Uneigentliche Bilder

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Unterpunkt zu: Auswirkungen der Bildlichkeit


Eigentliche und uneigentliche Bildlich­keit

Der Begriff »Bildlichkeit« bestimmt im eigent­lichen Sinn, was prinzi­piell unab­dingbar ist, um einen Gegen­stand zu einem Bild zu machen. Doch wird das Eigen­schaftswort ‘bildlich’ auch auf solche medi­alen Enti­täten ange­wendet, die norma­lerwei­se nicht als Bilder im strikten Sinn klassi­fiziert würden: So kann eine sprachli­che Beschrei­bung als beson­ders bildlich gelten. Bei diesen unei­gentli­chen Fällen von Bildlich­keit werden bestimm­te Aspek­te dessen, was es ausmacht, ein Bild zu sein, auf Phäno­mene in ande­ren Medien über­tragen.[1] Wer etwa eine Meta­pher als ein “Sprach­bild” bezeich­net wird meist doch zuge­stehen, dass damit keines­­wegs ein Bild im übli­chen Sinn gemeint ist: Vielmehr wird der Ausdruck gemein­hin selbst als ein “Sprach­bild” – meta­phorisch – verstan­den. Die Bezeic­hnung ist dabei nicht zufäl­lig äqui­vok, wie es etwa bei ‘Bank’ als Garten­möbel und als Finanz­insti­tut der Fall ist. Vielmehr ist die Gleichheit des Ausdrucks durch bestimm­te Ähnlich­keiten in (der Konzep­tion der) beiden betrach­teten Phäno­menbe­reichen moti­viert.


Argumentationen mit Struktur­über­tragun­gen vom Begriffs­feld »Bild«

Wenn die sprachliche Beschreibung einer Landschaft als beson­ders bildhaft gilt, wird kaum jemand behaup­ten wollen, es hande­le sich dabei im selben enge­ren Sinne um ein Bild, wie es bei einem Landschafts­gemäl­de unbe­zweifel­bar der Fall ist. Doch soll mit der Zuschrei­bung von Bildhaf­tigkeit offen­bar eine gewis­se Eigen­tümlich­keit jenes Textes ange­sprochen werden: In gewis­ser Weise zumin­dest wirke der Text, so die häufig zu finden­de Erläu­terung, wie ein Bild, teile also wenigs­tens in einge­schränkter Weise Aspek­te mit Bildern.[2] Es geht daher, recht bese­hen, um eine parti­elle Struktur­über­­tragung des Bild­begriffs und seines Um­fel­des auf Begriffs­felder für ganz ande­re Phäno­menbe­­reiche, d.h. um eine Meta­pher im Sinn der Kogni­­tiven Lingu­istik ([Lakoff & Johnson 1980a]Literaturangabe fehlt.
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).[3]

Dass ein Teil der begrifflichen Struktur, also der Argu­mente stiften­den Zusam­menhän­ge zwischen eng ver­bun­denen Begrif­fen eines unse­rer Begriffs­felder, in einer mehr oder weni­ger weiten, aber stets un­voll­ständi­gen Iso­morphie-Bezie­hung mit der begriff­lichen Struktur eines ganz ande­ren von uns verwen­deten Begriffs­feldes steht, ermög­licht uns, über die Phäno­mene, die unter erste­res fallen, in gewis­sen Grenzen so zu reden und so zu argu­mentie­ren, als würde es um Phäno­mene unter dem zweiten Begriffs­feld gehen. Auf diese Weise können insbe­sonde­re eini­ge Aspek­te des darge­stellten Phäno­menbe­reichs auf eine Art hervor­geho­ben werden, die mit den ande­ren Ausdrucks­mitteln für diesen Bereich meist nur unzu­reichend möglich wäre.

Eine solche metaphorische Zuschreibung von Bildlich­keit kann nicht nur für sprachli­che Medien (Arti­kula­tionen, Aus­drücke, Texte) Anwen­dung finden; sie ist auf alle nicht-pikto­rialen Zeichen­vorkomm­nisse über­tragbar: Das reicht von bildhaf­ten Gesten bis zur (Vor-)Bild­lichkeit von als Symbo­le verwen­deten Dingen, Perso­nen oder Ereig­nissen.[4]

Was aber sind diese durch die Bildmeta­phorik beson­ders hervor­geho­benen Aspek­te?


