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Als Vorzüge der Skulptur werden Haltbarkeit, Dreidimensionalität und Vielansichtigkeit angeführt.<ref>Zum Paragone vgl. <bib id='Mai 2002a'></bib>, darin besonders: <bib id='Hessler 2002a'></bib> sowie die Zusammenfassung von Stefanie Sonntag auf S. 286. Der Band enthält außerdem eine umfangreiche Bibliographie.</ref> Demgegenüber argumentiert Leonardo da Vinci, dass die räumliche Präsenz der Skulptur nicht von Wahrheit zeuge, sondern weniger Genie erfordere. Die Skulptur sei im Gegensatz zur Malerei nichts anderes als das, wie sie erscheine. Zudem sei bei der Skulptur das Sujet durch das Medium limitiert, da dieses weder Licht noch Farbe noch Flüchtiges wiedergeben könne. Produktionsästhetisch führt der Paragone in der Skulptur zur Betonung der Dreidimensionalität durch komplexe Torsionen und verschlungene Körper, deren Drehung die Körperlichkeit im Raum betont. Paragone-Bilder in der Malerei zeigen Vielansichtigkeit durch Spiegelungen oder durch das Motiv der drei Grazien. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden auch Darstellung Pygmalions, d.h. der Moment der Verlebendigung der Figurine, genutzt, um die Starrheit der Skulptur mit dem lebendigen Kolorit der Malerei zu konfrontieren (vgl. <bib id='Preimesberger 2002a'></bib>: S. 105f.). | Als Vorzüge der Skulptur werden Haltbarkeit, Dreidimensionalität und Vielansichtigkeit angeführt.<ref>Zum Paragone vgl. <bib id='Mai 2002a'></bib>, darin besonders: <bib id='Hessler 2002a'></bib> sowie die Zusammenfassung von Stefanie Sonntag auf S. 286. Der Band enthält außerdem eine umfangreiche Bibliographie.</ref> Demgegenüber argumentiert Leonardo da Vinci, dass die räumliche Präsenz der Skulptur nicht von Wahrheit zeuge, sondern weniger Genie erfordere. Die Skulptur sei im Gegensatz zur Malerei nichts anderes als das, wie sie erscheine. Zudem sei bei der Skulptur das Sujet durch das Medium limitiert, da dieses weder Licht noch Farbe noch Flüchtiges wiedergeben könne. Produktionsästhetisch führt der Paragone in der Skulptur zur Betonung der Dreidimensionalität durch komplexe Torsionen und verschlungene Körper, deren Drehung die Körperlichkeit im Raum betont. Paragone-Bilder in der Malerei zeigen Vielansichtigkeit durch Spiegelungen oder durch das Motiv der drei Grazien. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden auch Darstellung Pygmalions, d.h. der Moment der Verlebendigung der Figurine, genutzt, um die Starrheit der Skulptur mit dem lebendigen Kolorit der Malerei zu konfrontieren (vgl. <bib id='Preimesberger 2002a'></bib>: S. 105f.). | ||
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− | Der Vergleich der Skulptur mit anderen Künsten findet sich im 18. Jahrhundert u.a. in Lessings Schrift «Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie» (1766) wieder. Lessing fasst unter Malerei „die bildenden Künste überhaupt“ (<bib id='Lessing 1974a'></bib>: S. 11) und kontrastiert diese mit der Dichtung. Ziel seiner Ausführungen, mit denen er auf Johann Joachim Winkelmanns Deutung der Laokoon-Gruppe reagiert, ist nicht Hierarchiebildung, sondern Differenzierung der gattungseigenen Qualitäten. Die genannte Gruppe dient als Anschauungsbeispiel für Lessings These, dass die Skulptur Zeitlichkeit und somit auch Handlung im Unterschied zu Gegenständen nicht (oder zumindest nicht direkt) darstellen könne. Zur Darstellung einer Geschichte müsse man daher wie im Fall der Laokoon-Gruppe einen „Augenblick“ aus der Handlung und zwar den „prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und das Folgende am begreiflichsten wird“ (<bib id='Lessing 1974a'></bib>: S. 103). Wenige Jahre nach Lessing verfasst Herder die Schrift «Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions Bildendem Traume» (1778). Wie schon Bernini führt er als Referenzpunkt der Wahrnehmung von dreidimensionaler Kunst einen blinden Rezipienten an. Er kontrastiert nicht Malerei