in ih&shy;rer bild&shy;mor&shy;pho&shy;lo&shy;gi&shy;schen Ab&shy;hand&shy;lung hin&shy;weist (s. Abb. 1), mit der Kon&shy;struk&shy;ti&shy;on des Punkt&shy;kon&shy;zep&shy;tes in&shy;ner&shy;halb der meis&shy;ten me&shy;reo&shy;geo&shy;met&shy;ri&shy;schen Kal&shy;kü&shy;le zu&shy;sam&shy;men&shy;hän&shy;gen: Im me&shy;reo&shy;geo&shy;met&shy;ri&shy;schen Kal&shy;kül von Tars&shy;ki et&shy;wa wer&shy;den Punk&shy;te als Klas&shy;se al&shy;ler im Kal&shy;kül be&shy;trach&shy;te&shy;ten kon&shy;zen&shy;tri&shy;schen Krei&shy;se ein&shy;ge&shy;führt (<bib id='Tarski 1929a'></bib>). Für jede Ecke einer recht&shy;ecki&shy;gen Bild&shy;fläche müssen in einer Beschrei&shy;bung also entspre&shy;chende Kreis&shy;indi&shy;viduen instan&shy;ziiert werden – ihre in der Bild&shy;fläche liegen&shy;den Teile entspre&shy;chen den Energie&shy;linien Saint-Martins.
  
  
 
==Weitere Aspekte==
 
==Weitere Aspekte==
  
===Bildsemantische Aspekte der Geometrie===
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===Bildsemantische Aspekte der Geo&shy;metrie===
Die in geometrischen Kalkülen gefassten Raum&shy;konzepte spielen natürlich auch eine wichtige Rolle in der [[Bildsemantik|Bild&shy;semantik]]: Die Pro&shy;jek&shy;tion einer drei&shy;dimen&shy;sionalen Szene auf eine zwei&shy;dimen&shy;sionale Bild&shy;fläche gehorcht Regeln, die sich insbesondere (wenn auch nicht aus&shy;schließlich) aus den Kalkülen der projektiven Geo&shy;metrien ergeben. Auf diese Zusammen&shy;hänge wird im Lemma [[Perspektive und Projektion]] näher eingegangen.
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Die in geometrischen Kalkülen gefassten Raum&shy;konzep&shy;te spielen natür&shy;lich auch eine wichti&shy;ge Rolle in der [[Bildsemantik|Bild&shy;seman&shy;tik]]: Die Pro&shy;jek&shy;tion einer drei&shy;dimen&shy;siona&shy;len Szene auf eine zwei&shy;dimen&shy;siona&shy;le Bild&shy;fläche gehorcht Regeln, die sich insb&shy;esonde&shy;re (wenn auch nicht aus&shy;schließlich) aus den Kalkü&shy;len der projek&shy;tiven Geo&shy;metrien erge&shy;ben. Auf diese Zu&shy;sammen&shy;hänge wird im Lemma [[Perspektive und Projektion|Perspek&shy;tive und Projek&shy;tion]] näher einge&shy;gangen.
  
