http://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/api.php?action=feedcontributions&user=Goda+Plaum&feedformat=atomGIB - Glossar der Bildphilosophie - Benutzerbeiträge [de-formal]2024-03-29T08:53:58ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.30.0http://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=28378Bildnerisches Denken2020-04-15T08:49:44Z<p>Goda Plaum: </p>
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[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
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<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==Denken als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/&#8203;Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit den Arbeiten je eines bestimmten Autors verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>).<ref>Einen (vergleichbaren) Sonderfall behauptet darüber hinaus Gilles Deleuze für die Filmemacher: "Statt in Begriffen, denken sie in Bewegungs- und Zeit-Bildern." <bib id='Deleuze 1989a'></bib>: S. 11.</ref> Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck ‘begriffliches Denken’ verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al. 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des „ikonischen Logos“: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==''‘Bildnerisches Denken’'' in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks ‘Bildnerisches Denken’ in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 15.04.2020; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 15.04.2020; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen „Visual Thinking“<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder „The thinking eye“<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / analogous /artistic / iconic / imaginal / pictorial / formative’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das ''bildnerische Denken'' implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===''‘Bildnerisches Denken’'' in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Wortes,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Terminus eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept ''Kunstunterricht'' (vgl. <bib id='Eid et al. 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerisches Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept ''Kunstunterricht''.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===''‘Bildnerisches Denken’'' in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al. 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al. 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum ‘anschaulichen Denken’, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al. 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien/Begriffen ist. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie „Farbbewegung“, „Beobachterbewegung“, „Wachstumsbewegung“ und „Vervollkommnungsbewegung“ (vgl. S. 292f.). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben oder ob das Verhältnis nicht umgekehrt ist und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa [[Bilderschrift und Piktogramm|Piktogramme]]. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum ''Bildnerischen'' definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein dem begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen »Bild« und »Medium« vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von ''Bild'' lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bilderschrift und Piktogramm]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=28377Bildnerisches Denken2020-04-15T08:26:33Z<p>Goda Plaum: </p>
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<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==Denken als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/&#8203;Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit den Arbeiten je eines bestimmten Autors verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>).<ref>Einen (vergleichbaren) Sonderfall behauptet darüber hinaus Gilles Deleuze für die Filmemacher: "Statt in Begriffen, denken sie in Bewegungs- und Zeit-Bildern." <bib id='Deleuze 1989a'></bib>: S. 11.</ref> Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck ‘begriffliches Denken’ verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al. 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des „ikonischen Logos“: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==''‘Bildnerisches Denken’'' in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks ‘Bildnerisches Denken’ in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen „Visual Thinking“<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder „The thinking eye“<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / analogous /artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das ''bildnerische Denken'' implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===''‘Bildnerisches Denken’'' in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Wortes,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Terminus eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept ''Kunstunterricht'' (vgl. <bib id='Eid et al. 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerisches Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept ''Kunstunterricht''.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===''‘Bildnerisches Denken’'' in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al. 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al. 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum ‘anschaulichen Denken’, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al. 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien/Begriffen ist. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie „Farbbewegung“, „Beobachterbewegung“, „Wachstumsbewegung“ und „Vervollkommnungsbewegung“ (vgl. S. 292f.). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben oder ob das Verhältnis nicht umgekehrt ist und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa [[Bilderschrift und Piktogramm|Piktogramme]]. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum ''Bildnerischen'' definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein dem begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen »Bild« und »Medium« vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von ''Bild'' lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bilderschrift und Piktogramm]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27748Bildnerisches Denken2018-08-20T16:18:44Z<p>Goda Plaum: /* Denken als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==Denken als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des „ikonischen Logos“: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
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Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. „Bildnerisches Denken“ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
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==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks ''Bildnerisches Denken'' in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen „Visual Thinking“<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder „The thinking eye“<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen „aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial“ „thinking / reason / mind“. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das ''bildnerische Denken'' implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept ''Kunstunterricht'' (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept ''Kunstunterricht''.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff ''bildnerisches Denken'' in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ''Bildnerisches Denken'' zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ''Bildnerisches Denken'' wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke „anschauliches“, „visuelles“ und „ikonisches Denken“ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff „Bewegung“ für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie „Farbbewegung“ (S. 292), „Beobachterbewegung“ (S. 293), „Wachstumsbewegung“ (S. 293) und „Vervollkommnungsbewegung“ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;„Bild“, &#8203;„Medium“ und&#8203; „Schema“==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe „Bildlichkeit“ bzw. „Bild“, sofern man sie in Relation zum ''Bildnerischen'' definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;„Medium“ &#8203;und &#8203;„Schema“ &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. „Bild“ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck „Bild“ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck „Bild“ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen „Bild“ und „Medium“ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff „Schema“ vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als „Bild“ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als „Schema“ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von „Bild“ lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27747Bildnerisches Denken2018-08-20T16:16:23Z<p>Goda Plaum: /* „Denken“ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==Denken als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. „Bildnerisches Denken“ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
