Symbol, Index, Ikon: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:Aehnlichkeitstheorien1.png|thumb|Abbildung 2: Skizze zu verschiedenen Ähnlich­keitskonzep­tionen: (a) “Selbst­ähnlich­keit” als Exempli­fikation (''genuines Ikon'' bei Peirce: ‹Hirsch exempli­fiziert Geweih­förmig­keit›); (b) onto­logischer Ähnlich­keitsbe­griff; (c) episte­mischer Ähnlich­keitsbe­griff; (d) handlungs­theore­tischer Ähnlich­keitsbe­griff]] | [[Datei:Aehnlichkeitstheorien1.png|thumb|Abbildung 2: Skizze zu verschiedenen Ähnlich­keitskonzep­tionen: (a) “Selbst­ähnlich­keit” als Exempli­fikation (''genuines Ikon'' bei Peirce: ‹Hirsch exempli­fiziert Geweih­förmig­keit›); (b) onto­logischer Ähnlich­keitsbe­griff; (c) episte­mischer Ähnlich­keitsbe­griff; (d) handlungs­theore­tischer Ähnlich­keitsbe­griff]] | ||
Tatsäch­lich liegen bei Peirce ''echte'' (''genu­ine'') Iko­ne nur dann vor, wenn man eine Eigen­schaft eines (als Zeichen­trä­ger) wahrge­nomme­nen Gegen­stands dazu benutzt, sich (oder einen ande­ren) auf eben diese Eigen­schaft aufmerk­sam zu machen – wenn also, in Good­mans Begriff­lichkeit, eine [[Referenz, Denotation, Exemplifikation|Ex­em­pli­fi­ka­ti­on]] vor­liegt.<ref>Genau aus diesem Grund gelten genuine Ikone Peirce auch als die einfachste der in Zeichen vorkommenden Gegenstands­beziehungen: Im Gegensatz zu den beiden anderen Klassen richtet sich der Blick bei genuinen Ikonen nämlich nur auf ''einen'' Gegenstand (der “Eigenschafts­träger”), da Zeichenträger und Bezeichnetes in gewisser Weise zusammenfallen. Diese Identität lässt ihn andererseits aber auch von einem degenerierten Zeichen sprechen.</ref> Zei­chen, bei denen wegen geteil­ter Eigen­schaften ein Gegen­stand auf einen ''ande­ren Gegen­stand'' verweist, bezeich­net Peirce genau­er als ‘Hypo­iko­ne’ (auch ‘dege­nerier­te Iko­ne’ <bib id='Peirce 1998a | Tatsäch­lich liegen bei Peirce ''echte'' (''genu­ine'') Iko­ne nur dann vor, wenn man eine Eigen­schaft eines (als Zeichen­trä­ger) wahrge­nomme­nen Gegen­stands dazu benutzt, sich (oder einen ande­ren) auf eben diese Eigen­schaft aufmerk­sam zu machen – wenn also, in Good­mans Begriff­lichkeit, eine [[Referenz, Denotation, Exemplifikation|Ex­em­pli­fi­ka­ti­on]] vor­liegt.<ref>Genau aus diesem Grund gelten genuine Ikone Peirce auch als die einfachste der in Zeichen vorkommenden Gegenstands­beziehungen: Im Gegensatz zu den beiden anderen Klassen richtet sich der Blick bei genuinen Ikonen nämlich nur auf ''einen'' Gegenstand (der “Eigenschafts­träger”), da Zeichenträger und Bezeichnetes in gewisser Weise zusammenfallen. Diese Identität lässt ihn andererseits aber auch von einem degenerierten Zeichen sprechen.</ref> Zei­chen, bei denen wegen geteil­ter Eigen­schaften ein Gegen­stand auf einen ''ande­ren Gegen­stand'' verweist, bezeich­net Peirce genau­er als ‘Hypo­iko­ne’ (auch ‘dege­nerier­te Iko­ne’ <bib id='Peirce 1998a | ||
− | '></bib>, §276). Doch hat sich genau diese abge­leite­te Charak­teri­sierung für den in der Semiotik zumeist verwen­deten | + | '></bib>, §276). Doch hat sich genau diese abge­leite­te Charak­teri­sierung für den in der Semiotik zumeist verwen­deten Begriff​ »Ikon«​ durchge­setzt. Offen bleibt dabei zunächst, welche Konzep­tion eigent­lich von​ »Ähnlich­keit«​ zu verwen­den ist. Geht man von einem “onto­logisch” gefass­ten Ähnlich­keits­begriff aus, so stellt die Ähnlich­keits­bezie­hung eine “an sich” bestehende Rela­tion zwischen zwei Gegen­ständen dar, die nicht von spezi­fischen Wahrneh­mungs- und Er­kenntnis­fähig­keiten eines über Ähnlich­keit Urtei­lenden abhängt. Ein “epis­temisch” gefass­ter Ähnlich­keitsbe­griff würde hinge­gen auf das zurück­greifen, was einem bestimm­ten Betrach­ter<ref>Der Ausdruck ‘Betrachter’ ist hier natürlich recht weit gefasst, da er nicht auf die visuelle Sinnesmodalität eingeschränkt verwendet wird.