 
===Zeit als Raum===
 
===Zeit als Raum===
Physikalisch wird auch die zeitliche Erstreckung und Anordnung als weitere (vierte) geo&shy;metrische Dimension gefasst. Dies spielt in der Bild&shy;philosophie entsprechend bei [[Film]], [[Video]], [[Fernsehen]] und anderen Bewegt&shy;bild&shy;formaten eine Rolle. Im strengen physi&shy;kali&shy;schen Sinne wird allerdings die zeitliche “Raum&shy;richtung” von den räumlichen Dimensionen oft dadurch hervorgehoben, dass sie als imaginäre Achse eines vier&shy;dimen&shy;sionalen komplexen Vektor&shy;raumes angesetzt wird, oder umge&shy;kehrt die eigent&shy;lichen Raum&shy;anteile als imaginäre Dimen&shy;sionen die Zeit als einzige reel&shy;wertige Dimen&shy;sion ergänzen (sog. ‘Quarternionen’).<ref>Vgl. [http://de.wikipedia.org/wiki/Quaternionen Wikipedia: Quarterion]. </ref> Auch in der [[Computergraphik|Com&shy;puter&shy;graphik]] werden solche Quarter&shy;nionen zur Berechnung von Trans&shy;formationen von 3D-Modellen verwendet. Insbesondere Drehungen im Raum lassen sich auf diese Weise besonders einfach formal behandeln.
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Physikalisch wird auch die zeitliche Er&shy;streckung und Anord&shy;nung als weite&shy;re (vierte) geo&shy;metri&shy;sche Dimen&shy;sion gefasst. Dies spielt in der Bild&shy;philo&shy;sophie entspre&shy;chend bei [[Film]], [[Video]], [[Fernsehen|Fernse&shy;hen]] und ande&shy;ren Bewegt&shy;bild&shy;forma&shy;ten eine Rolle. Im strengen physi&shy;kali&shy;schen Sinne wird aller&shy;dings die zeitli&shy;che “Raum&shy;richtung” von den räumli&shy;chen Dimen&shy;sionen oft dadurch hervor&shy;geho&shy;ben, dass sie als ima&shy;ginä&shy;re Achse eines vier&shy;dimen&shy;siona&shy;len komple&shy;xen Vektor&shy;raumes ange&shy;setzt wird, oder umge&shy;kehrt die eigent&shy;lichen Raum&shy;antei&shy;le als ima&shy;ginä&shy;re Dimen&shy;sionen die Zeit als einzi&shy;ge reell&shy;werti&shy;ge Dimen&shy;sion ergän&shy;zen (sog. ‘Quater&shy;nionen’).<ref>Vgl. [http://de.wikipedia.org/wiki/Quaternionen Wi&shy;ki&shy;pe&shy;dia: Qua&shy;ter&shy;ni&shy;o&shy;nen]. </ref> Auch in der [[Computergraphik|Com&shy;pu&shy;ter&shy;gra&shy;phik]] werden solche Quater&shy;nionen zur Berech&shy;nung von Trans&shy;forma&shy;tionen von 3D-Model&shy;len verwen&shy;det. Insbe&shy;sonde&shy;re Drehun&shy;gen im Raum lassen sich auf diese Weise beson&shy;ders einfach formal behan&shy;deln.
  
 
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Aktuelle Version vom 18. Juli 2023, 23:29 Uhr

Unterpunkt zu: Bildsyntax

English Version: Space and Geometry


Raum als Grundkategorie der Bild­morpho­logie

Die Menge der syntaktischen Komponenten wahrneh­mungsna­her Zeichen kann im Prinzip in zwei Gruppen aufge­teilt werden: Einer­seits gibt es eine abstrak­te rela­tiona­le Basis­struktur. Sie spannt meist mehre­re koordi­nierte Dimen­sionen auf, in welche die Ele­mente der zweiten Gruppe einge­ordnet werden können. Letzte­re bilden Syste­me perzep­tueller Marker­werte, die es über­haupt erst erlau­ben, die zugrun­de liegen­de Basis­struktur wahrneh­men zu können. In den Worten Kants formt die Basis­struktur eine reine Anschau­ung.[1] Bei Bildern ist die Basis­struktur der zwei­dimen­siona­le Raum, wohin­gegen die Marker­werte im Wesent­lichen aus Farben und Textu­ren beste­hen, die die rein räumli­che Struktur sichtbar machen. Aus diesem Grunde heißt über Bilder zu sprechen auch, über Raum zu sprechen.

Die Regeln, die unser Sprechen über Raum orga­nisie­ren (zumin­dest sofern dieses Sprechen als ratio­nal kontrol­liert verstan­den wird), sind mindes­tens schon seit der neoli­thischen Revo­lution mit der Einfüh­rung von Archi­tektur, Acker­bau und den dazu benö­tigten auf­einan­der abge­stimmten räumli­chen Akti­vitä­ten im Fokus der Aufmerk­samkeit. Heute beeinflus­sen vor allem die Kalkü­lisie­rung der Geo­metrie im anti­ken Griechen­land und ihre alge­braische Refor­mulie­rung im 16. Jhd. die Konzep­tion des reinen Raums, der auch der Bild­syntax zugrun­de liegt.[2]


Geometrische Kalküle als Forma­lisie­rung von Raum

Ein geometrischer Kalkül ist im Grunde genom­men eine Menge von Regeln, die zu­aller­erst die Möglich­keiten festle­gen, über soge­nannte geo­metri­sche Enti­täten ganz im Abstrak­ten – d.h. ohne Bezug auf Konkre­ta mit kontin­genten nicht-geo­metri­schen Eigen­heiten – zu reden. Diese Regeln bilden die begriff­lichen Bestim­mungen einer Menge räumli­cher Begrif­fe. Die Begrif­fe für ele­menta­re geo­metri­sche Enti­täten werden im Wesent­lichen durch die Rela­tionen bestimmt, in die sie mit­einan­der eintre­ten können. Diese werden übli­cherwei­se unter­teilt in Bezie­hungen von Kontakt und Nachbar­schaft (topo­logi­sche Rela­tionen),[3] Bezie­hungen, die Abstand und Ausdeh­nung betref­fen (metri­sche Rela­tionen)[4] und Bezie­hungen hinsicht­lich Richtung und Orien­tierung (direk­tiona­le oder projek­tive Rela­tionen).[5]