Evokation von empirischer Kontext­bildung

Die uneigentliche Bildhaftigkeit etwa von sprachli­chen Zei­chen hängt, folgt man zunächst den Alltags­erklä­rungen, mit der Fähig­keit des Textes zusam­men, ein “menta­les Bild” des Beschrie­benen zu evo­zieren.[5] Dabei muss zunächst unter­schieden werden, ob es sich bei dem Text um eine Beschrei­bung konkre­ter Sachver­halte handelt oder um eine Beschrei­bung abstrak­ter Sachver­halte. Im Falle konkre­ter Sachver­halte kann man davon ausge­hen, dass es ohne weite­res möglich ist, jene Sachver­halte selbst wahrzu­nehmen, wenn man sich in der entspre­chende Situ­ation befin­det. Damit wäre es aber wohl auch möglich, ein entspre­chendes Bild (im engen Sinn) davon herzu­stellen. Die Vorstel­lung eines solchen Bildes wäre dann das hier passen­de menta­le Bild.[6]

Im abstrakten Fall liegen die Dinge etwas kompli­zierter, da hier offen­sichtlich keine genu­ine Wahrneh­mung vorlie­gen kann. Doch gilt hier im Prinzip das Gleiche, wie bei der bildli­chen Darstel­lung abstrak­ter Zusam­menhän­ge oder nicht sichtba­rer Eigen­schaften in Struktur­bildern: Das eigent­lich nicht Sicht­bare (Wahrnehm­bare) muss zunächst begriff­lich auf etwas Sicht­bares (Wahrnehm­bares) mit ana­loger Struktur proji­ziert werden, das dann im (menta­len) Bild erscheint (⊳ Seman­tik logi­scher Bilder). Soweit wäre es also einfach ein in den menta­len “Innen­raum” verleg­tes Bild, das zu evo­zieren ein Text in der Lage sein sollte, um ihn mit dem Prädi­kat ‘bildhaft’ zu bele­gen.

Die Rede von mentalen Bildern ist aller­dings ausge­sprochen heikel, wird doch in direk­ter Lesart eine Art Gegen­stand voraus­gesetzt, der ein Bild ist, das gleichwohl aus Prinzip nur von einem einzi­gen betrach­tet werden kann – keine gute Voraus­setzung für ratio­nale Argu­menta­tion. Günsti­ger erscheint eine Auffas­sung, die den Ausdruck meta­phorisch ver­steht. Genau­er geht es ja nicht um menta­le Bilder als Unter­suchungs­gegen­stände, sondern um das ‹Haben von menta­len Bildern von jeman­dem›. Die damit abge­deckten Phäno­mene lassen sich eben­falls recht gut fassen durch: ‘Sich etwas visu­ell vorstel­len’ – eine Formu­lie­rung, die ohne zweifel­hafte Reifi­zierung auskommt.

Die mentalen Phänomene, die durch jene Formu­lierun­gen bezeich­net werden, sind als Inte­riori­sierun­gen exter­ner sozi­aler Verhal­tenswei­sen zu verste­hen. Es handelt sich, recht bese­hen, darum, dass sich derje­nige, der sich etwas visu­ell vorstellt (‹ein entspre­chendes menta­les Bild hat›), ande­ren gegen­über darstellt als einer, der etwas sieht, was in der aktu­ellen Situ­ation nicht gese­hen werden kann. Das ist offen­sichtlich eine Paro­die der Bildver­wendungs­situ­ation, in der er sich ja eben­falls darstellt als einer, der etwas sieht, was nicht da ist – aber dort können sich alle betei­ligten Kommu­nika­tionspart­ner gemein­sam so darstel­len, da mit Bildern eine empi­rische Verge­genwär­tigung erfolgt. Wenn von jeman­dem behaup­tet wird, er ‘habe ein bestimm­tes menta­les Bild’, so wird sein Fähig­keit zur rein logi­schen Kontext­bildung in Bezie­hung gesetzt zur wechsel­seitig empi­risch über­prüfba­ren Kontext­bildung mit wahrneh­mungsna­hen Zeichen. Die logi­sche Kontext­bildung wird als quasi-empi­rische aufge­fasst.