</ref> als ähnlich ''erscheint''. Nur insofern sich ein Teil der (als objektiv oder subjektiv gefassten) “Eigenschafts­struktur” eines Dings in der Eigenschafts­struktur eines anderen Dings spiegelt, kann dieses als ikonisches Zeichen für jenes verwendet werden – und umgekehrt.<ref>Technisch wird oft von einer partiellen [[Isomorphie]] – einer teilweisen Strukturgleichheit – gesprochen. Da dieser Typ von Ähnlichkeitsbeziehung offensichtlich reflexiv ist, folgt dasselbe für die Ikonizität: Wenn ''X'' ähnlich zu bzw. ikonisches Zeichen für ''Y'' ist, dann ist auch ''Y'' ähnlich zu bzw. ikonisches Zeichen für ''X''.</ref> Bei einem “behavioristischen” (genauer: [[Exkurs:Handlungen|handlungstheoretischen]]) Ähnlichkeitsbegriff verschiebt sich der Fokus darauf, dass ein Beobachter beurteilt, ob ein beobachtetes Wesen in seinem Verhalten Anlass zu der Behauptung gibt, etwas als etwas anderem ähnlich erkannt zu haben.<ref>Diese um eine Ebene zurückverlegte Betrachtung erlaubt eine “Symmetrie-Brechung”, denn aus dem Vorliegen solcher Gründe, die ''B'' dafür vorbringt, dass ''W'' ''X'' für ''Y'' ähnlich hält, folgt eben keineswegs, dass ''B'' auch Gründe in ''W''’s Verhalten dafür findet, dass ''W'' ''Y'' für ''X'' ähnlich hält.</ref> Diese Ansätze tragen dem Sachverhalt Rechnung, dass introspektive Begründungen für Ähnlichkeitszuschreibungen alleine nicht ausreichen, um über Ikonizität intersujektiv Einigkeit zu erreichen (vgl. <bib id='Schirra & Sachs-Hombach 2013a'></bib>). |
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− | Im Prinzip genügt jeweils bereits ''eine einzige'' (objektive bzw. subjektive) Eigenschaft, die – neben beliebig vielen differierenden – von den betrachteten Gegenständen geteilt wird, um die Ikonizität einer Zeichenbeziehung zwischen jenen zu gewährleisten. Je größer die Ähnlichkeit, desto stärker ist die Ikonizität, wenn der eine Gegenstand als Zeichen für den anderen betrachtet wird. Probleme ergeben sich hingegen, wenn ''alle'' Eigenschaften übereinstimmen: Als im engen Sinne​ »ähnlich«​ werden üblicherweise zwei Gegenstände nur dann betrachtet, wenn es mindestens auch eine Eigenschaft gibt, in der sie sich nicht gleichen.<ref>Ob jeder Gegenstand als sich selbst ähnlich verstanden werden sollte, ob der Begriff​ »Ähnlichkeit«​ also als Begriff einer reflexiven zweistelligen Relation angesetzt werden sollte, ist umstritten (vgl. etwa <bib id='Goodman 1970a'></bib>). Weitgehende Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass ein Zeichenträger nur dann Zeichenfunktion erfüllen kann, wenn er nicht mit dem Gegenstand, auf den er verweist, identisch ist (vgl. bereits <bib id='Platon 1922a'></bib>: 432a-c). Allerdings lässt sich der Unterschied zwischen tierischer Gegenstands­wahrnehmung und menschlicher Gegenstands­wahrnehmung (u.a. bei bei handlungstheoretischer Betrachtung) auch darauf zurückführen, dass bei letzterer prinzipiell und daher unabtrennbar eine reflektierende Distanz zum Wahrnehmen tritt: Das menschliche Gegenstands­sehen ist immer ein »sich selbst zu sehen geben« (wobei der dabei in der Erläuterung verwendete Ausdruck ‘Sehen’ auf die tierische, d.h. nicht reflektierte Version bezogen bleibt; ⊳ [[Sehen]]; vgl. auch [[Sortale Gegenstände und Individuation]] und [[Dezeptiver und immersiver Modus]]). In der Folge ist dann die Rede davon, dass Menschen sehen, indem sie sich – sich selbst gegenüber – als Sehende darstellen.