und Skulptur, sondern die Wahrnehmung durch das „Gesicht“, also durch die Augen, mit der Wahrnehmung durch das „Gefühl“:<ref>Zur Vieldeutigkeit | + | Der Vergleich der Skulptur mit anderen Künsten findet sich im 18. Jahrhundert u.a. in Lessings Schrift «Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie» (1766) wieder. Lessing fasst unter Malerei „die bildenden Künste überhaupt“ (<bib id='Lessing 1974a'></bib>: S. 11) und kontrastiert diese mit der Dichtung. Ziel seiner Ausführungen, mit denen er auf Johann Joachim Winkelmanns Deutung der Laokoon-Gruppe reagiert, ist nicht Hierarchiebildung, sondern Differenzierung der gattungseigenen Qualitäten. Die genannte Gruppe dient als Anschauungsbeispiel für Lessings These, dass die Skulptur Zeitlichkeit und somit auch Handlung im Unterschied zu Gegenständen nicht (oder zumindest nicht direkt) darstellen könne. Zur Darstellung einer Geschichte müsse man daher wie im Fall der Laokoon-Gruppe einen „Augenblick“ aus der Handlung und zwar den „prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und das Folgende am begreiflichsten wird“ (<bib id='Lessing 1974a'></bib>: S. 103). Wenige Jahre nach Lessing verfasst Herder die Schrift «Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions Bildendem Traume» (1778). Wie schon Bernini führt er als Referenzpunkt der Wahrnehmung von dreidimensionaler Kunst einen blinden Rezipienten an. Er kontrastiert nicht Malerei und Skulptur, sondern die Wahrnehmung durch das „Gesicht“, also durch die Augen, mit der Wahrnehmung durch das „Gefühl“:<ref>Zur Vieldeutigkeit des Herderschen Gefühlsbegriffs, in dem der Tastsinn nur ein Aspekt von vielen ist, vgl. <bib id='Liebsch 2010a'></bib>.</ref>. Auf der Basis seines Credos „Im Gesicht ist Traum. Im Gefühl ist Wahrheit“ (<bib id='Herder 1969a'></bib>: S. 38) schreibt Herder die „first modern phenomenology of the sculptural“ (<bib id='Potts 2000a'></bib>: S. 28). |
Version vom 29. Juni 2015, 20:20 Uhr
Unterpunkt zu: Bildmedien
Einleitung/DefinitionDie Skulptur als Medium gehört neben der Malerei und der Druckgrafik zu den traditionellen Bildkünsten. Im etymologischen Sinne meint Skulptur „ein durch Aushauen oder als Schnitzerei aus festem Stoff entstandenes dreidimensionales körperhaftes Kunstwerk“ ([Dürre 2007a]Dürre, Stefan (2007).Skulptur – Plastik – Bildhauerei. In Seemanns Lexikon der Skulptur, 6-8. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 6) und wird mit der Plastik kontrastiert, die additive, bildhauerische Verfahren wie zum Beispiel das Modellieren oder Gusstechniken benennt. Diese Begriffstrennung, die sich auf die lateinischen respektive griechischen Bezeichnungen für die traditionellen Verfahren der Bildhauerei bezieht, ist mittlerweile nicht nur alltagssprachlich aufgelöst.[1] Das Aufkommen neuer dreidimensionaler Techniken, die sich nicht mehr der traditionellen subtraktiven oder additiven Verfahren bedienen, lässt die Begriffstrennung für die Kunstwissenschaft nicht mehr produktiv erscheinen.[2] Die Plastik wird daher zunehmend unter dem Begriff »Skulptur« subsumiert, der auch das Relief und so zum Beispiel auch die Münz- und Medaillenkunst mit einschließt. Alex Potts' leicht ironische Definition der Skulptur als „something different from painting“ ([Potts 2000a]Potts, Alex (2000). The Sculptural Imagination. London/New Haven: Yale University Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. ix) ist charakteristisch für das Medium, das in der Theorie lange Zeit nur in Abgrenzung, Vergleich und Wettstreit zu seiner Schwesterkunst Malerei gedacht wurde.[3] Wie Jens Schröter bemerkt, problematisiert die Skulptur als Bild oder Bildwerk, wie sie historisch bezeichnet wurde, noch heute den Planozentrismus auch aktueller Bilddefinitionen ([Schröter 2006a]Schröter, Jens (2006). Wie man Skulpturen rendern soll. Zur Geschichte der transplanen Reproduktion. In Skulptur – Zwischen Realität und Virtualität, 231-274. