Replika, Faksimile und Kopie: Unterschied zwischen den Versionen
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Gestützt und angeregt wird diese werkimmanente Reflexion durch Kritiker, Kuratoren und Galerien im Umfeld der Kunstzeitschrift «October», die den französischen Poststrukturalismus in die US-amerkanische Kunstwelt eingeführt hat – und das heißt auch: Jacques Derridas Dekonstruktion des (vermeintlich) Primären, hier also vor allem des Originals, sowie Baudrillards Theorie des [[Simulation, Simulakrum|Simulakrums]]. Die Nähe der Appropriation Art zur Theorie betont auch Arthur C. Danto, der in ihr die Verkörperung der „posthistorischen“ Kunst sieht: Einerseits verleihe sie „Bildern mit einer festgelegten Bedeutung und Identität“ eine „neue Bedeutung und Indentität“, andererseits sprenge sie, da sich ein Picasso oder Duchamp ebenso aneignen lasse wie ein Piero della Francesca, die noch in der künstlerischen Moderne propagierte „wahrnehmbare stilistische Einheit“ (<bib id='Danto 2000a'></bib>: S. 34-37). | Gestützt und angeregt wird diese werkimmanente Reflexion durch Kritiker, Kuratoren und Galerien im Umfeld der Kunstzeitschrift «October», die den französischen Poststrukturalismus in die US-amerkanische Kunstwelt eingeführt hat – und das heißt auch: Jacques Derridas Dekonstruktion des (vermeintlich) Primären, hier also vor allem des Originals, sowie Baudrillards Theorie des [[Simulation, Simulakrum|Simulakrums]]. Die Nähe der Appropriation Art zur Theorie betont auch Arthur C. Danto, der in ihr die Verkörperung der „posthistorischen“ Kunst sieht: Einerseits verleihe sie „Bildern mit einer festgelegten Bedeutung und Identität“ eine „neue Bedeutung und Indentität“, andererseits sprenge sie, da sich ein Picasso oder Duchamp ebenso aneignen lasse wie ein Piero della Francesca, die noch in der künstlerischen Moderne propagierte „wahrnehmbare stilistische Einheit“ (<bib id='Danto 2000a'></bib>: S. 34-37). | ||
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− | Für die ''bildontologische Reflexion'' ist schließlich die Kopie in multiplen Künsten wie Kupferstich, Lithographie oder Fotografie interessant (vgl. <bib id='Goodman 1995a'></bib>: S. 114, 117 u.ö.). In ihnen ist die Kopie (im Sinne eines Drucks oder eines Abzugs) das eigentliche Bild, während die Vorlage, also die bearbeitete Kupfer- oder Kalksteinplatte oder das fotografische Negativ, nicht als Bild gilt bzw. in der Regel nicht als Bild ausgestellt wird. Das legt nahe, im Kontext derartiger Kopien den Ausdruck ’Bild’ als Bezeichnung für einen abstrakten Gegenstand zu verstehen, wohingegen konkrete Gegenstände gemeint sind, wenn von Bildern im Sinne von Originalen die Rede ist. Die – geschätzt – 1.000 bis 3.000 Drucke, die es beispielsweise von Henri Toulouse-Lautrecs Lithographie «Divan Japonais» (1892/93) gibt, müssen daher als mehr oder weniger gleichwertige Instantiierungen eines Bildes angesehen.<ref>Zum hier anhängigen Problem der Originaldrucke, die der Kupferstecher, Lithograph usw. durch Überwachen des Druckvorgangs und gegebenenfalls durch Nummerieren und Signieren der Drucke autorisiert, vgl. <bib id='Koschatzky 1975a'></bib>: S. 27-44.</ref> Der Ausdruck “Divan Japonais“ dient dabei als Eigenname, der nicht einen einzelnen konkreten Bildträger bezeichnet, sondern die Klasse der Drucke, die dieses Bild realisieren. In diesem Sinn schreibt etwa Hans Jonas: „Wenn ein Gemälde oder eine Statue genau kopiert wird, so haben wir in der Kopie nicht ein Bild eines Bildes, sondern die Verdoppelung ein und desselben Bildes“ (<bib id='Jonas 1973a'></bib>: S. 234f.).