</ref> | + | Im Prinzip genügt jeweils bereits ''eine einzige'' (objektive bzw. subjektive) Eigenschaft, die – neben beliebig vielen differierenden – von den betrachteten Gegenständen geteilt wird, um die Ikonizität einer Zeichenbeziehung zwischen jenen zu gewährleisten. Je größer die Ähnlichkeit, desto stärker ist die Ikonizität, wenn der eine Gegenstand als Zeichen für den anderen betrachtet wird. Probleme ergeben sich hingegen, wenn ''alle'' Eigenschaften übereinstimmen: Als im engen Sinne​ »ähnlich«​ werden üblicherweise zwei Gegenstände nur dann betrachtet, wenn es mindestens auch eine Eigenschaft gibt, in der sie sich nicht gleichen.<ref>Ob jeder Gegenstand als sich selbst ähnlich verstanden werden sollte, ob der Begriff​ »Ähnlichkeit«​ also als Begriff einer reflexiven zweistelligen Relation angesetzt werden sollte, ist umstritten (vgl. etwa <bib id='Goodman 1970a'></bib>). Weitgehende Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass ein Zeichenträger nur dann Zeichenfunktion erfüllen kann, wenn er nicht mit dem Gegenstand, auf den er verweist, identisch ist (vgl. bereits <bib id='Platon 1922a'></bib>: 432a-c). Allerdings lässt sich der Unterschied zwischen tierischer Gegenstands­wahrnehmung und menschlicher Gegenstands­wahrnehmung (u.a. bei bei handlungstheoretischer Betrachtung) auch darauf zurückführen, dass bei letzterer prinzipiell und daher unabtrennbar eine reflektierende Distanz zum Wahrnehmen tritt: Das menschliche Gegenstands­sehen ist immer ein »sich selbst zu sehen geben« (wobei der dabei in der Erläuterung verwendete Ausdruck ‘Sehen’ auf die tierische, d.h. nicht reflektierte Version bezogen bleibt; ⊳ [[Sehen]]; vgl. auch [[Sortale Gegenstände und Individuation]] und [[Dezeptiver und immersiver Modus]]). In der Folge ist dann die Rede davon, dass Menschen sehen, indem sie sich – sich selbst gegenüber – als Sehende darstellen.</ref> |
===Indexikalität und raumzeitliche Zu­sammen­hänge=== | ===Indexikalität und raumzeitliche Zu­sammen­hänge=== |
Version vom 27. Dezember 2013, 16:39 Uhr
Unterpunkt zu: Zeichentheorien: Übersicht
Einteilung der Zeichen bei PeirceCharles S. Peirce (1839-1914) gilt als einer der Gründungsväter der modernen Zeichentheorie. Auf ihn geht auch eine differenzierte Einteilung der Zeichenarten zurück (Abb. 1), von der zumindest ein Teil sehr weite Verbreitung gefunden hat. Grob skizziert unterscheidet Peirce drei zeichenrelevante Ebenen, die ungefähr mit der Einteilung in Pragmatik, Semantik und Syntax übereinstimmen. In jeder dieser Ebenen setzt er eine weitere Dreiteilung an. Syntaktisch differenziert er Zeichen in »Sinzeichen«, »Legizeichen« und »Qualizeichen«, während »Thema«, »Rhema« und »Dicent« pragmatische (wirkungsbezogene) Zeichenunterkategorien bilden.[1] Es ist vor allem die semantische Ebene, deren Peircesche Dreiteilung unter Semiotikern und Theoretikern benachbarter Disziplinen, wie Sprachphilosophie und Kunstgeschichte, machtvoll nachwirkt und nicht zuletzt in seinem Begriff der Ikonizität für die Bildtheorie große Relevanz aufweist.[2] Semantische Dreiteilung: Eigenheiten der BedeutungsbeziehungDa sie auf die semantische Ebene fokussiert sind, differenzieren die Peirceschen Zeichenkategorien »Index«, »Ikon« und »Symbol« die Klasse der Zeichen gemäß dem Charakter der Beziehung, die zwischen dem Zeichenträger und dem damit Bezeichneten besteht (in Abb. 1 als ‘Objektbezug’ charakterisiert). Diese “Objekt”beziehung gilt als konstitutiv für die Bedeutung, die dem Zeichenträger zugeschrieben wird.