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 237-39, vgl. auch [Dobbe 2003a]Dobbe, Martina (2003). Das verkörperte Auge. Einige bildwissenschaftliche Fragen an das Medium Plastik. In Winter-Bilder. Zwischen Motiv und Medium. Festschrift für Gundolf Winter zum 60. Geburtstag, 258-274. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 260-61). Dispositive der SkulpturAls Ursprung der Skulptur gibt Leon Battista Alberti in «Das Standbild/De Statua» das Entdecken von dreidimensionalen Bildern in der Natur an, wie zum Beispiel die Ähnlichkeit eines Erdklumpens oder eines Baumstammes mit einem Menschen ([Alberti 2000a]Alberti, Leon Battista (2000).De Statua – Das Standbild. In Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei, 142-182. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 143). Ein Bezug zur Ätiologie der Skulptur ist aber auch in einem der von Alberti angegebenen Ursprungsmythen der Malerei zu finden, der Praktik, Schattenrisse anzufertigen. Nach Plinius' «Naturgeschichte» zeichnete die Tochter des Töpfers Butades aus Anlass der Abreise ihres Geliebten dessen Schattenumriss auf der Wand nach. Butades soll daraufhin den zweidimensionalen Schattenriss mit Ton aufgefüllt und so ein dreidimensionales Abbild des Vermissten geschaffen haben ([Büttner 2002a]Büttner, Andreas (2002). Vom Körper zum Raum. Einige Anmerkungen zu den medialen Möglichkeiten der Plastik. In Wettstreit der Künste, 38-51. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 44). Der Butades-Mythos betont zum einen die Entstehung des dreidimensionalen Mediums aus dem zweidimensionalen, zum anderen weist er auf die Funktion der Skulptur als mimetisches Abbild und Stellvertreter der verkörperten Person hin.[4] Diese Verknüpfung zeigt sich auch in der Verwendung von Denkmälern, Grabreliefs und Imagines oder in der Praxis, Totenmasken und Effigien herzustellen ([Büttner 2002a]Büttner, Andreas (2002). Vom Körper zum Raum. Einige Anmerkungen zu den medialen Möglichkeiten der Plastik. In Wettstreit der Künste, 38-51. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 44). The Pygmalion Effect. Chicago: Chicago University Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 9); Ovid schildert den Pygmalion-Mythos als Trauergesang des Orpheus in Reaktion auf die Versteinerung seiner Frau Eurydike. Die Motive der Versteinerung und Verlebendigung exemplifizieren das Problem der ikonischen Differenz im Medium Plastik. Die Skulptur ist als Bild im Realraum präsent, die Masse von Dargestelltem und Darstellendem können identisch sein ([Potts 2000a]Potts, Alex (2000). The Sculptural Imagination. London/New Haven: Yale University Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 35). Stoichita liest daher die Pygmalion-Erzählung als Triumph des Bildes über das Ding, da das Bild nun existiert. Anders formuliert: Die imitatio naturae in Kombination mit der körperlichen Präsenz ist so überzeugend, dass zwischen Kunst und Wirklichkeit nicht mehr unterschieden werden kann.[5] ParagoneDie Realpräsenz der Skulptur wird auch im Paragone von Malerei und Skulptur als Argument angeführt. Der Paragone entwickelte sich in der italienischen Renaissance als Folge der Etablierung der vormals als Handwerk geltenden Künste Malerei, Skulptur und Architektur als artes liberales. Erste Argumente im Rahmen dieses Wettstreits prägt Alberti, der die Malerei als Lehrerin aller Künste bezeichnet und so die Skulptur herabsetzt ([Alberti 2000a]Alberti, Leon Battista (2000).De Statua – Das Standbild. In Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei, 142-182. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 237). Zugunsten der Skulptur urteilt hingegen etwa Gian Lorenzo Bernini:
Liebe zu Skulptur und Malerei. Vincenzo Giustiniani (1565-1637). Ein Sammler und seine Sammlung. In Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier, 99-109. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 105f.). Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. In Werke, Bd. 6, 7-187. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 11) und kontrastiert diese mit der Dichtung. Ziel seiner Ausführungen, mit denen er auf Johann Joachim Winkelmanns Deutung der Laokoon-Gruppe reagiert, ist nicht Hierarchiebildung, sondern Differenzierung der gattungseigenen Qualitäten. Die genannte Gruppe dient als Anschauungsbeispiel für Lessings These, dass die Skulptur Zeitlichkeit und somit auch Handlung im Unterschied zu Gegenständen nicht (oder zumindest nicht direkt) darstellen könne. Zur Darstellung einer Geschichte müsse man daher wie im Fall der Laokoon-Gruppe einen „Augenblick“ aus der Handlung und zwar den „prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und das Folgende am begreiflichsten wird“ ([Lessing 1974a]Lessing, Gotthold Ephraim (1974). Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. In Werke, Bd. 6, 7-187. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 103). Wenige Jahre nach Lessing verfasst Herder die Schrift «Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions Bildendem Traume» (1778). Wie schon Bernini führt er als Referenzpunkt der Wahrnehmung von dreidimensionaler Kunst einen blinden Rezipienten an. Er kontrastiert nicht Malerei und Skulptur, sondern die Wahrnehmung durch das „Gesicht“, also durch die Augen, mit der Wahrnehmung durch das „Gefühl“:[7]. Auf der Basis seines Credos „Im Gesicht ist Traum. Im Gefühl ist Wahrheit“ ([Herder 1969a]Herder, Johann Gottfried (1969). Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions Bildendem Traume. Köln: Jakob Hegner. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 38) schreibt Herder die „first modern phenomenology of the sculptural“ ([Potts 2000a]Potts, Alex (2000). The Sculptural Imagination. London/New Haven: Yale University Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 28).
Skulptur und (Betrachter-)RaumDas Verhältnis von Skulptur und Raum wird in Theorie und Praxis erst um 1900 reflektiert. In «Das Problem der Form in der bildenden Kunst» (1893) beschreibt Adolf von Hildebrand die produktions- und rezeptionsästhetische Relevanz dieses Verhältnisses, wobei die Idee des richtigen Betrachtungspunktes im Zentrum steht ([Hildebrand 1893a]Hildebrand, Adolf von (1893).Das Problem der Form in der bildenden Kunst. Strassburg: Heitz. Eintrag in Sammlung zeigen). Nahezu gleichzeitig wird der Raum in den Werken Auguste Rodins thematisiert. Sein Œuvre wird als Ausgangspunkt der modernen Skulptur betrachtet. Nach Rosalind Krauss hebt die moderne Skulptur die inhärente Logik des Denkmals, seine Standortgebundenheit auf. Diese neu gewonnene Autonomie zeige sich bei Rodin in der Unähnlichkeit zum Dargestellten, dem fragmentarischen und unfertigen Charakter seiner Skulpturen und in der Subvertierung der Vielansichtigkeit durch Kopien.[8] Einen Bruch mit der Tradition bedeutet auch Rodins Verzicht auf hohe Postamente oder Sockel, wofür die Skulpturen-Gruppe «Die Bürger von Calais» berühmtestes Beispiel ist.[9] Die Reflexion des Sockels zieht sich durch die Kunst des 20. und 21. Jahrhundert (vgl. [Brunner 2009a]Brunner, D. (2009). Das Fundament der Kunst. Die Skulptur und ihr Sockel in der Moderne. Heidelberg: Edition Braus. Eintrag in Sammlung zeigen, [Gerstein 2007a]Gerstein, Alexandra (2007). Display and Displacement. Sculpture and the Pedestral from Renaissance to Post-Modern. London: Holberton. Eintrag in Sammlung zeigen). Constantin Brancusi etwa baute als erster Künstler ab 1919 Sockel selbst und versah Werke mit unterschiedlichen, mitunter rotierenden Sockeln. Mit dem Verlust des Sockels sollte die Skulptur ihre Isolation vom Raum des Betrachters hinter sich lassen und mit diesem denselben Boden zu teilen beginnen.[10] Hand in Hand mit dieser Entwicklung vollzieht sich die Ausbreitung der Skulptur im Raum, wofür Marcel Duchamps «Trébuchet» (1917)[11] und die konstruktivistischen Reliefs frühe Beispiele sind.