Über geometrische Begriffe zu verfü­gen hat vor allem drei Auswir­kungen:

  • Der ontologische Aspekt der Regeln zeigt sich darin, dass sie uns erlau­ben, etwas als räumlich zu beschrei­ben.[6] Etwas als Instanz eines solchen Begriffs zu verste­hen, d.h. als eine geo­metri­sche Enti­tät, bedeu­tet, es als ein rein räumli­ches Etwas zu begrei­fen – unab­hängig von allen ande­ren Charak­teri­sierun­gen, die eben­falls zutref­fen mögen (z.B. farbig zu sein, schwer zu sein).[7] Kurz gesagt: Die Welt erscheint räumlich orga­nisiert, wenn wir ihre Teile mithil­fe geo­metri­scher Begrif­fe unter­scheiden.
  • Der epistemologische Aspekt beinhal­tet (u.a.), dass die Gestal­ten, die in Beschrei­bungen visu­ellen Wahrneh­mens vorkom­men, als geo­metri­sche (und daher: räumli­che) Enti­täten verstan­den werden können. Das heißt, der Kalkül forma­lisiert einen abstrak­ten Teil unse­res Verständ­nisses von der visu­ellen Wahr­nehmung (auch ⊳ Gegen­stand der visu­ellen Wahr­nehmung): Kurz gesagt: Wir sehen die Welt als räumlich orga­nisiert.
  • Der argumentative Aspekt bedeutet schließ­lich, dass die Regeln des Kalküls ange­ben, wie eine gege­bene Beschrei­bung räumli­cher Gegen­stände umge­formt werden kann, ohne die Wahrheit der Beschrei­bung zu verän­dern: Diese Umfor­mungen werden meist unter der Bezeich­nung ‘räumli­ches Schließen’ zusam­menge­fasst:[8] Kurz gesagt: Wenn wir rati­onal über Räumli­ches disku­tieren, verwen­den wir die Kalkül-Regeln für geo­metri­sche Begrif­fe.

Der Standardansatz zu geometri­schen Kalkü­len ist (1) Euklids axio­mati­sches System, das auf dem Begriff eines unaus­gedehn­ten aber eindeu­tig loka­lisier­ten »Punktes« beruht: Dieser Begriff ist aller­dings ziemlich abstrakt und verhält­nismä­ßig weit entfernt von der konkre­ten Erfah­rung mit Raum. (2) Eine Fami­lie von Non-Standard-Geo­metrie­kalkü­len, die im Wesent­lichen erst im 20. Jhd. ent­wickelt wurde und kogni­tiven Prinzi­pien mehr gerecht zu werden versucht, bietet eine Forma­lisie­rung von Geo­metrie ohne dieses Problem und mit inte­ressan­ten Eigen­schaften für die Bild­morpho­logie: Mereo­geome­trien.

Euklidische Geometrie­kalkü­le

Vor mehr als 2000 Jahren wurde das erste axio­matische System der Geo­metrie von Euklid vorge­schlagen.[9] Ausge­hend von einer Menge grundle­gender Postu­late (sog. ‘Axi­ome’) können in diesem System Schluss­folge­rungen gezo­gen werden, um formal (d.h. nur mittels logi­scher Deduk­tion) Theore­me über geo­metri­sche Objek­te und deren Eigen­schaften und Rela­tionen zu bewei­sen. Die Diskus­sion dieses Ansat­zes insbe­sonde­re über die Unab­hängig­keit der fünf Grund­postu­late hat tatsäch­lich in der Folge zu verschie­denen Vari­anten solcher geo­metri­scher Kalkü­le geführt, die den Bereich der synthe­tischen Geo­metrie bilden.[10]

Im 17. Jhd. entwickelte Descartes ([Des­cartes 1637a]) einen alter­nati­ven, auf alge­braischen Formeln beru­henden Forma­lismus – Orte werden durch Zahlen beschrie­ben, die deren Entfer­nungen zu einem Ursprungs­punkt rela­tiv zu Koordi­naten­achsen enko­dieren (karte­sische Koordi­naten). Von dieser ana­lyti­schen Geo­metrie, die letztlich zu den heute zumin­dest im techni­schen Bereich meist verwen­deten Vektor­kalkü­len des Raumes geführt hat, konnte formal bewie­sen werden ([Hilbert 1899a]), dass sie vollkom­men äqui­valent zu Euklids Kalkül ist.[11]

Alle geometrischen Objekte werden wesent­lich betrach­tet als Mengen indi­vidu­eller Orte, genannt ‘Punkte’, die, wie Euklid sich ausdrück­te, das sind, „was keine Teile hat“. Punkte können in einer oder mehre­ren Dimen­sionen orga­nisiert sein – abhän­gig von der Menge der unab­hängi­gen (‘ortho­gona­len’) Koordi­naten­achsen, die mit den Haupt­richtun­gen asso­ziiert sind. Jede Achse orga­nisiert die Punkte zudem gemäß den reellen Zahlen. Daher sind die Eukli­dischen Punkte notwen­dig in einem Konti­nuum ange­ordnet.

