Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Es gibt viele | + | Es gibt viele unterschied­liche Verwen­dungswei­sen des Ausdrucks ‘Zeichen’,<ref>Vgl. et­wa [http://de.wikipedia.org/wiki/Zeichen Wi­ki­pe­dia: Zei­chen].</ref> was seinen Einsatz in der Bild­philo­sophie kompli­ziert macht. Im Folgen­den soll nur auf die bild­philo­sophisch rele­vantes­ten Aspek­te der Zeichen­diskus­sion einge­gangen werden. |
− | ==Kommunikative Interaktionen und | + | ==Kommunikative Interaktionen und Zeichen­handlun­gen== |
− | Von Kritikern wird den [[Bildsemiotik| | + | Von Kritikern wird den [[Bildsemiotik|semio­tischen Bild­theorien]] häufig vorge­worfen, dass in ihnen allein die [[Darstellung|Darstel­lungsfunk­tion]] eines Bildes fokus­siert werde. Medien­theore­tische Ansätze klagen seine kommu­nika­tiven Aspekte ein, während [[Phänomenologische Bildtheorien|wahrneh­mungstheo­reti­sche Posi­tionen]] die [[Symbol, Index, Ikon|Arbi­trari­tät und Kon­ven­tiona­lität]] kriti­sieren, die sie unter­stellen, wenn Bilder als eine Art von Zeichen verstan­den werden. |
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− | Beide Kritiken richten sich an | + | Beide Kritiken richten sich an Zeichen­begrif­fen aus, die zwar in der “Vor- und Frühge­schichte” der Semio­tik häufi­ger verwen­det wurden: ‹Ein Ding, das für ein ande­res steht› bzw. ‹eine Vorstel­lung, die willkür­lich für eine ande­re Vorstel­lung eintritt› (vgl. auch <bib id='Nöth 2005a'></bib>). Die damit umris­senen ''onto­logi­schen'' oder ''menta­listi­schen'' Zeichen­begrif­fe sind in der Tat wenig geeig­net, die charak­teris­tischen Eigen­heiten von Bildern zu erfas­sen. Doch spricht nichts gegen Zeichen­begrif­fe, die – nicht zuletzt in der Folge des ''[[linguistic turn|linguis­tic turn]]'' – aus einem weiten Kommu­nika­tionsbe­griff ''handlungs­theore­tisch'' ent­wickelt werden. Als eine solche Ausgangs­basis bietet sich etwa die Unter­scheidung zwischen [[Interaktion und Kommunikation|sachbe­zügli­chen und kommu­nika­tiven Inter­aktio­nen]] an. Zeichen­gebrauch wird damit als eine Handlung<ref>Vgl. [[Exkurs:Handlungen|Ex­kurs: Hand­lun­gen]].</ref> begrif­fen, die zwischen zwei Handlungs­subjek­ten stattfin­det.<ref>Das schließt nicht aus, dass die­se bei­den ''Rol­len'' des Hand­lungs­sche­mas von dem­sel­ben Sub­jekt ein­ge­nom­men wer­den kön­nen (⊳ [[Bildrezeption als Kommunikationsprozess|Bild­re­zep­ti­on als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess]]). Al­ler­dings gilt das nicht für je­de kom­mu­ni­ka­ti­ve In­ter­ak­ti­on.</ref> Die Rollen dieser beiden Agen­ten werden meist als ‘Sender’ und ‘Empfän­ger’ (oder auch ‘Produ­zent’ und ‘Rezi­pient’) bezeich­net. Die Pointe der kommu­nika­tiven Inter­aktio­nen liegt darin, dass sich hier der Sender an den Empfän­ger richtet, indem er sich selbst in beson­derer Weise darstellt. In dieser Selbstdar­stellung (Osten­tion) wird für den Empfän­ger etwas Drittes erkenn­bar – das Darge­stellte, bei dem es sich etwa auch um einen fikti­ven Sachver­halt handeln kann, den wahrzu­nehmen der Sender sich darstellt. Es ist offen­sichtlich, dass ein auf diesen verschach­telten Handlungs­typus gegrün­deter Zeichen­begriff sehr viel komple­xer ist, als der unmit­telbar an der Darstel­lungsfunk­tion orien­tierte der frühen Semio­tik. |
− | ===Anzeichen und | + | ===Anzeichen und Signa­le=== |
− | Zum einen fällt auf, dass der | + | Zum einen fällt auf, dass der handlungs­theore­tische Kommu­nika­tionsbe­griff ''Anzei­chen'' (Sympto­me) nicht mehr ohne weite­res als Zeichen zu verste­hen erlaubt. Zwar ist es möglich, Anzei­chen als Zeichen für das sie verur­sachen­de Phäno­men zu verwen­den, doch muss dann zumindest die entspre­chende Selbstdar­stellung eines Senders in einer kommu­nika­tiven Inter­aktion hinzu­treten (⊳ [["natürliche" Bilder|“natür­liche” Bilder]]). Beispiels­weise ist nämlich Rauch, obzwar ein Symptom von Feuer, als solcher noch kein Zeichen für Feuer; er kann aber von jeman­dem in einer kommu­nika­tiven Inter­aktion dafür verwen­det werden, den Empfän­ger auf Feuer aufmerk­sam zu machen.<ref>Und zwar, in­dem der Sen­der sich selbst i.w. dem Emp­fän­ger ge­gen­über (oder auch sich selbst ge­gen­über) dar­stellt als ei­ner, der Rauch als An­zei­chen für Feu­er nimmt.</ref> Das Problem der Auffas­sung, dass Anzei­chen eine Art von Zeichen seien, besteht also im Wesent­lichen darin, dass sie (in der Regel) keine kommu­nika­tiven Inter­aktio­nen sind und ihnen die entspre­chenden Handlungs­subjek­te – Sender und Empfän­ger – fehlen. |
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− | Das gilt für (tierische) ''Signale'' nicht.<ref>Wie bei den | + | Das gilt für (tierische) ''Signale'' nicht.<ref>Wie bei den meis­ten Aus­drü­cken in die­sem Zu­sam­men­hang wird auch ‘Sig­nal’ mit vie­len ver­schie­de­nen sich teil­wei­se über­schnei­den­den Be­deu­tun­gen ver­wen­det. Hier ist der im en­ge­ren Sin­ne etho­lo­gi­sche Sig­nal­be­griff ge­meint (et­wa im Zu­sam­men­hang von »Aus­drucks­be­we­gung«, vgl. <bib id='Eibl-Eibesfeldt 1974a'>Eibl-Ei­bes­feldt 1974a</bib>). Zu be­ach­ten ist, dass der in der ''Bio­lo­gie'' häu­fig auf­tre­ten­de all­ge­mei­ne­re Sig­nal­be­griff, nach dem et­wa Bo­ten­stof­fe, die von Pflan­zen auf­grund von In­sek­ten­frass aus­ge­stos­sen wer­den und Nach­bar­pflan­zen zur Pro­duk­ti­on ent­spre­chen­der Schutz­stof­fe an­re­gen, als Sig­na­le gel­ten, hier nicht ad­äquat wä­re: Es han­delt sich hier­bei zwar um Ver­hal­ten (im en­ge­ren Sin­ne), aber nicht um Hand­lun­gen (im wei­ten Sinn). Da­her kann hier auch kei­nes­falls von kom­mu­ni­ka­ti­ven In­ter­ak­ti­o­nen die Re­de sein. Ähn­li­ches gilt für tech­ni­sche Sig­nal­be­grif­fe (vgl. <bib id='Shannon & Weaver 1949a'>Shan­non & Wea­ver 1949a</bib>). </ref> Der Warnschrei eines Affen vor einem Raubtier, die pulsie­rende Färbung eines Kraken vor einem Geschlechts­partner oder das Fletschen der Zähne eines Hundes einem ihn ärgern­den Kind gegen­über sind zweifels­frei Fälle von kommu­nika­tiver Inter­aktion mit der dafür charak­teris­tischen Selbstdar­stellung des Senders. Gleichwohl sollen sie nicht als Instan­zen von Zeichen gelten. Der Grund liegt darin, dass die dabei zu beobach­tende Selbstdar­stellung nur für den ''Beobach­ter'' den Zweck der Kommu­nika­tion erfüllt; für den ''Handeln­den selbst'' ist dieser Zweck (noch) nicht zugäng­lich. |
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− | Aus diesem Grund auch lässt sich bei | + | Aus diesem Grund auch lässt sich bei Signa­len stets die Sender­bedeu­tung von der Empfän­gerbe­deutung unter­scheiden: Im dafür ange­setzten beha­vioris­tischen Bedeu­tungsbe­griff ist erste­re durch die (von einem Beobach­ter als solche genom­menen inne­ren und äuße­ren) Voraus­setzun­gen gege­ben, die für den Sender vorlie­gen müssen, dass er das Signal äußert, während letzte­re den durch den Empfang des Signals (in den Augen des Beobach­ters) ausge­lösten Akti­vitä­ten entspricht. Für Zeichen soll hinge­gen gelten, dass ihre Bedeu­tung für Sender und Empfän­ger selbst ''diesel­be'' ist.<ref>Das gilt un­be­scha­det der Mög­lich­keit von über die ge­teil­te Kern­be­deu­tung hi­n­aus­ge­hen­den dif­fe­rie­ren­den Kon­no­ta­ti­o­nen.</ref> |
− | ===Zeichenhandlungen und die | + | ===Zeichenhandlungen und die kommu­nika­tive Inten­tion=== |
− | [[Datei:Hierarchie Zeichen.jpg|thumb| | + | [[Datei:Hierarchie Zeichen.jpg|thumb|Ab­bil­dung 1: Hi­e­r­ar­chi­sche Ein­bet­tung des Zei­chen­be­griffs in die Hand­lungs­be­grif­fe und ihr Um­feld]] |
− | + | Zei­chen­hand­lun­gen un­ter­schei­den sich von an­de­ren kom­mu­ni­ka­ti­ven In­ter­ak­ti­o­nen (ins­be­son­de­re Sig­na­len) da­durch, dass sie von den be­tei­lig­ten Hand­lungs­sub­jek­ten mit ''Ein­sicht in ih­ren Zweck'' ver­wen­det wer­den. Sen­der und Emp­fän­ger kom­mu­ni­zie­ren al­so nicht ein­fach nur mit­ein­an­der, in­dem sie et­wa ei­nem er­lern­ten Hand­lungs­mus­ter fol­gen (‹in der und der Si­tu­a­ti­on: tue dies!›), wo­bei der ei­gent­li­che Zweck der (Ge­samt-)Hand­lun­gen nur ei­nem ex­ter­nen Be­o­bach­ter klar ist. Sie tun das viel­mehr im ei­ge­nen Be­wusst­sein des da­mit ver­folg­ten Ziels der Ver­stän­di­gung mit ei­nem (auch vor­ge­stell­ten) an­de­ren (‹tue dies, um dich mit dem an­de­ren zu ko­or­di­nie­ren›). Zeichen­handlun­gen sind also genau die kommu­nika­tiven Inter­akti­onen, die zugleich ''Handlun­gen im enge­ren Sinn'' sind.<ref>Vgl. wie­de­rum [[Exkurs:Handlungen|Ex­kurs: Hand­lun­gen]].</ref> | |
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− | Ein Zeichenhandelnder stellt sich damit einem | + | Ein Zeichenhandelnder stellt sich damit einem ande­ren gegen­über (oder sich selbst in der Rolle des Rezi­pienten) stets insbe­sonde­re dar als ein Wesen, das eine kommu­nika­tive Inter­aktion mit diesem Gegen­über durchführt: Der Produ­zent stellt sich also dar als einer, ''der sich darstellt als einer, der sich einer bestimm­ten Situ­ation gegen­über sieht'' (die kursi­ve Passa­ge arti­kuliert genau das Sender­verhal­ten bei kommu­nika­tiven Inter­aktio­nen ganz allge­mein). Ana­loges gilt für den Rezi­pienten, der sich darstellt als einer, ''der an einer kommu­nika­tiven Inter­aktion verste­hend teilnimmt''. Während bei signal­haften kommu­nika­tiven Inter­aktio­nen der rezep­tive Teilneh­mer keine Osten­tation zu vollzie­hen braucht, ändert sich eben das bei Zeichen­handlun­gen. Indem die Osten­tation auf diese zweifa­che Weise verdop­pelt wird, eröff­net sich für die Handeln­den selbst die Möglich­keit, die produ­zenten­seiti­ge Bedeu­tung und die rezi­pienten­seiti­ge Bedeu­tung aufein­ander zu bezie­hen und damit letzt­lich: sie zu einer einzi­gen, kontrol­liert geteil­ten Bedeu­tung zu verein­heitli­chen. Eben das bildet die Grundl­age dafür, dass sich bei Zeichen ein von ande­ren Kompo­nenten der Zeichen­handlung sepa­rierba­rer [[Interaktions-, Selbst- und Sachbezug|Sachbe­zug]] festle­gen lässt.<ref>Es soll­te klar sein, dass zum ei­nen Sig­na­le ganz zwang­los als ''Teil­hand­lun­gen'' in Zei­chen­ver­wen­dun­gen vor­kom­men kön­nen, und dass zum an­de­ren auch An­zei­chen, so­fern sie nur schon in ei­nem Sig­nal ei­ne Rol­le spie­len, oh­ne wei­te­res auch in ei­ne Zei­chen­hand­lung ein­ge­bun­den sein kön­nen: Das ''be­wusst ver­wen­de­te'' (vor­ge­führ­te) Sig­nal wird zum Zei­chen, wie auch das ''be­wusst zur Kom­mu­ni­ka­ti­on be­nutz­te'' An­zei­chen. </ref> |