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==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
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Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks ''Bildnerisches Denken'' in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen „Visual Thinking“<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder „The thinking eye“<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen „aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial“ „thinking / reason / mind“. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das ''bildnerische Denken'' implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept ''Kunstunterricht'' (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept ''Kunstunterricht''.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff ''bildnerisches Denken'' in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ''Bildnerisches Denken'' zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ''Bildnerisches Denken'' wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke „anschauliches“, „visuelles“ und „ikonisches Denken“ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff „Bewegung“ für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie „Farbbewegung“ (S. 292), „Beobachterbewegung“ (S. 293), „Wachstumsbewegung“ (S. 293) und „Vervollkommnungsbewegung“ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;„Bild“, &#8203;„Medium“ und&#8203; „Schema“==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe „Bildlichkeit“ bzw. „Bild“, sofern man sie in Relation zum ''Bildnerischen'' definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;„Medium“ &#8203;und &#8203;„Schema“ &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. „Bild“ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck „Bild“ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck „Bild“ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen „Bild“ und „Medium“ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff „Schema“ vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als „Bild“ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als „Schema“ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von „Bild“ lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27746Bildnerisches Denken2018-08-20T16:15:21Z<p>Goda Plaum: /* Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema« */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. „Bildnerisches Denken“ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks ''Bildnerisches Denken'' in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen „Visual Thinking“<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder „The thinking eye“<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen „aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial“ „thinking / reason / mind“. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das ''bildnerische Denken'' implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept ''Kunstunterricht'' (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
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Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept ''Kunstunterricht''.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff ''bildnerisches Denken'' in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ''Bildnerisches Denken'' zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ''Bildnerisches Denken'' wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke „anschauliches“, „visuelles“ und „ikonisches Denken“ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff „Bewegung“ für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie „Farbbewegung“ (S. 292), „Beobachterbewegung“ (S. 293), „Wachstumsbewegung“ (S. 293) und „Vervollkommnungsbewegung“ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;„Bild“, &#8203;„Medium“ und&#8203; „Schema“==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe „Bildlichkeit“ bzw. „Bild“, sofern man sie in Relation zum ''Bildnerischen'' definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;„Medium“ &#8203;und &#8203;„Schema“ &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. „Bild“ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck „Bild“ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck „Bild“ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen „Bild“ und „Medium“ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff „Schema“ vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als „Bild“ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als „Schema“ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von „Bild“ lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27745Bildnerisches Denken2018-08-20T16:02:06Z<p>Goda Plaum: /* Bildnerisches Denken in Philosophie und Kunstwissenschaft */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. „Bildnerisches Denken“ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks ''Bildnerisches Denken'' in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen „Visual Thinking“<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder „The thinking eye“<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen „aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial“ „thinking / reason / mind“. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das ''bildnerische Denken'' implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept ''Kunstunterricht'' (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept ''Kunstunterricht''.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff ''bildnerisches Denken'' in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ''Bildnerisches Denken'' zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ''Bildnerisches Denken'' wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke „anschauliches“, „visuelles“ und „ikonisches Denken“ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff „Bewegung“ für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie „Farbbewegung“ (S. 292), „Beobachterbewegung“ (S. 293), „Wachstumsbewegung“ (S. 293) und „Vervollkommnungsbewegung“ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27744Bildnerisches Denken2018-08-20T15:58:24Z<p>Goda Plaum: /* „Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. „Bildnerisches Denken“ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks ''Bildnerisches Denken'' in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen „Visual Thinking“<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder „The thinking eye“<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen „aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial“ „thinking / reason / mind“. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das ''bildnerische Denken'' implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept ''Kunstunterricht'' (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ''Bildnerisches Denken'' zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept ''Kunstunterricht''.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff ''bildnerisches Denken'' in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ''Bildnerisches Denken'' zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===''Bildnerisches Denken'' in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ''Bildnerisches Denken'' wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke „anschauliches“, „visuelles“ und „ikonisches Denken“ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