Mit den Regeln des Geometriekalküls werden räumli­che Homo­geni­tät (Inva­rianz gegen­über Transla­tion des Koordi­naten­ursprungs) und Iso­tropie (Inva­rianz gegen­über Rota­tion der Koordi­naten­achsen) erreicht, die letztlich die Basis bilden für die syntak­tische Dichte des Bild­raumes. Aller­dings führt die übli­che eukli­dische Forma­lisie­rung der Geo­metrie auch zu der uner­wünschten Folge, dass die grund­legen­den Pixe­me notwen­dig unaus­gedehn­te Punkte sind – ein hoch­abstrak­ter, von der Erfah­rung weit entfern­ter Begriff also. Jede ausge­dehnte Region – und damit letztlich auch jedes Pixem – muss dann aus einer unend­lich großen Menge ele­menta­rer geo­metri­scher Objek­te beste­hen, ganz im Gegen­satz zur Gestalt-Konzep­tion der (Raum-)Wahrneh­mung.

Mereogeometrische Kalküle

Einige Nichtstandard-Kalküle des Raumes liefern einen inte­ressan­ten Ausweg aus diesem Dilem­ma: Mereo­geome­trien sind das Ergeb­nis eines forma­len Ansat­zes zur Geo­metrie, die im Wesent­lichen im 20. Jhd. entwi­ckelt wurden, und die versu­chen, den funda­menta­len kogni­tiven Prinzi­pien gerecht zu werden. Wenn ein Punkt, wie Euklid dachte, das sein soll, „was keine Teile hat“, dann sollten Teil-Ganzes-Bezie­hungen offen­sichtlich als zentra­le Ele­mente der Geo­metrie betrach­tet werden. Zumin­dest für eine Begrün­dung des Bild­raumes wären zudem geo­metri­sche Enti­täten mit Teilen die natür­liche­ren Kandi­daten für die logi­schen Grund­bau­steine geo­metri­scher Kalkü­le.

Im Gegensatz zu den Geometriekal­külen im Stile Euklids ist die Fami­lie der mereo­geome­trischen Kalkü­le auf dem Begriff einer Region aufge­baut, einer ausge­dehnten Einheit, die unter­scheidba­re echte Teile haben mag oder auch nicht. Diese Regi­onen werden in der Mereo­geome­trie oft auch ‘Indi­viduen’ genannt, da sie als un­hinter­gehba­re Grund­ele­mente des Kalküls gelten.[12] Sie haben keine unmit­telba­ren Form- oder Posi­tions­eigen­schaften:[13] Ledig­lich die Bezie­hungen zu ande­ren Indi­viduen, die insbe­sonde­re ihre Teile sein können oder von denen sie ein Teil sind, bestim­men Form, Ausdeh­nung und rela­tive Lage: Die Form etwa ist deter­miniert durch die Rela­tionen zwischen den Teil­regi­onen eines Gebiets.

Während in Euklidischen Geometrien zunächst die unend­lich große Menge des Konti­nuums von Ko­ordi­naten einge­führt wird, die die poten­tiellen Punkte bestim­men, von denen eini­ge dann als rele­vant ausge­wählt werden (in aller Regel sind das für praktisch bedeut­same Fälle immer noch unend­lich viele), begin­nen mereo­geome­trische Kalkü­le mit einer (für gewöhn­lich endli­chen) Anzahl rele­vanter Regi­onen (‘Indi­viduen’).[14] Ein solches Indi­viduum kann man sich – den wahr­nehmungs­psycho­logi­schen Prinzi­pien der Gestalt­schule folgend – sehr wohl auch als eine visu­elle Gestalt vorstel­len: Man muss zunächst das wahr­genom­mene Ganze betrach­ten und sollte die Begrif­fe der perzep­tuellen “Ato­me” erst danach als Instru­mente zum Erklä­ren der Gestal­ten einfü­hren, nicht umge­kehrt. Schließlich sehen Menschen – und das gilt ins­beson­dere auch für die Bildwahr­nehmung – keine unend­lich großen Mengen null-dimen­siona­ler Punkte, sondern ausge­dehnte Gestal­ten. Der abstrak­te Begriff einer räumli­chen Einheit ohne Ausdeh­nung ist sekun­där und zu dem Zweck konstru­iert, eini­ge Aspek­te des Er­fahrungs­raums zu erläu­tern, während er an ande­rer Stelle zu ernst­haften Proble­men führt.

