Ungarisch: 'kép'

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Version vom 18. Dezember 2013, 11:39 Uhr von Dimitri Liebsch (Diskussion | Beiträge) (Bedeutungvarianten von ‘kép’)
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Glossar-English:Hungarian: 'kép'[1]


Im Wesentlichen wird das Nomen ‘kép’ im Ungarischen so verwendet wie im Deutschen das Nomen ‘Bild’. Der Vergleich mit dem Englischen ist etwas komplizierter, weil es dort den Unterschied zwischen den Bedeutungen von ‘image’ und ‘picture’ gibt. Mit dem ungarischen ‘kép’ können beide englischen Ausdrücke wiedergegeben werden. Für die Übersetzung von ‘image’, soweit es sich auf mentale Phänome bezieht, sind im Ungarischen außerdem auch Affixformen von ‘kép’ gebräuchlich.[2]


Etymologische Wurzeln

Etymologisch stammt ‘kép’ vom altturkischen Wort ‘ki:b’ ab. Das altturkische Wort bezeichnete ursprünglich ganz konkret den Abdruck und das Modell. Dazu trat früh die übertragene Bedeutung ›Ähnlichkeit‹. Das turkische ‘gibi’ wird - nachgestellt - in der Bedeutung ›ähnlich‹ verwendet. Seine reguläre Bedeutung im Turkischen ist ›Gestalt‹, ›Form‹, ›Bild‹ und ›Ähnlichkeit‹.

Obwohl das Ungarische eine finno-ugrische Sprache ist und obwohl der Islam in Bezug auf Bilder beträchtliche Auswirkungen hatte (vgl. dazu auch ⊳ Arabisch: ‘sûra’, ‘timthal’, ‘wathan’ und ‘sanam’), ist die Bedeutungsentwicklung von ‘gibi’ und ‘kép’ überraschend ähnlich. ‘Kép’ ist zwar so alt wie die meisten elementaren Wörter (wie ‘Weizen’ und ‘Holz’), dennoch stammt der früheste schriftliche Nachweis erst aus christlichen Texten; um 1315 findet sich die Formulierung „szent oltarum kunar kepeben [in Gestalt des Brotes auf dem heiligen Altar]“ ([Róna-Tas 1999a]Róna-Tas, A. (1999).
Hungarians and Europe in the Early Middle Ages. An Introduction to Early Hungarian History. Budapest: CEU Press.

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: S. 368).


Bedeutungvarianten von ‘kép’

‘Kép’ bedeutet in erster Linie ›flächige, gemalte Nachbildung von etwas‹. Es kann sich dabei um ein Kunstwerk handeln, eine entweder gespiegelte oder projizierte Szenerie, einen Film, einen Gesichtsausdruck und die Form oder Erscheinung von etwas (so, wie der Heilige Geist als Taube erscheint). Im Folgenden seien die grundlegenden Affixformen genannt:

a) ‘képes’ (erstmalig 1388) bedeutet ›bildervoll‹, ›bildbeladen‹ und in intellektueller oder physischer Hinsicht ›fähig‹, ›tauglich‹. ‘Fähigkeit’ steht in Bezug zur frühen Bedeutung von ›-képpen‹, nämlich ›Art‹, ›Weise‹, ›in einer bestimmten Weise‹. (Diese Bedeutung lässt sich ebenfalls im altturkischen ‘ki:b’ nachweisen);

b) ‘képest’ (1372) bedeutet ›im Vergleich zu‹ und leitet sich vom Adjektiv ‘képes’ (›bildervoll‹, ›bildbeladen‹) ab;

c) ‘képez’ (1506) meint ›formen‹, ›gestalten‹, ›ausbilden‹, ›erziehen‹ und ›hinzufügen‹. Diese Gruppe von Bedeutungen hat sich in Übereinstimmung mit dem deutschen Paar ‘Bild’/‘bilden’ entwickelt – aber unabhängig von ihm;

d) ‘képlékeny’ (1871) bedeutet ›(ver-)formbar‹, ›plastisch‹. Diese Bedeutung geht auf das Verb ‘képel’ in seiner älteren Verwendung zurück, in der es noch die Bedeutung von ›gestalten‹, ›formen‹ (wie in ‘bildende Kunst’ im Deutschen) hatte;

e) ‘képlet’ (1815) verdankt sich ebenfalls der Neologistischen Bewegung in Ungarn. Es bedeutet im mathematischen und chemischen Zusammenhang ›Formel‹;

f) ‘képmás’ (1787) bedeutet ›Porträt‹, ›Ähnlichkeit‹ und leitet sich von ‘kép’ (im Sinne von ›Gesicht‹) her;

