Referenz, Denotation, Exemplifikation
Unterpunkt zu: Bildsemantik
Der Begriff der Referenz und das Problem der ÄhnlichkeitEine der grundlegenden Debatten in der Bildtheorie beschäftigt sich mit der Frage, ob Ähnlichkeit konstitutiv für ikonische Darstellung ist. Neuestens hat etwa F. Stjernfelt im Rückgriff auf Peirce diese Position vertreten (vgl. [Stjernfelt 2007a]Stjernfelt, Frederik (2007).Diagrammatology. An Investigation on the Borderlines of Phenomenology, Ontology, and Semiotics. Dordrecht: Springer. Eintrag in Sammlung zeigen). Eine der Gegenpositionen gegen eine solche Ähnlichkeitstheorie vertreten Autoren, die Abbildbeziehungen auf Bezugnahmerelationen zurückführen. Man verwendet für solche Theorien manchmal den Ausdruck "Referenzsemantik" (vgl. etwa [Nöth 2000b]Nöth, Winfried (2000). Handbuch der Semiotik. Stuttgart, Weimar: Metzler. Eintrag in Sammlung zeigen: S.152ff.). Im engeren Sinn meint "Referenzsemantik" die Auffassung, daß die Bedeutung eines Begriffs durch die Gegenstände (im weitesten Sinn) bestimmt ist, auf die der Begriff zutrifft, sich bezieht,referiert. Für die Bildtheorie ist aber vor allem die Verallgemeinerung dieses Gedankens auf unterschiedlichste Arten von Symbolen interessant: Es wäre dann die Referenz, die bestimmt, was etwa ein Bild bedeutet, und ebenfalls die Referenz, die es zu einem Bild von etwas macht. Nelson Goodmans Symboltheorie ist eine der komplexesten und für die Bildtheorie interessantesten Theorien dieses Typs: Er führt neben der Denotation einen weiteren Typ von Bezugnahmerelation ein, die Exemplifikation, und macht seine Theorie dadurch allgemein anwendbar.Vor allem in diesem Punkt unterscheidet sich Goodmans Theorie auch von der Herangehensweise anderer, ebenfalls einer Referenzsemantik zugerechneter Autoren wie Russell oder Carnap. Denotation und Exemplifikation als Modi der Referenz„Denotation“ nennt man die Bezugnahmerelation zwischen einem Symbol und dem, was es bezeichnet. In diesem Sinn stammt der Begriff aus der Logik, wo man den Begriffsumfang (dem, worauf er zutrifft, der Extension) und dem Inhalt eines Begriffs (dem, was er besagt, der Intension) unterscheidet. „Denotation“ in diesem Sinne bezieht sich auf die Extension und wird in vielen Fällen auch gleichbedeutend mit „Referenz“ allgemein verwendet. [1] Im Zusammenhang der Bildtheorie kommt der Begriff da ins Spiel, wo es um die Frage geht, was ein Bild zu einem Bild von etwas macht. Nelson Goodman hat diese Frage in Sprachen der Kunst folgendermaßen beantwortet: “The plain fact is that a picture, to represent an object, must be a symbol for it, stand for it, refer to it; […] Denotation is the core of representation […].” ([Goodman 1968a]Goodman, Nelson (1968).Languages of Art. Indianapolis: Hackett, 2. rev. Aufl. 1976. Eintrag in Sammlung zeigen: S.5) Goodman erweitert den Begriff der Denotation von einem bestimmten Typ sprachlicher Ausdrücke auf alle Arten von Symbolen und wendet sich damit gegen die Vorstellung, Abbildbeziehungen beruhten auf Ähnlichkeit.[2] Um den Referenzbegriff allgemein für jeden Symbolgebrauch anwendbar zu machen, genügt es aber nicht, den Denotationsbegriff zu erweitern, denn es gibt eine ganze Reihe von semantischen Problemen, die auf diese Weise nicht zu lösen sind, z.B.:
Ways of Worldmaking. Indianapolis: Hackett. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 65) Goodman erläutert die Eigenschaften der Exemplifikation am Beispiel von Stoffmustern in einem Musterbuch:
Mit Hilfe der Exemplifikation lassen sich die oben genannten Probleme der Referenz lösen, denn auch Symbole können natürlich Gegenstände von Symbolisierung sein und damit ihrerseits alle diejenigen Symbole exemplifizieren, die auf sie zutreffen.
Auf diese Weise sichert die Einführung des Exemplifikationsbegriffs die allgemeine Anwendbarkeit der Symboltheorie. Exemplifikation als Symptom des ÄsthetischenIn Sprachen der Kunst geht es Goodman unter anderem darum, formale Eigenschaften von Symbolgebrauch zu finden, die als „symptoms of the aesthetic“ ([Goodman 1968a]Goodman, Nelson (1968).Languages of Art. Indianapolis: Hackett, 2. rev. Aufl. 1976. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 252) gelten können, die also einen Hinweis darauf geben können, dass eine Darstellung als Kunstwerk gelten könnte. Exemplifikation ist eines dieser Symptome, denn Exemplifikationsrelationen haben mit dem zu tun, was sich an einer Darstellung zeigt. Allerdings ist Exemplifikation für sich genommen nicht mit einem emphatischen Begriff des „Zeigens“ oder „Sich-Zeigens“ gleichzusetzen. Erstens gibt es Exemplifikationen, die digital sind, d.h. es gibt normierte Muster, an denen sich nur zeigt, was zuvor festgelegt wurde. Zweitens sagt Exemplifikation nichts über Präsenz, Unmittelbarkeit oder Ähnliches aus, lediglich etwas über das Verhältnis von Gegenständen und den Symbolen, die auf sie zutreffen aus: „‘immediacy’ becomes a matter of exemplification rather than of intimacy – a function of direction rather than of distance.“ ([Goodman 1968a]Goodman, Nelson (1968). Languages of Art. Indianapolis: Hackett, 2. rev. Aufl. 1976. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 253)
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Anmerkungen
[Elgin 1993a]: Elgin, Catherine Z. (1993). Relocating Aesthetics. Goodman’s Epistemic Turn. Revue Internationale de Philosophie, Nummer: 46, S. 171-186.
[Goodman 1968a]: Goodman, Nelson (1968). Languages of Art. Indianapolis: Hackett, 2. rev. Aufl. 1976. [Goodman 1978a]: Goodman, Nelson (1978). Ways of Worldmaking. Indianapolis: Hackett. [Nöth 2000b]: Nöth, Winfried (2000). Handbuch der Semiotik. Stuttgart, Weimar: Metzler. [Scholz 2004a]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt/M.: Klostermann. [Stjernfelt 2007a]: Stjernfelt, Frederik (2007). Diagrammatology. An Investigation on the Borderlines of Phenomenology, Ontology, and Semiotics. Dordrecht: Springer. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [28] und Elisabeth Birk [13] — (Hinweis) |