[3] Genau genommen handelt es sich bei den drei Kategorien um Idealtypen; in konkreten Fällen wirken die zugehörigen Bedeutungsrelationen oft auf komplizierte Weise zusammen (vgl. das ausführliche Beispiel unten). Ikonizität und ÄhnlichkeitenDer Peircesche Ausdruck ‘Ikon’ (Plural: ‘Ikone’),[4] der seine altgriechische Wurzel (εἰκών, etwa ‘Abbild’) ganz offensichtlich sowohl mit der mittelalterlich-religiösen Ikone als auch mit dem englischen Leihwort ‘Icon’ des Informationszeitalters (dazu ⊳ Bilderschrift und Piktogramm) teilt, mit beidem aber nicht verwechselt werden sollte, bezeichnet solche Zeichen, deren Bedeutungsbeziehung sich einer Ähnlichkeitsrelation zwischen Zeichenträger und Bezeichnetem verdankt (vgl. [Peirce 1983a]Literaturangabe fehlt. Tatsächlich liegen bei Peirce echte (genuine) Ikone nur dann vor, wenn man eine Eigenschaft eines (als Zeichenträger) wahrgenommenen Gegenstands dazu benutzt, sich (oder einen anderen) auf eben diese Eigenschaft aufmerksam zu machen – wenn also, in Goodmans Begrifflichkeit, eine Exemplifikation vorliegt.[6] Zeichen, bei denen wegen geteilter Eigenschaften ein Gegenstand auf einen anderen Gegenstand verweist, bezeichnet Peirce genauer als ‘Hypoikone’ (auch ‘degenerierte Ikone’ [Peirce 1998a]Literaturangabe fehlt. Im Prinzip genügt jeweils bereits eine einzige (objektive bzw. subjektive) Eigenschaft, die – neben beliebig vielen differierenden – von den betrachteten Gegenständen geteilt wird, um die Ikonizität einer Zeichenbeziehung zwischen jenen zu gewährleisten. Je größer die Ähnlichkeit, desto stärker ist die Ikonizität, wenn der eine Gegenstand als Zeichen für den anderen betrachtet wird. Probleme ergeben sich hingegen, wenn alle Eigenschaften übereinstimmen: Als im engen Sinne »ähnlich« werden üblicherweise zwei Gegenstände nur dann betrachtet, wenn es mindestens auch eine Eigenschaft gibt, in der sie sich nicht gleichen.[10] Indexikalität und raumzeitliche ZusammenhängeVon einem ‘Index’ (Plural ‘Indizes’) spricht Peirce bei einem Zeichen, dessen Träger aufgrund seines raumzeitlichen und insbesondere kausalen Zusammenhangs mit dem Bezeichneten als Zeichen für letzteres verwendet wird (vgl. [Peirce 1983a]Literaturangabe fehlt. Zu beachten ist allerdings, dass die Definition der Indexikalität nicht notwendig von einer natürlichen Beziehung zwischen Zeichenträger und Bezeichnetem ausgeht: Auch das Ortseingangsschild am Rand einer Stadt steht in direkter, wenn auch absichtlich erzeugter raumzeitlicher Beziehung zu dem Bezeichneten (eben dem Rand jener Stadt). Gleiches gilt für das auf dieser Glossarseite links oben gezeigte Logo (das markiert: ›dies ist eine Seite des Glossars der Bildphilosophie‹), die farblichen Markierungen, die in diesem Glossartext anzeigen, an welchen Stellen durch Mausklick eine andere Seite erreicht werden kann, oder auch generell Pfeile und Zeiger. Nicht alle Indizes sind mithin auch Symptome im engen (physikalisch-kausalen) Sinn, oder, wie es dann auch heißt: ‘natürliche Indizes’. Im Gegensatz zu den natürlichen ist die raumzeitliche Beziehung, die zwischen Zeichenträger und Bezeichnetem vermittelt, bei den künstlichen Indizes mit Absicht erzeugt – Intentionalität ersetzt also in diesen Fällen Kausalität.