Replika, Faksimile und Kopie: Unterschied zwischen den Versionen

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==Etymologien und allgemeine Bedeutungen==
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==Etymologien und allgemeine Bedeu&shy;tungen==
‘Replika’ (oder ‘Replik’), ‘Faksimile’, ‘Kopie’ und die entsprechenden Ausdrücke im Englischen, Französischen, Italienischen usw. sind lateinischen Ursprungs. ‘Replik/a’ stammt von einer Bezeichnung für  ‘Wiederholen’ (ursprünglich: ‘Zurückfalten’) ab. ‘Faksimile’ lässt sich auf den Imperativ ‘fac simile’ (‘mache es ähnlich!’) zurückführen und wird nach 1880 im hier relevanten Kontext von bildender Kunst, Druck und Medien verwendet (vgl. <bib id='Rebel 2009a'></bib>: S. 184). ‘Kopie’ besitzt die längste Vorgeschichte der drei und stellt eine Filiation von ‘co-ops’ dar, dem Wort für Reichtum und Überfluss. In der antiken und mittelalterlichen Rhetorik fallen unter ‘copia’ die Vielfalt von Ideen oder Vorstellungen, die Vielfalt des Vokabulars sowie allgemein die Fähigkeiten, die einem Redner zur Verfügung stehen; mit dem Übergang von mündlich dominierten zu stärker schrift- und druckbasierten Kulturen in Mittelalter und Neuzeit beginnt ‘copia’ die Produkte von Vervielfältigungsprozessen wie vor allem Abschriften und Drucke zu bezeichnen (vgl. <bib id='Margolin 1994a'></bib>).  
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‘Replika’ (oder ‘Replik’), ‘Faksi&shy;mile’, ‘Kopie’ und die entspre&shy;chenden Aus&shy;drücke im Engli&shy;schen, Franzö&shy;sischen, Italie&shy;nischen usw. sind latei&shy;nischen Ursprungs. ‘Replik/a’ stammt von einer Bezeich&shy;nung für  ‘Wieder&shy;holen’ (ursprüng&shy;lich: ‘Zurück&shy;falten’) ab. ‘Faksi&shy;mile’ lässt sich auf den Impe&shy;rativ ‘fac simi&shy;le’ (‘mache es ähnlich!’) zurück&shy;führen und wird nach 1880 im hier rele&shy;vanten Kontext von bilden&shy;der Kunst, Druck und Medien verwen&shy;det (vgl. <bib id='Rebel 2009a'></bib>: S. 184). ‘Kopie’ besitzt die längste Vorge&shy;schichte der drei und stellt eine Fili&shy;ation von ‘co-ops’ dar, dem Wort für Reichtum und Überfluss. In der anti&shy;ken und mittel&shy;alter&shy;lichen Rheto&shy;rik fallen unter ‘copia’ die Vielfalt von Ideen oder Vorstel&shy;lungen, die Vielfalt des Voka&shy;bulars sowie allge&shy;mein die Fähig&shy;keiten, die einem Redner zur Verfü&shy;gung stehen; mit dem Übergang von mündlich domi&shy;nierten zu stärker schrift- und druckba&shy;sierten Kultu&shy;ren in Mittel&shy;alter und Neuzeit beginnt ‘copia’ die Produk&shy;te von Verviel&shy;fälti&shy;gungspro&shy;zessen wie vor allem Abschrif&shy;ten und Drucke zu bezeich&shy;nen (vgl. <bib id='Margolin 1994a'>Margo&shy;lin 1994a</bib>).  
‘Replik/a’, ‘Faksimile’ und ‘Kopie’ sind Ausdrücke, die mit leichten Bedeutungsunterschieden Gegenstände bezeichnen, die nach der Vorlage eines Originals hergestellt bzw. gestaltet worden sind; den von ihnen bezeichneten Gegenständen ist der Bezug auf ein [[Original|Original]] gemeinsam.
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‘Replik/a’, ‘Faksimile’ und ‘Kopie’ sind Aus&shy;drücke, die mit leichten Bedeu&shy;tungsun&shy;terschie&shy;den Gegen&shy;stände bezeich&shy;nen, die nach der Vorla&shy;ge eines [[Original|Ori&shy;ginals]] herge&shy;stellt bzw. gestal&shy;tet worden sind; den von ihnen bezeich&shy;neten Gegen&shy;ständen ist der Bezug auf ein Ori&shy;ginal gemein&shy;sam.
  
==Begriffsverhältnisse==
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==Begriffsverhältnis&shy;se==
Die Verhältnisse der drei Begriffe zueinander sind im modernen Gebrauch nicht eindeutig. Nicht immer, aber zumeist dient »Kopie« als Oberbegriff, dem die beiden anderen subsumiert werden.<ref>Soweit nicht anders vermerkt, ist das auch in diesem Artikel der Fall.</ref> In diesem Sinne handelt es sich bei der Replik/a um die nicht flächige, sondern vollplastische Kopie eines dreidimensionalen Originals (also einer [[Skulptur|Skulptur]], eines Reliefs usw.). Ebenfalls in diesem Sinne geht es beim Faksimile nicht um eine „ideale“, sondern um eine „materiale“ Kopie; mit dem Faksimile ist keine „mediale Übersetzung“ beabsichtigt, wie etwa der Kupferstich den Pinselstrich eines Gemäldes in das Lineament der Druckplatte übersetzt, sondern ein „quasi-authentischer Ersatz“, der in Format, Form, Farbe und Material maximale [[Ähnlichkeit|Ähnlichkeit]] mit dem Original aufweisen soll (vgl. <bib id='Rebel 2009a'></bib>: S. 184, 215).
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Die Verhältnisse der drei Begriffe zuein&shy;ander sind im moder&shy;nen Gebrauch nicht eindeu&shy;tig. Nicht immer, aber zumeist dient »Kopie« als Oberbe&shy;griff, dem die beiden ande&shy;ren subsu&shy;miert werden.<ref>So&shy;weit nicht an&shy;ders ver&shy;merkt, ist das auch in die&shy;sem Ar&shy;ti&shy;kel der Fall.</ref> In diesem Sinne handelt es sich bei der Re&shy;plik/a um die nicht flächi&shy;ge, sondern vollplas&shy;tische Kopie eines drei&shy;dimen&shy;siona&shy;len Ori&shy;ginals (also einer [[Skulptur|Skulptur]], eines Reliefs usw.). Eben&shy;falls in diesem Sinne geht es beim Faksi&shy;mile nicht um eine „ide&shy;ale“, sondern um eine „mate&shy;riale“ Kopie; mit dem Faksi&shy;mile ist keine „medi&shy;ale Über&shy;setzung“ beab&shy;sichtigt, wie etwa der Kupfer&shy;stich den Pinsel&shy;strich eines Gemäl&shy;des in das Linea&shy;ment der Druck&shy;platte über&shy;setzt, sondern ein „quasi-authen&shy;tischer Ersatz“, der in Format, Form, Farbe und Mate&shy;rial maxi&shy;male [[Ähnlichkeit|Ähnlich&shy;keit]] mit dem Ori&shy;ginal aufwei&shy;sen soll (vgl. <bib id='Rebel 2009a'></bib>: S. 184, 215; auch ⊳ [[Authentizität]]).
 
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Außer im Verhältnis der Unterordnung können »Kopie« und »Replik/a« auch in dem der Nebenordnung stehen. In diesem Sinne wird die Kopie als Nachbildung eines Kunstwerkes durch fremde Hand begriffen und der Replik/a gegenübergestellt, die sich dem Künstler selbst oder seiner Werkstatt verdankt (vgl. <bib id='Olbrich 1987a'></bib>: Bd. 4, S. 7).
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Außer im Verhältnis der Unter&shy;ordnung können »Kopie« und »Re&shy;plik/a« auch in dem der Neben&shy;ordnung stehen. In diesem Sinne wird die Kopie als Nachbil&shy;dung eines Kunst&shy;werkes durch fremde Hand begrif&shy;fen und der Re&shy;plik/a gegen&shy;über&shy;gestellt, die sich dem Künstler selbst oder seiner Werkstatt verdankt (vgl. <bib id='Olbrich 1987a'></bib>: Bd. 4, S. 7).
 
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Ebenfalls quer zu einem schlichten Verhältnis der Unterordnung steht die Tatsache, dass zwar alle drei Ausdrücke deskriptiv verwendet werden können, von ‘Kopie’ aber auch ausdrücklich ein evaluativer Gebrauch gemacht wird - genauer gesagt: ein pejorativer. Dieser Gebrauch stützt sich auf die Unterschiede zwischen Original und Kopie in Bezug auf Sequenz und Quantität: Die Kopie ist nichts Erstes, sondern ein Folgendes oder Zweites (also nicht ein Primäres, sondern im wahrsten Sinne des Wortes: ein Sekundäres); und sie ist üblicherweise auch nicht einzigartig oder zumindest nicht selten. Anders als ‘Replik/a’ oder ‘Faksimile’, die sich in der Regel auf Gegenstände beziehen, die in geringerer Anzahl vorkommen, hat sich ‘Kopie’ als (ab-)wertende Metapher für Produkte und Rezipienten einer (durch [[Massenmedien|Massenmedien]]) bestimmten “Massenkultur” etabliert.<ref>In diesen Zusammenhang gehört sowohl die Begriffsprägung Stendhals, der Menschen ohne ausgeprägte Individualität als „hommes-copies“ bezeichnete (<bib id='Stendhal 1868a'></bib>: S. 265), wie auch die Verwendung weiterer ursprünglich drucktechnischer Termini wie ‘Abklatsch’, ‘Klischee’ und ‘Stereotyp’ im ebenfalls pejorativen Sinn.</ref>
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Ebenfalls quer zu einem schlichten Verhält&shy;nis der Unter&shy;ordnung steht die Tatsa&shy;che, dass zwar alle drei Aus&shy;drücke deskrip&shy;tiv verwen&shy;det werden können, von ‘Kopie’ aber auch ausdrück&shy;lich ein eva&shy;luati&shy;ver Gebrauch gemacht wird – genau&shy;er gesagt: ein pejo&shy;rati&shy;ver. Dieser Gebrauch stützt sich auf die Unter&shy;schiede zwischen Ori&shy;ginal und Kopie in Bezug auf Sequenz und Quanti&shy;tät: Die Kopie ist nichts Erstes, sondern ein Folgen&shy;des oder Zweites (also nicht ein Primä&shy;res, sondern im wahrsten Sinne des Wortes: ein Sekun&shy;däres); und sie ist übli&shy;cherwei&shy;se auch nicht einzig&shy;artig oder zumin&shy;dest nicht selten. Anders als ‘Re&shy;plik/a’ oder ‘Faksi&shy;mile’, die sich in der Regel auf Gegen&shy;stände bezie&shy;hen, die in gerin&shy;gerer Anzahl vorkom&shy;men, hat sich ‘Kopie’ als (ab-)wer&shy;tende Meta&shy;pher für Produk&shy;te und Rezi&shy;pienten einer (durch [[Massenmedien|Massen&shy;medien]] bestimm&shy;ten) “Massen&shy;kultur” etab&shy;liert.<ref>In die&shy;sen Zu&shy;sam&shy;men&shy;hang ge&shy;hört so&shy;wohl die Be&shy;griffs&shy;prä&shy;gung Sten&shy;dhals, der Men&shy;schen oh&shy;ne aus&shy;ge&shy;präg&shy;te In&shy;di&shy;vi&shy;du&shy;a&shy;li&shy;tät als „hom&shy;mes-co&shy;pies“ be&shy;zeich&shy;ne&shy;te (<bib id='Stendhal 1868a'>Sten&shy;dhal 1868a</bib>: S. 265), wie auch die Ver&shy;wen&shy;dung wei&shy;te&shy;rer ur&shy;sprüng&shy;lich druck&shy;tech&shy;ni&shy;scher Ter&shy;mi&shy;ni wie ‘Ab&shy;klatsch’, ‘Kli&shy;schee’ und ‘Ste&shy;reo&shy;typ’ im eben&shy;falls pe&shy;jo&shy;ra&shy;ti&shy;ven Sinn.</ref>
  