<ref>Jonas überträgt damit auf das Verhältnis von Bild und Kopie eine Einsicht, die Platon im Dialog «Kratylos» am Verhältnis von Gegenstand und Bild gewonnen hatte. Ausgangspunkt war dort die Frage, ob eine in allen Einzelheiten exakte Nachbildung der Person Kratylos ein Bild von Kratylos oder ein zweiter Kratylos sei (432c; zit. nach <bib id='Platon 1922a'></bib>: S. 117).</ref> – Vergleichbares trifft, wie Benjamin gezeigt hat, auch für die Vielzahl der in den Kinos zirkulierenden Kopien eines Filmes zu (vgl. auch <bib id='Carroll 2010a'></bib>: S. 167ff.) und ferner auch für im Druck instantiierte Werke mit digitaler Basis. | + | Für die ''bildontologische Reflexion'' ist schließlich die Kopie in multiplen Künsten wie Kupferstich, Lithographie oder Fotografie interessant (vgl. <bib id='Goodman 1995a'></bib>: S. 114, 117 u.ö.). In ihnen ist die Kopie (im Sinne eines Drucks oder eines Abzugs) das eigentliche Bild, während die Vorlage, also die bearbeitete Kupfer- oder Kalksteinplatte oder das fotografische Negativ, nicht als Bild gilt bzw. in der Regel nicht als Bild ausgestellt wird. Das legt nahe, im Kontext derartiger Kopien den Ausdruck ’Bild’ als Bezeichnung für einen abstrakten Gegenstand zu verstehen, wohingegen konkrete Gegenstände gemeint sind, wenn von Bildern im Sinne von Originalen die Rede ist. Die – geschätzt – 1.000 bis 3.000 Drucke, die es beispielsweise von Henri Toulouse-Lautrecs Lithographie «Divan Japonais» (1892/93) gibt, müssen daher als mehr oder weniger gleichwertige Instantiierungen eines Bildes angesehen werden.<ref>Zum hier anhängigen Problem der Originaldrucke, die der Kupferstecher, Lithograph usw. durch Überwachen des Druckvorgangs und gegebenenfalls durch Nummerieren und Signieren der Drucke autorisiert, vgl. <bib id='Koschatzky 1975a'></bib>: S. 27-44.</ref> Der Ausdruck “Divan Japonais“ dient dabei als Eigenname, der nicht einen einzelnen konkreten Bildträger bezeichnet, sondern die Klasse der Drucke, die dieses Bild realisieren. In diesem Sinn schreibt etwa Hans Jonas: „Wenn ein Gemälde oder eine Statue genau kopiert wird, so haben wir in der Kopie nicht ein Bild eines Bildes, sondern die Verdoppelung ein und desselben Bildes“ (<bib id='Jonas 1973a'></bib>: S. 234f.).<ref>Jonas überträgt damit auf das Verhältnis von Bild und Kopie eine Einsicht, die Platon im Dialog «Kratylos» am Verhältnis von Gegenstand und Bild gewonnen hatte. Ausgangspunkt war dort die Frage, ob eine in allen Einzelheiten exakte Nachbildung der Person Kratylos ein Bild von Kratylos oder ein zweiter Kratylos sei (432c; zit. nach <bib id='Platon 1922a'></bib>: S. 117).</ref> – Vergleichbares trifft, wie Benjamin gezeigt hat, auch für die Vielzahl der in den Kinos zirkulierenden Kopien eines Filmes zu (vgl. auch <bib id='Carroll 2010a'></bib>: S. 167ff.) und ferner auch für im Druck instantiierte Werke mit digitaler Basis. |
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Version vom 1. Oktober 2013, 17:03 Uhr
Unterpunkt zu: Bildverwendungstypen