Da Raum traditionell durch Punkt-basier­te Geo­metrie­kalkü­le be­griffen wurde, ist immer­hin zu bemer­ken, dass die Eigen­schaften des Eukli­dischen Raumes (d.h. des durch Eukli­dische Kalkü­le beschrie­benen Raum­konzepts) im Großen und Ganzen durchaus zu unse­ren allge­meinen Vor­stellun­gen von Raum passen. Daher sollte es auch nicht über­raschen, dass die meisten mereo­geomet­rischen Kalkü­le zu Syste­men führen, die dem Eukli­dischen Raum äqui­valent sind (vgl. [Borgo & Maso­lo 2010a]). Diese Tatsa­che verdeut­licht, dass unse­re Kogni­tionen von Raum ziemlich stabil und praktisch sind und nicht von der Wahl der geome­trischen Primi­tive abhän­gen. Tatsäch­lich geht es auch nicht darum, ledig­lich die Eigen­arten des Alltags­begriffs von Raum abzu­decken. Die Pointe liegt vielmehr darin zu erläu­tern, wie wir diesen spezi­fischen Begriff von Raum kogni­tiv errei­chen. Die primä­re Frage, die Mereo­geome­trien aus dieser Perspek­tive zu beant­worten suchen, ist daher, welche Primi­tive auf ausge­dehnte Objek­te anwend­bar sind, die ausdrucks­stark genug sind, den Alltags­begriff von Raum zu entfal­ten.


Geometriekalküle und bild­morpho­logi­sche Struktu­ren

Die Forschung zu mereo­geomet­rischen Kalkü­len stützt in der Tat einen irri­tieren­den bild­morpho­logi­schen Befund: das Fehlen von Ein­schränkun­gen für die Wahl der morpho­logi­schen Primi­tive. In beiden Berei­chen (Mereo­geome­trie und Bildmor­pholo­gie) kommt man leicht zu äqui­valen­ten Forma­lismen, obwohl man von ganz unter­schiedli­chen Voraus­setzun­gen ausge­gangen ist. Daher darf die Wahl der Primi­tive nicht nur von rein forma­len Eigen­schaften abhän­gen, sondern muss von Argu­menten und Beobach­tungen aus ande­ren, insbe­sonde­re kogni­tiven, evo­luti­onä­ren, menta­len und wahr­nehmungs­psycho­logi­schen Per­spek­tiven unter­stützt werden. Die Entwick­lung der geo­metri­schen Kalkü­le bis hin zu den Mereo­geo­metrien führt zu geo­metri­schen Ansät­zen, die, indem sie unter­schiedli­che Primi­tive ausnut­zen, ganz zwanglos verschie­dene forma­le Syste­me mit äqui­valen­ter Ausdrucks­stärke hervor­bringen. Einer­seits führt die Suche nach der Grund­legung von Pixe­men (als Primi­tive wie als Proto­typen) direkt zu einer Debat­te, die der Diskus­sion über die funda­menta­len geo­metri­schen Enti­täten entspricht. Ande­rerseits legt der Wunsch, mit einem Com­puter­programm komple­xe Bilder zu erzeu­gen oder zu verste­hen, (zumindest in der Theorie) die Exis­tenz einer begrenz­ten Zahl von Basis­pixe­men nahe, die in einem forma­len Kalkül bei beschränk­ter Komple­xität belie­big kombi­nierbar sein sollen (⊳ Bild­verar­beitung, digi­tale).[15]

Pixeme als geometrische Enti­täten

Im Kontext der morphologischen Struktur von Bildern beschreibt der geo­metri­sche Kalkül, wie wir (rati­onal) über die Basis­struktur der Bild­ebene und den darin enthal­tenen Pixe­men reden. Eine Basis­struktur, die den Regeln, wie sie vom Kalkül vorge­schrieben sind, nicht erfüllt, führt zu syntak­tisch unkor­rekten Bildern. Mit einem punkt-basier­ten Kalkül werden Pixe­me verstan­den als (unend­liche) Mengen von Punkten, die durch Gestalt-orga­nisie­rende Prozes­se auf den visu­ellen Marker­werten (⊳ Farbe als bild­syntak­tische Kate­gorie) bestimmt sind. Die unend­lich vielen Punkte, die jedes Pixem enthält, sind letzt­lich Orte, die ledig­lich poten­tiell von Interes­se sein könnten: Sie mögen morpho­logisch rele­vant werden, wenn man den gera­de betrach­teten Bild­träger mit einem ande­ren Bild­träger vergleicht. Entspre­chend kommt in Eukli­dischen Kalkü­len ein Begriff der Auflö­sung nicht vor: Der hypo­theti­sche Auf­lösungs­faktor ist hier immer unend­lich – entspre­chend einer Gottes­perspek­tive auf Raum.