==Diskurse und Praxisfelder==
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Für die Themen der Replik/a, des Faksimiles und der Kopie sind mehrere sich überlagernde Diskurse oder Praxisfelder von Bedeutung. Zu berücksichtigen sind hier analog zum Fall des Originals insbesondere technische, rechtliche, wirtschaftliche und ästhetische Aspekte und darüber hinaus pädagogische und religiöse. Auch deswegen ist die Rede von der Kopie oft vieldeutig.
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==Diskurse und Praxis&shy;felder==
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Für die Themen der Replik/a, des Faksi&shy;miles und der Kopie sind mehre&shy;re sich über&shy;lagern&shy;de Diskur&shy;se oder Praxis&shy;felder von Bedeu&shy;tung. Zu berück&shy;sichti&shy;gen sind hier ana&shy;log zum Fall des Ori&shy;ginals insbe&shy;sonde&shy;re techni&shy;sche, rechtli&shy;che, wirtschaft&shy;liche und ästhe&shy;tische Aspek&shy;te und darü&shy;ber hinaus päda&shy;gogi&shy;sche und reli&shy;giöse. Auch deswe&shy;gen ist die Rede von der Kopie oft vieldeu&shy;tig.
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In [[Technische Medien|''technischer'']] Hinsicht weisen alle drei Repro&shy;duktions&shy;formen auf das Ori&shy;ginal zurück, das sie (mit-)ver&shy;ursacht (dazu auch ⊳ [[Index]]) und dem sie ähnlich sind. Dass sich die Repro&shy;duktions&shy;techni&shy;ken stetig ent&shy;wickelt haben und die frühen manu&shy;ellen nach und nach durch maschi&shy;nelle, elek&shy;troni&shy;sche und IT-gestütz&shy;te Techni&shy;ken ergänzt worden sind, mündet anders als im Fall des Ori&shy;ginals nicht allein in einer (vergleich&shy;baren) über&shy;greifen&shy;den Tendenz, sondern auch in wachsen&shy;der Diver&shy;sifi&shy;kation. Zwar lässt sich auf der einen Seite durchaus als Entwick&shy;lungsten&shy;denz festhal&shy;ten, dass es für immer mehr Perso&shy;nen möglich wird, immer schneller und immer einfa&shy;cher immer mehr Repro&shy;duktio&shy;nen herzu&shy;stellen;<ref>Gro&shy;ßen An&shy;teil an die&shy;ser Ten&shy;denz hat die er&shy;folg&shy;rei&shy;che Kop&shy;pe&shy;lung von Bild&shy;re&shy;pro&shy;duk&shy;ti&shy;ons- und Druck&shy;tech&shy;ni&shy;ken wie et&shy;wa die Ver&shy;bin&shy;dung von Holz&shy;schnitt, Stich und Buch&shy;druck seit dem 15. Jahr&shy;hun&shy;dert oder die von Li&shy;tho&shy;gra&shy;phie und Zei&shy;tungs&shy;druck ab der ers&shy;ten Hälf&shy;te des 19. Jahr&shy;hun&shy;derts (vgl. <bib id='Rebel 2009a'>Re&shy;bel 2009a</bib>: S. 102f., 165ff.).</ref> um beispiels&shy;weise ein Fax (ursprüng&shy;lich: ‘Tele&shy;faksi&shy;mile’) zu versen&shy;den oder Foto&shy;kopien anzu&shy;ferti&shy;gen, bedarf es nur noch des Knopfdrucks des Laien und nicht mehr der aufwen&shy;digen Arbeit eines oder mehre&shy;rer handwerk&shy;lich oder künstle&shy;risch ausge&shy;bilde&shy;ten Spezia&shy;listen. Auf der ande&shy;ren Seite kann sich das Profil der je mögli&shy;chen Repro&shy;duktio&shy;nen deutlich vonein&shy;ander unter&shy;scheiden, was sich schon an ihrem Verhält&shy;nis zur Exakt&shy;heit able&shy;sen lässt. Eine manu&shy;elle, gemal&shy;te oder gezeich&shy;nete, Kopie etwa wird immer von ihrem Ori&shy;ginal abwei&shy;chen, wohin&shy;gegen eine von ihrem ana&shy;logen Daten&shy;träger wie Papier, Zellu&shy;loid oder Stein gelös&shy;te, also [[digitales Bild|digi&shy;tali&shy;sierte]] Vorla&shy;ge „ohne Quali&shy;tätsver&shy;lust“ immer wieder repro&shy;duziert werden kann (vgl. <bib id='von Gehlen 2011a'></bib>: S. 15, 38). Das quali&shy;fiziert keine der beiden ''per se'' als besse&shy;re oder schlechte&shy;re Kopie, ermög&shy;licht aber unter&shy;schiedli&shy;che Funkti&shy;onen.  
 
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In [[Technische Medien|''technischer'']] Hinsicht weisen alle drei Reproduktionsformen auf das Original zurück, das sie (mit-)verursacht (siehe auch ⊳ [[Index]]) und dem sie ähnlich sind. Dass sich die Reproduktionstechniken stetig entwickelt haben und die frühen manuellen nach und nach durch  maschinelle, elektronische und IT-gestützte Techniken ergänzt worden sind, mündet anders als im Fall des Originals nicht allein in einer (vergleichbaren) übergreifenden Tendenz, sondern auch in wachsender Diversifikation. Zwar lässt sich auf der einen Seite durchaus als Entwicklungstendenz festhalten, dass es für immer mehr Personen möglich wird, immer schneller und immer einfacher und immer mehr Reproduktionen herzustellen<ref>Großen Anteil an dieser Tendenz hat die erfolgreiche Koppelung von Bildreproduktions- und Drucktechniken wie etwa die Verbindung von Holzschnitt, Stich und Buchdruck seit dem 15. Jahrhundert oder die von Lithographie und Zeitungsdruck ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (vgl. <bib id='Rebel  2009a'></bib>: S. 102f., 165ff.).</ref>; um beispielsweise ein Fax (ursprünglich: Telefaksimile) zu versenden oder Fotokopien anzufertigen, bedarf es nur noch des Knopfdrucks des Laien und nicht mehr der aufwendigen Arbeit eines oder mehrerer handwerklich oder künstlerisch ausgebildeten Spezialisten. Auf der anderen Seite kann sich das Profil der je möglichen Reproduktionen deutlich voneinander unterscheiden, was sich schon an ihrem Verhältnis zur Exaktheit ablesen lässt. Eine manuelle, gemalte oder gezeichnete, Kopie etwa wird immer von ihrem Original abweichen, wohingegen eine von ihrem analogen Datenträger wie Papier, Zelluloid oder Stein gelöste, also [[digitales Bild|digitalisierte]] Vorlage „ohne Qualitätsverlust“ immer wieder reproduziert werden kann (vgl. <bib id='von Gehlen 2011a'></bib>: S. 15, 38). Das qualifiziert keine der beiden ''per se'' als bessere oder schlechtere Kopie, ermöglicht aber unterschiedliche Funktionen.  
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Neben den speziellen Fragen von Druckpri&shy;vileg, Urhe&shy;berrecht und Copy&shy;right ist in ''rechtli&shy;cher'' Hinsicht insbe&shy;sonde&shy;re die Unter&shy;scheidung zwischen Kopie und Fälschung (bzw. Plagiat) ele&shy;mentar. Jede Kopie, die auf maxi&shy;male Ähnlich&shy;keit zielt, teilt nahe&shy;liegen&shy;der Weise zumin&shy;dest ''eine'' Inten&shy;tion mit der Fälschung. Während die Fälschung jedoch in betrü&shy;geri&shy;scher Absicht als Ori&shy;ginal ausge&shy;geben wird, ist das Faksi&shy;mile als Kopie kenntlich zu machen.
 
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Neben den speziellen Fragen von Druckprivileg, Urheberrecht und Copyright ist in ''rechtlicher'' Hinsicht insbesondere die Unterscheidung zwischen Kopie und Fälschung (bzw. Plagiat) elementar. Jede Kopie, die auf maximale Ähnlichkeit zielt, teilt naheliegender Weise zumindest ''eine'' Intention mit der Fälschung. Während die Fälschung jedoch in betrügerischer Absicht als Original ausgegeben wird, ist das Faksimile als Kopie kenntlich zu machen.
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Was die ''ästhetische'' Hinsicht betrifft, so findet sich neben der Kopie als Kopie ''eines Arte&shy;faktes'' in den alteu&shy;ropä&shy;ischen Theorien der [[Mimesis|Mime&shy;sis]] bis in das 18. Jahrhun&shy;dert auch die Auffas&shy;sung, dass Kunstwer&shy;ke Kopien ''der Natur'' sind.<ref>Ein&shy;fluss&shy;rei&shy;che Bei&shy;spie&shy;le da&shy;für sind Jo&shy;na&shy;than Ri&shy;chard&shy;sons «The The&shy;ory of Paint&shy;ing» (1715), der es auch als Auf&shy;ga&shy;be des Ma&shy;lers sieht „to copy na&shy;ture“ (<bib id='Richardson 1792a'>Ri&shy;chard&shy;son 1792a</bib>: S. 157), und Charles Bat&shy;teux’ Ab&shy;hand&shy;lung «Les Beaux-Arts ré&shy;duits à un même prin&shy;cipe». Ihr zu&shy;fol&shy;ge ist das Kunst&shy;werk ei&shy;ne „co&shy;pie“, die den „pro&shy;to&shy;type“ oder „mo&shy;dèle“ (aus der Na&shy;tur) nach&shy;ahmt (vgl. <bib id='Batteux 1746a'>Bat&shy;teux 1746a</bib>: S. 12 und ⊳ [[[[Griechisch: 'ἄγαλμα', 'φάντασμα', 'εἴδωλον', 'τύπος', 'εἰκών'|Griechisch: ‘ἄγαλμα’, ‘φάντασμα’, ‘εἴδωλον’, ‘τύπος’, ‘εἰκών’]]).</ref> Wie auch die Rheto&shy;rik verlie&shy;ren diese Theorien aber durch die Verbrei&shy;tung des Buchdrucks und die moder&shy;nen Ästhe&shy;tiken des Genies und Ori&shy;ginals allmäh&shy;lich an Einfluss. Selbst die manu&shy;elle Kopie erlei&shy;det in diesem Zusam&shy;menhang einen Verlust an Renom&shy;mee, da auch sie Tradi&shy;tionen fortsetzt, anstatt – wie von der moder&shy;nen Doktrin gefor&shy;dert – mit ihnen zu brechen oder gar neue zu etab&shy;lieren. ''Vice versa'' gilt, wie sich schon an der Praxis des Renais&shy;sance-Bio&shy;graphen Giorgio Vasa&shy;ri zeigen lässt, die Anzahl der Kopien, die ein Ori&shy;ginal nach sich zieht, als ein Indi&shy;kator für dessen ästhe&shy;tischen Wert (vgl. <bib id='Zorach & Rodini 2005'>Zorach & Rodi&shy;ni 2005</bib>: S. 2).
 
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Was die ''ästhetische'' Hinsicht betrifft, so findet sich neben der Kopie als Kopie ''eines Artefaktes'' in den alteuropäischen Theorien der [[Mimesis|Mimesis]] bis in das 18. Jahrhundert auch die Auffassung, dass Kunstwerke Kopien ''der Natur'' sind.<ref>Einflussreiche Beispiele dafür sind Jonathan Richardsons «The Theory of Painting» (1715), der es auch als Aufgabe des Malers sieht „to copy nature“ (<bib id='Richardson 1792a'></bib>: S. 157), und Charles Batteux’ Abhandlung «Les Beaux-Arts réduits à un même principe». Ihr zufolge ist das Kunstwerk eine ‘copie’, die den ‘prototype’ oder ‘modèle’ (aus der Natur) nachahmt (vgl. <bib id='Batteux 1746a'></bib>: S. 12 und ⊳ [[griechisch: 'typos' und 'eidolon']]).</ref> Wie auch die Rhetorik verlieren diese Theorien aber durch die Verbreitung des Buchdrucks und die modernen Ästhetiken des Genies und Originals allmählich an Einfluss. Selbst die manuelle Kopie erleidet in diesem Zusammenhang einen Verlust an Renommee, da auch sie Traditionen fortsetzt, anstatt – wie von der modernen Doktrin gefordert – mit ihnen zu brechen oder gar neue zu etablieren. ''Vice versa'' gilt, wie sich schon an der Praxis des Renaissance-Biographen Giorgio Vasari zeigen lässt, die Anzahl der Kopien, die ein Original nach sich zieht, als ein Indikator für dessen ästhetischen Wert (vgl. <bib id='Zorach & Rodini 2005'></bib>: S. 2).
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In ''wirtschaftlicher'' Hinsicht erschöpft sich die Rolle der Kopie keines&shy;wegs darin, als das (in der Regel) weni&shy;ger knappe Gut auch weni&shy;ger wert zu sein als das Ori&shy;ginal – selbst wenn dies durch die moder&shy;ne Ästhe&shy;tik des Ori&shy;ginals nahe&shy;gelegt wird. Unter vormo&shy;dernen Bedin&shy;gungen kann das Kopie-Sein durchaus ein Verkaufs&shy;argu&shy;ment be&shy;inhal&shy;ten, dann nämlich, wenn es sich um die Kopie eines appro&shy;bierten Ori&shy;ginals handelt, das einen hohen Quali&shy;tätsstan&shy;dard verspricht (vgl. <bib id='Mensger 2012a'></bib>: S. 33). Noch unter moder&shy;nen Bedin&shy;gungen dienen Kopien eines Ori&shy;ginals ferner dazu, auf letzte&shy;res und seinen ästhe&shy;tischen wie wirtschaft&shy;lichen Wert zu verwei&shy;sen. Damit über&shy;nehmen Kopien für das Ori&shy;ginal Aufga&shy;ben, die denen des Merchan&shy;dising vergleich&shy;bar sind (vgl. <bib id='Küster 2012a'></bib>: S. 67).
 
