Stil

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Unterpunkt zu: Auswirkungen der Bildlichkeit


Es ist schwierig bis unmöglich, eine bündi­ge Antwort auf die Frage zu geben, was Stil sei, aber soviel lässt sich doch sagen, dass Stil immer eine Moda­lität darstellt, mit deren Hilfe etwas auf spezi­fische Weise formu­liert wird; Stil betrifft mithin immer das Wie der Durchfüh­rung: sei es eines Handlungs­vollzugs oder des Erlebens, einer Darstel­lung oder Narra­tion, des Denkens oder Wahrneh­mens. Stets sind es Unter­schiede in der Art und Weise der Ausfüh­rung, der Gestal­tung, in der Manier oder Eigen­art, die zwei Handlun­gen oder Erzäh­lungen, zwei Darstel­lungen oder Sichtwei­sen vonein­ander unter­scheidbar machen, und es sind die Modi der Darstel­lung, die das Darge­stellte erst zu dem werden lassen, was es ist. Ursprüng­lich ein Begriff aus der Rheto­rik, später stark okku­piert für Bereiche der Mode und des äuße­ren Erschei­nungsbil­des von Menschen und Dingen, in Verruf gera­ten durch seinen Mangel an ana­lyti­scher Trennschär­fe, wird er gele­gentlich mißbraucht zur ober­flächli­chen Rubri­zierung singu­lärer Werke.

Was auch immer sich zeigt oder darge­stellt wird und wer auch immer in Erschei­nung tritt, es ist unver­meidlich, dieses auf eine bestimm­te Art und Weise zu tun; man hat, wie Lessing bemerkt, “seinen eignen Stil, so wie seine eigne Nase.” Deswe­gen kann es Wohnsti­le, Fahrsti­le, Führungs­stile und Poli­tiksti­le geben, nur eine wirkli­che Stil-Losig­keit, nicht im Sinne eines fehlen­den Gespürs für’s Ange­messe­ne, sondern im Sinne einer völli­gen Neutra­lität oder Stilfrei­heit ist nicht denkbar, weil eben auch eine vermeint­lich neutra­le – etwa nüchter­ne oder wertungs­freie – Darstel­lung noch die Form einer Darstel­lung ist. Auffäl­lig ist, dass der Stilbe­griff zugleich subsu­mierend als auch diffe­renzie­rend fungiert, zugleich Kollek­tives von epo­chaler Allge­meinheit als auch Indi­vidu­elles von singu­lärer Unver­gleichlich­keit erfas­sen will. Ist damit folglich einer­seits die besondere Eigenart und persön­liche Charak­teris­tik eines Indi­vidu­ums gemeint, lassen sich damit ande­rerseits kollek­tive Zuord­nungen vorneh­men, etwa zu einer Gruppe, Epo­che oder Loka­lität. So gilt bspw. Rembrandt mit der Einzig­artig­keit seines persön­lichen Duktus doch zugleich als expo­nierter Vertre­ter des nieder­ländi­schen Barock, typisch für eine ganze Nation und Epo­che. Das Inkom­mensu­rable und das Reprä­senta­tive greifen also im Stilbe­griff auf merkwür­dige Weise inein­ander. Die Paral­leli­tät von indi­vidual­psycho­logi­schen und histo­rischen Tenden­zen, von persön­lichen und natio­nalen bzw. epo­chalen Menta­litä­ten bildet einen schwer zu durch­schauen­den und ebenso schwer zu erklä­renden Konnex, beson­ders in der Kunstge­schichte. Natür­lich wirken Zeiten und Schulen verhal­tensnor­mierend auf Indi­viduen, aber umge­kehrt bilden auch Indi­viduen eine Epo­che, ohne dass es dafür eine allge­meingül­tige Erklä­rung gäbe.

Eine grundlegende Dichotomie kennzeich­net alle Stilfra­gen: Äuße­re Form einer (sprachli­chen oder piktu­ralen) Darstel­lung auf der einen Seite steht dem darge­stellten Inhalt, der Bedeu­tung oder dem Kern der Sache gegen­über.

In der Folge ergeben sich daraus gewisse Vorbe­halte gegen alles vermeint­lich oder tatsäch­lich Ästhe­tische, das als nur äußer­lich, belie­big, womög­lich bloße Mode gegen­über der Bedeu­tung oder dem Inhalt herab­gesetzt wird. Solche Kritik über­sieht indes­sen, dass in einem empha­tische­ren Verständ­nis Stil nie nur austausch­bare Hülle sein kann, sondern als Ausdruck einer Haltung oder sogar Lebens­form ernst genom­men werden muss. Grundle­gender als solche Einschät­zungen ist jedoch der Umstand, dass die Disjunk­tion von Stil und Wahrheit das Vorhan­densein einer gestalt­losen Rohmas­se von Daten, Dingen oder Fakten voraus­setzt, welche – wiewohl denk-notwen­dig – empi­risch nicht anzu­treffen sind. Zwar ist es konsti­tutions­logisch notwen­dig, sobald man vom Stil einer Darstel­lung oder Erschei­nung redet, auch eine darge­stellte oder erschei­nende Sache voraus­zuset­zen, die theore­tisch und praktisch auch anders darge­stellt werden oder erschei­nen könnte, und daher in irgend­einer Form gege­ben sein muss, um auf diese oder auf jene Weise reali­siert werden zu können. Immer aber muss sie sich auf eine bestimm­te, diese und keine ande­re Weise reali­sieren und ist daher niemals vollkom­men stil-frei.