[14] Gleichwohl besteht die semantische Pointe auch bei dieser Unterklasse darin, dass allein die raumzeitliche Nähe bereits die Bedeutung des Zeichens bei der Verwendung zu induzieren scheint. Sprachliche Ausdrücke, wie insbesondere ‘hier’ und ‘jetzt’, aber auch ‘ich’, ‘wir’, ‘du’, ‘ihr’ hängen in ihrer jeweiligen Bedeutung ebenfalls stark ab vom Kontext ihrer Verwendung: Die raumzeitliche Beziehung zu Ort und Zeit ihrer Äußerung bestimmt, welcher Ort mit ‘hier’, welche Person mit ‘du’ gemeint ist. Gleiches gilt natürlich auch für ‘içi’ oder ‘here’, für ‘tu’ oder ‘you’ – um nur zwei andere europäische Sprachen als Beispiele zu bemühen. Neben aller Konventionalität, die diese Art von Ausdrücken eigentlich zu Symbolen im Sinne von Peirce werden lässt, bleibt ihnen ein Moment an Indexikalität wesentlich, weshalb man auch von ‘indexikalischen Ausdrücken’ spricht. Einen weiteren Sonderfall indexikalischer Zeichen stellen Photographien (und die Produkte verwandter technischer Bildgebungsverfahren) dar: Offenkundig beruhen die hier betrachteten Produktionsverfahren für Zeichenträger darauf, dass eine mehr oder weniger lange aber durchgehende Kette streng kausaler, physikalisch-chemischer Schritte den Zeichenträger automatisch aus dem Bezeichneten (‘Abgebildeten’) ableiten.[15] Obwohl als Bilder eigentlich den ikonischen Zeichen zuzuordnen, schwingt zumindest bei dieser Untermenge auch Indexikalität in ihrem Begriff mit.[16] Symbolhaftigkeit und BedeutungskonventionenIkone gleichen Indizes in einer wichtigen Hinsicht, in der die dritte semantische Zeichenkategorie von Peirce abweicht: Wegen des direkt erkennbaren Zusammenhangs zwischen Zeichenträger und Bezeichnetem scheint die Bedeutung des Zeichens nicht erst durch einen geeigneten Taufakt etabliert werden zu müssen. Indizes und Ikone funktionieren ohne vorangehende Festlegung einer entsprechenden Bedeutungskonvention. Das gilt für viele der von uns im Alltag verwendeten Zeichengebräuche keineswegs, wie jeder leicht selbst feststellen kann, wenn er eine fremde Sprache erlernen will. Zeichen, deren Bedeutungsbeziehung mithilfe einer Konvention festgelegt werden müssen, nennt Peirce ‘Symbole’ (vgl. [Peirce 1983a]Literaturangabe fehlt. Dieser Wortgebrauch differiert deutlich von einer anderen, vor allem im deutschsprachigen Raum verbreiteten (auch von Saussure benutzten) Konvention, die dem ‘Zeichen’ das ‘Symbol’ gegenüberstellt, wobei ‘Symbol’ in diesem Sinn häufig synonym zu ‘Sinnbild’ gebraucht wird.[18] Markiert man die unterschiedlichen Wortgebräuche mit den Indizes ‘D’ (deutsch) und ‘P’ (Peirce), so ergibt sich (Abb. 3): »SymboleD« sind gerade keine »ZeichenD«, während »SymboleP« eine Unterart von »ZeichenP« sind; des weiteren entsprechen »SymboleP« weitgehend »ZeichenD«, während »SymboleD« in etwa den Peirceschen »Ikonen« entsprechen, also zwar keine »ZeichenD«, wohl aber »ZeichenP« sind.[19] Es empfiehlt sich daher, – besonders in der bildwissenschaftlichen Dikussion – sehr genau darauf zu achten, in welcher Bedeutung die Ausdrücke ‘Zeichen’ und ‘Symbol’ jeweils verwendet werden.[20] Eine konventionelle Bedeutungszuschreibung liegt im Übrigen nicht nur dann vor, wenn eine Regel, auf die man sich im Zweifelsfall berufen kann, ausdrücklich festgelegt wird (Taufakt im weiten Sinn). Es kann sich auch um historisch gewachsene Gewohnheiten oder stillschweigende (implizite) Übereinkünfte handeln, wie sie bei den meisten Zeichen der “natürlichen” Sprachen, etwa den Wörtern und Sätzen des Deutschen, vorliegen. Hier existieren keine vorweisbaren Situationen mit entsprechenden bedeutungsstiftenden Akten, auf die man beim Verdacht einer falschen Verwendungsweise des symbolischen Zeichens verweisen könnte. Zudem wirken in aller Regel die sozialen Mechanismen, die zur Bildung der Tradition beitragen haben, immer weiter, weswegen sich die Traditionen kontinuierlich “unter der Hand” ändern (»Sprachwandel«). Im Gegensatz zu den tradierten Bedeutungskonventionen können ausdrücklich vereinbarte Zeichenbedeutungen hingegen nur wieder durch weitere ausdrückliche Vereinbarungen der betroffenen Zeichennutzer verändert werden.