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In ''wirtschaftlicher'' Hinsicht erschöpft sich die Rolle der Kopie keineswegs darin, als das (in der Regel) weniger knappe Gut auch weniger wert zu sein als das Original – selbst wenn dies durch die moderne Ästhetik des Originals nahegelegt wird. Unter vormodernen Bedingungen kann das Kopie-Sein durchaus ein Verkaufsargument beinhalten, dann nämlich, wenn es sich um die Kopie eines approbierten Originals handelt, das einen hohen Qualitätsstandard verspricht (vgl. <bib id='Mensger 2012a'></bib>: S. 33). Noch unter modernen Bedingungen dienen Kopien eines Originals ferner dazu, auf letzteres und seinen ästhetischen wie wirtschaftlichen Wert zu verweisen. Damit übernehmen Kopien für das Original Aufgaben, die denen des Merchandising vergleichbar sind (vgl. <bib id='Küster 2012a'></bib>: S. 67).
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Ungeachtet der ästhetischen Abwer&shy;tung in der Moder&shy;ne kommt der Kopie in einer – im weites&shy;ten Sinne – ''päda&shy;gogi&shy;schen'' Hinsicht fast konti&shy;nuier&shy;lich ein hoher Stellen&shy;wert zu. Einer&shy;seits ermög&shy;licht die Kopie, egal, mit welcher Technik sie auch produ&shy;ziert sein mag, eine Distri&shy;bution von Ansich&shy;ten des Ori&shy;ginals und ist damit ein wichti&shy;ger Faktor bei Tradi&shy;tionsver&shy;mittlung und ästhe&shy;tischer  [[Bildung|Bildung]]. Ande&shy;rerseits spielt das (vor allem manu&shy;elle) Erstel&shy;len von Kopien eine wesent&shy;liche Rolle in der Ausbil&shy;dung von Künstlern und Laien.<ref>Auch in die&shy;sem Zu&shy;sam&shy;men&shy;hang wird die funk&shy;ti&shy;o&shy;na&shy;le Viel&shy;falt der Ko&shy;pie deut&shy;lich. Sie kann bei&shy;spiels&shy;wei&shy;se ei&shy;ne Ge&shy;dächt&shy;nis&shy;stüt&shy;ze sein, den Blick schu&shy;len oder auch der kre&shy;a&shy;ti&shy;ven Aus&shy;ein&shy;an&shy;der&shy;set&shy;zung mit Vor&shy;bil&shy;dern die&shy;nen. Das Spek&shy;trum reicht da&shy;bei von der ge&shy;treu&shy;en oder ge&shy;nau&shy;en Ko&shy;pie auf der ei&shy;nen Sei&shy;te bis zur frei&shy;en, in&shy;ter&shy;pre&shy;tie&shy;ren&shy;den oder Stu&shy;dien&shy;ko&shy;pie auf der an&shy;de&shy;ren Sei&shy;te (vgl. <bib id='Eiling 2012a'>Ei&shy;ling 2012a</bib>: S. 102 und <bib id='Betz 2012a'></bib>: S. 86).</ref> Diese Rolle wird schon früh insti&shy;tutio&shy;nali&shy;siert. Um 1500 betont Dürer, dass ein Maler nur durch das Kopie&shy;ren einschlä&shy;giger Vorbil&shy;der zu einer „freien hant“ gelangt (<bib id='Dürer 1966a'></bib>: S. 99), im 17. Jahrhun&shy;dert wird das manu&shy;elle Kopie&shy;ren Bestand&shy;teil des aka&shy;demi&shy;schen Curri&shy;culums (vgl. <bib id='Betz 2012a'></bib>: S. 86 und <bib id='Mensger 2012a'></bib>: S. 40), und im 18. Jahrhun&shy;dert ist das Kopie&shy;ren in päda&shy;gogi&shy;schen Zusam&shy;menhän&shy;gen derart präsent, dass in der gera&shy;de entste&shy;henden Kunstge&shy;schichte das ästhe&shy;tische Empfin&shy;den allge&shy;mein mit Meta&shy;phern beschrie&shy;ben werden kann, die aus dem Umfeld von Kopien (bzw. Abgüs&shy;sen von Plasti&shy;ken) stammen:
 
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Ungeachtet der ästhetischen Abwertung in der Moderne kommt der Kopie in einer – im weitesten Sinne – ''pädagogischen'' Hinsicht fast kontinuierlich ein hoher Stellenwert zu. Einerseits ermöglicht die Kopie, egal, mit welcher Technik sie auch produziert sein mag, eine Distribution von Ansichten des Originals und ist damit ein wichtiger Faktor bei Traditionsvermittlung und ästhetischer  [[Bildung|Bildung]]. Andererseits spielt das (vor allem manuelle) Erstellen von Kopien eine wesentliche Rolle in der Ausbildung von Künstlern und Laien.<ref>Auch in diesem Zusammenhang wird die funktionale Vielfalt der Kopie deutlich. Sie kann beispielsweise eine Gedächtnisstütze sein, den Blick schulen oder auch der kreativen Auseinandersetzung mit Vorbildern dienen. Das Spektrum reicht dabei von der getreuen oder genauen Kopie auf der einen Seite bis zur freien, interpretierenden oder Studienkopie auf der anderen Seite (vgl. <bib id='Eiling 2012a'></bib>: S. 102 und <bib id='Betz 2012a'></bib>: S.86).</ref> Diese Rolle wird schon früh institutionalisiert. Um 1500 betont Dürer, dass ein Maler nur durch das Kopieren einschlägiger Vorbilder zu einer "freien hant" gelangt (<bib id='Dürer 1966a'></bib>: S. 99), im 17. Jahrhundert wird das manuelle Kopieren Bestandteil des akademischen Curriculums (vgl. <bib id='Betz 2012a'></bib>: S. 86 und <bib id='Mensger 2012a'></bib>: S. 40), und im 18. Jahrhundert ist das Kopieren in pädagogischen Zusammenhängen derart präsent, dass in der gerade entstehenden Kunstgeschichte das ästhetische Empfinden allgemein mit Metaphern beschrieben werden kann, die aus dem Umfeld von Kopien (bzw. Abgüssen von Plastiken) stammen: „Das wahre Gefühl des Schönen gleichet einem flüssigen Gypse, welcher über den Kopf des Apollo gegossen wird, und denselben in allen Theilen berühret und umgibt“ (<bib id='Winckelmann 1763a'></bib>: S. 245).
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:''Das wahre Gefühl des Schönen gleichet einem flüssi&shy;gen Gypse, welcher über den Kopf des Apol&shy;lo gegos&shy;sen wird, und densel&shy;ben in allen Theilen berüh&shy;ret und umgibt'' (<bib id='Winckelmann 1763a'>Winckel&shy;mann 1763a</bib>: S. 245).
 
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Besonderes Interesse in ''religiöser'' Hinsicht erfährt die Kopie im Kontext der vormodernen [[Bildmagie| Bildmagie]]. Im ursprünglich [[Idolatrie und Ikonoklasmus|bilderfeindlichen]] Christentum werden die so genannten Acheiropoeita (wörtlich: die nicht von Menschenhand Gemachten) früh vom Bilderverbot ausgenommen: Bilder, die ohne menschliches Zutun entstanden sein sollen, wie in der Antike vom Mandylion (Tuchbild) von Edessa und im Mittelalter vom Sudarium (Schweißtuch) in Rom behauptet.<ref>Das Christentum knüpft hier direkt an einen älteren paganen Bilderkult an, der den Diipetes, den angeblich (von Zeus) vom Himmel herabgeworfenen Bildern, eigenes Leben zugesprochen hatte (vgl. <bib id='von Dobschütz 1899a'></bib>: S. 264f.).</ref> Folgt man der Legende, sind sie Indizes, da sich auf ihnen das Gesicht Jesu durch Berührung abgezeichnet haben soll. Um wiederum diese Kopien zu reproduzieren, werden zwei Varianten namhaft gemacht: Der Legende nach erzeugt das Tuchbild durch Abfärben automatisch selbst eine Kopie (also einen weiteren Index) von sich; in der tatsächlichen Praxis bemühen sich die Maler darum, ähnliche Bilder (also [[Symbol, Index, Ikon|Ikone]]) herzustellen, indem sie Originalität vermeiden und ikonographische Kontinuität wahren (vgl. <bib id=' Belting 2004a'></bib>: S. 233-252 und <bib id=' Mensger 2012a'></bib>: S. 33). Dies soll die Bilder nicht nur in einem offen oder latent bilderfeindlichen Kontext legitimieren und sie von Menschenhand geschaffenen Götzenbildern unterscheiden, sondern auch die ihnen – ähnlich wie einer Berührungsreliquie zugeschriebene Wundertätigkeit erhalten.
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Besonderes Interesse in ''religi&shy;öser'' Hinsicht erfährt die Kopie im Kontext der vormo&shy;dernen [[Bildmagie| Bildma&shy;gie]]. Im ursprüng&shy;lich [[Idolatrie und Ikonoklasmus|bilder&shy;feindli&shy;chen]] Christen&shy;tum werden die so genann&shy;ten Acheiro&shy;poeita (wörtlich: ‘die nicht von Menschen&shy;hand Gemach&shy;ten’) früh vom Bilder&shy;verbot ausge&shy;nommen: Bilder, die ohne menschli&shy;ches Zutun entstan&shy;den sein sollen, wie in der Anti&shy;ke vom Mandy&shy;lion (Tuchbild) von Edes&shy;sa und im Mittel&shy;alter vom Suda&shy;rium (Schweißtuch) in Rom behaup&shy;tet.<ref>Das Chris&shy;ten&shy;tum knüpft hier di&shy;rekt an ei&shy;nen äl&shy;te&shy;ren pa&shy;ga&shy;nen Bil&shy;der&shy;kult an, der den Di&shy;i&shy;pe&shy;tes, den an&shy;geb&shy;lich (von Zeus) vom Him&shy;mel her&shy;ab&shy;ge&shy;wor&shy;fe&shy;nen Bil&shy;dern, ei&shy;ge&shy;nes Le&shy;ben zu&shy;ge&shy;spro&shy;chen hat&shy;te (vgl. <bib id='von Dobschütz 1899a'>von Dob&shy;schütz 1899a</bib>: S. 264f.).</ref> Folgt man der Legen&shy;de, sind sie Indi&shy;zes, da sich auf ihnen das Gesicht Jesu durch Berüh&shy;rung abge&shy;zeichnet haben soll. Um wiede&shy;rum diese Kopien zu repro&shy;duzie&shy;ren, werden zwei Vari&shy;anten namhaft gemacht: Der Legen&shy;de nach erzeugt das Tuchbild durch Abfär&shy;ben auto&shy;matisch selbst eine Kopie (also einen weite&shy;ren Index) von sich; in der tatsäch&shy;lichen Praxis bemü&shy;hen sich die Maler darum, ähnli&shy;che Bilder (also [[Symbol, Index, Ikon|Iko&shy;ne]]) herzu&shy;stellen, indem sie Ori&shy;gina&shy;lität vermei&shy;den und iko&shy;nogra&shy;phische Konti&shy;nuität wahren (vgl. <bib id='Belting 2004a'></bib>: S. 233-252 und <bib id='Mensger 2012a'></bib>: S. 33). Dies soll die Bilder nicht nur in einem offen oder latent bilder&shy;feindli&shy;chen Kontext legi&shy;timie&shy;ren und sie von den von Menschen&shy;hand geschaf&shy;fenen Götzen&shy;bildern unter&shy;scheiden, sondern auch die ihnen – ähnlich wie einer Berüh&shy;rungsre&shy;liquie zuge&shy;schriebe&shy;ne Wunder&shy;tätig&shy;keit erhal&shy;ten.
  
  
==Theorien und Strömungen==
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==Theorien und Strömun&shy;gen==
  
Obwohl Replik/a, Faksimile und Kopie in der sozialen Praxis mehr Aufgaben als das Original übernehmen (vgl. <bib id='Küster 2012a'></bib>: S. 64), sind sie im Vergleich zu diesem nur selten ein direkter Gegenstand für die theoretische Neugier (gewesen). Insbesondere in der Moderne werden sie zumeist nur als das Andere des Originals nebenbei mitthematisiert. Die im Folgenden skizzierten Ansätze zu einer Theorie der Kopie entstammen den vormodernen Kriterien zur Bewertung von Werken, der modernen Theorie des Originals, den Überlegungen zur technischen Innovation der Druckverfahren, der reflexiven Strömung der Appropriation Art sowie der Bildontologie.
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Obwohl Replik/a, Faksimile und Kopie in der sozi&shy;alen Praxis mehr Aufga&shy;ben als das Ori&shy;ginal über&shy;nehmen (vgl. <bib id='Küster 2012a'></bib>: S. 64), sind sie im Vergleich zu diesem nur selten ein direk&shy;ter Gegen&shy;stand für die theore&shy;tische Neugier (gewe&shy;sen). Insbe&shy;sonde&shy;re in der Moder&shy;ne werden sie zumeist nur als das Ande&shy;re des Ori&shy;ginals neben&shy;bei mitthe&shy;mati&shy;siert. Die im Folgen&shy;den skizzier&shy;ten Ansät&shy;ze zu einer Theorie der Kopie entstam&shy;men den vormo&shy;dernen Krite&shy;rien zur Bewer&shy;tung von Werken, der moder&shy;nen Theorie des Ori&shy;ginals, den Über&shy;legun&shy;gen zur techni&shy;schen Inno&shy;vation der Druckver&shy;fahren, der refle&shy;xiven Strömung der Appro&shy;priation Art sowie der Bild&shy;onto&shy;logie.
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In den Kunsttheorien von ''Renais&shy;sance und früher Neuzeit'' ist trotz des allmäh&shy;lichen Aufstiegs des Ori&shy;ginals und der Ent&shy;wicklung von Kenner&shy;schaft, die sich auch und gera&shy;de den Unter&shy;scheidun&shy;gen von Ori&shy;ginal und Kopie widmet, noch kein Platz für eine dezi&shy;dierte Abwer&shy;tung von Kopien. Dies verdankt sich einer teils noch in der Rheto&shy;rik fundier&shy;ten, weiter beste&shy;henden Tradi&shy;tion, die das Werk vor allem anhand der ''inven&shy;tio'', der Bild&shy;idee, beur&shy;teilt. Dement&shy;sprechend findet sich hier noch keine klare Asym&shy;metrie zwischen Ori&shy;ginal und Kopie, sondern eine Unter&shy;scheidung von in unter&shy;schiedli&shy;chen Medien reali&shy;sierten Versi&shy;onen, die je über ihre eige&shy;nen Meri&shy;ten verfü&shy;gen:
 
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In den Kunsttheorien von ''Renaissance und früher Neuzeit'' ist trotz des allmählichen Aufstiegs des Originals und der Entwicklung von Kennerschaft, die sich auch und gerade den Unterscheidungen von Original und Kopie widmet, noch kein Platz für eine dezidierte Abwertung von Kopien. Dies verdankt sich einer teils noch in der Rhetorik fundierten, weiter bestehenden Tradition, die das Werk vor allem anhand der ''inventio'', der Bildidee, beurteilt. Dementsprechend findet sich hier noch keine klare Asymmetrie zwischen Original und Kopie, sondern eine Unterscheidung von in unterschiedlichen Medien realisierten Versionen, die je über ihre eigenen Meriten verfügen:
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:''War das Werk durch die Bild&shy;idee – die Kompo&shy;sition oder Inter&shy;preta&shy;tion eines Sujets – defi&shy;niert, galt für verschie&shy;dene Versi&shy;onen (eine in Öl auf Leinwand, eine als Kohle&shy;zeichnung und eine dritte im Kupfer&shy;stich) grundsätz&shy;lich Gleichbe&shy;rechti&shy;gung. Vielleicht war das Gemäl&shy;de wegen des höhe&shy;ren Mate&shy;rialauf&shy;wands teurer, doch das gestal&shy;teri&shy;sche Vermö&shy;gen eines Künstlers zeigte sich vermut&shy;lich besser bei den Bildfor&shy;men, die auf das Wesent&shy;liche – die kompo&shy;sito&shy;rischen Grundfor&shy;men des ''diseg&shy;no'' – redu&shy;ziert waren.'' (<bib id=' Ullrich 2009a'></bib>: S. 11).
 