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: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
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Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
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==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
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Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
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Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
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:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
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{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
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<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
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* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
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''Lektorat:'' <br />
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<!--den Schluß nicht verändern--><br />
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<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27743Bildnerisches Denken2018-08-20T15:51:49Z<p>Goda Plaum: /* „Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen */</p>
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<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
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[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. „Bildnerisches Denken“ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks „Bildnerisches Denken“ in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck „Bildnerisches Denken“ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen „Visual Thinking“<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder „The thinking eye“<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen „aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial“ „thinking / reason / mind“. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept „Kunstunterricht“ (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck „Bildnerisches Denken“ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des „Kunstunterrichts“ liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
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{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27742Bildnerisches Denken2018-08-20T15:46:21Z<p>Goda Plaum: /* „Denken“ als bildtheoretisches Thema */</p>
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<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
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[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
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<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck „ikonischer Logos“. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des „ästhetischen Denkens“ von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten „ästhetisches Denken“ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder „pictorial thinking“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. „Bildnerisches Denken“ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27741Bildnerisches Denken2018-08-20T15:33:47Z<p>Goda Plaum: /* „Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
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==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck »ikonischer Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27740Bildnerisches Denken2018-08-20T15:30:30Z<p>Goda Plaum: /* „Denken“ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Ausdruck »ikonischer Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
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<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27739Bildnerisches Denken2018-08-20T15:28:13Z<p>Goda Plaum: /* „Denken“ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen.<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27738Bildnerisches Denken2018-08-20T15:19:19Z<p>Goda Plaum: /* „Denken“ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die begriffloses bzw. sprachloses Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
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Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27737Bildnerisches Denken2018-08-20T15:18:34Z<p>Goda Plaum: /* „Denken“ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die begriffloses/sprachloses Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27736Bildnerisches Denken2018-08-20T15:17:47Z<p>Goda Plaum: /* „Denken“ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich/sprachlich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die begriffloses/sprachloses Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
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Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
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{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
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<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
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''Ausgabe 1: 2018''<br />
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''Verantwortlich:'' <br />
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* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
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''Lektorat:'' <br />
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<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27735Bildnerisches Denken2018-08-20T15:14:16Z<p>Goda Plaum: /* ‘Denken’ als bildtheoretisches Thema */</p>
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[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
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{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==„Denken“ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich sprachlich bzw. begrifflich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
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{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
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* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
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{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
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[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
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<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==‘Denken’ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich sprachlich bzw. begrifflich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27733Bildnerisches Denken2018-08-20T14:58:57Z<p>Goda Plaum: /* ‘Denken’ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==‘Denken’ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich sprachlich bzw. begrifflich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
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Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