[21] Obwohl verwandt sollten die Begriffe »Konvention« und »Willkürlichkeit« (auch »Arbitrarität«) in diesem Zusammenhang nicht miteinander verwechselt werden: Auch tradierte Konventionen sind in der Regel auf die eine oder andere Weise motiviert und nicht rein willkürlich.[22] Und selbst die an sich frei verfügbaren Assoziationsmöglichkeiten werden bei explizit vereinbarten Konventionen aus guten (etwa mnemotechnischen) Gründen kaum je wirklich ausgeschöpft. Historisch bildete zwar die Frage nach der Willkürlichkeit der Bedeutungsbeziehung in Gestalt der phýsei/thései-Debatte in der griechischen Antike den wesentlichen Ausgangspunkt für die sukkzessive Differenzierung möglicher Objektrelationen bis hin zu Peirce (und darüber hinaus). Doch ergab sich im Verlauf dieser begrifflichen Entfaltung, dass es weniger um die Frage nach einer natürlich (sprich: unabhängig von Zeichenverwendern) bestehenden Beziehung zwischen Zeichen(träger) und Bezeichnetem geht, als vielmehr um verschiedene Möglichkeiten, Aspekte eines als Zeichenträger verwendeten Objekts in das komplexe Geschehen von Zeichenhandlungen zu integrieren (vgl. [Trabant 1996a]Literaturangabe fehlt. Die Perspektive als symbolische Form (1924). In Erwin Panofsky, Deutschsprachige Aufsätze Bd. 2, 664-757, Erstpublikation in: Vorträge der Bibliothek Warburg (1924/25). Leipzig, 1927, 258-330. Eintrag in Sammlung zeigen). Zwar scheinen zentralperspektivische Konstruktionen in einer quasi kausalen Ableitung besonders natürlich wirkende Bildzeichen zu erzeugen. Doch um diese Zeichen geht es nun gar nicht. Vielmehr ist die Konstruktion selbst – als Zeichen für das jene Natürlichkeit allererst begründende Sehen genommen – nur eine (historisch gewachsene) Möglichkeit unter vielen anderen; eine Möglichkeit, die, da sie ein einäugiges, simultanes Sehen mit starrem Blick unterstellt, trotz aller ikonischer Anteile (d.h. bestehenden Ähnlichkeiten zur Bedeutung dieses Zeichens, dem zweiäugigen, sakkadischen Sehen mit beweglichen Augen) auch stark von tradiert-konventionellen Faktoren abhängt: der Konvention nämlich, dass eben auf genau diese Weise das Sehen darzustellen sei (vgl. [Cassirer 1930a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). Zur Anwendung auf Bilder: Ein (komplexes) Beispiel
Aus bildwissenschaftlicher Perspektive spielen Ikonizität (insofern »Bild« und »Ähnlichkeit« zusammenhängen) und Indexikalität (vor allem bei den kausalen Bildgebungsverfahren) die grössere, aber keineswegs die alleinige Rolle. Auch bei Bilverwendungen treten zahlreiche symbolische Aspekte auf. Nöths Zuordnung der ikonischen Prototypikalität mit der nichtgegenständlichen Malerei in obigem Zitat mag zunächst verwundern, ist aber dem Umstand geschuldet, dass er die beiden Pole der Assoziation auf je spezielle Weise interpretiert: Mit solchen Bildträgern würde erstens nämlich nur auf eine Eigenschaft des jeweiligen Bildträgers verwiesen, was zweitens eben genau dem ursprünglichen Peirceschen genuinen Ikon entspricht. Allerdings sind einerseits andere Interpretationen des Phänomens ungegenständlicher Bilder möglich (⊳ Bild in reflexiver Verwendung, Abschnitt «Zusammenhänge mit anderen Begriffen»), und