Etymologien und allgemeine Bedeutungen‘Replika’ (oder ‘Replik’), ‘Faksimile’, ‘Kopie’ und die entsprechenden Ausdrücke im Englischen, Französischen, Italienischen usw. sind lateinischen Ursprungs. ‘Replik/a’ stammt von einer Bezeichnung für ‘Wiederholen’ (ursprünglich: ‘Zurückfalten’) ab. ‘Faksimile’ lässt sich auf den Imperativ ‘fac simile’ (‘mache es ähnlich!’) zurückführen und wird nach 1880 im hier relevanten Kontext von bildender Kunst, Druck und Medien verwendet (vgl. [Rebel 2009a]Literaturangabe fehlt. BegriffsverhältnisseDie Verhältnisse der drei Begriffe zueinander sind im modernen Gebrauch nicht eindeutig. Nicht immer, aber zumeist dient »Kopie« als Oberbegriff, dem die beiden anderen subsumiert werden.[1] In diesem Sinne handelt es sich bei der Replik/a um die nicht flächige, sondern vollplastische Kopie eines dreidimensionalen Originals (also einer Skulptur, eines Reliefs usw.). Ebenfalls in diesem Sinne geht es beim Faksimile nicht um eine „ideale“, sondern um eine „materiale“ Kopie; mit dem Faksimile ist keine „mediale Übersetzung“ beabsichtigt, wie etwa der Kupferstich den Pinselstrich eines Gemäldes in das Lineament der Druckplatte übersetzt, sondern ein „quasi-authentischer Ersatz“, der in Format, Form, Farbe und Material maximale Ähnlichkeit mit dem Original aufweisen soll (vgl. [Rebel 2009a]Literaturangabe fehlt. Außer im Verhältnis der Unterordnung können »Kopie« und »Replik/a« auch in dem der Nebenordnung stehen. In diesem Sinne wird die Kopie als Nachbildung eines Kunstwerkes durch fremde Hand begriffen und der Replik/a gegenübergestellt, die sich dem Künstler selbst oder seiner Werkstatt verdankt (vgl. [Olbrich 1987a]Literaturangabe fehlt. Ebenfalls quer zu einem schlichten Verhältnis der Unterordnung steht die Tatsache, dass zwar alle drei Ausdrücke deskriptiv verwendet werden können, von ‘Kopie’ aber auch ausdrücklich ein evaluativer Gebrauch gemacht wird - genauer gesagt: ein pejorativer. Dieser Gebrauch stützt sich auf die Unterschiede zwischen Original und Kopie in Bezug auf Sequenz und Quantität: Die Kopie ist nichts Erstes, sondern ein Folgendes oder Zweites (also nicht ein Primäres, sondern im wahrsten Sinne des Wortes: ein Sekundäres); und sie ist üblicherweise auch nicht einzigartig oder zumindest nicht selten. Anders als ‘Replik/a’ oder ‘Faksimile’, die sich in der Regel auf Gegenstände beziehen, die in geringerer Anzahl vorkommen, hat sich ‘Kopie’ als (ab-)wertende Metapher für Produkte und Rezipienten einer (durch Massenmedien) bestimmten “Massenkultur” etabliert.[2] Diskurse und PraxisfelderFür die Themen der Replik/a, des Faksimiles und der Kopie sind mehrere sich überlagernde Diskurse oder Praxisfelder von Bedeutung. Zu berücksichtigen sind hier analog zum Fall des Originals insbesondere technische, rechtliche, wirtschaftliche und ästhetische Aspekte und darüber hinaus pädagogische und religiöse. Auch deswegen ist die Rede von der Kopie oft vieldeutig. In technischer Hinsicht weisen alle drei Reproduktionsformen auf das Original zurück, das sie (mit-)verursacht (siehe auch ⊳ Index) und dem sie ähnlich sind. Dass sich die Reproduktionstechniken stetig entwickelt haben und die frühen manuellen nach und nach durch maschinelle, elektronische und IT-gestützte Techniken ergänzt worden sind, mündet anders als im Fall des Originals nicht allein in einer (vergleichbaren) übergreifenden Tendenz, sondern auch in wachsender Diversifikation. Zwar lässt sich auf der einen Seite durchaus als Entwicklungstendenz festhalten, dass es für immer mehr Personen möglich wird, immer schneller und immer einfacher und immer mehr Reproduktionen herzustellen[3]; um beispielsweise ein Fax (ursprünglich: Telefaksimile) zu versenden oder Fotokopien anzufertigen, bedarf es nur noch des Knopfdrucks des Laien und nicht mehr der aufwendigen Arbeit eines oder mehrerer handwerklich oder