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:''War das Werk durch die Bildidee - die Komposition oder Interpretation eines Sujets - definiert, galt für verschiedene Versionen (eine in Öl auf Leinwand, eine als Kohlezeichnung und eine dritte im Kupferstich) grundsätzlich Gleichberechtigung. Vielleicht war das Gemälde wegen des höheren Materialaufwands teurer, doch das gestalterische Vermögen eines Künstlers zeigte sich vermutlich besser bei den Bildformen, die auf das Wesentliche - die kompositorischen Grundformen des ''disegno'' - reduziert waren.'' (<bib id=' Ullrich 2009a'></bib>: S. 11).
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Diese Bezugsgröße einer über&shy;greifen&shy;den Bild&shy;idee wird erst allmäh&shy;lich durch die des – genial oder zumin&shy;dest ori&shy;ginell reali&shy;sierten – Indi&shy;vidu&shy;ellen ersetzt, aus dem sich dann auch der rechtli&shy;che Anspruch auf geisti&shy;ges Eigen&shy;tum ablei&shy;ten lassen kann.
 
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Diese Bezugsgröße einer übergreifenden Bildidee wird erst allmählichlich durch die des – genial oder zumindest originell realisierten – Individuellen ersetzt, aus dem sich dann auch der rechtliche Anspruch auf geistiges Eigentum ableiten lassen kann. 
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Die Abwertung, die die Kopie dann in den ''moder&shy;nen Theorien des Ori&shy;ginals'' erfährt, greift nicht erst bei den quasi auto&shy;matisch, also technisch bzw. indus&shy;triell erzeug&shy;ten Kopien, sondern schon bei den manu&shy;ell verfer&shy;tigten, wie man einem Standard&shy;werk gegen Ende des 18. Jahrhun&shy;derts entneh&shy;men kann. In «Copey», dem einschlä&shy;gigen Eintrag in Johann Georg Sulzers «Allge&shy;meine Theorie der schönen Künste», heißt es:
 
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Die Abwertung, die die Kopie dann in den ''modernen Theorien des Originals'' erfährt, greift nicht erst bei den quasi automatisch, also technisch bzw. industriell erzeugten Kopien, sondern schon bei den manuell verfertigten, wie man einem Standardwerk gegen Ende des 18. Jahrhunderts entnehmen kann. In „Copey“, dem einschlägigen Eintrag in Johann Georg Sulzers «Allgemeine Theorie der schönen Künste», heißt es:
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:''Hieraus folget erstlich, daß es unend&shy;lich leichter ist, eine gute Copey, als ein gutes Ori&shy;ginal zu machen. In der That findet man, daß ofte ganz mittel&shy;mäßi&shy;ge Künstler sehr gut copi&shy;ren. Zweytens folget daraus, daß die Copey immer von gerin&shy;gerer Schönheit, als das Ori&shy;ginal sey, weil der Copist, der in einem ganz andern Geist, als sein Vorgän&shy;ger arbei&shy;tet, unmög&shy;lich so denken kann, wie jener gedacht hat. Der größte Unter&shy;schied muß sich darin zeigen, daß in dem Ori&shy;ginal mehr Freyheit ist, weil alles mit Gewiß&shy;heit bear&shy;beitet worden, und aus der Quelle geflos&shy;sen ist; da der Copist seine Gedan&shy;ken nach den Gedan&shy;ken des andern hat zwingen müssen'' (<bib id='Sulzer 1771a'></bib>: S. 231).
 
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:''Hieraus folget erstlich, daß es unendlich leichter ist, eine gute Copey, als ein gutes Original zu machen. In der That findet man, daß ofte ganz mittelmäßige Künstler sehr gut copiren. Zweytens folget daraus, daß die Copey immer von geringerer Schönheit, als das Original sey, weil der Copist, der in einem ganz andern Geist, als sein Vorgänger arbeitet, unmöglich so denken kann, wie jener gedacht hat. Der größte Unterschied muß sich darin zeigen, daß in dem Original mehr Freyheit ist, weil alles mit Gewißheit bearbeitet worden, und aus der Quelle geflossen ist; da der Copist seine Gedanken nach den Gedanken des andern hat zwingen müssen'' (<bib id='Sulzer 1771a'></bib>: S. 231).
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Dass es sich bei Kopien um Arte&shy;fakte handelt, die ohne größe&shy;ren künstle&shy;rischen Aufwand herge&shy;stellt werden, minder&shy;wertig sind und als “unei&shy;gentlich” ange&shy;sehen werden müssen, wird bis in die Gegen&shy;wart zum nur gele&shy;gentlich in Frage gestell&shy;ten, aber meist stabi&shy;len Funda&shy;ment einer Theorie der Kopie zählen.  
 
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Dass es sich bei Kopien um Artefakte handelt, die ohne größeren künstlerischen Aufwand hergestellt werden, minderwertig sind und als “uneigentlich” angesehen werden müssen, wird bis in die Gegenwart zum nur gelegentlich in Frage gestellten, aber meist stabilen Fundament einer Theorie der Kopie zählen.  
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Mit Blick auf die ''technische Inno&shy;vation'' in den Repro&shy;duktions&shy;verfah&shy;ren, nament&shy;lich durch [[Fotografie|Foto&shy;grafie]] und [[Film|Film]], hat Walter Benja&shy;min diese Theorie in Frage gestellt. In seinem Aufsatz «Das Kunst&shy;werk im Zeital&shy;ter seiner techni&shy;schen Repro&shy;duzier&shy;barkeit» aus den 1930er Jahren begrüß&shy;te er zum einen – als einer der ersten – die oben ange&shy;sproche&shy;ne Tendenz, immer schneller und einfa&shy;cher Repro&shy;duktio&shy;nen herzu&shy;stellen und über sie verfü&shy;gen zu können (<bib id='Benjamin 1974a'>Benja&shy;min 1974a</bib>: S. 474-478). Zum ande&shy;ren betont er: „Das repro&shy;duzier&shy;te Kunstwerk wird in immer steigen&shy;dem Maße die Repro&shy;duktion eines auf Repro&shy;duzier&shy;barkeit ange&shy;legten Kunstwerks“; in Anbe&shy;tracht der Möglich&shy;keit, von einer Foto&shy;platte viele Abzü&shy;ge zu ziehen, gilt daher: „die Frage nach dem echten Abzug hat keinen Sinn“ (<bib id='Benjamin 1974a'>Benja&shy;min 1974a</bib>: S. 481f). Ähnli&shy;ches trifft für den Film zu, inso&shy;fern die in den [[Kino|Kinos]] verwen&shy;deten Filmrol&shy;len (bzw. DVDs) immer Kopien sind. Im Falle von Foto und Film hat demnach die techni&shy;sche Inno&shy;vation zu einer Nivel&shy;lierung des Unter&shy;schieds von Ori&shy;ginal und Kopie geführt.<ref>Die wei&shy;ter&shy;ge&shy;hen&shy;de kul&shy;tur&shy;re&shy;vo&shy;lu&shy;ti&shy;o&shy;nä&shy;re Per&shy;spek&shy;ti&shy;ve Ben&shy;ja&shy;mins bleibt um&shy;strit&shy;ten: Trotz der tech&shy;nisch in&shy;du&shy;zier&shy;ten Flut von Ko&shy;pi&shy;en ist schließ&shy;lich die „Au&shy;ra“ von Ge&shy;mäl&shy;den, Zeich&shy;nun&shy;gen, Skulp&shy;tu&shy;ren usw. nicht ver&shy;schwun&shy;den. Auch ist bei sol&shy;chen Küns&shy;ten der Un&shy;ter&shy;schied zwi&shy;schen dem Ori&shy;gi&shy;nal und der fälsch&shy;lich als Ori&shy;gi&shy;nal aus&shy;ge&shy;ge&shy;be&shy;nen Ko&shy;pie im&shy;mer noch von Be&shy;lang, wie bei&shy;spiels&shy;wei&shy;se Nel&shy;son Good&shy;man zeigt, des&shy;sen Sym&shy;bol&shy;the&shy;o&shy;rie an die&shy;sen Un&shy;ter&shy;schied auch den&shy;je&shy;ni&shy;gen zwi&shy;schen au&shy;to&shy;gra&shy;phi&shy;schen und al&shy;lo&shy;gra&shy;phi&shy;schen Küns&shy;ten knüpft (vgl. <bib id='Goodman 1995a'>Good&shy;man 1995a</bib>: S. 115-121 und ⊳ [[Notation|No&shy;ta&shy;ti&shy;on]]).</ref>
 
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Mit Blick auf die ''technische Innovation'' in den Reproduktionsverfahren, namentlich durch [[Fotografie|Fotografie]] und [[Film|Film]], hat Walter Benjamin diese Theorie in Frage gestellt. In seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ aus den 1930er Jahren begrüßte er zum einen – als einer der ersten – die oben angesprochene Tendenz, immer schneller und einfacher Reproduktionen herzustellen und über sie verfügen zu können (<bib id='Benjamin 1974a'></bib>: S. 474-478). Zum anderen betont er: „Das reproduzierte Kunstwerk wird in immer steigendem Maße die Reproduktion eines auf Reproduzierbarkeit angelegten Kunstwerks“; in Anbetracht der Möglichkeit, von einer Fotoplatte viele Abzüge zu ziehen, gilt daher: „die Frage nach dem echten Abzug hat keinen Sinn“ (<bib id='Benjamin 1974a'></bib>: S. 481f). Ähnliches trifft für den Film zu, insofern die in den Kinos verwendeten Filmrollen (bzw. DVDs) immer Kopien sind. Im Falle von Foto und Film hat demnach die technische Innovation zu einer Nivellierung des Unterschieds von Original und Kopie geführt.<ref>Die weitergehende kulturrevolutionäre Perspektive Benjamins bleibt umstritten: Trotz der technisch induzierten Flut von Kopien ist schließlich die „Aura“ von Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen usw. nicht verschwunden. Auch ist bei solchen Künsten  der Unterschied zwischen dem Original und der fälschlich als Original ausgegebenen Kopie immer noch von Belang, wie beispielsweise Nelson Goodman zeigt, dessen Symboltheorie an diesen Unterschied auch denjenigen zwischen autographischen und allographischen Künsten knüpft (vgl. <bib id='Goodman 1995a'></bib>: S. 115-121 und ⊳ [[Notation]]).</ref>
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Synergien zwischen Theorien und Werken bieten die im Umfeld der postmo&shy;dernen ''Appro&shy;priation Art'' entstan&shy;denen Arbei&shy;ten. Nachwei&shy;sen lassen sie sich bereits seit den 1960er Jahren bei Elaine Sturte&shy;vants, in den 1980er Jahren brechen sie sich als neo&shy;konzep&shy;tuelle Strömung ihre Bahn. Hier findet keine primär technisch, sondern vor allem eine ästhe&shy;tisch moti&shy;vierte Aufwer&shy;tung der Kopie statt.  
 
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Synergien zwischen Theorien und Werken bieten die im Umfeld der postmodernen ''Approriation Art'' entstandenen Arbeiten. Nachweisen lassen sie sich bereits seit den 1960er  Jahren bei Elaine Sturtevants, in den 1980er Jahren brechen sie sich als neokonzeptuelle Strömung ihre Bahn. Hier findet keine primär technisch, sondern vor allem eine ästhetisch motivierte Aufwertung der Kopie statt.  
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:''Als Appropriation Art (von lat. appro&shy;priare = zu eigen machen), ‘Aneig&shy;nungskunst’, bezeich&shy;net man Kunst, die sich fremde Bildlich&shy;keit aneig&shy;net, indem sie bereits exis&shy;tieren&shy;de Kunstwer&shy;ke kopiert, also in Format, Technik, Motiv und Stil so exakt wie möglich wieder&shy;holt – und dies nicht, um Plagi&shy;ate herzu&shy;stellen, sondern eigen&shy;ständi&shy;ge, ori&shy;gina&shy;le Kunst&shy;werke im Sinne von Elaine Sturte&shy;vant: „Die Kopie ist das Ori&shy;ginal“'' <bib id='Zuschlag 2012a'></bib>: S. 127).
 