andererseits eine weiter gefasste Verwendungsweise von ‘Ikon’ bildphilosophisch durchaus üblicher. In der Praxis dürften prototypische Fälle von Ikonizität, Indexikalität oder Symbolhaftigkeit in der Tat weder bei Bildern noch auch bei anderen Zeichentypen häufig auftreten. Mischformen dominieren unseren Bild(Zeichen)gebrauch. Die Anwendung der drei Aspekte auf ein konkretes Beispiel mag besser verdeutlichen, wie vielfältig die semantischen Relationen letztendlich für einen einzigen Bildträger zusammenwirken: Abbildung 4 gibt das Schwarz-Weiß-Photo eines unbekannten Photographen wieder, das vermutlich in den letzten Tagen des Jahres 1945 aufgenommen wurde und im Hiroshima Peace Memorial Museum aufbewahrt wird. Zu sehen sind zwei Stufen einer steinernen Treppe, die zum Eingang des Gebäudes der Sumitomo-Bank im Zentrum der japanischen Stadt Hiroshima führt, sowie ein kleiner Ausschnitt der Wand des Gebäudes. Auf den Treppenstufen zeichnen sich schwärzliche Spuren im perspektivisch verzerrten Umriß eines menschlichen Körpers ab. Es wird angenommen, dass sie entstanden sind, als am 6. August 1945 um 8 Uhr 15 eine Atombombe die Stadt zerstörte und Druck, Hitze und Strahlung die verglühenden Überreste einer Person, die zufällig zu diesem Zeitpunkt vor dem Gebäude auf den Stufen stand, in den Stein eingebrannt haben. Ikonizität, Indexikalität und Symbolhaftigkeit der BeispielphotographieWegen der längeren, aber durchweg kausalen Kette von optischen, photochemischen und digitaltechnischen Transformationen, die den hier betrachteten Zeichenträger mit der Aufnahmesituation in Hiroshima zu einem unbekannten Zeitpunkt kurz nach der Bombenexplosion verbinden, hat das damit verwendete Zeichen offensichtlich Index-Charakter. Da zudem eine visuelle Ähnlichkeit zu den tatsächlichen Treppenstufen in Japan besteht, ist auch ein deutlicher ikonischer Anteil gegeben. Symbolhaftigkeit tritt hinzu, weil die Signifikanz dieses Bildes erst klar werden kann, wenn man es in seinen historischen Kontext einordnen kann: Zwar ist – ikonisch – eine Art menschlicher Schatten zu sehen, der – indexikalisch – als Teil einer real in Raum und Zeit existierenden (d.h. mit dem Hier und Jetzt der Rezeptionssituation kausal verbundenen) Szene verstanden wird, doch dass diese Photographie etwa auch als Zeichen für die schreckliche Gewalt einer Atombombenexplosion über bewohntem Gebiet dienen mag, erschließt sich nur in einem durch Konventionen etablierten Verständnisrahmen. Ikonizität, Indexikalität und Symbolhaftigkeit des abgebildeten “Schattens”Tatsächlich lassen sich Ikonizität, Indexikalität und Symbolhaftigkeiten in diesem Beispiel (wie übrigens bei fast allen Bildern) auch noch auf einer zweiten Ebene anwenden: Denn auch der “Schatten” selbst wird in der Regel ja zeichenhaft gelesen. Als Symptom der ihn verursachenden Explosion kann er als Index für alle der in der zu ihm führenden Kausalkette enthaltenen Faktoren verwendet werden: Dominant in dieser Hinsicht sind sicherlich die Person, die in jenem verhängnisvollen Augenblick an jener Stelle stand, die Strahlungen, die in jenem Moment den Schatten in den Stein brannten, sowie das Ereignis, das die Strahlung ausgelöst hat: die Explosion von «Little Boy».