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− | [[Datei:Semiotisches Dreieck.jpg|thumb| | + | [[Datei:Semiotisches Dreieck.jpg|thumb|Ab­bil­dung 2: Das tra­di­ti­o­nel­le se­mi­o­ti­sche Drei­eck nach <bib id='Richards & Ogden 1923a'>Ri­chards & Og­den 1923a</bib> (hier in der Fas­sung von <bib id='Bußmann 1983a'>Buß­mann 1983a</bib>)]] |
− | + | Um­ge­kehrt öf­fnet die ge­mein­sa­me und se­pa­rier­te Be­deu­tung den Blick auch für den rein phy­si­schen As­pekt der Zei­chen­hand­lung: den ''Zei­chen­trä­ger''. Erst in die­ser kom­ple­xen Hand­lungs­kon­stel­la­ti­on macht das ''se­mi­o­ti­sche Drei­eck'' als für die Han­deln­den selbst un­ter­scheid­ba­re Or­ga­ni­sa­ti­on von As­pek­ten ei­ner ent­spre­chen­den Hand­lungs­aus­füh­rung Sinn: der Zei­chen­trä­ger als Be­zeich­nen­des (Abb. 2: „Sym­bol“), der Sach­be­zug als Be­zeich­ne­tes („Re­fe­rent“) und der bei­des al­ler­erst zu­sam­men­bin­den­de Voll­zug ei­ner (ele­men­ta­re­ren) kom­mu­ni­ka­ti­ven In­ter­ak­ti­on (in den Stan­dard­fas­sun­gen des se­mi­o­ti­schen Drei­ecks meist ver­kürzt zu „Ge­dan­ke/Be­zug“).<ref>Zu den ver­schie­de­nen Aus­for­mun­gen des se­mi­o­ti­schen Drei­ecks seit sei­ner Ein­füh­rung in <bib id='Richards & Ogden 1923a'>Ri­chards & Og­den 1923a</bib> so­wie den di­ver­sen Aus­wei­tun­gen (z.B. ein Vier­eck bei der Eco­le de Pa­ris) oder Re­duk­ti­o­nen (et­wa das bi­po­la­re Zei­chen­kon­zept bei Saus­sure) vgl. <bib id='Eco 1977a'></bib> und <bib id='Trabant 1996a'>Tra­bant 1996a</bib>, so­wie [http://www.hispanoteca.eu/Lexikon%20der%20Linguistik/sa/SEMIOTISCHES%20DREIECK%20%20Tri%C3%A1ngulo%20sem%C3%A1ntico%20o%20semi%C3%B3tico.htm Jus­to Fer­nán­dez Ló­pez’ Zu­sam­men­stel­lung zu »Se­mi­o­ti­sches Drei­eck/Tri­án­gu­lo se­mán­ti­co o se­mi­ó­ti­co«] und [http://de.wikipedia.org/wiki/Semiotisches_Dreieck Wi­ki­pe­dia: Se­mi­o­ti­sches Drei­eck]. </ref> | |
− | ===Regeln und Gewohnheiten: Zeichen­ | + | ===Regeln und Gewohnheiten: Zeichen­syste­me=== |
− | Im Gegensatz zum einfachen | + | Im Gegensatz zum einfachen Ausfüh­ren von ele­menta­ren Kommu­nika­tionshand­lungen werden mit dem Zeigen solcher Handlun­gen die entspre­chenden Teilhand­lungen und ihr Zusam­menspiel zumin­dest partiell den Kommu­nizie­renden selbst bewusst.<ref>Beim ein­fa­chen Aus­füh­ren ei­ner nicht-zei­chen­haf­ten kom­mu­ni­ka­ti­ven In­ter­ak­ti­on führt der Han­deln­de zwar ei­ne be­stimm­te Hand­lung vor und hat da­mit auch ent­spre­chen­den “Zu­gang” da­zu, dass es eben die­se Hand­lung ist und kei­ne an­de­re, aber der Akt des Vor­füh­rens, der Selbst­dar­stel­lung, der für die kom­mu­ni­ka­ti­ve In­ter­ak­ti­on be­stim­mend ist, bleibt da­von un­be­rührt.</ref> Das heißt insbe­sonde­re, dass sie dem Zeichen­handeln­den als jeweils eine von verschie­denen Alter­nati­ven erschei­nen, zwischen denen er sich entschei­den kann – und zwischen denen entschei­den zu können er auch dem Kommu­nika­tionspart­ner unter­stellt. Die Zeichen­handlung ist damit eine Kommu­nika­tionshand­lung, die als Teil eines ganzen Systems mögli­cher Vari­anten zu verste­hen ist: Sie ist ein Element eines ''Zeichen­systems''. |
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− | Zwar bilden auch Signale durchaus | + | Zwar bilden auch Signale durchaus Syste­me von Alter­nati­ven: Die Warn­schreie bestimm­ter Prima­ten (wie auch die Reak­tionen darauf) sind etwa nach dem gesich­teten Feind diffe­renziert – Leopard, Adler oder Python. Was für einen etho­logi­schen Beobach­ter schnell als Zusam­menhang zwischen verschie­denen, alter­nati­ven Signal­ausprä­gungen eines gemein­samen Schemas heraus­zufin­den ist, kann gleichwohl von nicht-zeichen­verwen­denden Tieren noch nicht in einen regel­haften Zusam­menhang gebracht werden, da sie sich jeweils nur auf die aktu­elle Situ­ation und die darin vorzu­führen­de auf einen Fall beschränk­te Selbstdar­stellung bezie­hen können. Die zu beobach­tenden Regel­mäßig­keiten sind ''Gewohn­heiten'', die nicht wie ''Regeln'' durch wechsel­seiti­ge (d.h. inter­indi­vidu­elle) Abstim­mungen der Handeln­den selbst kontrol­liert werden und sich in ihren Ausprä­gungen nur “hinter dem Rücken der Akteu­re” (etwa durch evo­lutio­näre Prozes­se) verän­dern. |
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+ | Erst mit der Kompetenz zu Zeichen­handlun­gen gewin­nen die Handeln­den auch die Fähig­keit, diese Gewohn­heiten mitein­ander abzu­stimmen, sie zu echten Regeln umzu­formen. Der Umfang alter­nati­ver Zeichen­handlun­gen, die ein Zeichen­system bilden, ist daher durch Regeln bestimmt: Die Alter­nati­ven können dabei auf der [[Pragmatik, Semantik, Syntax|syntak­tischen, der seman­tischen oder der pragma­tischen Ebe­ne]] auftre­ten.<ref>Das heißt nun al­ler­dings nicht, dass Zei­chen­sys­te­me stets und aus­schließ­lich durch ex­pli­zit aus­ge­han­del­te Re­geln be­stimmt wä­ren.</ref> | ||
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==‘Zeichen’ als »Zeichen­träger« und als »Zeichen­hand­lungs­sche­ma­ta«== | ==‘Zeichen’ als »Zeichen­träger« und als »Zeichen­hand­lungs­sche­ma­ta«== | ||
− | === | + | ===Umgangssprach­licher Zeichen­begriff=== |
− | In der | + | In der Umgangs­sprache wird mit dem Ausdruck ‘Zeichen’ häufig auf den Zeichen­träger als einem von der Zeichen­handlung abtrenn­baren Gegen­stand hinge­wiesen. Das geschieht beson­ders häufig, wenn der Zeichen­träger außer­halb seiner Zeichen­funktion verwen­det wird: ‘Stelle das Plakat hinter das Halte­verbots­zeichen!’ (statt ‘Schild’) Aller­dings wird diese außer-semio­tische Verwen­dungswei­se oft auch als Basis für den alltags­sprachli­chen Zeichen­begriff genutzt, der damit als ein ''uni­late­raler Zeichen­begriff'' bestimmt werden kann, bei dem das Zeichen nur über die Eigen­schaften eines einzi­gen Gegen­standes (des Zeichen­trägers) charak­teri­siert wird. |
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− | Ein solcher unilateraler | + | Ein solcher unilateraler Bildbe­griff liegt gele­gentlich auch medien­infor­mati­schen Darstel­lungen zugrun­de: Die digi­tale Kodie­rung von Bildern in einer Bild­datei (beispiels­weise als jpg oder tiff), welche übli­cherwei­se von Infor­mati­kern einfach als ‘Bild’ bezeich­net wird, ist tatsäch­lich ledig­lich eine Beschrei­bung von syntak­tischen Ele­menten des eigent­lichen Bild­zeichens, das Datei-Format eine [[Notation|Nota­tion]] nur für Bild­''träger'' (⊳ [[digitales Bild|Digi­tales Bild]]). |
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− | Diese Betrachtungsweise verschleiert | + | Diese Betrachtungsweise verschleiert aller­dings den Blick darauf, dass (1) eine weite­re Enti­tät – das, was bezeich­net wird – eine den Gegen­stand als Zeichen bestim­mende Rolle spielt, und dass darü­ber hinaus (2) diese Bedeu­tungsbe­ziehung sich nur in einem bestimm­ten Handlungs­rahmen – nämlich einer Kommu­nika­tion – instan­tiieren lässt, so dass zwei weite­re Rollen (‘Sender’ und ‘Empfän­ger’) eben­falls zur Defi­nition des Zeichen­begriffs notwen­dig gehö­ren. |
− | ===Bilaterale und | + | ===Bilaterale und multi­late­rale Zeichen­begrif­fe === |
− | ''Bilaterale'' (oder ''dyadische'') | + | ''Bilaterale'' (oder ''dyadische'') Zeichen­begriffe, wie etwa der von Saus­sure (<bib id='Saussure 1916a'>Saussu­re 1916a</bib>) aber auch schon von Aristo­teles (<bib id='Keller 1995a'></bib>), versu­chen im Wesent­lichen das beim uni­late­ralen Begriff erwähn­te Problem (1) zu behe­ben, wird hier doch ein Zeichen als Gegen­stand verstan­den, sofern er eine seman­tische Bezie­hung zu einem weite­ren Gegen­stand aufweist. Je nach Theorie kann dieser zweite Gegen­stand insbe­sonde­re ein menta­ler Gegen­stand (eine [[Vorstellung|Vorstel­lung]]), ein Abstrak­tum (etwa eine Klasse) oder ein Konkre­tum (physi­scher Einzel­gegen­stand) sein. Alle Verwen­dungen des Zeichen­trägers ''als Zeichen'' beru­hen aber auf der Bedeu­tungs- oder Darstel­lungsre­lation.<ref>Auch das se­mi­o­ti­sche Drei­eck ist al­so ei­gent­lich den bi­la­te­ra­len Zei­chen­be­grif­fen zu­zu­ord­nen, denn es wird nur die Dar­stel­lungs­funk­ti­on (Be­zie­hung zwi­schen Zei­chen­trä­ger und Be­zeich­ne­tem) ar­ti­ku­liert und über ei­ne Zwi­schen­in­s­tanz er­läu­tert.</ref> |
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− | [[Datei:Organon-Modell-corr.png|thumb| | + | [[Datei:Organon-Modell-corr.png|thumb|Ab­bil­dung 3: Das Or­ga­non-Mo­dell von Büh­ler]] |
− | Bei '' | + | Bei ''mul­ti­la­te­ra­len'' Zei­chen­be­grif­fen, wie sie et­was von Büh­ler (<bib id='Bühler 1934a'>Büh­ler 1934a</bib>) und Peir­ce (<bib id='Peirce 1983a'>Peir­ce 1983a</bib>) vor­ge­schla­gen wur­den, ist die Dar­stel­lungs­funk­ti­on hin­ge­gen nur ''ein'' As­pekt des Zei­chens, ne­ben den an­de­re prag­ma­ti­sche As­pek­te tre­ten, die auf die Zei­chen­ver­wen­der fo­kus­sie­ren und da­mit auch auf die Ak­ti­vi­tä­ten, die mit der Zei­chen­hand­lung in Zu­sam­men­hang ste­hen (sol­len) und so ih­re Be­deu­tung im wei­te­ren Sinn be­stim­men. Damit erge­ben sich also auch Ansät­ze zur Be­he­bung des oben er­wähn­ten Prob­lems (2). Das Or­ga­non-Mo­dell Büh­lers et­wa in­te­griert den Zei­chen im­ma­nen­ten In­ter­ak­ti­ons­as­pekt, in­dem es den beiden betei­ligten Akti­vitäts­trägern schema­tisch jeweils spezi­fische mit der Zeichen­handlung vollzo­gene Funkti­onen zuord­net, nämlich die Ausdrucks­funktion für den Sender und die Appell­funktion für den Empfän­ger (Abb. 3). |