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:''Als Appropriation Art (von lat. appropriare = zu eigen machen), ‚Aneignungskunst’, bezeichnet man Kunst, die sich fremde Bildlichkeit aneignet, indem sie bereits existierende Kunstwerke kopiert, also in Format, Technik, Motiv und Stil so exakt wie möglich wiederholt – und dies nicht, um Plagiate herzustellen, sondern eigenständige, originale Kunstwerke im Sinne von Elaine Sturtevant: ‚Die Kopie ist das Original’'' <bib id='Zuschlag 2012a'></bib>: S. 127).
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Gestützt und angeregt wird diese werk&shy;imma&shy;nente Refle&shy;xion durch Kriti&shy;ker, Kura&shy;toren und Gale&shy;rien im Umfeld der Kunst&shy;zeitschrift «Octo&shy;ber», die den franzö&shy;sischen Post&shy;struktu&shy;ralis&shy;mus in die US-ame&shy;rika&shy;nische Kunstwelt einge&shy;führt hat – und das heißt auch: Jacques Derri&shy;das Dekon&shy;struktion des (vermeint&shy;lich) Primä&shy;ren, hier also vor allem des Ori&shy;ginals, sowie Baudril&shy;lards Theorie des [[Simulation, Simulakrum|Simu&shy;lakrums]]. Die Nähe der Appro&shy;priation Art zur Theorie betont auch Arthur C. Danto, der in ihr die Verkör&shy;perung der „post&shy;histo&shy;rischen“ Kunst sieht: Einer&shy;seits verlei&shy;he sie „Bildern mit einer festge&shy;legten Bedeu&shy;tung und Iden&shy;tität“ eine „neue Bedeu&shy;tung und Iden&shy;tität“, ande&shy;rerseits sprenge sie, da sich ein Picas&shy;so oder Duchamp eben&shy;so aneig&shy;nen lasse wie ein Piero della Frances&shy;ca, die noch in der künstle&shy;rischen Moder&shy;ne propa&shy;gierte „wahrnehm&shy;bare stilis&shy;tische Einheit“ (<bib id='Danto 2000a'></bib>: S. 34-37; auch ⊳ [[Iden&shy;tität]]).
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Für die ''bildontologische Refle&shy;xion'' ist schließlich die Kopie in multip&shy;len Künsten wie Kupfer&shy;stich, Litho&shy;graphie oder Foto&shy;grafie inte&shy;ressant (vgl. <bib id='Goodman 1995a'></bib>: S. 114, 117 u.ö.). In ihnen ist die Kopie (im Sinne eines Drucks oder eines Abzugs) das eigent&shy;liche Bild, während die Vorla&shy;ge, also die bearbei&shy;tete Kupfer- oder Kalkstein&shy;platte oder das foto&shy;grafi&shy;sche Nega&shy;tiv, nicht als Bild gilt bzw. in der Regel nicht als Bild ausge&shy;stellt wird. Das legt nahe, im Kontext derar&shy;tiger Kopien den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeich&shy;nung für einen abstrak&shy;ten Gegen&shy;stand zu verste&shy;hen, wohin&shy;gegen konkre&shy;te Gegen&shy;stände gemeint sind, wenn von Bildern im Sinne von Ori&shy;gina&shy;len die Rede ist. Die – geschätzt – 1.000 bis 3.000 Drucke, die es beispiels&shy;weise von Henri Tou&shy;louse-Lautrecs Litho&shy;graphie «Divan Japo&shy;nais» (1892/93) gibt, müssen daher als mehr oder weni&shy;ger gleichwer&shy;tige Instan&shy;tiierun&shy;gen eines Bildes ange&shy;sehen werden.<ref>Zum hier an&shy;hän&shy;gi&shy;gen Problem der Ori&shy;gi&shy;nal&shy;dru&shy;cke, die der Kup&shy;fer&shy;ste&shy;cher, Li&shy;tho&shy;graph usw. durch Über&shy;wa&shy;chen des Druck&shy;vor&shy;gangs und ge&shy;ge&shy;be&shy;nen&shy;falls durch Num&shy;me&shy;rie&shy;ren und Sig&shy;nie&shy;ren der Dru&shy;cke  au&shy;to&shy;ri&shy;siert, vgl. <bib id='Koschatzky 1975a'>Ko&shy;schatz&shy;ky 1975a</bib>: S. 27-44.</ref> Der Ausdruck ‘Divan Japo&shy;nais’ dient dabei als Eigen&shy;name, der nicht einen einzel&shy;nen konkre&shy;ten Bildträ&shy;ger bezeich&shy;net, sondern die Klasse der Drucke, die dieses Bild reali&shy;sieren. In diesem Sinn schreibt etwa Hans Jonas:
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:''Wenn ein Gemälde oder eine Statue genau kopiert wird, so haben wir in der Kopie nicht ein Bild eines Bildes, sondern die Verdop&shy;pelung ein und dessel&shy;ben Bildes'' (<bib id='Jonas 1973a'></bib>: S. 234f.).<ref>Jo&shy;nas über&shy;trägt da&shy;mit auf das Ver&shy;hält&shy;nis von Bild und Ko&shy;pie ei&shy;ne Ein&shy;sicht, die Pla&shy;ton im Dia&shy;log «Kra&shy;ty&shy;los» am Ver&shy;hält&shy;nis von Ge&shy;gen&shy;stand und Bild ge&shy;won&shy;nen hat&shy;te. Aus&shy;gangs&shy;punkt war dort die Fra&shy;ge, ob ei&shy;ne in al&shy;len Ein&shy;zel&shy;hei&shy;ten ex&shy;ak&shy;te Nach&shy;bil&shy;dung der Per&shy;son Kra&shy;ty&shy;los ein Bild von Kra&shy;ty&shy;los oder ein zwei&shy;ter Kra&shy;ty&shy;los sei (432c; zit. nach <bib id='Platon 1922a'>Pla&shy;ton 1922a</bib>: S. 117).</ref>
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Vergleichbares trifft, wie Benja&shy;min gezeigt hat, auch für die Vielzahl der in den Kinos zirku&shy;lieren&shy;den Kopien eines Filmes zu (vgl. auch <bib id='Carroll 2010a'></bib>: S. 167ff.) und ferner auch für im Druck instan&shy;tiierte Werke mit digi&shy;taler Basis.
  
Gestützt und angeregt wird diese werkimmanente Reflexion durch Kritiker, Kuratoren und Galerien im Umfeld der Kunstzeitschrift «October», die den französischen Poststrukturalismus in die US-amerkanische Kunstwelt eingeführt hat – und das heißt auch: Jacques Derridas Dekonstruktion des (vermeintlich) Primären, hier also vor allem des Originals, sowie Baudrillards Theorie des [[Simulation, Simulakrum|Simulakrums]]. Die Nähe der Appropriation Art zur Theorie betont auch Arthur C. Danto, der in ihr die Verkörperung der „posthistorischen“ Kunst sieht: Einerseits verleihe sie „Bildern mit einer festgelegten Bedeutung und Identität“ eine „neue Bedeutung und Indentität“, andererseits sprenge sie, da sich ein Picasso oder Duchamp ebenso aneignen lasse wie ein Piero della Francesca, die noch in der künstlerischen Moderne propagierte „wahrnehmbare stilistische Einheit“ (<bib id='Danto 2000a'></bib>: S. 34-37).
 
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Für die ''bildontologische Reflexion'' ist schließlich die Kopie in multiplen Künsten wie Kupferstich, Lithographie oder Fotografie interessant (vgl. <bib id='Goodman 1995a'></bib>: S. 114, 117 u.ö.). In ihnen ist die Kopie (im Sinne eines Drucks oder eines Abzugs) das eigentliche Bild, während die Vorlage, also die bearbeitete Kupfer- oder Kalksteinplatte oder das fotografische Negativ, nicht als Bild gilt bzw. in der Regel nicht als Bild ausgestellt wird. Das legt nahe, im Kontext derartiger Kopien den Ausdruck ’Bild’ als Bezeichnung für einen abstrakten Gegenstand zu verstehen, wohingegen konkrete Gegenstände gemeint sind, wenn von Bildern im Sinne von Originalen die Rede ist. Die – geschätzt – 1.000 bis 3.000 Drucke, die es beispielsweise von Henri Toulouse-Lautrecs Lithographie «Divan Japonais» (1892/93) gibt, müssen daher als mehr oder weniger gleichwertige Instantiierungen eines Bildes angesehen werden.<ref>Zum hier anhängigen Problem der Originaldrucke, die der Kupferstecher, Lithograph usw. durch Überwachen des Druckvorgangs und gegebenenfalls durch Nummerieren und Signieren der Drucke  autorisiert, vgl. <bib id='Koschatzky 1975a'></bib>: S. 27-44.</ref> Der Ausdruck “Divan Japonais“ dient dabei als Eigenname, der nicht einen einzelnen konkreten Bildträger bezeichnet, sondern die Klasse der Drucke, die dieses Bild realisieren. In diesem Sinn schreibt etwa Hans Jonas: „Wenn ein Gemälde oder eine Statue genau kopiert wird, so haben wir in der Kopie nicht ein Bild eines Bildes, sondern die Verdoppelung ein und desselben Bildes“ (<bib id='Jonas 1973a'></bib>: S. 234f.).<ref>Jonas überträgt damit auf das Verhältnis von Bild und Kopie eine Einsicht, die Platon im Dialog «Kratylos» am Verhältnis von Gegenstand und Bild gewonnen hatte. Ausgangspunkt war dort die Frage, ob eine in allen Einzelheiten exakte Nachbildung der Person Kratylos ein Bild von Kratylos oder ein zweiter Kratylos sei (432c; zit. nach <bib id='Platon 1922a'></bib>: S. 117).</ref> – Vergleichbares trifft, wie Benjamin gezeigt hat, auch für die Vielzahl der in den Kinos zirkulierenden Kopien eines Filmes zu (vgl. auch <bib id='Carroll 2010a'></bib>: S. 167ff.) und ferner auch für im Druck instantiierte Werke mit digitaler Basis.
 
  
 
==Ausblick==
 
==Ausblick==
  
Analog zur Semantik von ‘Original’ lässt sich auch für diejenige von ‘Kopie’ behaupten, dass sich in ihr zentra­le Ele­mente der allgemeinen Bildthe­orie wiederfinden und dass sie komplex und bisweilen paradox ist. Wie für die allgemeine Bildtheorie sind auch im Falle der Kopie Fragen der Kausalität und Ähnlichkeit von Bedeutung. Komplex ist die Seman­tik von ‘Kopie’ wegen der klassifikatorischen und evaluativen Verwendungsweisen und der verschiedenen Diskurse, Praxisfelder und Theorien. Allerdings ist diese Komplexität durch die Dominanz der modernen Ästhetik des gemalten, gezeichneten oder plastischen Originals lange Zeit verdeckt worden. (Auch vor diesem Hintergrund ist die öfters anzutreffende Behauptung zu relativieren, im Gegensatz zu den asiatischen Kulturen der Kopie sei die westliche Kultur eine des Originals. Letzteres trifft weder in der Vor- noch Postmoderne zu und ist auch in der Moderne fragwürdig jedenfalls dann, wenn man etwa Druck-, Foto- und Filmtechnik oder die gravierenden wirtschaftlichen und pädagogischen Effekte der Kopie berücksichtigt.) Vom Paradox schließlich lässt sich zum Einen mit Blick auf den Sonderfall der Appropriation Art sprechen, deren Kopien sich zunächst der modernen Originalitätspflicht zu entziehen scheinen, aber gerade darin wieder originell sind (vgl. <bib id='Ullrich 2011a'></bib>: S. 110). Zum Anderen zeigt sich in der jüngeren Forschung insofern ein allgemeines Paradox, als sie das ältere lineare Modell überformt, in dem auf das primäre Original noch schlicht die sekundäre Kopie folgte: sei es, dass die Forschung nun die Unterscheidung zwischen Original und Kopie generell in Zweifel zieht, sei es, dass sie an dessen Stelle eine kompliziertere, meist dialektische Struktur zu setzen versucht. Gestützt wird dieses neue Modell zumeist mit dem Hinweis auf die technische Entwicklung, insbesondere die Digitalisierung, und/oder auf den sozialen und daher vermittelten Charakter der Kunstproduktion (vgl. exemplarisch <bib id='von Gehlen 2011a'></bib> und – in kritischer Auseinandersetzung mit Goodman und Crispin Sartwell – <bib id='Elkins 1993a'></bib>).
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Analog zur Semantik von ‘Original’ lässt sich auch für dieje&shy;nige von ‘Kopie’ behaup&shy;ten, dass sich in ihr zentra&shy;­le Ele&shy;­mente der allge&shy;meinen Bild&shy;the­orie wieder&shy;finden und dass sie komplex und biswei&shy;len para&shy;dox ist. Wie für die allge&shy;meine Bild&shy;theorie sind auch im Falle der Kopie Fragen der Kausa&shy;lität und Ähnlich&shy;keit von Bedeu&shy;tung.  
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Komplex ist die Seman­tik von ‘Kopie’ wegen der klassi&shy;fika&shy;tori&shy;schen und eva&shy;luati&shy;ven Verwen&shy;dungswei&shy;sen und der verschie&shy;denen Diskur&shy;se, Praxis&shy;felder und Theorien. Aller&shy;dings ist diese Komple&shy;xität durch die Domi&shy;nanz der moder&shy;nen Ästhe&shy;tik des gemal&shy;ten, gezeich&shy;neten oder plasti&shy;schen Ori&shy;ginals lange Zeit verdeckt worden.<ref>Auch vor die&shy;sem Hin&shy;ter&shy;grund ist die öf&shy;ters an&shy;zu&shy;tref&shy;fen&shy;de Be&shy;haup&shy;tung zu re&shy;la&shy;ti&shy;vie&shy;ren, im Ge&shy;gen&shy;satz zu den asi&shy;a&shy;ti&shy;schen Kul&shy;tu&shy;ren der Ko&shy;pie sei die west&shy;li&shy;che Kul&shy;tur ei&shy;ne des Ori&shy;gi&shy;nals. Letz&shy;te&shy;res trifft we&shy;der in der Vor- noch Post&shy;mo&shy;der&shy;ne zu und ist auch in der Mo&shy;der&shy;ne frag&shy;wür&shy;dig je&shy;den&shy;falls dann, wenn man et&shy;wa Druck-, Foto- und Film&shy;tech&shy;nik oder die gra&shy;vie&shy;ren&shy;den wirt&shy;schaft&shy;li&shy;chen und pä&shy;da&shy;go&shy;gi&shy;schen Ef&shy;fek&shy;te der Ko&shy;pie be&shy;rück&shy;sich&shy;tigt.</ref>
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Vom Paradox schließlich lässt sich zum Einen mit Blick auf den Sonder&shy;fall der Appro&shy;priation Art sprechen, deren Kopien sich zunächst der moder&shy;nen Ori&shy;gina&shy;litäts&shy;pflicht zu entzie&shy;hen scheinen, aber gera&shy;de darin wieder ori&shy;ginell sind (vgl. <bib id='Ullrich 2011a'></bib>: S. 110). Zum Ande&shy;ren zeigt sich in der jünge&shy;ren Forschung inso&shy;fern ein allge&shy;meines Para&shy;dox, als sie das älte&shy;re line&shy;are Modell über&shy;formt, in dem auf das primä&shy;re Ori&shy;ginal noch schlicht die sekun&shy;däre Kopie folgte: sei es, dass die Forschung nun die Unter&shy;scheidung zwischen Ori&shy;ginal und Kopie gene&shy;rell in Zweifel zieht, sei es, dass sie an dessen Stelle eine kompli&shy;zierte&shy;re, meist dialek&shy;tische Struktur zu setzen versucht. Gestützt wird dieses neue Modell zumeist mit dem Hinweis auf die techni&shy;sche Ent&shy;wicklung, insbe&shy;sonde&shy;re die Digi&shy;tali&shy;sierung, und/oder auf den sozi&shy;alen und daher vermit&shy;telten Charak&shy;ter der Kunstpro&shy;duktion.<ref>Vgl. hier&shy;zu exem&shy;pla&shy;risch <bib id='Shields 2010a'></bib>, <bib id='von Gehlen 2011a'>von Geh&shy;len 2011a</bib> und – in kri&shy;ti&shy;scher Aus&shy;ein&shy;an&shy;der&shy;set&shy;zung mit Good&shy;man und Cris&shy;pin Sart&shy;well – <bib id='Elkins 1993a'>El&shy;kins 1993a</bib>.</ref>
  