Bei einem mereo­geometri­schen Kalkül sind Pixe­me “Indi­viduen”, also primi­tive Enti­täten des Kalküls. Wenn wir davon ausge­hen, dass die Gestalt-Prinzi­pien, die visu­elles Wahrneh­men orga­nisie­ren, genau solche Regi­onen bestim­men, die syntak­tisch rele­vant sind, können diese Pixe­me also ganz zwang­los als etwas in der Wahrneh­mung Gege­benes aufge­fasst werden. Es besteht keine Not­wendig­keit, weite­re Punkte zu betrach­ten.

Punkte, Auflösung und Mikros­kopie­rung

Während Mereogeomet­rien mit reinem Raum beschäf­tigt sind, muss Bild­morpho­logie weite­re Fakto­ren berück­sichti­gen, wie »Granu­lari­tät« (welche sehr grund­legen­de Eigen­schaften, wie Kontakt zwischen Enti­täten, und damit die Topo­logie an sich, beein­flusst). In der Tat kann in der Mereo­geome­trie der Begriff einer kleinsten Region durchaus einge­führt werden: Sie werden in den Kalkü­len für gewöhn­lich ‘Punkte’ genannt, könnten aber ebenso gut als ‘Pixel’ bezeich­net werden. Ein solcher Punkt, der sich offen­sichtlich deutlich vom Eukli­dischen Punkt­begriff unter­scheidet, ist im wesent­lichen defi­niert über eine Region, die keine echte Teil­region im Kalkül aufweist (d.h.: es werden keine solchen Teile betrach­tet!).[16] Wenn der Begriff »Punkt« auf mereo­geo­metri­sche Weise einge­führt wird, ist es bei der Betrach­tung eines konkre­ten Falles – bei Betrach­tung eines endli­chen Raum­bereichs – nicht not­wendig, unend­lich viele solcher Punkt-Regi­onen zu berück­sichti­gen. Ledig­lich “rele­vante” Punkte müssen instan­tiiert werden. Das bedeu­tet zugleich, dass ein solcher Kalkül den Raum stets mit endli­cher Auf­lösung erfasst. Aller­dings haben N. Asher & L. Vieu ([Asher & Vieu 1995a]) durch eine moda­le Erwei­terung ihres mereo­geo­metri­schen Kalküls einen ‘Mikro­skopie­rung’ genann­ten forma­len Mecha­nismus vorge­schlagen, der eine Art Zooming-Ope­ration darstellt: Was auf einer Be­trachtungs­ebene ein Punkt ist, kann dann auf einer ande­ren, mikro­sko­pierten Betrach­tungs­ebene eine zu­sammen­gesetz­te Region sein, die aus mehre­ren (rele­vanten) Punkten besteht.

Die leere Bildfläche und Maximal­pixe­me

Im Gegensatz zu den Räumen der Standard­geomet­rien ist der Bild­raum stets nach außen beschränkt: Die Bild­ebe­ne besteht aus einem einzi­gen Maxi­mal­pixem, das kein Teil eines ande­ren Pixems des Bildes ist – Fernan­de Saint-Martin verwen­det hierfür den Ausdruck ‘basic pic­ture plane’ ([Saint-Martin 1987a]).[17] Die für mereo­geo­metri­sche Kalkü­le zentra­le Unter­scheidung des abge­schlosse­nen, d.h. seine Grenze mit umfas­senden Indi­viduums gegen­über dem Teil­indi­viduum, das dem Erste­ren ganz entspricht ohne aber die Grenze selbst zu bein­halten, liefert einen un­mittel­baren Ansatz für die Unter­scheidung des Rahmens vom eigent­lichen Bild (⊳ Rahmung, Rahmen).