===Handlungstheoretischer Zeichen­begriff=== | ===Handlungstheoretischer Zeichen­begriff=== | ||
− | Bühler und Peirce entwickeln zwar einen bereits | + | Bühler und Peirce entwickeln zwar einen bereits dezi­diert auf Handlung ausge­richte­ten Zeichen­begriff. Doch bleiben sie bei dessen Ausar­beitung noch stark an der semio­tischen Tradi­tion des bila­tera­len Zeichen­begriffs orien­tiert: So ist etwa der Inter­pretant eines Zeichens bei Peirce zunächst eine Art menta­les Zeichen, das der Zeichen­nutzer zur Inter­preta­tion des “äuße­ren” Zeichens erzeugt (und zu dessen Inter­preta­tion er jeweils weite­re Inter­pretan­ten hinzu­zieht). Die Kette der Inter­pretan­ten führe schließlich zum „ulti­mate logi­cal inter­pretant“, den Kuno Lorenz als Ände­rung einer Verhal­tensge­wohnheit – „habit change“ – inter­pretiert (<bib id='Lorenz 1990a'></bib>: S. 121), so dass hier endlich die Veran­kerung des Zeichens in Handlun­gen erfolgt. |
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− | Nun steht Lorenz in der | + | Nun steht Lorenz in der Tradi­tion des Erlan­ger Konstruk­tivis­mus von Kamlah und Loren­zen, der in der Folge des [[Linguistic turn, pictorial turn, medial turn|linguis­tic turns]] und der handlungs­theore­tischen Umdeu­tung psychi­scher Phäno­mene bei Mead, Wittgen­stein, v. Holst u.a. einen weni­ger menta­listi­schen Zeichen­begriff aus dem Begriff der Zeichen­handlung entwickelt hat. Fokus­siert wird dabei nicht der Zeichen­träger, der etwas bedeu­tet, indem er in einer speziel­len Form von Handlung benutzt wird, sondern das, was als allen Ausfüh­rungen einer Art von Zeichen­handlun­gen (allen „Aktu­ali­sierun­gen“ dieses Typs) gemein bestimmt wird: Ein Zeichen im Sinne von Kamlah, Loren­zen und auch Lorenz ist das Handlungs­''schema'' einer Zeige­handlung (= Vorführ­handlung, d.h. das Schema einer bewuss­ten kommu­nika­tiven Inter­aktion; <bib id='Kamlah & Lorenzen 1973a'>Kamlah & Loren­zen 1973a</bib>, <bib id='Lorenz 1970a'></bib>). |
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− | Das Beziehungsgeflecht zwischen einer | + | Das Beziehungsgeflecht zwischen einer Zeichen­handlung und ihren Teilhand­lungen einer­seits und den kontex­tuellen Akti­vitä­ten (insbe­sonde­re die jeweils dabei voraus­gesetz­ten Vorbe­reitungs­handlun­gen und die verur­sachten Folge­handlun­gen) ande­rerseits werden auf diese Weise wesent­lich unmit­telba­rer in den Fokus der semio­tischen Betrach­tung gerückt. Es geht nicht um mate­rielle Gegen­stände, sondern um äußerst komple­xe Formen von Inter­aktio­nen. |
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− | Dieses Vorgehen trägt daher auch der | + | Dieses Vorgehen trägt daher auch der Eigen­tümlich­keit bestimm­ter Zeichen­handlun­gen Rechnung, bei denen der Zeichen­träger gar kein von der Zeichen­verwen­dung sepa­rierba­rer Gegen­stand ist: Wenn etwa ein Fahrrad­fahrer an einer Kreuzung mit der linken Hand Wedel­bewe­gungen ausführt, um den ande­ren Verkehrs­teilneh­mern zu verste­hen zu geben, dass er beab­sichtigt, nach links abzu­biegen – dann ist das durchaus ein klarer Fall von Zeichen­verwen­dung. Gleichwohl ist es hier schwierig, den Zeichen­träger unab­hängig von der Zeichen­handlung über­haupt zu bestim­men. |
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− | Abtrennbare und insbesondere als solche über die | + | Abtrennbare und insbesondere als solche über die eigent­lichen Zeichen­teilhand­lung hinaus beste­hende (d.h. persis­tente) Zeichen­träger werden entspre­chend nicht einfach ‘Zeichen’ genannt – auch nicht abkür­zend – sondern als ‘Marken’ bezeich­net.<ref>Mar­ken bil­den da­mit die Grund­la­ge für Kom­mu­ni­ka­ti­o­nen in [[Typologien der Medien|se­kun­dä­ren Me­dien]]. Auch Bil­der müss­ten im Sin­ne der hand­lungs­the­o­re­ti­schen Se­mi­o­tik als Mar­ken ver­stan­den wer­den. </ref> Eine Marke kann dem Empfän­ger als Symptom für die vorgän­gige produ­zenten­seiti­gen Teilhand­lungen dienen, die er sich vorstellt und nun durch die entspre­chenden rezi­pienten­seiti­gen Teilhand­lungen zu einer Zeichen­handlung vervoll­ständi­gen kann: Er stellt sich anhand des vorlie­genden Gegen­standes sich selber gegen­über dar als einer, der an einer kommu­nika­tiven Inter­aktion unter Betei­ligung der Marke in Gegen­wart eines vorge­stellten Senders verste­hend teilnimmt. |
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==Sprachliche Zeichen== | ==Sprachliche Zeichen== | ||
− | Sicherlich ist Sprache das am besten | + | Sicherlich ist Sprache das am besten unter­suchte Zeichen­system.<ref>Ge­nau ge­nom­men han­delt es sich da­bei ja um ei­ne Viel­zahl von Zei­chen­sys­te­men – ent­spre­chend den Ein­zel­spra­chen. ‘Spra­che als sol­che’ (d.h. im Sin­ne der Saus­su­re­schen ‘Lan­gue’ - als Sprach­kom­pe­tenz - oder gar im Sin­ne Choms­kys als Kom­pe­tenz zum ''Er­werb'' von Ein­zel­spra­chen; <bib id='Saussure 1916a'>Saus­su­re 1916a</bib>, <bib id='Chomsky 1957a'>Choms­ky 1957a</bib>) be­zeich­net of­fen­sicht­lich kein Zei­chen­sys­tem in der oben ein­ge­führ­ten Be­deu­tung des Wor­tes.</ref> Die Struktur sprachli­cher Zeichen hat entspre­chend die Begriff­lichkeit der Zeichen­theorie stark geprägt. Kriti­ker des semio­tischen Bildbe­griffs äußern in der Folge gele­gentlich die Befürch­tung, dass eine dezi­diert am Zeichen­begriff ausge­richte­te Bildthe­orie zu sprach­lastig ope­riere und dadurch die Unter­schiede, die zwischen Bild und Wort beste­hen, nicht hinrei­chend beachtet würden (⊳ [[Ikonische Differenz|Iko­nische Diffe­renz]]). |
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− | Allerdings ist weder der Ausdruck ‘Zeichen’ | + | Allerdings ist weder der Ausdruck ‘Zeichen’ syno­nym mit ‘sprachli­che Zeichen’ noch der Termi­nus ‘Zeichen­system’ mit ‘Zeichen­sprache’. Sprachli­che Zeichen sind auch nicht dassel­be wie Sprache(n) im Sinne der Lingu­istik, die sich semio­tisch eher als Wort/Satz-sprachli­che Zeichen­syste­me (s.u.) charak­teri­sieren lassen. |
− | ===Verallgemeinerter | + | ===Verallgemeinerter Sprach­begriff und nicht-sprach­liche Zeichen­syste­me=== |
− | Gegenüber dem primär an der | + | Gegenüber dem primär an der Lingu­istik ausge­richte­ten (engen) Sprachbe­griff kann eine allge­meine­re semio­tische Unter­scheidung ins Feld geführt werden, die darauf beruht, dass die Zeichen eines Zeichen­systems sich – in einem weiten Sinne – syntak­tisch gliedern lassen: Die zuge­höri­gen Zeichen­handlungs­schema­ta beste­hen aus Teilen, die in unter­schiedli­chen Kombi­natio­nen verschie­dene Zeichen des Systems konsti­tuieren (siehe nochmals Abb. 1). Bei ''nicht-sprachli­chen'' Zeichen­syste­men liegt mithin keine solche Gliede­rung vor. Das System besitzt keine [[Morphologie und Syntax|''Morpho­logie'']], mit deren Hilfe sich die einzel­nen Zeichen bereits anhand von Eigen­schaften des Zeichen­trägers allei­ne (d.h. rein syntak­tisch) sinnvoll semio­tisch zuei­nander in Bezie­hung setzen ließen.<ref>Ein sol­ches ele­men­ta­res “Zei­chen­spiel” könn­te bei­spiels­wei­se da­raus be­ste­hen, dass ei­ner für das ei­ne Zei­chen des Sys­tems mit dem lin­ken Arm we­delt, für das zwei­te Zei­chen weg­rennt und für das drit­te Zei­chen gar nichts tut. Kei­ne der be­tei­lig­ten Zei­chen­hand­lungs­sche­ma­ta ent­hält Tei­le, die auch Teil ei­nes der an­de­ren Zei­chen­hand­lungs­sche­ma­ta sind.</ref> Für sprach­li­che Zei­chen­sys­te­me muss sich hin­ge­gen ei­ne Mor­pho­lo­gie ange­ben lassen. |
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− | Nicht gefordert ist für | + | Nicht gefordert ist für sprachli­che Zeichen­syste­me (Zeichen­sprachen), dass die Teile selbst wiede­rum Zeichen sein müssen, wie es bei der Rela­tion zwischen Wort und Satz der Fall wäre. Betrach­ten wir daher zunächst den Fall der Zeichen­syste­me, bei denen die Zeichen­teile gene­rell keine Zeichen sind – genau­er formu­liert: keine der Teilhand­lungen, die die Zeichen­handlungs­schema­ta eines solchen Zeichen­systems konsti­tuieren, ist bereits eine Zeichen­handlung. Im Gegen­satz zu den nicht-sprachli­chen Zeichen­syste­men lässt sich also eine syntak­tische Gliede­rung der Zeichen­sprache ange­ben, die aber noch nicht der Kombi­nation von Wörtern zu Sätzen entspricht, sondern, um ein linguis­tisches Ana­logon zu bemü­hen, eher der Zusam­menset­zung von (nicht eigen­ständig verwend­baren) Morphe­men zu Wörtern. |
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− | Als Beispiel mag das dem »Fährten lesen« | + | Als Beispiel mag das dem »Fährten lesen« zugrun­de liegen­de Zeichen­system dienen. Die Zeichen dieses Systems unter­scheiden sich als Inter­preta­tion der Varia­tionen von Eigen­schaften der Abdrü­cke (etc.) und ihrer Teile: So mag etwa der Grad der Verwi­schung der Kanten im Zusam­menhang mit ande­ren Eigen­heiten als Alters­indiz dienen.<ref>Ge­nau ge­nom­men geht es na­tür­lich um das sich be­wusst Dar­stel­len als ei­ner, der die­ses In­diz er­kennt.</ref> Dabei ist aber das Erken­nen von “Verwischt­heit” noch kein eigen­ständi­ges Zeichen, das inner­halb des Systems losge­löst von ande­ren Zeichen­kompo­nenten verwen­det werden könnte. Gleichwohl bestimmt es gemein­sam mit den ande­ren rele­vanten Dimen­sionen die Morpho­logie der Zeichen dieses Systems. |
− | ===Wort/Satz-sprachliche Zeichen­systeme: Sprachen im | + | ===Wort/Satz-sprachliche Zeichen­systeme: Sprachen im enge­ren Sinn=== |