künstlerisch ausgebildeten Spezialisten. Auf der anderen Seite kann sich das Profil der je möglichen Reproduktionen deutlich voneinander unterscheiden, was sich schon an ihrem Verhältnis zur Exaktheit ablesen lässt. Eine manuelle, gemalte oder gezeichnete, Kopie etwa wird immer von ihrem Original abweichen, wohingegen eine von ihrem analogen Datenträger wie Papier, Zelluloid oder Stein gelöste, also digitalisierte Vorlage „ohne Qualitätsverlust“ immer wieder reproduziert werden kann (vgl. [von Gehlen 2011a]Literaturangabe fehlt. Neben den speziellen Fragen von Druckprivileg, Urheberrecht und Copyright ist in rechtlicher Hinsicht insbesondere die Unterscheidung zwischen Kopie und Fälschung (bzw. Plagiat) elementar. Jede Kopie, die auf maximale Ähnlichkeit zielt, teilt naheliegender Weise zumindest eine Intention mit der Fälschung. Während die Fälschung jedoch in betrügerischer Absicht als Original ausgegeben wird, ist das Faksimile als Kopie kenntlich zu machen. Was die ästhetische Hinsicht betrifft, so findet sich neben der Kopie als Kopie eines Artefaktes in den alteuropäischen Theorien der Mimesis bis in das 18. Jahrhundert auch die Auffassung, dass Kunstwerke Kopien der Natur sind.[4] Wie auch die Rhetorik verlieren diese Theorien aber durch die Verbreitung des Buchdrucks und die modernen Ästhetiken des Genies und Originals allmählich an Einfluss. Selbst die manuelle Kopie erleidet in diesem Zusammenhang einen Verlust an Renommee, da auch sie Traditionen fortsetzt, anstatt – wie von der modernen Doktrin gefordert – mit ihnen zu brechen oder gar neue zu etablieren. Vice versa gilt, wie sich schon an der Praxis des Renaissance-Biographen Giorgio Vasari zeigen lässt, die Anzahl der Kopien, die ein Original nach sich zieht, als ein Indikator für dessen ästhetischen Wert (vgl. [Zorach & Rodini 2005]Literaturangabe fehlt. In wirtschaftlicher Hinsicht erschöpft sich die Rolle der Kopie keineswegs darin, als das (in der Regel) weniger knappe Gut auch weniger wert zu sein als das Original – selbst wenn dies durch die moderne Ästhetik des Originals nahegelegt wird. Unter vormodernen Bedingungen kann das Kopie-Sein durchaus ein Verkaufsargument beinhalten, dann nämlich, wenn es sich um die Kopie eines approbierten Originals handelt, das einen hohen Qualitätsstandard verspricht (vgl. [Mensger 2012a]Literaturangabe fehlt. Ungeachtet der ästhetischen Abwertung in der Moderne kommt der Kopie in einer – im weitesten Sinne – pädagogischen Hinsicht fast kontinuierlich ein hoher Stellenwert zu. Einerseits ermöglicht die Kopie, egal, mit welcher Technik sie auch produziert sein mag, eine Distribution von Ansichten des Originals und ist damit ein wichtiger Faktor bei Traditionsvermittlung und ästhetischer Bildung. Andererseits spielt das (vor allem manuelle) Erstellen von Kopien eine wesentliche Rolle in der Ausbildung von Künstlern und Laien.[5] Diese Rolle wird schon früh institutionalisiert. Um 1500 betont Dürer, dass ein Maler nur durch das Kopieren einschlägiger Vorbilder zu einer "freien hant" gelangt ([Dürer 1966a]Literaturangabe fehlt. Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 233-252 und [Mensger 2012a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 33). Dies soll die Bilder nicht nur in einem offen oder latent bilderfeindlichen Kontext legitimieren und sie von Menschenhand geschaffenen Götzenbildern unterscheiden, sondern auch die ihnen – ähnlich wie einer Berührungsreliquie – zugeschriebene Wundertätigkeit erhalten.