[25] Voraussetzung für eine solche indexikalische Zeichenverwendung mit einer dieser Bedeutungen ist die Einbettung des “Schattens” in eine kommunikative Interaktion (inklusive Selbstdarstellung des Senders) mit bewusster Kontrolle des kommunikativen Zwecks der Handlung (Reflexivierung inklusive Antizipation des Kommunikationspartners; ⊳ Bildrezeption als Kommunikationsprozess). Diese Bedingung ist auch erfüllt, wenn sich jemand selbst vor Ort mithilfe des “Schattens” auf die entsprechende Ursache aufmerksam macht. Insofern der “Schatten” eine gewisse Ähnlichkeit mit jenem Menschen hat, kann er zudem als ein ikonisches Zeichen für jenen stehen. Auch hier ist die Einbettung in den komplexen Handlungszusammenhang einer Zeichenverwendung Voraussetzung. Analog zur Verlängerung der indexikalischen Aspekte des Dargestellten durch die Indexikalität der Darstellung “verlängert” die Ikonizität des Bildes die ikonischen Aspekte des im Bild Dargestellten.[26] Als einem symbolischen Zeichen kann man sich dem “Schatten” schließlich zuwenden, wenn man damit etwa die eigene Aufmerksamkeit oder die eines anderen absichtlich auf den Sachverhalt lenken möchte, dass die Menschheit mit der in Hiroshima erstmals grauenvoll demonstrierten Fähigkeit, Atombomben über bewohnten Städten explodieren zu lassen, eine gefährliche Grenze überschritten hat. Ikonizität, Indexikalität und Symbolhaftigkeit des reflexiv genutzten PhotosEine dritte Bedeutungsebene ergibt sich, wenn wir in Betracht ziehen, dass jedes Bild auch dazu benutzt werden kann, als Zeichen für einen Aspekt des Zeichengebrauchs selbst zu dienen (⊳ Bild in reflexiver Verwendung). Eben dies ist ja unter anderem in diesem Glossarartikel mit dem Zeichenträger aus Abbildung 4 geschehen. Auch auf dieser Ebene können die drei Arten von Objektbezügen auftreten:
— In jedem konkreten Gebrauch des in Abbildung 4 wiedergegebenen Zeichenträgers können auf den erwähnten drei Zeichenebenen die drei von Peirce inspirierten Objektbezüge in jeweils verschiedenen Ausprägungen und variierenden Kombinationen die effektive Kommunikation semantisch prägen. Vor diesem Hintergrund ist die Vorstellung von einer einzigen »Bedeutung eines Bildträgers« bestenfalls stark verkürzt und stets abhängig von einer – meist nur implizit – als Standard festgelegten Referenzverwendungsweise, zu der ein Begriff von standardisierten Kommunizierenden mit bestimmtem Hintergrundwissen ebenso wie standardisierte Kommunikationsziele gehören (z.B. ikonische, nicht-reflexive Verwendung). Semiose – bei Peirce als fortlaufende Erzeugung weiterer Interpretanten gedacht, genauer: als Folge (mentaler) Zeichen, die die Bedeutung des ersten Zeichens elaborieren – kann offensichtlich auch noch in einem anderen Sinn verstanden werden: als ein sukzessives Ausarbeiten der verschiedenen Möglichkeiten, einen Zeichenträger als Zeichen zu verwenden. Für die Frage nach der Identität bildhafter Zeichen verschiebt sich der Fokus von einem am physischen Bildträger orientierten Kriterium zu einem an der jeweiligen Verwendungssituation orientierten Kriterium. Siehe auch:
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Anmerkungen
[Birk et al. 2014a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Cassirer 1930a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Cassirer 2009a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Goodman 1970a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Nöth 2009]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Panofsky 1924a]: Panofsky, Erwin (1998). Die Perspektive als symbolische Form (1924). In: K. Michels & M. Warnke (Hg.): Erwin Panofsky, Deutschsprachige Aufsätze Bd. 2. Berlin: Akademie, S. 664-757, Erstpublikation in: Vorträge der Bibliothek Warburg (1924/25). Leipzig, 1927, 258-330. [Peirce 1983a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [61] und Klaus Sachs-Hombach [9] — (Hinweis) |