− | Von den allgemeinen | + | Von den allgemeinen Zeichen­sprachen ist die Klasse der Wort/Satz-sprach­lichen Zeichen­syste­me zu diffe­renzie­ren. Diese verfü­gen über eine syntak­tische Gliede­rung im engen Sinn, inso­fern die Teilhand­lungen, die ein Zeichen dieser Syste­me bilden, zum Teil selber bereits Zeichen sind: nämlich ''Wörter'', die ''Sätze'' bilden. Dadurch wird die Unter­scheidung zwischen Wörtern und Sätzen über­haupt erst möglich und damit eine über reine Morpho­logie hinaus­gehen­de kombi­nati­ve Syntax etwa im Sinne von Chomsky (<bib id='Chomsky 1957a'></bib>; hierzu auch ⊳ [[Bildgrammatik|Bildgram­matik]] und [[Bildmorphologie|Bildmor­pholo­gie]]). |
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− | Die Festlegung der Begriffe »Wort« und »Satz« ist in | + | Die Festlegung der Begriffe »Wort« und »Satz« ist in Lingu­istik und Semio­tik umstrit­ten:<ref>Be­son­de­rer Aus­druck die­ser Un­klar­hei­ten ist die De­bat­te da­rü­ber, ob nun Wör­ter oder Sät­ze die “ei­gent­li­chen” – d.h. grund­le­gen­den – se­man­ti­schen Ein­hei­ten der “na­tür­li­chen” Spra­chen dar­stel­len, so dass der je­weils an­de­re Be­griff als le­dig­lich ab­ge­lei­tet zu gel­ten ha­be; vgl. et­wa <bib id='Ros 1979a'></bib>: S. 167ff. Sie­he auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Wort Wi­ki­pe­dia: Wort] und [http://de.wikipedia.org/wiki/Satz_%28Grammatik%29 Wi­ki­pe­dia: Satz].</ref> Das liegt nicht zuletzt an den dabei zumeist betrach­teten bi- und multi­late­ralen Zeichen­begriffen, die kaum Krite­rien für eine Unter­scheidung zwischen nur morpho­logisch orga­nisier­ten und im enge­ren Sinn syntak­tisch orga­nisier­ten Sprachzei­chensys­temen bereit­stellen. Handlungs­theore­tisch betrach­tet liegt es hinge­gen durchaus nahe, |
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− | :''den Ausdruck ‘Satz’ zu | + | :''den Ausdruck ‘Satz’ zu erklä­ren als die Gesamt­heit der Zeichen i.e.S., die in den jewei­ligen Teilhand­lungen einer einheit­lichen Handlung wie »etwas aussa­gen«, »etwas mittei­len« usw. verwen­det werden. Der Ausdruck ‘Wort’ hinge­gen mag sich in seinem Gebrauch erklä­ren lassen, indem man auf die einzel­nen Zeichen i.e.S. verweist, welche im Rahmen einer solchen Gesamt­handlung, beim Vollzug einer zu dieser gehö­renden Teilhand­lung, verwen­det werden. Aus dieser Erklä­rung folgt dann nämlich zunächst, daß ein Handlungs­schema speziel­ler Art, z.B. ein Laut, wirklich erst im Zusam­menhang mit der Äuße­rung eines Satzes als Wort erkannt werden kann. Es folgt aber auch aus ihr, daß ein Sprecher durchaus selbst struktu­rell neue und gleichwohl verständ­liche Sätze formen kann: Er hat seinen Gebrauch einzel­ner Wörter dieser Erklä­rung nach ja weder “induk­tiv” aus bereits gehör­ten bzw. gar von ihm selbst gebil­deten Sätzen “abge­leitet”, noch ist er durch in ihm bereits “ange­legte” Regeln in seiner zukünf­tigen Rede vorde­termi­niert'' (<bib id='Ros 1979a'></bib>: S. 174). |
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− | Die Pointe satzsprachlicher | + | Die Pointe satzsprachlicher Zeichen­systeme besteht mithin darin, dass nicht nur die Gesamt­zeichen­handlung (der Satz) in Form und Gebrauch an Regeln ausge­richtet wird, sondern bereits Form und Gebrauch der Teilzei­chenhand­lungen (der Wörter) jeweils vollstän­dig an Regeln orien­tiert sind. Die korrek­te (syntak­tische) Form und der richti­ge (pragma­tische) Gebrauch der Sätze (und damit auch ihre Bedeu­tungen) lassen sich dann bei Bedarf kompo­sitio­nal aus den morpho­logischen, seman­tischen und pragma­tischen Eigen­schaften der Wörter ablei­ten. Ana­loge Argu­menta­tionen fehlen für einfa­che Zeichen­sprachen. |
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− | Die massive | + | Die massive Komplexitäts­steigerung, die mit dem Gebrauch von Teil­''zeichen''­handlun­gen verbun­den ist, macht sich mit einer außer­ordent­lich erhöh­ten Flexi­bili­tät dieser Sprach­syste­me bezahlt.<ref>Nur am Ran­de sei hier er­wähnt, dass die­se Kom­ple­xi­täts­stei­ge­rung nicht nur die Art der Hand­lung be­trifft, son­dern glei­cher­mas­sen auch die Art von We­sen, die zu der­ar­ti­gen Hand­lun­gen fä­hig sind; hier­zu ⊳ [[Dezeptiver und immersiver Modus|De­zep­ti­ver und im­mer­si­ver Mo­dus]]. Dem im­men­sen Zu­wachs an Fle­xi­bi­li­tät in der Kom­mu­ni­ka­ti­on steht ein un­ge­heu­rer Ge­winn an Re­fle­xi­ons­fä­hig­keit der Kom­mu­ni­zie­ren­den und da­mit an Frei­heit und In­di­vi­du­a­li­tät zur Sei­te; vgl. <bib id='Ros 1979a'></bib>. </ref> |
− | ===Propositionale und explizit | + | ===Propositionale und explizit perfor­mative Zeichen­handlun­gen === |
− | Zwar sind wort/ | + | Zwar sind wort/satz­sprachli­che Zeichen­handlun­gen noch nicht hinrei­chend zur Arti­kula­tion eines ''expli­ziten'' Sachbe­zugs. Ein solcher entfal­tet sich erst mit ''propo­sitio­nalen'' Sprach­zeichen­handlun­gen. Aller­dings ist die echte syntak­tische Gliede­rung des Zeichen­systems eine notwen­dige Voraus­setzung für letzte­re, denn die für die [[Proposition|Propo­sition]] charak­teris­tischen Teilhand­lungen – [[Prädikation|Prädi­kation]], [[Nomination|Nomi­nation]] und [[Kontextbildung|Kontext­bildung]] – müssen als eigen­ständi­ge Zeichen­handlun­gen mit je eige­nen Inter­preta­tionsre­geln auftre­ten. Erst dadurch ist es auch möglich, über nicht anwe­sende Sachver­halte (als solche) zu kommu­nizie­ren.<ref>Im Üb­ri­gen hat nicht je­de Zei­chen­hand­lung über­haupt ei­nen Sach­be­zug: Für ei­ne Be­grü­ßung et­wa ge­nü­gen [[Interaktions-, Selbst- und Sachbezug|In­ter­ak­ti­ons- und Selbst­be­zug]].</ref> |
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− | Des weiteren setzen ''explizit | + | Des weiteren setzen ''explizit perfor­mati­ve Zeichen­handlun­gen'' – etwa ‘hiermit taufe ich dich auf den Namen «Tita­nic»’ oder ‘hiermit schwöre ich (dir), dass ''p''’ – die Kompe­tenz zu satz/wort­sprachli­chen Kommu­nika­tionshand­lungen (bzw. im zweiten Beispiel sogar von propo­sitio­nalen Zeichen­handlun­gen) voraus: Die ausdrück­liche Arti­kula­tion der mit der Zeichen­handlung durchge­führten [[Illokution|Illo­kution]] kann nur gelin­gen, wenn die Benen­nung als eigen­ständi­ges (Teil)Zei­chen verfüg­bar und als solches in den Gesamt­zeichen­akt einge­bettet ist. |
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− | : | + | Sprachen im linguistischen Sinn umfas­sen offen­sichtlich stets propo­sitio­nale und expli­zit perfor­mati­ve Zeichen­handlun­gen, gehö­ren mithin zu den komple­xesten Zeichen­sprachen.<ref>Ei­ne wei­te­re Ebe­ne der kom­mu­ni­ka­ti­ven Re­fle­xi­vie­rung wird schließ­lich mit dem Über­gang zur phi­lo­so­phi­schen Dis­kus­si­on er­reicht; vgl. <bib id='Ros 1989/90a'></bib>.</ref> Die ge­naue semio­tische Einord­nung von Bildern ist hin­gegen derzeit noch umstrit­ten. In jedem Fall werden die hier vorge­stellten Diffe­renzie­rungen zu beach­ten sein, wenn die Anwen­dung (oder Anwend­barkeit) des Zeichen­begriffs auf Bilder zur Diskus­sion steht. |
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+ | ==Weitere Kompli­kationen== | ||
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+ | Noch auf andere Weise kann die Komple­xität von Zeichen­handlun­gen im allge­meinen und Bildzei­chenhand­lungen im beson­deren wachsen. In den bisher betrach­teten Fällen haben nur jeweils ''ein'' Produ­zent und ''ein'' Rezi­pient an der zeichen­haften Kommu­nika­tion teilge­nommen. Auf der Empfän­gersei­te scheint der Übergang zu einer Plura­lität von Empfän­gern noch ver­hältnis­mäßig einfach zu bleiben und führt letztlich vor allem zu den theore­tischen Über­legun­gen zu [[Massenmedien|Massen­medien]]:<ref>Das schließt auch die un­ter der Be­zeich­nung ‘Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft’ (engl. Commu­nication studies ) aka­de­misch eta­blier­ten Be­trach­tun­gen ein, die vor al­lem um jour­na­lis­ti­sches Han­deln krei­sen.</ref> Zeichen­theore­tisch ändert sich dabei nicht allzu viel, da schon die Zeichen­verwen­dung zwischen zwei einzel­nen Handeln­den von den jewei­ligen konkre­ten Vorstel­lungen des einen vom ande­ren abhän­gen.<ref>Es sind also vir­tu­ell be­reits min­des­tens vier Han­deln­de zu be­rück­sich­ti­gen. ⊳ [[Bildrezeption als Kommunikationsprozess|Bild­re­zep­ti­on als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess]].</ref> Bei massen­media­ler Zeichen­nutzung werden diese Vorstel­lungen der jewei­ligen Kommu­nika­tionspart­ner vor allem produ­zenten­seitig durch das “Bild” von einem Standard-­Rezi­pienten ersetzt (etwa: der Buchau­tor und „sein Leser“, der Maler und der von ihm inten­dierte Betrach­ter). | ||
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+ | Allerdings sind mit dem Über­gang zu einer Plura­lität von Rezi­pienten mindes­tens Kompli­kati­onen in Form doppel­ter (mehrfa­cher) Verwen­dung ein und dessel­ben Zeichen­trägers in unter­schiedli­chen, jedoch gleichzei­tig stattfin­denden Zeichen­handlun­gen verschie­denen Rezi­pienten gegen­über möglich (vgl. etwa <bib id='Born 1983a'></bib>). Beispiels­weise kann eine Bemer­kung, die vorder­gründig und in lite­raler Lesart an eine Person ''A'' gerich­tet ist, zugleich an den anwe­senden Freund ''B'' des Produ­zenten in einer nicht-lite­ralen (etwa iro­nischen) Lesart gerich­tet sein. Beide simul­tan mit demsel­ben Zeichen­träger ausge­führten Zeichen­handlun­gen unter­scheiden sich entspre­chend deutlich mindes­tens in Inter­aktions- wie Selbst­bezug (ggf. auch im Sach­bezug). | ||
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+ | ===Kooperative Zeichen­produk­tion=== | ||