Skulptur im erweiterten FeldDie Problematisierung der Beziehung von Skulptur und Raum begegnet ab den 1960er Jahren erneut in der Land Art, der Minimal Art und der Installationskunst. Die Vielzahl neuer künstlerischer Strategien führt zu einer Ausweitung der genutzten Materialien und auch des Skulpturbegriffs. Neben Alltagsgegenständen wird innerhalb von Body Art und Performance-Kunst auch der Körper der Künstler zur Skulptur, was sich in der auf die Inszenierungen von Gilbert & George ([1]) gemünzten Bezeichnung ‘living sculptures’ verbal manifestiert. Der Langlebigkeit der traditionellen Materialien Stein, Marmor oder Bronze werden nicht nur die Kurzlebigkeit der Performance, sondern auch das Verwenden flüchtiger Materialien wie Wasser, Luft und Licht entgegengesetzt.[12] Der Herausforderung einer „Skulptur im erweiterten Feld“[13] suchten Theoretiker gestalterisch zu begegnen, so zum Beispiel Donald Judd mit seiner Idee einer dritten Kategorie neben Skulptur und Malerei, dem Objekt (vgl. [Judd 1986a]Judd, Donald (1986).Spezifische Objekte (1965). In Skulptur im 20. Jahrhundert, 299-302. Eintrag in Sammlung zeigen). Trotz der mannigfaltigen Diversifikationen der Skulptur im 20. Jahrhundert ist das Unbehagen gegenüber dem dreidimensionalen Medium[14] geblieben – die der Skulptur innewohnende Herausforderung, Artefakt von Fakt unterscheiden lernen zu müssen, verunsichert noch immer [vgl. Abb. 1). |
Anmerkungen
[Alberti 2000a]: Alberti, Leon Battista (2000). De Statua – Das Standbild. In: Bätschmann, O. & Schäublin, C. (Hg.): Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei. Darmstadt: WBG, S. 142-182.
[Boehm 1977a]: Boehm, Gottfried (1977). Plastik und plastischer Raum. In: Bußmann, K. & König, K. (Hg.): Skulptur. Ausstellung in Münster. Münster: Landschaftsverband Westfalen-Lippe, S. 23-44.
[Brunner 2009a]: Brunner, D. (Hg.) (2009). Das Fundament der Kunst. Die Skulptur und ihr Sockel in der Moderne. Heidelberg: Edition Braus.
[Büttner 2002a]: Büttner, Andreas (2002). Vom Körper zum Raum. Einige Anmerkungen zu den medialen Möglichkeiten der Plastik. In: Mai, E. (Hg.): Wettstreit der Künste. Wolfratshausen: Edition Minerva, S. 38-51.
[Dobbe 2003a]: Dobbe, Martina (2003). Das verkörperte Auge. Einige bildwissenschaftliche Fragen an das Medium Plastik. In: Dobbe, M. & Gendolla, P. (Hg.): Winter-Bilder. Zwischen Motiv und Medium. Festschrift für Gundolf Winter zum 60. Geburtstag. Siegen: Universi, S. 258-274.
[Dürre 2007a]: Dürre, Stefan (2007). Skulptur – Plastik – Bildhauerei. In: Dürre, S. (Hg.): Seemanns Lexikon der Skulptur. Leipzig: Seemann, S. 6-8.
[Gerstein 2007a]: Gerstein, Alexandra (Hg.) (2007). Display and Displacement. Sculpture and the Pedestral from Renaissance to Post-Modern. London: Holberton.