Ab­bil­dung 1: Recht­ecki­ges Ma­xi­mal­pi­xem mit “ener­ge­ti­schem Phä­no­men” nach Saint-Mar­tin

Wird die üb­li­che recht­ecki­ge Grund­form der Bild­flä­che ge­wählt, er­ge­ben sich bei me­reo­geo­met­ri­scher Be­trach­tung zu­dem ins­be­son­de­re vier In­di­vi­du­en, die als (me­reo­geo­met­ri­sche) Punk­te zu be­trach­ten sind: die vier Ecken. Da­bei dürf­te die “ener­ge­ti­sche Auf­la­dung” der Eck­re­gi­o­nen, auf die et­wa Saint-Mar­tin in ih­rer bild­mor­pho­lo­gi­schen Ab­hand­lung hin­weist (s. Abb. 1), mit der Kon­struk­ti­on des Punkt­kon­zep­tes in­ner­halb der meis­ten me­reo­geo­met­ri­schen Kal­kü­le zu­sam­men­hän­gen: Im me­reo­geo­met­ri­schen Kal­kül von Tars­ki et­wa wer­den Punk­te als Klas­se al­ler im Kal­kül be­trach­te­ten kon­zen­tri­schen Krei­se ein­ge­führt ([Tarski 1929a]). Für jede Ecke einer recht­ecki­gen Bild­fläche müssen in einer Beschrei­bung also entspre­chende Kreis­indi­viduen instan­ziiert werden – ihre in der Bild­fläche liegen­den Teile entspre­chen den Energie­linien Saint-Martins.


Weitere Aspekte

Bildsemantische Aspekte der Geo­metrie

Die in geometrischen Kalkülen gefassten Raum­konzep­te spielen natür­lich auch eine wichti­ge Rolle in der Bild­seman­tik: Die Pro­jek­tion einer drei­dimen­siona­len Szene auf eine zwei­dimen­siona­le Bild­fläche gehorcht Regeln, die sich insb­esonde­re (wenn auch nicht aus­schließlich) aus den Kalkü­len der projek­tiven Geo­metrien erge­ben. Auf diese Zu­sammen­hänge wird im Lemma ⊳ Perspek­tive und Projek­tion näher einge­gangen.

Zeit als Raum

Physikalisch wird auch die zeitliche Er­streckung und Anord­nung als weite­re (vierte) geo­metri­sche Dimen­sion gefasst. Dies spielt in der Bild­philo­sophie entspre­chend bei Film, Video, Fernse­hen und ande­ren Bewegt­bild­forma­ten eine Rolle. Im strengen physi­kali­schen Sinne wird aller­dings die zeitli­che “Raum­richtung” von den räumli­chen Dimen­sionen oft dadurch hervor­geho­ben, dass sie als ima­ginä­re Achse eines vier­dimen­siona­len komple­xen Vektor­raumes ange­setzt wird, oder umge­kehrt die eigent­lichen Raum­antei­le als ima­ginä­re Dimen­sionen die Zeit als einzi­ge reell­werti­ge Dimen­sion ergän­zen (sog. ‘Quater­nionen’).[18] Auch in der Com­pu­ter­gra­phik werden solche Quater­nionen zur Berech­nung von Trans­forma­tionen von 3D-Model­len verwen­det. Insbe­sonde­re Drehun­gen im Raum lassen sich auf diese Weise beson­ders einfach formal behan­deln.