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+ | Die Produktion einer Zeichen­handlung durch mehre­re Perso­nen tritt zwar eben­so häufig wie die massen­medi­ale Vari­ante auf: Jede Zeitung, jedes Buch, jeder [[Film]] stellt letzt­lich ein solches Zeichen dar, an dessen Erzeu­gung mehrere, teil­weise sogar zahl­reiche Produ­zenten (oder sogar unter­geord­nete Produ­zenten­kollek­tive) mitge­wirkt haben. Doch die theore­tischen wie prakti­schen Proble­me einer solchen koope­rati­ven Zeichen­produk­tion erwei­sen sich als noch wesent­lich komple­xer, nicht zuletzt, weil mit der Produ­zenten­rolle wesent­liche Aspek­te der Verant­wortlich­keit für die kommu­nikat­ive Handlung und ihre Folgen verbun­den sind. | ||
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+ | Alternativ dazu, dass einer der Handeln­den aus dem betrach­teten Produ­zenten­kollek­tiv als der eigent­liche Produ­zent ausge­zeichnet wird – etwa der Regis­seur beim Auto­renfilm –, werden häufig insti­tutio­nelle Handlungs­träger (''juris­tische Perso­nen'') als die verant­wortli­chen Produ­zenten des koope­rativ erzeug­ten Zeichens betrach­tet. So gilt etwa die Sende­anstalt ZDF im Sinn einer juris­tischen Person als verant­wortli­cher Produ­zent für die mithil­fe des entspre­chenden ausge­strahlten Fernseh­programms als Zeichen­träger ausge­führten Zeichen­handlun­gen mit dem Publi­kum.<ref>vgl. in die­sem Zu­sam­men­hang auch die Ein­trä­ge [http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=352 ''Stu­di­o­sys­tem''] und [http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5701 ''pro­du­cer-unit sys­tem''] im «Le­xi­kon der Film­be­grif­fe».</ref> | ||
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+ | Zumindest bei einem Teil der koope­rativ produ­zierten Zeichen­handlungen lassen sich sepa­rierba­re Teilzei­chenhand­lungen ausma­chen, so dass eine Ana­logie zum Wort/​Satz-​Verhält­nis sprachli­cher Zeichen vorliegt (s.o.). Dies betrifft etwa [[Comic]]s (verbal​-sprachli­che Teil­zeichen und bildhaf­te Teil­zeichen) oder auch [[Film]]e (u.U. sprachli­che, musi­kali­sche und bild­liche Teilzei­chenhand­lungen).<ref>Be­son­ders in­te­res­sant sind da­bei sol­che Fäl­le, in de­nen die Be­tei­lig­ten nur ein­ge­schränkt ko­o­pe­rie­ren: Ant­a­go­nis­ti­sche Pro­du­zen­ten­teil­grup­pen kön­nen dann für sub­ver­si­ve Teil­zei­chen­hand­lun­gen in­ner­halb der Ge­samt­kom­mu­ni­ka­ti­on ver­ant­wort­lich sein.</ref> | ||
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+ | ===Geschachtelte und mehr­lagige Zeichen­handlungen=== | ||
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+ | Des weiteren können Zeichen­handlun­gen im [[Interaktions-, Selbst- und Sachbezug|Sachbe­zug]] ande­rer Zeichen­handlun­gen auftre­ten: Zita­te im wissen­schaftli­chen Vortrag, direk­te oder indi­rekte Rede im Roman, die photo­graphi­sche Repro­duktion eines Gemäl­des im Ausstel­lungska­talog sind nur eini­ge Beispie­le solcher ''geschach­telten'' Zeichen (hierzu auch ⊳ [[Bildzitat|Bild­zitat]]). Hierbei können den Zeichen­handlun­gen auf den verschie­denen Ebenen ganz unter­schiedli­che Produ­zenten und Rezi­pienten zuge­ordnet sein: Mit dem Roman richtet sich ein Autor an seine Leser, mit der im Roman berich­teten Rede hinge­gen eine Roman­figur an eine ande­re Roman­figur. Die Schachte­lung kann dabei über mehre­re Ebe­ne laufen, wie etwa in Graf Potoc­kis Roman «Die Hand­schrift von Sara­gossa». | ||
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+ | Von den geschachtelten Zeichen­handlungen unter­scheiden sich die ''mehrla­gigen'' Zeichen­handlun­gen, die ein Zeichen­handeln­der mit einem Gegen­über ausführt, um gleich­zeitig die Kommu­nika­tion mit einem ande­ren Partner auf einer ande­ren Ebene zu errei­chen. Beispiels­weise kommu­niziert ein Compu­terspie­ler in gewis­ser Weise mit dem Herstel­ler eines immer­siven Spiels, um inner­halb einer auf diese Weise kommu­nika­tiv erstell­ten virtu­ellen Welt in Gestalt eines Ava­tars mit einem ande­ren Ava­tar zu sprechen. | ||
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+ | Das Zweck-Verhältnis von “innerer” und “äußerer” Zeichenhandlung ist für die Unterscheidung entscheiden: Bei geschachtelten Zeichen findet die eingebettete Zeichenhandlung statt, um die einbettende Zeichenhandlung zu ermöglichen: Die Kommunikation zwischen Roman- (oder Film-)figuren hat das übergeordnete Ziel, die eigentlich intendierte Kommunikation zwischen Autor (bzw. Regisseur) und Publikum zu vollziehen. Der Autor kommuniziert mit dem Leser, ''indem'' er seine Romanfiguren miteinander kommunizieren lässt. | ||
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− | + | Hingegen soll bei mehrla­gigen Zeichen umge­kehrt die äuße­re Zeichen­handlung die inne­re ermög­lichen: Beispiels­weise stellt auch das Benut­zen eines Email-​Systems eine solche äuße­re Zeichen­handung dar, und zwar zwischen dem Nutzer und dem System­heraus­geber. Sie hat das Ziel, die eigent­lich ange­strebte einge­bette­te Email-​Kommu­nika­tion mit ande­ren Nutzern des Systems zu ermög­lichen. Der Nutzer kommu­niziert mit einem ande­ren Nutzer per email, ''indem'' er mit dem Heraus­geber des Email­systems kommu­niziert.<ref>Ana­lo­ges gilt im übri­gen durch­aus auch be­reits für ei­nen Brief: Des­sen Text ist in der Re­gel in ei­nen an­de­ren Zei­chen­träger ein­ge­hüllt, durch den der Brief­sen­der mit dem Zu­stel­ler kom­mu­ni­ziert, um sei­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Ad­res­sa­ten des Briefs zu er­mög­li­chen.</ref> | |
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+ | ===Übergänge zur Medien­theorie=== | ||
− | + | Nimmt man bei geschach­telten oder mehrla­gigen Zeichen das Verhält­nis der ''Zeichen­syste­me'' von inneren und äuße­ren Zeichen in den Blick, eröff­net sich ein für [[Kommunikationsmedien|Kommu­nika­tionsme­dien]] charak­teris­tischer Zusam­menhang der jewei­ligen pragma­tischen, seman­tischen und syntak­tischen Ausprä­gungen. | |
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+ | Gehen wir davon aus, dass bei einer festge­legten äuße­ren Zeichen­handlung ''jede'' vom entspre­chenden Zeichen­system umfass­te Zeichen­handlung als inne­re Zeichen­handlung auftre­ten kann, so bilden die syntak­tischen, seman­tischen und pragma­tischen Ausprä­gungen der äuße­ren Zeichen­handlung einen konstan­ten Rahmen, der für die ganze durch das „inne­re Zeichen­system“ ausdif­feren­zierte Vari­ations­breite von Zeichen­handlun­gen immer gleicher­maßen wirksam bleibt. Und eben weil er für alle diese Zeichen­varian­ten ohne Vari­ation wirkt, bleibt er ''medial'' für die inne­ren Zeichen­handun­gen. Das Kommu­nika­tionsme­dium wäre mithin all das, was von der diffe­renziel­len Perspek­tive eines Zeichen­systems nicht erfasst wird: in diesem Fall (u.a.) eine ande­re (nämlich die äuße­re) Zeichen­handlung mit ihren (in ande­rer Perspek­tive sichtbar werden­den) pragma­tischen, seman­tischen und syntak­tischen Charak­teris­tiken (vgl. hierzu auch <bib id='Krah & Titzmann2013a'></bib>). | ||
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+ | Insofern bei diesem Begriff des Kommu­nika­tionsme­diums einer­seits die syntak­tische Struktur eines Zeichen­trägers nicht zuletzt durch die ''techni­schen'' Bedin­gungen seiner Reali­sierung bestimmt wird, und ande­rerseits die pragma­tischen Regeln insbe­sonde­re den ''insti­tutio­nellen'' Kontext der Zeichen­handlung berück­sichti­gen müssen, können zudem auch die „klassi­schen“ Aspek­te kommu­nika­tionsme­dialer Argu­menta­tionen damit zwanglos in einen semio­tischen Ansatz inte­griert werden. | ||
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* [[Bildrezeption als Kommunikationsprozess]] | * [[Bildrezeption als Kommunikationsprozess]] | ||
* [[Bildsemiotik]] | * [[Bildsemiotik]] | ||
+ | * [[Bildzitat]] | ||
+ | * [[Comic]] | ||
* [[Darstellung]] | * [[Darstellung]] | ||
* [[Dezeptiver und immersiver Modus]] | * [[Dezeptiver und immersiver Modus]] | ||
− | * [[Differenz | + | * [[Digitales Bild]] |
+ | * [[Film]] | ||
+ | * [[Ikonische Differenz]] | ||
* [[Illokution]] | * [[Illokution]] | ||
* [[Interaktion und Kommunikation]] | * [[Interaktion und Kommunikation]] | ||
* [[Interaktions-, Selbst- und Sachbezug]] | * [[Interaktions-, Selbst- und Sachbezug]] | ||
+ | * [[Kommunikationsmedien]] | ||
* [[Kontextbildung]] | * [[Kontextbildung]] | ||
− | * [[ | + | * [[Linguistic turn, pictorial turn, medial turn]] |
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* [[Morphologie und Syntax]] | * [[Morphologie und Syntax]] | ||
* [["natürliche" Bilder]] | * [["natürliche" Bilder]] | ||
* [[Nomination]] | * [[Nomination]] | ||
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* [[Phänomenologische Bildtheorien]] | * [[Phänomenologische Bildtheorien]] | ||
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* [[Symbol, Index, Ikon]] | * [[Symbol, Index, Ikon]] | ||
* [[Typologien der Medien]] | * [[Typologien der Medien]] | ||
+ | * [[Vorstellung]] | ||
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+ | Ausgabe 2: 2017 | ||
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* [[Benutzer:Klaus Sachs-Hombach|Sachs-Hombach, Klaus]] | * [[Benutzer:Klaus Sachs-Hombach|Sachs-Hombach, Klaus]] | ||
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+ | <bib id='Schirra 2017g-a'></bib> | ||
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<!--Das war's--> | <!--Das war's--> |
Aktuelle Version vom 23. August 2023, 17:36 Uhr
Unterpunkt zu: Zeichentheorien: Übersicht
English Version: Sign, Sign Carrier, Sign System
Es gibt viele unterschiedliche Verwendungsweisen des Ausdrucks ‘Zeichen’,[1] was seinen Einsatz in der Bildphilosophie kompliziert macht. Im Folgenden soll nur auf die bildphilosophisch relevantesten Aspekte der Zeichendiskussion eingegangen werden.