 
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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2019, 14:56 Uhr

Unterpunkt zu: Bildverwendungstypen


Etymologien und allgemeine Bedeu­tungen

‘Replika’ (oder ‘Replik’), ‘Faksi­mile’, ‘Kopie’ und die entspre­chenden Aus­drücke im Engli­schen, Franzö­sischen, Italie­nischen usw. sind latei­nischen Ursprungs. ‘Replik/a’ stammt von einer Bezeich­nung für ‘Wieder­holen’ (ursprüng­lich: ‘Zurück­falten’) ab. ‘Faksi­mile’ lässt sich auf den Impe­rativ ‘fac simi­le’ (‘mache es ähnlich!’) zurück­führen und wird nach 1880 im hier rele­vanten Kontext von bilden­der Kunst, Druck und Medien verwen­det (vgl. [Rebel 2009a]Rebel, Ernst (2009).
Druck­grafik. Geschich­te und Fachbe­griffe. Mit 56 Abbil­dungen und Riss­zeichnun­gen. Stutt­gart: Philipp Reclam jun..

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: S. 184). ‘Kopie’ besitzt die längste Vorge­schichte der drei und stellt eine Fili­ation von ‘co-ops’ dar, dem Wort für Reichtum und Überfluss. In der anti­ken und mittel­alter­lichen Rheto­rik fallen unter ‘copia’ die Vielfalt von Ideen oder Vorstel­lungen, die Vielfalt des Voka­bulars sowie allge­mein die Fähig­keiten, die einem Redner zur Verfü­gung stehen; mit dem Übergang von mündlich domi­nierten zu stärker schrift- und druckba­sierten Kultu­ren in Mittel­alter und Neuzeit beginnt ‘copia’ die Produk­te von Verviel­fälti­gungspro­zessen wie vor allem Abschrif­ten und Drucke zu bezeich­nen (vgl. [Margo­lin 1994a]Margolin, J.-C. (1994).
Copia.
In Histo­risches Wörter­buch der Rheto­rik. Bd. 2 (Bie – Eul), 385-394.

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).

‘Replik/a’, ‘Faksimile’ und ‘Kopie’ sind Aus­drücke, die mit leichten Bedeu­tungsun­terschie­den Gegen­stände bezeich­nen, die nach der Vorla­ge eines Ori­ginals herge­stellt bzw. gestal­tet worden sind; den von ihnen bezeich­neten Gegen­ständen ist der Bezug auf ein Ori­ginal gemein­sam.

Begriffsverhältnis­se

Die Verhältnisse der drei Begriffe zuein­ander sind im moder­nen Gebrauch nicht eindeu­tig. Nicht immer, aber zumeist dient »Kopie« als Oberbe­griff, dem die beiden ande­ren subsu­miert werden.[1] In diesem Sinne handelt es sich bei der Re­plik/a um die nicht flächi­ge, sondern vollplas­tische Kopie eines drei­dimen­siona­len Ori­ginals (also einer Skulptur, eines Reliefs usw.). Eben­falls in diesem Sinne geht es beim Faksi­mile nicht um eine „ide­ale“, sondern um eine „mate­riale“ Kopie; mit dem Faksi­mile ist keine „medi­ale Über­setzung“ beab­sichtigt, wie etwa der Kupfer­stich den Pinsel­strich eines Gemäl­des in das Linea­ment der Druck­platte über­setzt, sondern ein „quasi-authen­tischer Ersatz“, der in Format, Form, Farbe und Mate­rial maxi­male Ähnlich­keit mit dem Ori­ginal aufwei­sen soll (vgl. [Rebel 2009a]Rebel, Ernst (2009).
Druck­grafik. Geschich­te und Fachbe­griffe. Mit 56 Abbil­dungen und Riss­zeichnun­gen. Stutt­gart: Philipp Reclam jun..

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: S. 184, 215; auch ⊳ Authentizität).
Außer im Verhältnis der Unter­ordnung können »Kopie« und »Re­plik/a« auch in dem der Neben­ordnung stehen. In diesem Sinne wird die Kopie als Nachbil­dung eines Kunst­werkes durch fremde Hand begrif­fen und der Re­plik/a gegen­über­gestellt, die sich dem Künstler selbst oder seiner Werkstatt verdankt (vgl. [Olbrich 1987a]Olbrich, Harald (1987ff.).
Lexi­kon der Kunst. Archi­tektur, bilden­de Kunst, ange­wandte Kunst, indus­trielle Formge­staltung, Kunst­theorie. Bd. 1-7. Leipzig: Seemann.

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: Bd. 4, S. 7).

Ebenfalls quer zu einem schlichten Verhält­nis der Unter­ordnung steht die Tatsa­che, dass zwar alle drei Aus­drücke deskrip­tiv verwen­det werden können, von ‘Kopie’ aber auch ausdrück­lich ein eva­luati­ver Gebrauch gemacht wird – genau­er gesagt: ein pejo­rati­ver. Dieser Gebrauch stützt sich auf die Unter­schiede zwischen Ori­ginal und Kopie in Bezug auf Sequenz und Quanti­tät: Die Kopie ist nichts Erstes, sondern ein Folgen­des oder Zweites (also nicht ein Primä­res, sondern im wahrsten Sinne des Wortes: ein Sekun­däres); und sie ist übli­cherwei­se auch nicht einzig­artig oder zumin­dest nicht selten. Anders als ‘Re­plik/a’ oder ‘Faksi­mile’, die sich in der Regel auf Gegen­stände bezie­hen, die in gerin­gerer Anzahl vorkom­men, hat sich ‘Kopie’ als (ab-)wer­tende Meta­pher für Produk­te und Rezi­pienten einer (durch Massen­medien bestimm­ten) “Massen­kultur” etab­liert.[2]


Diskurse und Praxis­felder

Für die Themen der Replik/a, des Faksi­miles und der Kopie sind mehre­re sich über­lagern­de Diskur­se oder Praxis­felder von Bedeu­tung. Zu berück­sichti­gen sind hier ana­log zum Fall des Ori­ginals insbe­sonde­re techni­sche, rechtli­che, wirtschaft­liche und ästhe­tische Aspek­te und darü­ber hinaus päda­gogi­sche und reli­giöse. Auch deswe­gen ist die Rede von der Kopie oft vieldeu­tig.

In technischer Hinsicht weisen alle drei Repro­duktions­formen auf das Ori­ginal zurück, das sie (mit-)ver­ursacht (dazu auch ⊳ Index) und dem sie ähnlich sind. Dass sich die Repro­duktions­techni­ken stetig ent­wickelt haben und die frühen manu­ellen nach und nach durch maschi­nelle, elek­troni­sche und IT-gestütz­te Techni­ken ergänzt worden sind, mündet anders als im Fall des Ori­ginals nicht allein in einer (vergleich­baren) über­greifen­den Tendenz, sondern auch in wachsen­der Diver­sifi­kation. Zwar lässt sich auf der einen Seite durchaus als Entwick­lungsten­denz festhal­ten, dass es für immer mehr Perso­nen möglich wird, immer schneller und immer einfa­cher immer mehr Repro­duktio­nen herzu­stellen;[3] um beispiels­weise ein Fax (ursprüng­lich: ‘Tele­faksi­mile’) zu versen­den oder Foto­kopien anzu­ferti­gen, bedarf es nur noch des Knopfdrucks des Laien und nicht mehr der aufwen­digen Arbeit eines oder mehre­rer handwerk­lich oder künstle­risch ausge­bilde­ten Spezia­listen. Auf der ande­ren Seite kann sich das Profil der je mögli­chen Repro­duktio­nen deutlich vonein­ander unter­scheiden, was sich schon an ihrem Verhält­nis zur Exakt­heit able­sen lässt. Eine manu­elle, gemal­te oder gezeich­nete, Kopie etwa wird immer von ihrem Ori­ginal abwei­chen, wohin­gegen eine von ihrem ana­logen Daten­träger wie Papier, Zellu­loid oder Stein gelös­te, also digi­tali­sierte Vorla­ge „ohne Quali­tätsver­lust“ immer wieder repro­duziert werden kann (vgl. [von Gehlen 2011a]Von Gehlen, Dirk (2011).
Mashup. Lob der Kopie. Berlin: Suhr­kamp.

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: S. 15, 38). Das quali­fiziert keine der beiden per se als besse­re oder schlechte­re Kopie, ermög­licht aber unter­schiedli­che Funkti­onen.

Neben den speziellen Fragen von Druckpri­vileg, Urhe­berrecht und Copy­right ist in rechtli­cher Hinsicht insbe­sonde­re die Unter­scheidung zwischen Kopie und Fälschung (bzw. Plagiat) ele­mentar. Jede Kopie, die auf maxi­male Ähnlich­keit zielt, teilt nahe­liegen­der Weise zumin­dest eine Inten­tion mit der Fälschung. Während die Fälschung jedoch in betrü­geri­scher Absicht als Ori­ginal ausge­geben wird, ist das Faksi­mile als Kopie kenntlich zu machen.

Was die ästhetische Hinsicht betrifft, so findet sich neben der Kopie als Kopie eines Arte­faktes in den alteu­ropä­ischen Theorien der Mime­sis bis in das 18. Jahrhun­dert auch die Auffas­sung, dass Kunstwer­ke Kopien der Natur sind.[4] Wie auch die Rheto­rik verlie­ren diese Theorien aber durch die Verbrei­tung des Buchdrucks und die moder­nen Ästhe­tiken des Genies und Ori­ginals allmäh­lich an Einfluss. Selbst die manu­elle Kopie erlei­det in diesem Zusam­menhang einen Verlust an Renom­mee, da auch sie Tradi­tionen fortsetzt, anstatt – wie von der moder­nen Doktrin gefor­dert – mit ihnen zu brechen oder gar neue zu etab­lieren. Vice versa gilt, wie sich schon an der Praxis des Renais­sance-Bio­graphen Giorgio Vasa­ri zeigen lässt, die Anzahl der Kopien, die ein Ori­ginal nach sich zieht, als ein Indi­kator für dessen ästhe­tischen Wert (vgl. [Zorach & Rodi­ni 2005]Zorach, Rebecca & Rodini, Eliza­beth (2005).
On Imi­tation and In­ven­tion. An Intro­duction to the Repro­ductive Print.
In Paper Museums. The Repro­ductive Print in Europe, 1500-1800, 1-29.

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: S. 2).
In wirtschaftlicher Hinsicht erschöpft sich die Rolle der Kopie keines­wegs darin, als das (in der Regel) weni­ger knappe Gut auch weni­ger wert zu sein als das Ori­ginal – selbst wenn dies durch die moder­ne Ästhe­tik des Ori­ginals nahe­gelegt wird. Unter vormo­dernen Bedin­gungen kann das Kopie-Sein durchaus ein Verkaufs­argu­ment be­inhal­ten, dann nämlich, wenn es sich um die Kopie eines appro­bierten Ori­ginals handelt, das einen hohen Quali­tätsstan­dard verspricht (vgl. [Mensger 2012a]Mensger, Ariane (2012).
Déjà-vu. Von Kopien und anderen Ori­gina­len.
In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis YouTube, 30-46.

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: S. 33). Noch unter moder­nen Bedin­gungen dienen Kopien eines Ori­ginals ferner dazu, auf letzte­res und seinen ästhe­tischen wie wirtschaft­lichen Wert zu verwei­sen. Damit über­nehmen Kopien für das Ori­ginal Aufga­ben, die denen des Merchan­dising vergleich­bar sind (vgl. [Küster 2012a]Küster, Bärbel (2012).
Reisen zwischen Ori­ginal und Kopie im 18. Jahrhun­dert.
In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis YouTube, 64-75.