Nach wie vor sind Heinrich Wölfflins ([Wölfflin 1929a]Literaturangabe fehlt.
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) Über­legun­gen zum Stil in der bilden­den Kunst von maßgeb­licher Bedeu­tung, vor allem in Bezug auf den Zusam­menhang von Darstel­lung und Wahrneh­mung. Wölfflin beschreibt Stil als „die Art, wie das Gese­hene auf eine Form gebracht ist.“ ([Wölfflin 1912a]Literaturangabe fehlt.
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: S. 572)

Aller Ausdruck ist an bestimm­te opti­sche Möglich­keiten gebun­den, die in jedem Zeital­ter ande­re sind. Der gleiche Inhalt könnte zu verschie­denen Zeiten nicht in gleicher Weise ausge­drückt werden, nicht weil die Gefühls­tempe­ratur sich geän­dert hat, sondern weil die Augen sich geän­dert haben (Ebd.)

Selbstverständlich hat Wölfflin einen komple­xen Begriff vom Sehen als einer kultu­rellen Tätig­keit, welche auf Anschau­ungen und Vorstel­lungen basiert. Im Nachwort zur achten Aufla­ge seiner «Grundbe­griffe» beschreibt Wölfflin Sehen als die „Art wie sich [...] in der Vorstel­lung die Dinge gestal­ten“[1]. ‘Male­risch oder plastisch sehen’ heißt demnach, gemäß den Vorstel­lungen zu sehen, die Wölfflin mit Hilfe der Begriffs­paare »linear-​male­risch«,​ »Fläche-​Tiefe«,​ »geschlos­sene Form-​offe­ne Form«,​ »Vielheit-​Einheit«​ und »Klarheit-​Unklar­heit«​ zu kate­gori­sieren suchte. Dass solches Sehen viel mit Denksti­len und Sichtwei­sen zu tun hat, liegt auf der Hand. „Die Art des Sehens“ oder – so ergänzt Wölfflin in Replik auf die Kritik an seinem Sprachge­brauch im Vorwort zur sechsten Aufla­ge ([Wölfflin 1929a]Literaturangabe fehlt.
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) –

sagen wir also des anschau­lichen Vorstel­lens ist nicht von Anfang an und über­all diesel­be, sondern hat, wie alles Leben­dige, ihre Entwick­lung.

Sieht man von Wölfflins voraus­setzungs­reichen, geschichts­philo­sophi­schen Annah­men einmal ab, bleibt vor allem die Einsicht, dass Stil auf einer vorstel­lungsba­sierten und vorstel­lungsbil­denden opti­schen Schema­tisie­rung basie­ren könnte. Wirklich ist „nicht alles zu allen Zeiten möglich“, weder technisch und empi­risch noch symbo­lisch und aisthe­tisch. Der Stil einer Darstel­lung ist von werthaf­ten Sichtwei­sen nicht zu entkop­peln, weil, wie wir sahen, selbst eine neutra­le Sicht eine Sichtwei­se ist. Eine solche Auffas­sung findet auch bei moder­neren Auto­ren ihren Wider­hall: Stil, schreibt Manfred Frank in seiner Unter­suchung zum Stil in der Philo­sophie, sei „die indi­vidu­elle Art und Weise, wie der Autor seine eigen­tümli­che Sicht der Welt sprachlich zum Ausdruck bringt“ ([Frank 1990a]Literaturangabe fehlt.
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: S. 11). Und Arthur Danto verdan­ken wir die Einsicht, dass der Stil einer Darstel­lung uns veran­laßt, dasje­nige, von dem sie handelt, „mit einer bestimm­ten Einstel­lung und in einer beson­deren Sicht zu sehen“ ([Danto 1993a]Literaturangabe fehlt.
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: S. 255).

Anmerkungen
  1. „Wenn ich aber von An­schau­ungs­form spre­che, von Seh­form und der Ent­wick­lung des Se­hens, so ist das wohl ein läs­si­ger Aus­druck, doch kann er sich auf die Ana­lo­gie be­ru­fen, daß man auch vom ‘Au­ge’ des Künst­lers und vom ‘Se­hen’ des Künst­lers spricht, wo man eben die Art meint, wie sich ihm in der Vor­stel­lung die Din­ge ge­stal­ten.“ ([Wölff­lin 1970a]Literaturangabe fehlt.
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    : S. 277)
Literatur                             [Sammlung]

[Danto 1993a]:
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[Frank 1990a]:
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[Wölfflin 1912a]:
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[Wölfflin 1929a]:
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[Wölff­lin 1970a]:
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Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [15], Eva Schürmann [6] und Sebastian Spanknebel [4] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Schürmann 2013g-c]Literaturangabe fehlt.
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[Danto 1993a]:
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[Frank 1990a]:
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[Wölfflin 1929a]:
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[Wölff­lin 1970a]:
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