Kommunikative Interaktionen und ZeichenhandlungenVon Kritikern wird den semiotischen Bildtheorien häufig vorgeworfen, dass in ihnen allein die Darstellungsfunktion eines Bildes fokussiert werde. Medientheoretische Ansätze klagen seine kommunikativen Aspekte ein, während wahrnehmungstheoretische Positionen die Arbitrarität und Konventionalität kritisieren, die sie unterstellen, wenn Bilder als eine Art von Zeichen verstanden werden. Zeichentheoretische Grundlagen der Bildwissenschaft. In Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung, 33-44. Eintrag in Sammlung zeigen). Die damit umrissenen ontologischen oder mentalistischen Zeichenbegriffe sind in der Tat wenig geeignet, die charakteristischen Eigenheiten von Bildern zu erfassen. Doch spricht nichts gegen Zeichenbegriffe, die – nicht zuletzt in der Folge des linguistic turn – aus einem weiten Kommunikationsbegriff handlungstheoretisch entwickelt werden. Als eine solche Ausgangsbasis bietet sich etwa die Unterscheidung zwischen sachbezüglichen und kommunikativen Interaktionen an. Zeichengebrauch wird damit als eine Handlung[2] begriffen, die zwischen zwei Handlungssubjekten stattfindet.[3] Die Rollen dieser beiden Agenten werden meist als ‘Sender’ und ‘Empfänger’ (oder auch ‘Produzent’ und ‘Rezipient’) bezeichnet. Die Pointe der kommunikativen Interaktionen liegt darin, dass sich hier der Sender an den Empfänger richtet, indem er sich selbst in besonderer Weise darstellt. In dieser Selbstdarstellung (Ostention) wird für den Empfänger etwas Drittes erkennbar – das Dargestellte, bei dem es sich etwa auch um einen fiktiven Sachverhalt handeln kann, den wahrzunehmen der Sender sich darstellt. Es ist offensichtlich, dass ein auf diesen verschachtelten Handlungstypus gegründeter Zeichenbegriff sehr viel komplexer ist, als der unmittelbar an der Darstellungsfunktion orientierte der frühen Semiotik. Anzeichen und SignaleZum einen fällt auf, dass der handlungstheoretische Kommunikationsbegriff Anzeichen (Symptome) nicht mehr ohne weiteres als Zeichen zu verstehen erlaubt. Zwar ist es möglich, Anzeichen als Zeichen für das sie verursachende Phänomen zu verwenden, doch muss dann zumindest die entsprechende Selbstdarstellung eines Senders in einer kommunikativen Interaktion hinzutreten (⊳ “natürliche” Bilder). Beispielsweise ist nämlich Rauch, obzwar ein Symptom von Feuer, als solcher noch kein Zeichen für Feuer; er kann aber von jemandem in einer kommunikativen Interaktion dafür verwendet werden, den Empfänger auf Feuer aufmerksam zu machen.[4] Das Problem der Auffassung, dass Anzeichen eine Art von Zeichen seien, besteht also im Wesentlichen darin, dass sie (in der Regel) keine kommunikativen Interaktionen sind und ihnen die entsprechenden Handlungssubjekte – Sender und Empfänger – fehlen. Das gilt für (tierische) Signale nicht.[5] Der Warnschrei eines Affen vor einem Raubtier, die pulsierende Färbung eines Kraken vor einem Geschlechtspartner oder das Fletschen der Zähne eines Hundes einem ihn ärgernden Kind gegenüber sind zweifelsfrei Fälle von kommunikativer Interaktion mit der dafür charakteristischen Selbstdarstellung des Senders. Gleichwohl sollen sie nicht als Instanzen von Zeichen gelten. Der Grund liegt darin, dass die dabei zu beobachtende Selbstdarstellung nur für den Beobachter den Zweck der Kommunikation erfüllt; für den Handelnden selbst ist dieser Zweck (noch) nicht zugänglich. Aus diesem Grund auch lässt sich bei Signalen stets die Senderbedeutung von der Empfängerbedeutung unterscheiden: Im dafür angesetzten behavioristischen Bedeutungsbegriff ist erstere durch die (von einem Beobachter als solche genommenen inneren und äußeren) Voraussetzungen gegeben, die für den Sender vorliegen müssen, dass er das Signal äußert, während letztere den durch den Empfang des Signals (in den Augen des Beobachters) ausgelösten Aktivitäten entspricht. Für Zeichen soll hingegen gelten, dass ihre Bedeutung für Sender und Empfänger selbst dieselbe ist.[6] Zeichenhandlungen und die kommunikative IntentionZeichenhandlungen unterscheiden sich von anderen kommunikativen Interaktionen (insbesondere Signalen) dadurch, dass sie von den beteiligten Handlungssubjekten mit Einsicht in ihren Zweck verwendet werden. Sender und Empfänger kommunizieren also nicht einfach nur miteinander, indem sie etwa einem erlernten Handlungsmuster folgen (‹in der und der Situation: tue dies!›), wobei der eigentliche Zweck der (Gesamt-)Handlungen nur einem externen Beobachter klar ist. Sie tun das vielmehr im eigenen Bewusstsein des damit verfolgten Ziels der Verständigung mit einem (auch vorgestellten) anderen (‹tue dies, um dich mit dem anderen zu koordinieren›). Zeichenhandlungen sind also genau die kommunikativen Interaktionen, die zugleich Handlungen im engeren Sinn sind.[7] Ein Zeichenhandelnder stellt sich damit einem anderen gegenüber (oder sich selbst in der Rolle des Rezipienten) stets insbesondere dar als ein Wesen, das eine kommunikative Interaktion mit diesem Gegenüber durchführt: Der Produzent stellt sich also dar als einer, der sich darstellt als einer, der sich einer bestimmten Situation gegenüber sieht (die kursive Passage artikuliert genau das Senderverhalten bei kommunikativen Interaktionen ganz allgemein). Analoges gilt für den Rezipienten, der sich darstellt als einer, der an einer kommunikativen Interaktion verstehend teilnimmt. Während bei signalhaften kommunikativen Interaktionen der rezeptive Teilnehmer keine Ostentation zu vollziehen braucht, ändert sich eben das bei Zeichenhandlungen. Indem die Ostentation auf diese zweifache Weise verdoppelt wird, eröffnet sich für die Handelnden selbst die Möglichkeit, die produzentenseitige Bedeutung und die rezipientenseitige Bedeutung aufeinander zu beziehen und damit letztlich: sie zu einer einzigen, kontrolliert geteilten Bedeutung zu vereinheitlichen. Eben das bildet die Grundlage dafür, dass sich bei Zeichen ein von anderen Komponenten der Zeichenhandlung separierbarer Sachbezug festlegen lässt.[8] Umgekehrt öffnet die gemeinsame und separierte Bedeutung den Blick auch für den rein physischen Aspekt der Zeichenhandlung: den Zeichenträger. Erst in dieser komplexen Handlungskonstellation macht das semiotische Dreieck als für die Handelnden selbst unterscheidbare Organisation von Aspekten einer entsprechenden Handlungsausführung Sinn: der Zeichenträger als Bezeichnendes (Abb. 2: „Symbol“), der Sachbezug als Bezeichnetes („Referent“) und der beides allererst zusammenbindende Vollzug einer (elementareren) kommunikativen Interaktion (in den Standardfassungen des semiotischen Dreiecks meist verkürzt zu „Gedanke/Bezug“).[9] Regeln und Gewohnheiten: ZeichensystemeIm Gegensatz zum einfachen Ausführen von elementaren Kommunikationshandlungen werden mit dem Zeigen solcher Handlungen die entsprechenden Teilhandlungen und ihr Zusammenspiel zumindest partiell den Kommunizierenden selbst bewusst.[10] Das heißt insbesondere, dass sie dem Zeichenhandelnden als jeweils eine von verschiedenen Alternativen erscheinen, zwischen denen er sich entscheiden kann – und zwischen denen entscheiden zu können er auch dem Kommunikationspartner unterstellt. Die Zeichenhandlung ist damit eine Kommunikationshandlung, die als Teil eines ganzen Systems möglicher Varianten zu verstehen ist: Sie ist ein Element eines Zeichensystems. Zwar bilden auch Signale durchaus Systeme von Alternativen: Die Warnschreie bestimmter Primaten (wie auch die Reaktionen darauf) sind etwa nach dem gesichteten Feind differenziert – Leopard, Adler oder Python. Was für einen ethologischen Beobachter schnell als Zusammenhang zwischen verschiedenen, alternativen Signalausprägungen eines gemeinsamen Schemas herauszufinden ist, kann gleichwohl von nicht-zeichenverwendenden Tieren noch nicht in einen regelhaften Zusammenhang gebracht werden, da sie sich jeweils nur auf die aktuelle Situation und die darin vorzuführende auf einen Fall beschränkte Selbstdarstellung beziehen können. Die zu beobachtenden Regelmäßigkeiten sind Gewohnheiten, die nicht wie Regeln durch wechselseitige (d.h. interindividuelle) Abstimmungen der Handelnden selbst kontrolliert werden und sich in ihren Ausprägungen nur “hinter dem Rücken der Akteure” (etwa durch evolutionäre Prozesse) verändern. Erst mit der Kompetenz zu Zeichenhandlungen gewinnen die Handelnden auch die Fähigkeit, diese Gewohnheiten miteinander abzustimmen, sie zu echten Regeln umzuformen. Der Umfang alternativer Zeichenhandlungen, die ein Zeichensystem bilden, ist daher durch Regeln bestimmt: Die Alternativen können dabei auf der syntaktischen, der semantischen oder der pragmatischen Ebene auftreten.[11]
‘Zeichen’ als »Zeichenträger« und als »Zeichenhandlungsschemata«Umgangssprachlicher ZeichenbegriffIn der Umgangssprache wird mit dem Ausdruck ‘Zeichen’ häufig auf den Zeichenträger als einem von der Zeichenhandlung abtrennbaren Gegenstand hingewiesen. Das geschieht besonders häufig, wenn der Zeichenträger außerhalb seiner Zeichenfunktion verwendet wird: ‘Stelle das Plakat hinter das Halteverbotszeichen!’ (statt ‘Schild’) Allerdings wird diese außer-semiotische Verwendungsweise oft auch als Basis für den alltagssprachlichen Zeichenbegriff genutzt, der damit als ein unilateraler Zeichenbegriff bestimmt werden kann, bei dem das Zeichen nur über die Eigenschaften eines einzigen Gegenstandes (des Zeichenträgers) charakterisiert wird. Ein solcher unilateraler Bildbegriff liegt gelegentlich auch medieninformatischen Darstellungen zugrunde: Die digitale Kodierung von Bildern in einer Bilddatei (beispielsweise als jpg oder tiff), welche üblicherweise von Informatikern einfach als ‘Bild’ bezeichnet wird, ist tatsächlich lediglich eine Beschreibung von syntaktischen Elementen des eigentlichen Bildzeichens, das Datei-Format eine Notation nur für Bildträger (⊳ Digitales Bild). Diese Betrachtungsweise verschleiert allerdings den Blick darauf, dass (1) eine weitere Entität – das, was bezeichnet wird – eine den Gegenstand als Zeichen bestimmende Rolle spielt, und dass darüber hinaus (2) diese Bedeutungsbeziehung sich nur in einem bestimmten Handlungsrahmen – nämlich einer Kommunikation – instantiieren lässt, so dass zwei weitere Rollen (‘Sender’ und ‘Empfänger’) ebenfalls zur Definition des Zeichenbegriffs notwendig gehören. Bilaterale und multilaterale ZeichenbegriffeBilaterale (oder dyadische) Zeichenbegriffe, wie etwa der von Saussure ([Saussure 1916a]Saussure, Ferdinand de (1916).Cours de linguistique générale. Paris: Payot, Deutsch: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. 3. Aufl. Berlin 2001. Eintrag in Sammlung zeigen) aber auch schon von Aristoteles ([Keller 1995a]Keller, Rudi (1995). Zeichentheorie. Zu einer Theorie semiotischen Wissens. Tübingen, Basel: Francke. Eintrag in Sammlung zeigen), versuchen im Wesentlichen das beim unilateralen Begriff erwähnte Problem (1) zu beheben, wird hier doch ein Zeichen als Gegenstand verstanden, sofern er eine semantische Beziehung zu einem weiteren Gegenstand aufweist. Je nach Theorie kann dieser zweite Gegenstand insbesondere ein mentaler Gegenstand (eine Vorstellung), ein Abstraktum (etwa eine Klasse) oder ein Konkretum (physischer Einzelgegenstand) sein. Alle Verwendungen des Zeichenträgers als Zeichen beruhen aber auf der Bedeutungs- oder Darstellungsrelation.