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: S. 67).
Ungeachtet der ästhetischen Abwer­tung in der Moder­ne kommt der Kopie in einer – im weites­ten Sinne – päda­gogi­schen Hinsicht fast konti­nuier­lich ein hoher Stellen­wert zu. Einer­seits ermög­licht die Kopie, egal, mit welcher Technik sie auch produ­ziert sein mag, eine Distri­bution von Ansich­ten des Ori­ginals und ist damit ein wichti­ger Faktor bei Tradi­tionsver­mittlung und ästhe­tischer Bildung. Ande­rerseits spielt das (vor allem manu­elle) Erstel­len von Kopien eine wesent­liche Rolle in der Ausbil­dung von Künstlern und Laien.[5] Diese Rolle wird schon früh insti­tutio­nali­siert. Um 1500 betont Dürer, dass ein Maler nur durch das Kopie­ren einschlä­giger Vorbil­der zu einer „freien hant“ gelangt ([Dürer 1966a]Dürer, Albrecht (1966).
Schrift­licher Nachlass. Zweiter Band. Die Anfän­ge der theore­tischen Studien / Das Lehr­buch der Male­rei: Von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäu­de; Von der Perspek­tive; Von Farben / Ein Unter­richt alle Maß zu ändern. Berlin: Deutscher Verein für Kunst­wissen­schaft.

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: S. 99), im 17. Jahrhun­dert wird das manu­elle Kopie­ren Bestand­teil des aka­demi­schen Curri­culums (vgl. [Betz 2012a]Betz, Juli­ane (2012).
Ein ‘Bedürf­niß und Eigen­thum Aller’. Die Verbrei­tung von Kunst durch Repro­dukti­onen im 19. Jahrhun­dert.
In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis You­Tube, 86-95.

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: S. 86 und [Mensger 2012a]Mensger, Ariane (2012).
Déjà-vu. Von Kopien und anderen Ori­gina­len.
In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis YouTube, 30-46.

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: S. 40), und im 18. Jahrhun­dert ist das Kopie­ren in päda­gogi­schen Zusam­menhän­gen derart präsent, dass in der gera­de entste­henden Kunstge­schichte das ästhe­tische Empfin­den allge­mein mit Meta­phern beschrie­ben werden kann, die aus dem Umfeld von Kopien (bzw. Abgüs­sen von Plasti­ken) stammen:
Das wahre Gefühl des Schönen gleichet einem flüssi­gen Gypse, welcher über den Kopf des Apol­lo gegos­sen wird, und densel­ben in allen Theilen berüh­ret und umgibt ([Winckel­mann 1763a]Winckelmann, Johann Joachim (1825).
Ab­hand­lung von der Fähig­keit der Empfin­dung des Schönen in der Kunst, und dem Unter­richte in der­selben.
In Johann Winckel­manns Sämtli­che Werke. Einzig voll­ständi­ge Aus­gabe. Bd. 1, 235-273.

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: S. 245).
Besonderes Interesse in religi­öser Hinsicht erfährt die Kopie im Kontext der vormo­dernen Bildma­gie. Im ursprüng­lich bilder­feindli­chen Christen­tum werden die so genann­ten Acheiro­poeita (wörtlich: ‘die nicht von Menschen­hand Gemach­ten’) früh vom Bilder­verbot ausge­nommen: Bilder, die ohne menschli­ches Zutun entstan­den sein sollen, wie in der Anti­ke vom Mandy­lion (Tuchbild) von Edes­sa und im Mittel­alter vom Suda­rium (Schweißtuch) in Rom behaup­tet.[6] Folgt man der Legen­de, sind sie Indi­zes, da sich auf ihnen das Gesicht Jesu durch Berüh­rung abge­zeichnet haben soll. Um wiede­rum diese Kopien zu repro­duzie­ren, werden zwei Vari­anten namhaft gemacht: Der Legen­de nach erzeugt das Tuchbild durch Abfär­ben auto­matisch selbst eine Kopie (also einen weite­ren Index) von sich; in der tatsäch­lichen Praxis bemü­hen sich die Maler darum, ähnli­che Bilder (also Iko­ne) herzu­stellen, indem sie Ori­gina­lität vermei­den und iko­nogra­phische Konti­nuität wahren (vgl. [Belting 2004a]Belting, Hans (2004).
Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage.

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: S. 233-252 und [Mensger 2012a]Mensger, Ariane (2012).
Déjà-vu. Von Kopien und anderen Ori­gina­len.
In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis YouTube, 30-46.

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: S. 33). Dies soll die Bilder nicht nur in einem offen oder latent bilder­feindli­chen Kontext legi­timie­ren und sie von den von Menschen­hand geschaf­fenen Götzen­bildern unter­scheiden, sondern auch die ihnen – ähnlich wie einer Berüh­rungsre­liquie – zuge­schriebe­ne Wunder­tätig­keit erhal­ten.


Theorien und Strömun­gen

Obwohl Replik/a, Faksimile und Kopie in der sozi­alen Praxis mehr Aufga­ben als das Ori­ginal über­nehmen (vgl. [Küster 2012a]Küster, Bärbel (2012).
Reisen zwischen Ori­ginal und Kopie im 18. Jahrhun­dert.
In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis YouTube, 64-75.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 64), sind sie im Vergleich zu diesem nur selten ein direk­ter Gegen­stand für die theore­tische Neugier (gewe­sen). Insbe­sonde­re in der Moder­ne werden sie zumeist nur als das Ande­re des Ori­ginals neben­bei mitthe­mati­siert. Die im Folgen­den skizzier­ten Ansät­ze zu einer Theorie der Kopie entstam­men den vormo­dernen Krite­rien zur Bewer­tung von Werken, der moder­nen Theorie des Ori­ginals, den Über­legun­gen zur techni­schen Inno­vation der Druckver­fahren, der refle­xiven Strömung der Appro­priation Art sowie der Bild­onto­logie.

In den Kunsttheorien von Renais­sance und früher Neuzeit ist trotz des allmäh­lichen Aufstiegs des Ori­ginals und der Ent­wicklung von Kenner­schaft, die sich auch und gera­de den Unter­scheidun­gen von Ori­ginal und Kopie widmet, noch kein Platz für eine dezi­dierte Abwer­tung von Kopien. Dies verdankt sich einer teils noch in der Rheto­rik fundier­ten, weiter beste­henden Tradi­tion, die das Werk vor allem anhand der inven­tio, der Bild­idee, beur­teilt. Dement­sprechend findet sich hier noch keine klare Asym­metrie zwischen Ori­ginal und Kopie, sondern eine Unter­scheidung von in unter­schiedli­chen Medien reali­sierten Versi­onen, die je über ihre eige­nen Meri­ten verfü­gen:

War das Werk durch die Bild­idee – die Kompo­sition oder Inter­preta­tion eines Sujets – defi­niert, galt für verschie­dene Versi­onen (eine in Öl auf Leinwand, eine als Kohle­zeichnung und eine dritte im Kupfer­stich) grundsätz­lich Gleichbe­rechti­gung. Vielleicht war das Gemäl­de wegen des höhe­ren Mate­rialauf­wands teurer, doch das gestal­teri­sche Vermö­gen eines Künstlers zeigte sich vermut­lich besser bei den Bildfor­men, die auf das Wesent­liche – die kompo­sito­rischen Grundfor­men des diseg­no – redu­ziert waren. ([Ullrich 2009a]Ullrich, Wolfgang (2009).
Raffi­nierte Kunst. Übung vor Repro­duktio­nen. Berlin: Wagen­bach.

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: S. 11).

Diese Bezugsgröße einer über­greifen­den Bild­idee wird erst allmäh­lich durch die des – genial oder zumin­dest ori­ginell reali­sierten – Indi­vidu­ellen ersetzt, aus dem sich dann auch der rechtli­che Anspruch auf geisti­ges Eigen­tum ablei­ten lassen kann.

Die Abwertung, die die Kopie dann in den moder­nen Theorien des Ori­ginals erfährt, greift nicht erst bei den quasi auto­matisch, also technisch bzw. indus­triell erzeug­ten Kopien, sondern schon bei den manu­ell verfer­tigten, wie man einem Standard­werk gegen Ende des 18. Jahrhun­derts entneh­men kann. In «Copey», dem einschlä­gigen Eintrag in Johann Georg Sulzers «Allge­meine Theorie der schönen Künste», heißt es:

Hieraus folget erstlich, daß es unend­lich leichter ist, eine gute Copey, als ein gutes Ori­ginal zu machen. In der That findet man, daß ofte ganz mittel­mäßi­ge Künstler sehr gut copi­ren. Zweytens folget daraus, daß die Copey immer von gerin­gerer Schönheit, als das Ori­ginal sey, weil der Copist, der in einem ganz andern Geist, als sein Vorgän­ger arbei­tet, unmög­lich so denken kann, wie jener gedacht hat. Der größte Unter­schied muß sich darin zeigen, daß in dem Ori­ginal mehr Freyheit ist, weil alles mit Gewiß­heit bear­beitet worden, und aus der Quelle geflos­sen ist; da der Copist seine Gedan­ken nach den Gedan­ken des andern hat zwingen müssen ([Sulzer 1771a]Sulzer, Johann Georg (1771).
Allge­meine Theorie der Schönen Künste. In einzeln, nach alpha­beti­scher Ord­nung der Kunst­wörter auf einan­der folgen­den, Arti­keln abge­handelt. Bd. 1. Leipzig: M. G. Weid­manns Erben.

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: S. 231).

Dass es sich bei Kopien um Arte­fakte handelt, die ohne größe­ren künstle­rischen Aufwand herge­stellt werden, minder­wertig sind und als “unei­gentlich” ange­sehen werden müssen, wird bis in die Gegen­wart zum nur gele­gentlich in Frage gestell­ten, aber meist stabi­len Funda­ment einer Theorie der Kopie zählen.

Mit Blick auf die technische Inno­vation in den Repro­duktions­verfah­ren, nament­lich durch Foto­grafie und Film, hat Walter Benja­min diese Theorie in Frage gestellt. In seinem Aufsatz «Das Kunst­werk im Zeital­ter seiner techni­schen Repro­duzier­barkeit» aus den 1930er Jahren begrüß­te er zum einen – als einer der ersten – die oben ange­sproche­ne Tendenz, immer schneller und einfa­cher Repro­duktio­nen herzu­stellen und über sie verfü­gen zu können ([Benja­min 1974a]Tiede­mann, R. & Schweppen­häuser, H. (1974).
Walter Benja­min – Gesam­melte Schriften. Bd. I.2. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 474-478). Zum ande­ren betont er: „Das repro­duzier­te Kunstwerk wird in immer steigen­dem Maße die Repro­duktion eines auf Repro­duzier­barkeit ange­legten Kunstwerks“; in Anbe­tracht der Möglich­keit, von einer Foto­platte viele Abzü­ge zu ziehen, gilt daher: „die Frage nach dem echten Abzug hat keinen Sinn“ ([Benja­min 1974a]Tiede­mann, R. & Schweppen­häuser, H. (1974).
Walter Benja­min – Gesam­melte Schriften. Bd. I.2. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 481f). Ähnli­ches trifft für den Film zu, inso­fern die in den Kinos verwen­deten Filmrol­len (bzw. DVDs) immer Kopien sind. Im Falle von Foto und Film hat demnach die techni­sche Inno­vation zu einer Nivel­lierung des Unter­schieds von Ori­ginal und Kopie geführt.[7]

Synergien zwischen Theorien und Werken bieten die im Umfeld der postmo­dernen Appro­priation Art entstan­denen Arbei­ten. Nachwei­sen lassen sie sich bereits seit den 1960er Jahren bei Elaine Sturte­vants, in den 1980er Jahren brechen sie sich als neo­konzep­tuelle Strömung ihre Bahn. Hier findet keine primär technisch, sondern vor allem eine ästhe­tisch moti­vierte Aufwer­tung der Kopie statt.

Als Appropriation Art (von lat. appro­priare = zu eigen machen), ‘Aneig­nungskunst’, bezeich­net man Kunst, die sich fremde Bildlich­keit aneig­net, indem sie bereits exis­tieren­de Kunstwer­ke kopiert, also in Format, Technik, Motiv und Stil so exakt wie möglich wieder­holt – und dies nicht, um Plagi­ate herzu­stellen, sondern eigen­ständi­ge, ori­gina­le Kunst­werke im Sinne von Elaine Sturte­vant: „Die Kopie ist das Ori­ginal“ [Zuschlag 2012a]Zuschlag, Christoph (2012).
„Die Kopie ist das Ori­ginal“. Über Appro­priation Art.
In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis YouTube, 126-135.

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: S. 127).
Gestützt und angeregt wird diese werk­imma­nente Refle­xion durch Kriti­ker, Kura­toren und Gale­rien im Umfeld der Kunst­zeitschrift «Octo­ber», die den franzö­sischen Post­struktu­ralis­mus in die US-ame­rika­nische Kunstwelt einge­führt hat – und das heißt auch: Jacques Derri­das Dekon­struktion des (vermeint­lich) Primä­ren, hier also vor allem des Ori­ginals, sowie Baudril­lards Theorie des Simu­lakrums. Die Nähe der Appro­priation Art zur Theorie betont auch Arthur C. Danto, der in ihr die Verkör­perung der „post­histo­rischen“ Kunst sieht: Einer­seits verlei­he sie „Bildern mit einer festge­legten Bedeu­tung und Iden­tität“ eine „neue Bedeu­tung und Iden­tität“, ande­rerseits sprenge sie, da sich ein Picas­so oder Duchamp eben­so aneig­nen lasse wie ein Piero della Frances­ca, die noch in der künstle­rischen Moder­ne propa­gierte „wahrnehm­bare stilis­tische Einheit“ ([Danto 2000a]Danto, Arthur C. (2000).
Das Fort­leben der Kunst. München: Fink.