Ausdrücke, Texte und andere Formen der nicht-pikto­rialen Medien­nutzung haben mithin die Eigen­schaft, mehr oder weni­ger stark eine quasi-empi­rische Kontext­bildung auszu­lösen: Sie bringen den Zeichen­verwen­der dazu, sich darzu­stellen als einer, der etwas nicht Anwe­sen­des sehen (allge­meiner: wahrneh­­men) kann. Bildhaft wären also gera­de jene medi­alen Äu­ße­rungen, die in beson­derem Maße dazu geeig­net sind, jeman­dem die Gele­genheit zu geben, sich als jemand darzu­stellen, der etwas wahrneh­men kann, was nicht aktu­ell (oder prinzi­pi­ell) wahrge­nommen werden kann.

Im Rahmen einer begriffsgene­tischen Betrach­tung zum Bildbe­griff weist die Zuschrei­bung von Bildlich­keit im meta­phori­schen wie im engen Sinn auf eine spezi­fisch pikto­riale Form der Bedeu­tungsge­nerie­rung hin, die durch ihre sozial über­prüfba­re Wahrneh­mungsnä­he ein höhe­res Maß an Moti­viertheit aufweist und die daher geeig­net scheint, stabi­lisie­rend auch auf die rein logisch verge­genwär­tigen­de Funktion sprachli­cher Aus­drücke zu wirken. Bildlich­keit ist damit ein allge­meines und sehr ele­menta­res Merkmal medi­aler Kultu­ren, das immer dann auf den Plan tritt, wenn abstrak­te Bedeu­tungshori­zonte in situ­ations­unab­hängi­ger Kommu­nika­tion an die empi­rischen Wahr­neh­mungskon­texte zurück­gebun­den werden sollen.

Anmerkungen
  1. In der Tat han­delt es sich bei der un­ei­gent­li­chen Ver­wen­dung nicht um ei­nen ab­sei­ti­gen Son­der­fall, son­dern um ei­ne brei­te, seit der An­ti­ke nach­weis­ba­re Tra­di­ti­on, wie sich et­wa an den he­brä­i­schen, grie­chi­schen oder la­tei­ni­schen Bild­aus­drü­cken de­mons­trie­ren lässt. Vgl. ins­beson­dere auch [Liebsch 2012a]Literaturangabe fehlt.
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    .
  2. Aus die­sem Grun­de ge­hört auch der Be­griff der Ek­phra­sis in den wei­te­ren Zu­sam­men­hang, geht es doch eben­falls um mög­lichst “bild­haf­te” Tex­te, mit de­nen in die­sem spe­ziel­len Fall al­ler­dings (re­a­le oder nur vor­ge­stell­te) Bil­der im en­ge­ren Sinn be­schrie­ben wer­den sol­len.
  3. Zu Be­grif­fen: ⊳ Prä­di­ka­ti­on, so­wie An­schau­ung und Be­griff.
    Die Bild­meta­phorik, die hinter der Rede von einer unei­gentli­chen Bildlich­keit steht, ist im Übri­gen zu diffe­renzie­ren vom Begriff der visu­ellen Meta­phern, die inner­halb eines Bildes wirken.
  4. Ei­nen gu­ten (his­to­ri­schen) Über­blick über die un­ter­schied­li­chen Phä­no­me­ne un­ei­gent­li­cher Bild­lich­keit von der Theo­lo­gie bis zur Mne­mo­tech­nik lie­fert der Ar­ti­kel «Bild, Bild­lich­keit» in [Ue­ding 1994a]Literaturangabe fehlt.
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    : S. 10-30. Vgl. auch [Liebsch 2012a]Literaturangabe fehlt.
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    .
  5. Zu men­ta­len Bil­dern: ⊳ Bild­vor­stel­lun­gen, so­wie Lo­gi­sche Kon­text­bil­dung und men­ta­le Bil­der.
  6. Übri­gens wird, in­so­fern der kog­ni­ti­ons­wis­sen­schaft­li­che Be­griff des men­ta­len Bil­des im We­sent­li­chen mit dem kan­ti­a­ni­schen der An­schau­ung zu­sam­men­fällt, statt von ‘(un­ei­gent­li­cher) Bild­lich­keit’ oft auch von ‘An­schau­lich­keit’ (ei­nes Tex­tes etc.) ge­spro­chen.
Literatur                             [Sammlung]

[Lakoff & Johnson 1980a]:
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[Liebsch 2012a]:
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[Ue­ding 1994a]:
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Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [30], Dimitri Liebsch [4] und Emilia Didier [1] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Schirra 2013g-3]Literaturangabe fehlt.
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[Lakoff & Johnson 1980a]:
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[Liebsch 2012a]:
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