[12] Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart: Fischer. Eintrag in Sammlung zeigen) und Peirce ([Peirce 1983a]Peirce, Charles S. (1983). Phänomen und Logik der Zeichen. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen) vorgeschlagen wurden, ist die Darstellungsfunktion hingegen nur ein Aspekt des Zeichens, neben den andere pragmatische Aspekte treten, die auf die Zeichenverwender fokussieren und damit auch auf die Aktivitäten, die mit der Zeichenhandlung in Zusammenhang stehen (sollen) und so ihre Bedeutung im weiteren Sinn bestimmen. Damit ergeben sich also auch Ansätze zur Behebung des oben erwähnten Problems (2). Das Organon-Modell Bühlers etwa integriert den Zeichen immanenten Interaktionsaspekt, indem es den beiden beteiligten Aktivitätsträgern schematisch jeweils spezifische mit der Zeichenhandlung vollzogene Funktionen zuordnet, nämlich die Ausdrucksfunktion für den Sender und die Appellfunktion für den Empfänger (Abb. 3). Handlungstheoretischer ZeichenbegriffBühler und Peirce entwickeln zwar einen bereits dezidiert auf Handlung ausgerichteten Zeichenbegriff. Doch bleiben sie bei dessen Ausarbeitung noch stark an der semiotischen Tradition des bilateralen Zeichenbegriffs orientiert: So ist etwa der Interpretant eines Zeichens bei Peirce zunächst eine Art mentales Zeichen, das der Zeichennutzer zur Interpretation des “äußeren” Zeichens erzeugt (und zu dessen Interpretation er jeweils weitere Interpretanten hinzuzieht). Die Kette der Interpretanten führe schließlich zum „ultimate logical interpretant“, den Kuno Lorenz als Änderung einer Verhaltensgewohnheit – „habit change“ – interpretiert ([Lorenz 1990a]Lorenz, Kuno (1990).Einführung in die philosophische Anthropologie. Darmstadt: WBG, (21992). Eintrag in Sammlung zeigen: S. 121), so dass hier endlich die Verankerung des Zeichens in Handlungen erfolgt. Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens. München: BI Wissenschaftsverlag. Eintrag in Sammlung zeigen, [Lorenz 1970a]Lorenz, Kuno (1970). Elemente der Sprachkritik – Eine Alternative zum Dogmatismus und Skeptizismus in der Analytischen Philosophie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen). Das Beziehungsgeflecht zwischen einer Zeichenhandlung und ihren Teilhandlungen einerseits und den kontextuellen Aktivitäten (insbesondere die jeweils dabei vorausgesetzten Vorbereitungshandlungen und die verursachten Folgehandlungen) andererseits werden auf diese Weise wesentlich unmittelbarer in den Fokus der semiotischen Betrachtung gerückt. Es geht nicht um materielle Gegenstände, sondern um äußerst komplexe Formen von Interaktionen. Dieses Vorgehen trägt daher auch der Eigentümlichkeit bestimmter Zeichenhandlungen Rechnung, bei denen der Zeichenträger gar kein von der Zeichenverwendung separierbarer Gegenstand ist: Wenn etwa ein Fahrradfahrer an einer Kreuzung mit der linken Hand Wedelbewegungen ausführt, um den anderen Verkehrsteilnehmern zu verstehen zu geben, dass er beabsichtigt, nach links abzubiegen – dann ist das durchaus ein klarer Fall von Zeichenverwendung. Gleichwohl ist es hier schwierig, den Zeichenträger unabhängig von der Zeichenhandlung überhaupt zu bestimmen. Abtrennbare und insbesondere als solche über die eigentlichen Zeichenteilhandlung hinaus bestehende (d.h. persistente) Zeichenträger werden entsprechend nicht einfach ‘Zeichen’ genannt – auch nicht abkürzend – sondern als ‘Marken’ bezeichnet.[13] Eine Marke kann dem Empfänger als Symptom für die vorgängige produzentenseitigen Teilhandlungen dienen, die er sich vorstellt und nun durch die entsprechenden rezipientenseitigen Teilhandlungen zu einer Zeichenhandlung vervollständigen kann: Er stellt sich anhand des vorliegenden Gegenstandes sich selber gegenüber dar als einer, der an einer kommunikativen Interaktion unter Beteiligung der Marke in Gegenwart eines vorgestellten Senders verstehend teilnimmt.
Sprachliche ZeichenSicherlich ist Sprache das am besten untersuchte Zeichensystem.[14] Die Struktur sprachlicher Zeichen hat entsprechend die Begrifflichkeit der Zeichentheorie stark geprägt. Kritiker des semiotischen Bildbegriffs äußern in der Folge gelegentlich die Befürchtung, dass eine dezidiert am Zeichenbegriff ausgerichtete Bildtheorie zu sprachlastig operiere und dadurch die Unterschiede, die zwischen Bild und Wort bestehen, nicht hinreichend beachtet würden (⊳ Ikonische Differenz). Allerdings ist weder der Ausdruck ‘Zeichen’ synonym mit ‘sprachliche Zeichen’ noch der Terminus ‘Zeichensystem’ mit ‘Zeichensprache’. Sprachliche Zeichen sind auch nicht dasselbe wie Sprache(n) im Sinne der Linguistik, die sich semiotisch eher als Wort/Satz-sprachliche Zeichensysteme (s.u.) charakterisieren lassen. Verallgemeinerter Sprachbegriff und nicht-sprachliche ZeichensystemeGegenüber dem primär an der Linguistik ausgerichteten (engen) Sprachbegriff kann eine allgemeinere semiotische Unterscheidung ins Feld geführt werden, die darauf beruht, dass die Zeichen eines Zeichensystems sich – in einem weiten Sinne – syntaktisch gliedern lassen: Die zugehörigen Zeichenhandlungsschemata bestehen aus Teilen, die in unterschiedlichen Kombinationen verschiedene Zeichen des Systems konstituieren (siehe nochmals Abb. 1). Bei nicht-sprachlichen Zeichensystemen liegt mithin keine solche Gliederung vor. Das System besitzt keine Morphologie, mit deren Hilfe sich die einzelnen Zeichen bereits anhand von Eigenschaften des Zeichenträgers alleine (d.h. rein syntaktisch) sinnvoll semiotisch zueinander in Beziehung setzen ließen.[15] Für sprachliche Zeichensysteme muss sich hingegen eine Morphologie angeben lassen. Nicht gefordert ist für sprachliche Zeichensysteme (Zeichensprachen), dass die Teile selbst wiederum Zeichen sein müssen, wie es bei der Relation zwischen Wort und Satz der Fall wäre. Betrachten wir daher zunächst den Fall der Zeichensysteme, bei denen die Zeichenteile generell keine Zeichen sind – genauer formuliert: keine der Teilhandlungen, die die Zeichenhandlungsschemata eines solchen Zeichensystems konstituieren, ist bereits eine Zeichenhandlung. Im Gegensatz zu den nicht-sprachlichen Zeichensystemen lässt sich also eine syntaktische Gliederung der Zeichensprache angeben, die aber noch nicht der Kombination von Wörtern zu Sätzen entspricht, sondern, um ein linguistisches Analogon zu bemühen, eher der Zusammensetzung von (nicht eigenständig verwendbaren) Morphemen zu Wörtern. Als Beispiel mag das dem »Fährten lesen« zugrunde liegende Zeichensystem dienen. Die Zeichen dieses Systems unterscheiden sich als Interpretation der Variationen von Eigenschaften der Abdrücke (etc.) und ihrer Teile: So mag etwa der Grad der Verwischung der Kanten im Zusammenhang mit anderen Eigenheiten als Altersindiz dienen.[16] Dabei ist aber das Erkennen von “Verwischtheit” noch kein eigenständiges Zeichen, das innerhalb des Systems losgelöst von anderen Zeichenkomponenten verwendet werden könnte. Gleichwohl bestimmt es gemeinsam mit den anderen relevanten Dimensionen die Morphologie der Zeichen dieses Systems. Wort/Satz-sprachliche Zeichensysteme: Sprachen im engeren SinnVon den allgemeinen Zeichensprachen ist die Klasse der Wort/Satz-sprachlichen Zeichensysteme zu differenzieren. Diese verfügen über eine syntaktische Gliederung im engen Sinn, insofern die Teilhandlungen, die ein Zeichen dieser Systeme bilden, zum Teil selber bereits Zeichen sind: nämlich Wörter, die Sätze bilden. Dadurch wird die Unterscheidung zwischen Wörtern und Sätzen überhaupt erst möglich und damit eine über reine Morphologie hinausgehende kombinative Syntax etwa im Sinne von Chomsky ([Chomsky 1957a]Chomsky, Noam (1957).Syntactic Structures. Den Haag: Mouton. Eintrag in Sammlung zeigen; hierzu auch ⊳ Bildgrammatik und Bildmorphologie). Die Festlegung der Begriffe »Wort« und »Satz« ist in Linguistik und Semiotik umstritten:[17] Das liegt nicht zuletzt an den dabei zumeist betrachteten bi- und multilateralen Zeichenbegriffen, die kaum Kriterien für eine Unterscheidung zwischen nur morphologisch organisierten und im engeren Sinn syntaktisch organisierten Sprachzeichensystemen bereitstellen. Handlungstheoretisch betrachtet liegt es hingegen durchaus nahe,
Die Pointe satzsprachlicher Zeichensysteme besteht mithin darin, dass nicht nur die Gesamtzeichenhandlung (der Satz) in Form und Gebrauch an Regeln ausgerichtet wird, sondern bereits Form und Gebrauch der Teilzeichenhandlungen (der Wörter) jeweils vollständig an Regeln orientiert sind. Die korrekte (syntaktische) Form und der richtige (pragmatische) Gebrauch der Sätze (und damit auch ihre Bedeutungen) lassen sich dann bei Bedarf kompositional aus den morphologischen, semantischen und pragmatischen Eigenschaften der Wörter ableiten. Analoge Argumentationen fehlen für einfache Zeichensprachen. Die massive Komplexitätssteigerung, die mit dem Gebrauch von Teilzeichenhandlungen verbunden ist, macht sich mit einer außerordentlich erhöhten Flexibilität dieser Sprachsysteme bezahlt.[18] Propositionale und explizit performative ZeichenhandlungenZwar sind wort/satzsprachliche Zeichenhandlungen noch nicht hinreichend zur Artikulation eines expliziten Sachbezugs. Ein solcher entfaltet sich erst mit propositionalen Sprachzeichenhandlungen. Allerdings ist die echte syntaktische Gliederung des Zeichensystems eine notwendige Voraussetzung für letztere, denn die für die Proposition charakteristischen Teilhandlungen – Prädikation, Nomination und Kontextbildung – müssen als eigenständige Zeichenhandlungen mit je eigenen Interpretationsregeln auftreten. Erst dadurch ist es auch möglich, über nicht anwesende Sachverhalte (als solche) zu kommunizieren.[19] Des weiteren setzen explizit performative Zeichenhandlungen – etwa ‘hiermit taufe ich dich auf den Namen «Titanic»’ oder ‘hiermit schwöre ich (dir), dass p’ – die Kompetenz zu satz/wortsprachlichen Kommunikationshandlungen (bzw. im zweiten Beispiel sogar von propositionalen Zeichenhandlungen) voraus: Die ausdrückliche Artikulation der mit der Zeichenhandlung durchgeführten Illokution kann nur gelingen, wenn die Benennung als eigenständiges (Teil)Zeichen verfügbar und als solches in den Gesamtzeichenakt eingebettet ist. Sprachen im linguistischen Sinn umfassen offensichtlich stets propositionale und explizit performative Zeichenhandlungen, gehören mithin zu den komplexesten Zeichensprachen.[20] Die genaue semiotische Einordnung von Bildern ist hingegen derzeit noch umstritten. In jedem Fall werden die hier vorgestellten Differenzierungen zu beachten sein, wenn die Anwendung (oder Anwendbarkeit) des Zeichenbegriffs auf Bilder zur Diskussion steht.