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: S. 34-37; auch ⊳ Iden­tität).
Für die bildontologische Refle­xion ist schließlich die Kopie in multip­len Künsten wie Kupfer­stich, Litho­graphie oder Foto­grafie inte­ressant (vgl. [Goodman 1995a]Goodman, Nelson (1995).
Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symbol­theorie. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 114, 117 u.ö.). In ihnen ist die Kopie (im Sinne eines Drucks oder eines Abzugs) das eigent­liche Bild, während die Vorla­ge, also die bearbei­tete Kupfer- oder Kalkstein­platte oder das foto­grafi­sche Nega­tiv, nicht als Bild gilt bzw. in der Regel nicht als Bild ausge­stellt wird. Das legt nahe, im Kontext derar­tiger Kopien den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeich­nung für einen abstrak­ten Gegen­stand zu verste­hen, wohin­gegen konkre­te Gegen­stände gemeint sind, wenn von Bildern im Sinne von Ori­gina­len die Rede ist. Die – geschätzt – 1.000 bis 3.000 Drucke, die es beispiels­weise von Henri Tou­louse-Lautrecs Litho­graphie «Divan Japo­nais» (1892/93) gibt, müssen daher als mehr oder weni­ger gleichwer­tige Instan­tiierun­gen eines Bildes ange­sehen werden.[8] Der Ausdruck ‘Divan Japo­nais’ dient dabei als Eigen­name, der nicht einen einzel­nen konkre­ten Bildträ­ger bezeich­net, sondern die Klasse der Drucke, die dieses Bild reali­sieren. In diesem Sinn schreibt etwa Hans Jonas:
Wenn ein Gemälde oder eine Statue genau kopiert wird, so haben wir in der Kopie nicht ein Bild eines Bildes, sondern die Verdop­pelung ein und dessel­ben Bildes ([Jonas 1973a]Jonas, Hans (1973).
Homo pictor. Von der Frei­heit des Bildens.
In Orga­nismus und Freiheit. Ansät­ze zu einer philo­sophi­schen Bio­logie, 226-257.

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: S. 234f.).[9]
Vergleichbares trifft, wie Benja­min gezeigt hat, auch für die Vielzahl der in den Kinos zirku­lieren­den Kopien eines Filmes zu (vgl. auch [Carroll 2010a]Carroll, Noël (2010).
Auf dem Weg zu einer Onto­logie des beweg­ten Bildes.
In Philo­sophie des Films. Grundla­gentex­te, 155-175.

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: S. 167ff.) und ferner auch für im Druck instan­tiierte Werke mit digi­taler Basis.


Ausblick

Analog zur Semantik von ‘Original’ lässt sich auch für dieje­nige von ‘Kopie’ behaup­ten, dass sich in ihr zentra­­le Ele­­mente der allge­meinen Bild­the­orie wieder­finden und dass sie komplex und biswei­len para­dox ist. Wie für die allge­meine Bild­theorie sind auch im Falle der Kopie Fragen der Kausa­lität und Ähnlich­keit von Bedeu­tung.

Komplex ist die Seman­tik von ‘Kopie’ wegen der klassi­fika­tori­schen und eva­luati­ven Verwen­dungswei­sen und der verschie­denen Diskur­se, Praxis­felder und Theorien. Aller­dings ist diese Komple­xität durch die Domi­nanz der moder­nen Ästhe­tik des gemal­ten, gezeich­neten oder plasti­schen Ori­ginals lange Zeit verdeckt worden.[10]

Vom Paradox schließlich lässt sich zum Einen mit Blick auf den Sonder­fall der Appro­priation Art sprechen, deren Kopien sich zunächst der moder­nen Ori­gina­litäts­pflicht zu entzie­hen scheinen, aber gera­de darin wieder ori­ginell sind (vgl. [Ullrich 2011a]Ullrich, Wolfgang (2011).
Gursky­esque: Das Web 2.0, das Ende des Ori­gina­litäts­zwangs und die Rück­kehr des nach­ahmen­den Künstlers.
In Kunst und Philo­sophie. Ori­ginal und Fäl­schung, 93-113.

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: S. 110). Zum Ande­ren zeigt sich in der jünge­ren Forschung inso­fern ein allge­meines Para­dox, als sie das älte­re line­are Modell über­formt, in dem auf das primä­re Ori­ginal noch schlicht die sekun­däre Kopie folgte: sei es, dass die Forschung nun die Unter­scheidung zwischen Ori­ginal und Kopie gene­rell in Zweifel zieht, sei es, dass sie an dessen Stelle eine kompli­zierte­re, meist dialek­tische Struktur zu setzen versucht. Gestützt wird dieses neue Modell zumeist mit dem Hinweis auf die techni­sche Ent­wicklung, insbe­sonde­re die Digi­tali­sierung, und/oder auf den sozi­alen und daher vermit­telten Charak­ter der Kunstpro­duktion.[11]
Anmerkungen
  1. So­weit nicht an­ders ver­merkt, ist das auch in die­sem Ar­ti­kel der Fall.
  2. In die­sen Zu­sam­men­hang ge­hört so­wohl die Be­griffs­prä­gung Sten­dhals, der Men­schen oh­ne aus­ge­präg­te In­di­vi­du­a­li­tät als „hom­mes-co­pies“ be­zeich­ne­te ([Sten­dhal 1868a]Stendhal (Beyle, Henri) (1868).
    De l'amour. Seule édi­tion complète, augmen­tée de pré­faces et de fragments entière­ment inédits. Paris: Michel-Lévy frères.

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    : S. 265), wie auch die Ver­wen­dung wei­te­rer ur­sprüng­lich druck­tech­ni­scher Ter­mi­ni wie ‘Ab­klatsch’, ‘Kli­schee’ und ‘Ste­reo­typ’ im eben­falls pe­jo­ra­ti­ven Sinn.
  3. Gro­ßen An­teil an die­ser Ten­denz hat die er­folg­rei­che Kop­pe­lung von Bild­re­pro­duk­ti­ons- und Druck­tech­ni­ken wie et­wa die Ver­bin­dung von Holz­schnitt, Stich und Buch­druck seit dem 15. Jahr­hun­dert oder die von Li­tho­gra­phie und Zei­tungs­druck ab der ers­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts (vgl. [Re­bel 2009a]Rebel, Ernst (2009).
    Druck­grafik. Geschich­te und Fachbe­griffe. Mit 56 Abbil­dungen und Riss­zeichnun­gen. Stutt­gart: Philipp Reclam jun..

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    : S. 102f., 165ff.).
  4. Ein­fluss­rei­che Bei­spie­le da­für sind Jo­na­than Ri­chard­sons «The The­ory of Paint­ing» (1715), der es auch als Auf­ga­be des Ma­lers sieht „to copy na­ture“ ([Ri­chard­son 1792a]Richard­son, Jonathan (1792).
    The Theory of Painting.
    In Works, 5-171.

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    : S. 157), und Charles Bat­teux’ Ab­hand­lung «Les Beaux-Arts ré­duits à un même prin­cipe». Ihr zu­fol­ge ist das Kunst­werk ei­ne „co­pie“, die den „pro­to­type“ oder „mo­dèle“ (aus der Na­tur) nach­ahmt (vgl. [Bat­teux 1746a]Batteux, Charles (1746).
    Les Beaux-Arts réduits à un même principe. Paris: Durand.

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    : S. 12 und ⊳ [[Griechisch: ‘ἄγαλμα’, ‘φάντασμα’, ‘εἴδωλον’, ‘τύπος’, ‘εἰκών’).
  5. Auch in die­sem Zu­sam­men­hang wird die funk­ti­o­na­le Viel­falt der Ko­pie deut­lich. Sie kann bei­spiels­wei­se ei­ne Ge­dächt­nis­stüt­ze sein, den Blick schu­len oder auch der kre­a­ti­ven Aus­ein­an­der­set­zung mit Vor­bil­dern die­nen. Das Spek­trum reicht da­bei von der ge­treu­en oder ge­nau­en Ko­pie auf der ei­nen Sei­te bis zur frei­en, in­ter­pre­tie­ren­den oder Stu­dien­ko­pie auf der an­de­ren Sei­te (vgl. [Ei­ling 2012a]Eiling, Alexander (2012).
    Le Louvre est le livre où nous appre­nons à lire.
    In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis YouTube, 96-107.

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    : S. 102 und [Betz 2012a]Betz, Juli­ane (2012).
    Ein ‘Bedürf­niß und Eigen­thum Aller’. Die Verbrei­tung von Kunst durch Repro­dukti­onen im 19. Jahrhun­dert.
    In Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis You­Tube, 86-95.

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    : S. 86).
  6. Das Chris­ten­tum knüpft hier di­rekt an ei­nen äl­te­ren pa­ga­nen Bil­der­kult an, der den Di­i­pe­tes, den an­geb­lich (von Zeus) vom Him­mel her­ab­ge­wor­fe­nen Bil­dern, ei­ge­nes Le­ben zu­ge­spro­chen hat­te (vgl. [von Dob­schütz 1899a]von Dobschütz, Ernst (1899).
    Chris­tus­bilder. Unter­suchun­gen zur christ­lichen Legen­de. Leip­zig: Hin­richs.

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    : S. 264f.).
  7. Die wei­ter­ge­hen­de kul­tur­re­vo­lu­ti­o­nä­re Per­spek­ti­ve Ben­ja­mins bleibt um­strit­ten: Trotz der tech­nisch in­du­zier­ten Flut von Ko­pi­en ist schließ­lich die „Au­ra“ von Ge­mäl­den, Zeich­nun­gen, Skulp­tu­ren usw. nicht ver­schwun­den. Auch ist bei sol­chen Küns­ten der Un­ter­schied zwi­schen dem Ori­gi­nal und der fälsch­lich als Ori­gi­nal aus­ge­ge­be­nen Ko­pie im­mer noch von Be­lang, wie bei­spiels­wei­se Nel­son Good­man zeigt, des­sen Sym­bol­the­o­rie an die­sen Un­ter­schied auch den­je­ni­gen zwi­schen au­to­gra­phi­schen und al­lo­gra­phi­schen Küns­ten knüpft (vgl. [Good­man 1995a]Goodman, Nelson (1995).
    Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symbol­theorie. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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    : S. 115-121 und ⊳ No­ta­ti­on).
  8. Zum hier an­hän­gi­gen Problem der Ori­gi­nal­dru­cke, die der Kup­fer­ste­cher, Li­tho­graph usw. durch Über­wa­chen des Druck­vor­gangs und ge­ge­be­nen­falls durch Num­me­rie­ren und Sig­nie­ren der Dru­cke au­to­ri­siert, vgl. [Ko­schatz­ky 1975a]Koschatzky, Walter (1975).
    Die Kunst der Graphik. Technik, Geschich­te, Meister­werke. München: dtv.

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    : S. 27-44.
  9. Jo­nas über­trägt da­mit auf das Ver­hält­nis von Bild und Ko­pie ei­ne Ein­sicht, die Pla­ton im Dia­log «Kra­ty­los» am Ver­hält­nis von Ge­gen­stand und Bild ge­won­nen hat­te. Aus­gangs­punkt war dort die Fra­ge, ob ei­ne in al­len Ein­zel­hei­ten ex­ak­te Nach­bil­dung der Per­son Kra­ty­los ein Bild von Kra­ty­los oder ein zwei­ter Kra­ty­los sei (432c; zit. nach [Pla­ton 1922a]Platon (1922).
    Kraty­los. Leipzig: Meiner.

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    : S. 117).
  10. Auch vor die­sem Hin­ter­grund ist die öf­ters an­zu­tref­fen­de Be­haup­tung zu re­la­ti­vie­ren, im Ge­gen­satz zu den asi­a­ti­schen Kul­tu­ren der Ko­pie sei die west­li­che Kul­tur ei­ne des Ori­gi­nals. Letz­te­res trifft we­der in der Vor- noch Post­mo­der­ne zu und ist auch in der Mo­der­ne frag­wür­dig – je­den­falls dann, wenn man et­wa Druck-, Foto- und Film­tech­nik oder die gra­vie­ren­den wirt­schaft­li­chen und pä­da­go­gi­schen Ef­fek­te der Ko­pie be­rück­sich­tigt.
  11. Vgl. hier­zu exem­pla­risch [Shields 2010a]Shields, David (2010).
    Reality Hunger. A Manifesto. New York: Knopf.

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    , [von Geh­len 2011a]Von Gehlen, Dirk (2011).
    Mashup. Lob der Kopie. Berlin: Suhr­kamp.

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    und – in kri­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zung mit Good­man und Cris­pin Sart­well – [El­kins 1993a]Elkins, James (1993).
    From Origi­nal to Copy and Back Again. In British Journal of Aesthet­ics, 33/2, 113-120.

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    .
Literatur                             [Sammlung]

[Bat­teux 1746a]: Batteux, Charles (1746). Les Beaux-Arts réduits à un même principe. Paris: Durand.

[Belting 2004a]: Belting, Hans (2004). Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. [Benja­min 1974a]: Tiede­mann, R. & Schweppen­häuser, H. (Hg.) (1974). Walter Benja­min – Gesam­melte Schriften. Bd. I.2. Frank­furt/M.: Suhr­kamp. [Betz 2012a]: Betz, Juli­ane (2012). Ein ‘Bedürf­niß und Eigen­thum Aller’. Die Verbrei­tung von Kunst durch Repro­dukti­onen im 19. Jahrhun­dert. In: Mensger, A. (Hg.): Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis You­Tube. Biele­feld: Kerber, S. 86-95. [Carroll 2010a]: Carroll, Noël (2010). Auf dem Weg zu einer Onto­logie des beweg­ten Bildes. In: Liebsch, D. (Hg.): Philo­sophie des Films. Grundla­gentex­te. Pader­born: mentis, S. 155-175. [Danto 2000a]: Danto, Arthur C. (2000). Das Fort­leben der Kunst. München: Fink. [Dürer 1966a]: Dürer, Albrecht (1966). Schrift­licher Nachlass. Zweiter Band. 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[Zuschlag 2012a]: Zuschlag, Christoph (2012). „Die Kopie ist das Ori­ginal“. Über Appro­priation Art. In: Mensger, A. (Hg.): Déjà-vu? Die Kunst der Wieder­holung von Dürer bis YouTube. Biele­feld: Kerber, S. 126-135.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [108], Joerg R.J. Schirra [38] und Klaus Sachs-Hombach [1] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Liebsch 2013g-e]Vergleiche vollständigen Eintrag
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Liebsch, Dimitri (2013). Replika, Faksimile und Kopie. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024).
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