Theorien und StrömungenObwohl Replik/a, Faksimile und Kopie in der sozialen Praxis mehr Aufgaben als das Original übernehmen (vgl. [Küster 2012a]Literaturangabe fehlt. In den Kunsttheorien von Renaissance und früher Neuzeit ist trotz des allmählichen Aufstiegs des Originals und der Entwicklung von Kennerschaft, die sich auch und gerade den Unterscheidungen von Original und Kopie widmet, noch kein Platz für eine dezidierte Abwertung von Kopien. Dies verdankt sich einer teils noch in der Rhetorik fundierten, weiter bestehenden Tradition, die das Werk vor allem anhand der inventio, der Bildidee, beurteilt. Dementsprechend findet sich hier noch keine klare Asymmetrie zwischen Original und Kopie, sondern eine Unterscheidung von in unterschiedlichen Medien realisierten Versionen, die je über ihre eigenen Meriten verfügen:
Diese Bezugsgröße einer übergreifenden Bildidee wird erst allmählichlich durch die des – genial oder zumindest originell realisierten – Individuellen ersetzt, aus dem sich dann auch der rechtliche Anspruch auf geistiges Eigentum ableiten lassen kann. Die Abwertung, die die Kopie dann in den modernen Theorien des Originals erfährt, greift nicht erst bei den quasi automatisch, also technisch bzw. industriell erzeugten Kopien, sondern schon bei den manuell verfertigten, wie man einem Standardwerk gegen Ende des 18. Jahrhunderts entnehmen kann. In „Copey“, dem einschlägigen Eintrag in Johann Georg Sulzers «Allgemeine Theorie der schönen Künste», heißt es:
Dass es sich bei Kopien um Artefakte handelt, die ohne größeren künstlerischen Aufwand hergestellt werden, minderwertig sind und als “uneigentlich” angesehen werden müssen, wird bis in die Gegenwart zum nur gelegentlich in Frage gestellten, aber meist stabilen Fundament einer Theorie der Kopie zählen. Mit Blick auf die technische Innovation in den Reproduktionsverfahren, namentlich durch Fotografie und Film, hat Walter Benjamin diese Theorie in Frage gestellt. In seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ aus den 1930er Jahren begrüßte er zum einen – als einer der ersten – die oben angesprochene Tendenz, immer schneller und einfacher Reproduktionen herzustellen und über sie verfügen zu können ([Benjamin 1974a]Literaturangabe fehlt. Synergien zwischen Theorien und Werken bieten die im Umfeld der postmodernen Approriation Art entstandenen Arbeiten. Nachweisen lassen sie sich bereits seit den 1960er Jahren bei Elaine Sturtevants, in den 1980er Jahren brechen sie sich als neokonzeptuelle Strömung ihre Bahn. Hier findet keine primär technisch, sondern vor allem eine ästhetisch motivierte Aufwertung der Kopie statt.