Weitere KomplikationenNoch auf andere Weise kann die Komplexität von Zeichenhandlungen im allgemeinen und Bildzeichenhandlungen im besonderen wachsen. In den bisher betrachteten Fällen haben nur jeweils ein Produzent und ein Rezipient an der zeichenhaften Kommunikation teilgenommen. Auf der Empfängerseite scheint der Übergang zu einer Pluralität von Empfängern noch verhältnismäßig einfach zu bleiben und führt letztlich vor allem zu den theoretischen Überlegungen zu Massenmedien:[21] Zeichentheoretisch ändert sich dabei nicht allzu viel, da schon die Zeichenverwendung zwischen zwei einzelnen Handelnden von den jeweiligen konkreten Vorstellungen des einen vom anderen abhängen.[22] Bei massenmedialer Zeichennutzung werden diese Vorstellungen der jeweiligen Kommunikationspartner vor allem produzentenseitig durch das “Bild” von einem Standard-Rezipienten ersetzt (etwa: der Buchautor und „sein Leser“, der Maler und der von ihm intendierte Betrachter). Schizo-Semantik: Provokationen zum Thema Bedeutungstheorien und Wissenschaftsphilosophie im allgemeinen. In Conceptus, 17, 41/42, 101-116. Eintrag in Sammlung zeigen). Beispielsweise kann eine Bemerkung, die vordergründig und in literaler Lesart an eine Person A gerichtet ist, zugleich an den anwesenden Freund B des Produzenten in einer nicht-literalen (etwa ironischen) Lesart gerichtet sein. Beide simultan mit demselben Zeichenträger ausgeführten Zeichenhandlungen unterscheiden sich entsprechend deutlich mindestens in Interaktions- wie Selbstbezug (ggf. auch im Sachbezug). Kooperative ZeichenproduktionDie Produktion einer Zeichenhandlung durch mehrere Personen tritt zwar ebenso häufig wie die massenmediale Variante auf: Jede Zeitung, jedes Buch, jeder Film stellt letztlich ein solches Zeichen dar, an dessen Erzeugung mehrere, teilweise sogar zahlreiche Produzenten (oder sogar untergeordnete Produzentenkollektive) mitgewirkt haben. Doch die theoretischen wie praktischen Probleme einer solchen kooperativen Zeichenproduktion erweisen sich als noch wesentlich komplexer, nicht zuletzt, weil mit der Produzentenrolle wesentliche Aspekte der Verantwortlichkeit für die kommunikative Handlung und ihre Folgen verbunden sind. Alternativ dazu, dass einer der Handelnden aus dem betrachteten Produzentenkollektiv als der eigentliche Produzent ausgezeichnet wird – etwa der Regisseur beim Autorenfilm –, werden häufig institutionelle Handlungsträger (juristische Personen) als die verantwortlichen Produzenten des kooperativ erzeugten Zeichens betrachtet. So gilt etwa die Sendeanstalt ZDF im Sinn einer juristischen Person als verantwortlicher Produzent für die mithilfe des entsprechenden ausgestrahlten Fernsehprogramms als Zeichenträger ausgeführten Zeichenhandlungen mit dem Publikum.[23] Zumindest bei einem Teil der kooperativ produzierten Zeichenhandlungen lassen sich separierbare Teilzeichenhandlungen ausmachen, so dass eine Analogie zum Wort/Satz-Verhältnis sprachlicher Zeichen vorliegt (s.o.). Dies betrifft etwa Comics (verbal-sprachliche Teilzeichen und bildhafte Teilzeichen) oder auch Filme (u.U. sprachliche, musikalische und bildliche Teilzeichenhandlungen).[24] Geschachtelte und mehrlagige ZeichenhandlungenDes weiteren können Zeichenhandlungen im Sachbezug anderer Zeichenhandlungen auftreten: Zitate im wissenschaftlichen Vortrag, direkte oder indirekte Rede im Roman, die photographische Reproduktion eines Gemäldes im Ausstellungskatalog sind nur einige Beispiele solcher geschachtelten Zeichen (hierzu auch ⊳ Bildzitat). Hierbei können den Zeichenhandlungen auf den verschiedenen Ebenen ganz unterschiedliche Produzenten und Rezipienten zugeordnet sein: Mit dem Roman richtet sich ein Autor an seine Leser, mit der im Roman berichteten Rede hingegen eine Romanfigur an eine andere Romanfigur. Die Schachtelung kann dabei über mehrere Ebene laufen, wie etwa in Graf Potockis Roman «Die Handschrift von Saragossa». Von den geschachtelten Zeichenhandlungen unterscheiden sich die mehrlagigen Zeichenhandlungen, die ein Zeichenhandelnder mit einem Gegenüber ausführt, um gleichzeitig die Kommunikation mit einem anderen Partner auf einer anderen Ebene zu erreichen. Beispielsweise kommuniziert ein Computerspieler in gewisser Weise mit dem Hersteller eines immersiven Spiels, um innerhalb einer auf diese Weise kommunikativ erstellten virtuellen Welt in Gestalt eines Avatars mit einem anderen Avatar zu sprechen. Das Zweck-Verhältnis von “innerer” und “äußerer” Zeichenhandlung ist für die Unterscheidung entscheiden: Bei geschachtelten Zeichen findet die eingebettete Zeichenhandlung statt, um die einbettende Zeichenhandlung zu ermöglichen: Die Kommunikation zwischen Roman- (oder Film-)figuren hat das übergeordnete Ziel, die eigentlich intendierte Kommunikation zwischen Autor (bzw. Regisseur) und Publikum zu vollziehen. Der Autor kommuniziert mit dem Leser, indem er seine Romanfiguren miteinander kommunizieren lässt. Hingegen soll bei mehrlagigen Zeichen umgekehrt die äußere Zeichenhandlung die innere ermöglichen: Beispielsweise stellt auch das Benutzen eines Email-Systems eine solche äußere Zeichenhandung dar, und zwar zwischen dem Nutzer und dem Systemherausgeber. Sie hat das Ziel, die eigentlich angestrebte eingebettete Email-Kommunikation mit anderen Nutzern des Systems zu ermöglichen. Der Nutzer kommuniziert mit einem anderen Nutzer per email, indem er mit dem Herausgeber des Emailsystems kommuniziert.[25] Übergänge zur MedientheorieNimmt man bei geschachtelten oder mehrlagigen Zeichen das Verhältnis der Zeichensysteme von inneren und äußeren Zeichen in den Blick, eröffnet sich ein für Kommunikationsmedien charakteristischer Zusammenhang der jeweiligen pragmatischen, semantischen und syntaktischen Ausprägungen. Medien und Kommunikation. Eine interdisziplinäe Einführung. Passau: Stutz, dritte erweiterte Aufl.. Eintrag in Sammlung zeigen). Insofern bei diesem Begriff des Kommunikationsmediums einerseits die syntaktische Struktur eines Zeichenträgers nicht zuletzt durch die technischen Bedingungen seiner Realisierung bestimmt wird, und andererseits die pragmatischen Regeln insbesondere den institutionellen Kontext der Zeichenhandlung berücksichtigen müssen, können zudem auch die „klassischen“ Aspekte kommunikationsmedialer Argumentationen damit zwanglos in einen semiotischen Ansatz integriert werden. Siehe auch:
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Anmerkungen
[Born 1983a]: Born, Rainer (1983). Schizo-Semantik: Provokationen zum Thema Bedeutungstheorien und Wissenschaftsphilosophie im allgemeinen. Conceptus, Band: 17, Nummer: 41/42, S. 101-116.
[Bußmann 1983a]: Bußmann, Hadumod (1983). Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner. [Bühler 1934a]: Bühler, Karl (1965). Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart: Fischer. [Chomsky 1957a]: Chomsky, Noam (1957). Syntactic Structures. Den Haag: Mouton. [Eco 1977a]: Eco, Umberto (1977). Zeichen. Einführung in einen Begriff und seine Geschichte. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Eibl-Eibesfeldt 1974a]: Eibl-Eibesfeldt, Irenäus (1974). Stammesgeschichtliche Anpassungen im menschlichen Verhalten. In: Immelmann, K. (Hg.): Grzimeks Tierleben. Ergänzungsband Verhaltensforschung. Zürich: Kindler, S. 604-617. [Kamlah & Lorenzen 1973a]: Kamlah, Wilhelm & Lorenzen, Paul (1973). Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens. München: BI Wissenschaftsverlag. [Keller 1995a]: Keller, Rudi (1995). Zeichentheorie. Zu einer Theorie semiotischen Wissens. Tübingen, Basel: Francke. [Krah & Titzmann2013a]: Krah, Hans & Titzmann, Michael (2013). Medien und Kommunikation. Eine interdisziplinäe Einführung. Passau: Stutz, dritte erweiterte Aufl.. [Lorenz 1970a]: Lorenz, Kuno (1970). Elemente der Sprachkritik – Eine Alternative zum Dogmatismus und Skeptizismus in der Analytischen Philosophie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Lorenz 1990a]: Lorenz, Kuno (1990). Einführung in die philosophische Anthropologie. Darmstadt: WBG, (21992). [Nöth 2005a]: Nöth, Winfried (2005). Zeichentheoretische Grundlagen der Bildwissenschaft. In: Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung. Köln: Halem, S. 33-44. [Peirce 1983a]: Peirce, Charles S. (1983). Phänomen und Logik der Zeichen. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Richards & Ogden 1923a]: Richards, I.A. & Ogden, R.G. (1923). The Meaning of Meaning. London: Routledge & Kegan Paul. [Ros 1979a]: Ros, Arno (1979). Objektkonstitution und elementare Sprachhandlungsbegriffe. Königstein/Ts.: Hain. [Ros 1989/90a]: Ros, Arno (1989/90). Begründung und Begriff. Wandlungen des Verständnisses begrifflicher Argumentationen. Hamburg: Meiner, 3 Bände. [Saussure 1916a]: Saussure, Ferdinand de (1916). Cours de linguistique générale. Paris: Payot, Deutsch: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. 3. Aufl. Berlin 2001. [Shannon & Weaver 1949a]: Shannon, Claude & Weaver, Warren (1949). The Mathematical Theory of Communication. Champaign: University of Illinois Press. [Trabant 1996a]: Trabant, Jürgen (1996). Elemente der Semiotik. Tübingen: Franke. Ausgabe 2: 2017 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [64] und Klaus Sachs-Hombach [13] — (Hinweis) Zitierhinweis: in Literatursammlung. Eintrag in Sammlung zeigen Schirra, Jörg R.J. (2017). Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem. (Ausg. 2). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024). |