Sprechen über Bilder

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Hauptpunkt zu: Bild und Sprache


Fragestellung

Wenn wir etwas über Bilder zum Ausdruck bringen wollen, tun wir dies in der Regel im Medium der Sprache. Die zentra­le Frage inner­halb einer sprach­ana­lyti­schen Betrach­tung des Bild­phäno­mens lautet dann: Welche sprachli­chen Formen gibt es über­haupt, die uns erlau­ben, über Bilder zu sprechen? Eben­so wichtig ist die sich hieran an­schließen­de Frage: Wie unter­scheidet sich unse­re Rede über Bilder von unse­rer Rede über die Gegen­stände selbst? Sprach­ana­lyti­sche Betrach­tungen gehen davon aus, dass eine solche Ana­lyse der sprachli­chen Mittel, mit denen wir über ein bestimm­tes Phäno­men sprechen, zum Verständ­nis dieses Phäno­mens beiträgt, weil die Art und Weise des (alltäg­lichen) Sprechens von den Phäno­menen beein­flusst wird, über die gespro­chen wird.[1]

Die These, dass wir in den selten­sten Fällen Bilder nur schweigend betrach­ten und dass wir also immer auch sprachlich auf Bilder bezo­gen sind, mag als ketze­risch gelten. Ist es nicht gera­de die Funktion insbe­sonde­re von künstle­rischen Bildern, dass wir sprachlos in sie versin­ken? Ist es nicht gerade das spezi­fische Merkmal von Bildern, dass wir sie nie mit den Mitteln der Sprache erschöp­fend beschrei­ben können (⊳ Iko­nische Diffe­renz)? Selbst wenn wir dies anneh­men und Bildern gewis­serma­ßen einen unein­holba­ren Gehalt zuschrei­ben, ändert dies nichts an der Tatsa­che, dass Bilder häufig Bezugs­punkt sprachli­cher Handlun­gen sind, dass der Gebrauch von Bildern Teil komple­xerer kommu­nika­tiver Akte ist und selbst der kontem­plati­ve Bildge­nuss Teil einer Kultur sein muss, die notwen­diger­weise der Sprache bedarf. So kann nur der lernen, sich in ein Bild zu versen­ken, der der Sprache mächtig ist. Trivi­aler­weise muss es in dieser Sprache möglich sein, über Bilder zu sprechen.


Formen des Über-Bilder-​Redens

Gibt es unterschiedliche Formen des Über-​Bilder-​Redens? Und welche sprachli­chen Formen sind es, die uns erlau­ben, über Bilder zu reden? Ein Bild kann in einer sprachli­chen Handlung einge­bunden sein, ohne dass wir deshalb über das Bild reden. Wenn man beispiels­weise ein Bild dazu verwen­det, um sein Gegen­über mithil­fe des Bildes auf etwas aufmerk­sam zu machen: Redet man dann über­haupt über das Bild? In einer schwachen Lesart kann man hier sicher­lich von einem ‘über etwas reden’ sprechen (vgl. [Stein­brenner 2004a]Steinbrenner, Jakob (2004).
Zeichen über Zeichen. Grundlagen einer Theorie der Metabezugnahme. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren.

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; Abschn. II.1), da man sich auf einen funktio­nalen Aspekt des Bildes bezieht (etwa, dass das Bild eine bestimm­te Person darstellt). Will man verschie­dene Weisen des über Bilder Redens klassi­fizieren, ist es nötig, sich zumin­dest eini­germa­ßen über die Eigen­arten von Bildern im Klaren zu sein. Man kann sich beispiels­weise auf mate­rielle Aspek­te von Bildern bezie­hen, aber ebenso auf Wahrneh­mungser­lebnis­se von Bildern, auf den Inhalt von Bildern u.s.f.[2] Wenn man über Bilder redet, kann man sich auf jeden Aspekt, der das Verste­hen einer jewei­ligen Stufe des Verste­hens eigen ist, bezie­hen. Diese Bezug­nahme garan­tiert, dass man über das jewei­lige Bild spricht. Und dies geschieht beispiels­weise in der Kunstge­schichte. Wobei sich die tradi­tionel­le Kunstge­schichte zumeist auf die Stufe 5, dem Verste­hen des Bildin­halts ([Scholz 2004a]Scholz, Oliver R. (2004).
Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl..

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: S. 174-177), und der Stufe 6, dem Verste­hen des deno­tati­ven Sachbe­zugs (ebd. 177-182), bezieht und etwa Fragen zur prinzi­piellen Zeichen­haftig­keit oder der pragma­tischen Einbet­tung von Bildern zumeist nicht im Mittel­punkt des kunstwis­senschaft­lichen Denkens standen. Gleichwohl ist der Vergleich von Sprache und Bilder wahrschein­lich so alt, wie die Philo­sophie und das Nachden­ken über Bilder selbst. Die hier zu nennen­den Stichwor­te sind ‘Ekphra­sis’ und ‘Ut pictu­ra poesis’.
Neben diesen theoretischen Ausein­ander­setzun­gen zum Verhält­nis «Sprache und Bilder» sollte insbe­sonde­re der alltäg­liche Gebrauch von Bildern und ihre entspre­chende sprachli­che Einbet­tung Thema einer genau­eren Unter­suchung sein. Ansät­ze hierzu finden sich bei Ludwig Wittgen­stein (vgl. [Wittgen­stein 1971a]Wittgenstein, Ludwig (1971).
Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

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). Eine rela­tiv ausge­arbei­tete Theorie bietet Kendall Walton in seinem Werk «Mimesis as Make-​Believe: On the Founda­tions of the Repre­sentional Arts» ([Walton 1990a]Walton, Kendall L. (1990).
Mimesis as make-believe : on the foundations of the representational arts. Cambridge, Mass. [u.a.]: Harvard Univ. Press.

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).
Anmerkungen
  1. Zum um­ge­kehr­ten Ein­fluß, wie er in der Sa­pir-​Whorf-​Hy­po­the­se ver­tre­ten wird, bie­tet neben dem Eintrag​ «Bild­ter­mi­ni im mo­der­nen Deutsch»​ der Ab­schnitt​ «Bild­ter­mi­ni an­de­rer Spra­chen»​ Dis­kus­si­ons­ma­te­ri­al.
  2. Man ver­glei­che da­zu die Stu­fen des Bild­ver­ste­hens von Oli­ver R. Scholz, [Scholz 2004a]Scholz, Oliver R. (2004).
    Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl..

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    : Abschn. 5.4.
Literatur                             [Sammlung]

[Scholz 2004a]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl..

[Stein­brenner 2004a]: Steinbrenner, Jakob (2004). Zeichen über Zeichen. Grundlagen einer Theorie der Metabezugnahme. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren. [Walton 1990a]: Walton, Kendall L. (1990). Mimesis as make-believe : on the foundations of the representational arts. Cambridge, Mass. [u.a.]: Harvard Univ. Press. [Wittgen­stein 1971a]: Wittgenstein, Ludwig (1971). Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [23], Jakob Steinbrenner [7] und Klaus Sachs-Hombach [5] — (Hinweis)