Gestützt und angeregt wird diese werkimmanente Reflexion durch Kritiker, Kuratoren und Galerien im Umfeld der Kunstzeitschrift «October», die den französischen Poststrukturalismus in die US-amerkanische Kunstwelt eingeführt hat – und das heißt auch: Jacques Derridas Dekonstruktion des (vermeintlich) Primären, hier also vor allem des Originals, sowie Baudrillards Theorie des Simulakrums. Die Nähe der Appropriation Art zur Theorie betont auch Arthur C. Danto, der in ihr die Verkörperung der „posthistorischen“ Kunst sieht: Einerseits verleihe sie „Bildern mit einer festgelegten Bedeutung und Identität“ eine „neue Bedeutung und Indentität“, andererseits sprenge sie, da sich ein Picasso oder Duchamp ebenso aneignen lasse wie ein Piero della Francesca, die noch in der künstlerischen Moderne propagierte „wahrnehmbare stilistische Einheit“ ([Danto 2000a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 114, 117 u.ö.). In ihnen ist die Kopie (im Sinne eines Drucks oder eines Abzugs) das eigentliche Bild, während die Vorlage, also die bearbeitete Kupfer- oder Kalksteinplatte oder das fotografische Negativ, nicht als Bild gilt bzw. in der Regel nicht als Bild ausgestellt wird. Das legt nahe, im Kontext derartiger Kopien den Ausdruck ’Bild’ als Bezeichnung für einen abstrakten Gegenstand zu verstehen, wohingegen konkrete Gegenstände gemeint sind, wenn von Bildern im Sinne von Originalen die Rede ist. Die – geschätzt – 1.000 bis 3.000 Drucke, die es beispielsweise von Henri Toulouse-Lautrecs Lithographie «Divan Japonais» (1892/93) gibt, müssen daher als mehr oder weniger gleichwertige Instantiierungen eines Bildes angesehen werden.[8] Der Ausdruck “Divan Japonais“ dient dabei als Eigenname, der nicht einen einzelnen konkreten Bildträger bezeichnet, sondern die Klasse der Drucke, die dieses Bild realisieren. In diesem Sinn schreibt etwa Hans Jonas: „Wenn ein Gemälde oder eine Statue genau kopiert wird, so haben wir in der Kopie nicht ein Bild eines Bildes, sondern die Verdoppelung ein und desselben Bildes“ ([Jonas 1973a]Jonas, Hans (1973). Homo pictor. Von der Freiheit des Bildens. In Organismus und Freiheit. Ansätze zu einer philosophischen Biologie, 226-257. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 234f.).[9] – Vergleichbares trifft, wie Benjamin gezeigt hat, auch für die Vielzahl der in den Kinos zirkulierenden Kopien eines Filmes zu (vgl. auch [Carroll 2010a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 167ff.) und ferner auch für im Druck instantiierte Werke mit digitaler Basis. AusblickAnalog zur Semantik von ‘Original’ lässt sich auch für diejenige von ‘Kopie’ behaupten, dass sich in ihr zentrale Elemente der allgemeinen Bildtheorie wiederfinden und dass sie komplex und bisweilen paradox ist. Wie für die allgemeine Bildtheorie sind auch im Falle der Kopie Fragen der Kausalität und Ähnlichkeit von Bedeutung. Komplex ist die Semantik von ‘Kopie’ wegen der klassifikatorischen und evaluativen Verwendungsweisen und der verschiedenen Diskurse, Praxisfelder und Theorien. Allerdings ist diese Komplexität durch die Dominanz der modernen Ästhetik des gemalten, gezeichneten oder plastischen Originals lange Zeit verdeckt worden. (Auch vor diesem Hintergrund ist die öfters anzutreffende Behauptung zu relativieren, im Gegensatz zu den asiatischen Kulturen der Kopie sei die westliche Kultur eine des Originals. Letzteres trifft weder in der Vor- noch Postmoderne zu und ist auch in der Moderne fragwürdig – jedenfalls dann, wenn man etwa Druck-, Foto- und Filmtechnik oder die gravierenden wirtschaftlichen und pädagogischen Effekte der Kopie berücksichtigt.) Vom Paradox schließlich lässt sich zum Einen mit Blick auf den Sonderfall der Appropriation Art sprechen, deren Kopien sich zunächst der modernen Originalitätspflicht zu entziehen scheinen, aber gerade darin wieder originell sind (vgl. [Ullrich 2011a]Literaturangabe fehlt. |
Anmerkungen
[Batteux 1746a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Belting 2004a]: Belting, Hans (2004). Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. [Benjamin 1974a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [108], Joerg R.J. Schirra [38] und Klaus Sachs-Hombach [1] — (Hinweis) |