Anmerkungen
  1. Als lo­gi­sche Vo­r­aus­set­zung der Wahr­neh­mung – d.h. als ih­re „Be­din­gung der Mög­lich­keit“ – sind rei­ne An­schau­un­gen nicht selbst wahr­nehm­bar ([Kant 1968a]: B 33-36).
  2. Da­mit wird nicht be­haup­tet, dass je­ne Kal­kü­le aus­reich­ten, wenn es um se­man­ti­sche oder prag­ma­ti­sche As­pek­te geht; ⊳ The­o­ri­en des Bild­raums.
  3. Vgl. auch Wi­ki­pe­di­a: To­po­lo­gie (Ma­the­ma­tik).
  4. Vgl. auch Wi­ki­pe­di­a: Met­ri­scher Raum.
  5. Vgl. auch Wi­ki­pe­di­a: Pro­jek­ti­ve Geo­me­trie.
  6. Ge­nau­er ge­sagt: Ei­ne sol­che Be­schrei­bung be­steht aus Äu­ße­run­gen, die Pro­po­si­ti­o­nen mit ei­ner Prä­di­ka­ti­on ver­wen­den, die sich auf ei­nen geo­me­tri­schen Be­griff be­zieht, der durch den Kal­kül fest­ge­legt ist.
  7. D.h.: »geo­me­trisch sein« als sol­ches im­pli­ziert nicht not­wen­dig schon  »räum­lich sein«.
  8. Bei­spiels­wei­se die Re­geln, die geo­me­tri­sche Be­grif­fe mit­ein­an­der in Be­zie­hung set­zen, wie et­wa dass »links« das In­ver­se zu »rechts« sei oder dass »in« un­ter ge­wis­sen Vo­raus­set­zun­gen ei­ne tran­si­ti­ve Re­la­ti­on sei, kön­nen als Mit­tel­ter­me in räum­li­chen Syl­lo­gis­men ver­wen­det wer­den, die ver­schie­de­ne Pro­po­si­ti­o­nen über geo­me­tri­sche En­ti­tä­ten mit­ein­an­der ver­bin­den. Vgl. hier­zu aber auch die über die rei­ne Geo­me­trie hi­n­aus­ge­hen­den An­tei­le an sol­chen Schluss­pro­zes­sen, wie sie ins­be­son­de­re in [Hers­ko­vits 1986a] oder [Aur­na­gue & Vieu 1993a] be­grün­det wer­den, und die Kopp­lung die­ser Über­le­gun­gen mit be­griffs­ge­ne­ti­schen Ar­gu­men­ta­ti­o­nen in [Schir­ra 1994a]: vor al­lem Kap. 5.
  9. Vgl. auch Wi­ki­pe­dia: Eu­kli­di­sche Geo­me­trie.
  10. Vgl. Wi­ki­pe­dia: Syn­the­ti­sche Geo­me­trie. Vor allem das “fünfte Axiom”, wie es meist genannt wird, das sich mit dem Begriff der Paral­leli­tät befasst, erwies sich als sehr fruchtbar, obwohl die klassi­schen Nicht-Eukli­dischen Kalkü­le, die daraus entstan­den, in der Regel für Bild­syntax wenig rele­vant sind; vgl. Wi­ki­pe­dia: Pa­ral­le­len­axi­om.
  11. Vgl. auch Wi­ki­pe­dia: Ana­ly­ti­sche Geo­met­rie.
  12. Me­reo­geo­me­tri­sche Re­gi­o­nen kön­nen als für den me­reo­geo­met­ri­schen Kal­kül un­teil­bar (‘in-di­vi­du­um’) gel­ten, ob­wohl sie in Teil-Gan­zes-Be­zie­hun­gen ein­ge­hen und da­her an­de­re Re­gi­o­nen als Tei­le ha­ben kön­nen, weil ih­re Ei­gen­schaf­ten nicht auf die Kom­po­si­ti­on aus zu­grun­de lie­gen­den Ele­men­ten zu­rück­ge­führt wird.
  13. Aus­nah­men be­le­gen hier die Re­gel: In ei­ni­gen Va­ri­an­ten wer­den et­wa nur kreis­för­mi­ge Re­gi­o­nen be­trach­tet ([Tars­ki 1929a]).
  14. Ein aus­führ­li­che­res Bei­spiel ei­nes me­reo­geo­me­tri­schen Kal­küls fin­det sich in Ex­kurs: Me­reo­geo­met­rien.
  15. Na­tür­lich um­fasst die Bild­mor­pho­lo­gie we­sent­lich mehr als die­se Frage; vgl. ins­be­son­de­re [Good­man 1968a].
  16. Der me­reo­geo­met­ri­sche Punkt ist in der Re­gel nicht iden­tisch mit der mi­ni­ma­len Re­gi­on selbst, son­dern wird als Klas­se über al­le In­di­vi­du­en/Re­gi­o­nen de­fi­niert, an de­nen er Teil hat.
  17. Na­tür­lich wird die­ses Ma­xi­mal­pi­xem trotz­dem im­mer auch als Teil sei­ner je­wei­li­gen räum­li­chen Um­ge­bung – sei­nes Kon­texts – wahr­ge­nom­men.
  18. Vgl. Wi­ki­pe­dia: Qua­ter­ni­o­nen.
Literatur                             [Sammlung]

[Asher & Vieu 1995a]:
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[Aur­na­gue & Vieu 1993a]:
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[Borgo & Maso­lo 2010a]:
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[Des­cartes 1637a]:
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[Good­man 1968a]: Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976). Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

[Hers­ko­vits 1986a]:
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[Kant 1968a]:
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[Saint-Martin 1987a]:
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[Schir­ra 1994a]: Schirra, Jörg R.J. (1994). Bildbeschreibung als Verbindung von visuellem und sprachlichem Raum. St. Augustin: DISKI, ISBN 3-929037-71-8. [Tars­ki 1929a]:
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Ausgabe 1: 2013

Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [55], Tobias Schöttler [7] und Emilia Didier [1] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Schirra & Borgo 2013g-a] [Asher & Vieu 1995a]:
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[Aur­na­gue & Vieu 1993a]:
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[Borgo & Maso­lo 2010a]:
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[Schirra & Borgo 2013g-a]:
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