g) ‘képmutató’ (nach 1416) bedeutet ›heuchlerisch‹, ›simulierend‹, und ›unaufrichtig‹ (oder das jeweils entsprechende Nomen). Es ist ein Kompositum aus ‘kép’ (im Sinne von ›Gesicht‹) und dem lateinischen ‘mutare’ (also ›wechseln‹, ›vertauschen‹);

h) ‘képtelen’ (1456) meint ›unmöglich‹, ›unfähig‹ und ist als Gegensatz zu ‘képes’ entstanden;

i) ‘képviselő’ (1744) mit der Bedeutung ›Repräsentant‹ leitet sich ab von der Wendung ‘das Bild (Gesicht) eines anderen tragen’, also von ›anstelle von jemandem handeln‹;

j) ‘képzel’ (1645) bedeutet ›sich (etwas) vorstellen‹, ›sich (etwas) einbilden‹. Gemeint ist also, dass ein mentales Bild auf der Grundlage von Ideen geschaffen oder dass etwas Nichtwirkliches als wirklich betrachtet wird. Der Ausdruck stammt von ‘képez’ ab.

Jüngere Verwendungen und Idiome

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien im Folgenden einige Ausdrücke und Idiome vor allem aus dem Vokabular von Wissenschaft und Wirtschaft gegeben:

a) “Leképez” wird meistens in Physik und Mathematik verwendet und verweist zurück auf “képez”. In der Optik bedeutet es, ‘ein Bild mit Hilfe optischer Instrumente hervorzubringen’; in der Mengenlehre versteht man darunter, ‘eine endliche Beziehung unter den Elementen einer Menge zu bestimmen’.

b) “Túl-”/“alulképzett” bedeutet ‘unter-’/‘überqualifiziert’. Meist werden die Ausdrücke in Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt verwendet, sie leiten sich ebenfalls von “képez” ab.

c) Das Idiom “képben van” ist wörtlich als “im Bild sein” zu übersetzen und bedeutet ‘eine Sache sehen, so wie sie ist’. Gemeint ist damit, einen Überblick, ein umfassendes Bild einer gegebenen Situation zu haben.

d) Und schließlich findet sich auch eine Zusammenführung der ursprünglichen Bedeutung von “kép” als ‘Gesicht’, ‘Gesichtsausdruck’ und “kép” als ‘Porträt’: “van képe hozzá” bedeutet ‘etwas zu tun wagen, obwohl es schändlich ist’. Näher am Wortlaut ausgedrückt: ‘ein derart positives Selbstbild zu haben, dass man sich berechtigt glaubt, gegen die Moral handeln zu dürfen’.


Anmerkungen
  1. Original in englisch; Übersetzung D. Liebsch.
  2. Hinweise auf den frühesten Nachweis des jeweiligen Ausdrucks können gefunden werden in [Benkő 1976a]Literaturangabe fehlt.
    Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
    - Buch,
    - Artikel in Zeitschrift,
    - Beitrag in Sammelband,
    - Sammelband,
    - andere Publikation,
    - Glossarlemma.
    ; die Liste der wichtigsten Bedeutungsvarianten von ‘kép’ stammen aus [Tótfalusi 2002a]Tótfalusi, I. (2002).
    Magyar szótörténeti szótár. Budapest: Anno Kiadó.

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    ; Details über die Neologistische Bewegung bietet [Szily 1999a]Szily, K. (1999).
    A magyar nyelvújítás szótára. Budapest: Nap Kiadó.

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    ; einen umfassenden Überblick über die Bedeutung der Affixformen bietet [Juhász et al. 1999a]Juhász, J.; Szőke, I.; Nagy, G.O. & Kovalovszky, M. (1999).
    Magyar értelmező szótár. Budapest: Akadémiai Kiadó.

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    .
Literatur                             [Sammlung]

[Benkő 1976a]:
Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Juhász et al. 1999a]: Juhász, J.; Szőke, I.; Nagy, G.O. & Kovalovszky, M. (Hg.) (1999). Magyar értelmező szótár. Budapest: Akadémiai Kiadó.

[Róna-Tas 1999a]: Róna-Tas, A. (1999). Hungarians and Europe in the Early Middle Ages. An Introduction to Early Hungarian History. Budapest: CEU Press. [Szily 1999a]: Szily, K. (1999). A magyar nyelvújítás szótára. Budapest: Nap Kiadó. [Tótfalusi 2002a]: Tótfalusi, I. (2002). Magyar szótörténeti szótár. Budapest: Anno Kiadó.


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Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [26], Joerg R.J. Schirra [20] und Zsuzsanna Kondor [13] — (Hinweis)