[Hartog 2009a]: Hartog, Arie (2009). Die Frage der Augenhöhe: Beobachtungen zu Sockeln in der Bildhauerei um 1900. In: Brunner, D. (Hg.): Das Fundament der Kunst. Die Skulptur und ihr Sockel in der Moderne. Heidelberg: Edition Braus, S. 37-44.
[Herder 1969a]: Herder, Johann Gottfried (1969). Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions Bildendem Traume. Köln: Jakob Hegner.
[Hessler 2002a]: Hessler, Christiane J. (2002). Maler und Bildhauer im sophistischen Tauziehen. Der Paragone in der italienischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts. In: Mai, E. (Hg.): Wettstreit der Künste. Wolfratshausen: Ed. Minerva, S. 82-97.
[Hildebrand 1893a]: Hildebrand, Adolf von (1893). Das Problem der Form in der bildenden Kunst. Strassburg: Heitz.
[Judd 1986a]: Judd, Donald (1986). Spezifische Objekte (1965). In: Rowell, M. (Hg.): Skulptur im 20. Jahrhundert. München: Prestel, S. 299-302.
[Krauss 1990a]: Krauss, Rosalind (1990). Passages in Modern Sculpture. London: MIT Press, Reprint der Erstausgabe von 1977.
[Krauss 2000b]: Krauss, Rosalind (2000). Skulptur im erweiterten Feld (1978). In: Wolf, H. (Hg.): Die Originalität der Avantgarde und andere Mythen der Moderne. Amsterdam: Verlag der Kunst, S. 331-346.
[Lessing 1974a]: Lessing, Gotthold Ephraim (1974). Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. In: Göpfert, H. G. (Hg.): Werke, Bd. 6. München: Hanser, S. 7-187.
[Liebsch 2010a]: Liebsch, Dimitri (2010). Herders Gefühle. Einige Anmerkungen zum ‘Vierten Kritischen Wäldchen’ und zur ‘Plastik’. Das Achtzehnte Jahrhundert. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts, Band: 34, Nummer: 1, S. 24-39.
[Lippard 1997a]: Lippard, Lucy R. (Hg.) (1997). Six Years. The Dematerialization of the Art Object from 1966 to 1972. Berkeley: University of California Press.
[Mai 2002a]: Mai, Ekkehard (Hg.) (2002). Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier. Wolfratshausen: Edition Minerva.
[Otto 2001a]: Otto, Julia (2001). Skulptur als Feld. In: Otto, J. (Hg.): Skulptur als Feld. Ostfildern-Ruit: Hatje-Cantz, S. 9-14.
[Potts 2000a]: Potts, Alex (2000). The Sculptural Imagination. London/New Haven: Yale University Press.
[Preimesberger 2002a]: Preimesberger, Rudolf (2002). Liebe zu Skulptur und Malerei. Vincenzo Giustiniani (1565-1637). Ein Sammler und seine Sammlung. In: Mai, E. (Hg.): Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier. Wolfratshausen: Edition Minerva, S. 99-109.
[Rowell 1986a]: Rowell, Margit (1986). Was ist die moderne Skulptur?. In: Rowell, M. (Hg.): Skulptur im 20. Jahrhundert. München: Prestel, S. 7-10.
[Schröter 2006a]: Schröter, Jens (2006). Wie man Skulpturen rendern soll. Zur Geschichte der transplanen Reproduktion. In: Winter, G.; Schröter, J. & Spies, C. (Hg.): Skulptur – Zwischen Realität und Virtualität. München: Fink, S. 231-274.
[Stoichita 2008a]: Stoichita, Victor I. (2008). The Pygmalion Effect. Chicago: Chicago University Press.
[Trier 1980a]: Trier, Eduard (1980). Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert. Berlin: Gebrüder Mann, 2. Auflage.
[Vasari 2006a]: Vasari, Georgio (2006). Einführung in die Künste der Architektur, Bildhauerei und Malerei. Berlin: Klaus Wagenbach.
[Wagner]: Ausgabe 1: 2014 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [65], Dimitri Liebsch [64] und Klaus Sachs-Hombach [9] — (Hinweis) |