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::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit vom begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel von zwei Bildern von Paul Klee zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für diese Bilder konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292 und S. 295), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27732Bildnerisches Denken2018-08-20T14:57:25Z<p>Goda Plaum: /* ‘Denken’ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==‘Denken’ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich sprachlich bzw. begrifflich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel von zwei Bildern von Paul Klee zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für diese Bilder konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292 und S. 295), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27731Bildnerisches Denken2018-08-20T14:56:22Z<p>Goda Plaum: /* ‘Denken’ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==‘Denken’ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich sprachlich bzw. begrifflich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (vgl. S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel von zwei Bildern von Paul Klee zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für diese Bilder konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292 und S. 295), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27730Bildnerisches Denken2018-08-20T14:45:55Z<p>Goda Plaum: /* ‘Denken’ als bildtheoretisches Thema */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==‘Denken’ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich sprachlich bzw. begrifflich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese sieht Mersch gleichwertig positioniert „beneath language, textuality and rational discursiveness“ (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
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Am Beispiel von zwei Bildern von Paul Klee zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für diese Bilder konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292 und S. 295), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
<br />
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27729Bildnerisches Denken2018-08-20T14:42:04Z<p>Goda Plaum: /* Engere Begriffsbestimmung */</p>
<hr />
<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==‘Denken’ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit, Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich sprachlich bzw. begrifflich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese sieht Mersch gleichwertig positioniert „beneath language, textuality and rational discursiveness“ (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==„Bildnerisches Denken“ in verschiedenen Disziplinen==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel von zwei Bildern von Paul Klee zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für diese Bilder konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292 und S. 295), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
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Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
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<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
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* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
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{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaumhttp://www.gib.uni-tuebingen.de/netzwerk/glossar/index.php?title=Bildnerisches_Denken&diff=27728Bildnerisches Denken2018-08-20T14:40:31Z<p>Goda Plaum: /* Darstellung des gr. Zusammenhangs */</p>
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<div><!-- "This is comment" --><br />
<!--Vorlage für Unterpunkte--><br />
<!--Den folgenden Header, bitte nicht verändern--><br />
{{GlosHeader}}<br />
[[Kategorie:Unterpunkt]]<br />
[[Kategorie:Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
Unterpunkt zu: [[Bildbewusstsein und Einbildungskraft]]<br />
<!--beides sollte in der Regel der gleiche Text sein--><br />
{{GlosTab1}}<br />
{{GlossarBoxMain}}<br />
<!--Ende header--><br />
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen--><br />
==‘Denken’ als bildtheoretisches Thema==<br />
Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit, Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ (<bib id='Boehm 2004a'></bib>: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>) und das „ästhetische Denken“ (<bib id='Welsch 2010a'></bib>). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Alle diese Konzepte stehen im Kontrast zu solchen Theorien, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich sprachlich bzw. begrifflich von statten geht (vgl. u.a. <bib id='Brandt 2010a'></bib>).<br />
:<br />
Innerhalb der Theorien, die nicht-begriffliches Denken für möglich halten, kann man grob zwischen zwei Lagern unterscheiden. Die eine Richtung versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Denken insgesamt – das heißt auch das begriffliche Denken – als visuell bzw. sinnlich konstituiert beschreibt. Denken und Wahrnehmen werden nicht als getrennte Vermögen betrachtet, sondern als stark miteinander verknüpft oder sogar als ein einziges Erkenntnisvermögen. Genau genommen untersuchen solche Theorien die Sinnlichkeit bzw. Visualität des Denkens insgesamt. Zu dieser Richtung gehört Arnheims Werk «Anschauliches Denken» (<bib id='Arnheim 2001a'></bib>). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit: <br />
:<br />
::''[D]as menschliche Denken kann nicht über die Formen hinausgehen, die ihm die Sinne liefern. Die Sprache ist also ein beredter Zeuge dafür, daß sich das Denken im Sinnlichen abspielt.'' (S. 220) <br />
:<br />
Ein ganz ähnliches Anliegen verfolgt der Band «Das bildnerische Denken: Charles Sanders Peirce» (<bib id='Engel et al 2012a'></bib>), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ (<bib id='Pape 2012a'></bib>: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen [[Anschauung und Begriff|Begriffen und Anschauung]]. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 94, A 69) <br />
:<br />
Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen oder sprachlichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«: <br />
:<br />
::''Das Ikonische repräsentiert einen Logos, d.h. Bilder generieren auf ihre nichtsprachliche Weise einen Sinn und eröffnen damit unersetzliche Zugänge zur Welt und deren Erkenntnis.'' (<bib id='Boehm 2005a'></bib>: S. 23) <br />
: <br />
Schon Konrad Fiedler verwendet für die geistige Tätigkeit des Künstlers den Begriff des »ikonischen Logos«. Anders als Boehm erkennt er diesen allerdings nicht als Denken an (<bib id='Fiedler 1996a'></bib>: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht: <br />
:<br />
::''Ästhetisches muß, damit von ‘ästhetischem Denken’ gesprochen werden kann, nicht bloß Gegenstand der Reflexion sein, sondern den Kern des Denkens selbst betreffen. […] Ästhetisches Denken ist eines, für das Wahrnehmungen ausschlaggebend sind. Und zwar sowohl als Inspirationsquelle wie als Leit- und Vollzugsmedium.'' (<bib id='Welsch 2010a'></bib>) <br />
:<br />
Jüngst beschäftigt sich auch Dieter Mersch mit solchen alternativen Denkweisen unter den Schlagworten ‘ästhetisches Denken’ (<bib id='Mersch 2014a'></bib>) oder ‘pictorial thinking’ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ (<bib id='Mersch 2016a'></bib>: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese sieht Mersch gleichwertig positioniert „beneath language, textuality and rational discursiveness“ (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167).<br />
:<br />
Einen fließenden Übergang zwischen beiden Lagern stellen solche Ansätze dar, die eine alternative nicht-begriffliche Denkart in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken beschreiben. Damit verbunden ist oft die Vorstellung einer Hierarchie der Denkarten bzw. von „verschiedene[n] Stufen des Denken“ (<bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten (<bib id='Baumgarten 2011a'></bib>: S. 78)<ref>Vgl. hierzu auch: <bib id='Jäger 1980a'></bib>: S. 31.</ref> – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt.<br />
: <br />
:<br />
<br />
==Engere Begriffsbestimmung==<br />
<br />
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Begriffs »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken<ref>Vgl. <bib id='Craig 1998a'></bib>: [http://www.rep.routledge.com Online-Ausgabe]: (ohne Seitenangabe), Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Zalta 2018a'></bib> [http://plato.stanford.edu Online-Ausgabe], Zugriff am 22.04.2018; <bib id='Kelly 1998a'></bib>.</ref> findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’<ref>Der englische Originaltitel von Rudolf Arnheims Buch «Anschauliches Denken» (1969) lautet «Visual Thinking», <bib id='Arnheim 1969a'></bib>.</ref> oder ‘The thinking eye’<ref>Der Titel der englischen Ausgabe von Paul Klees «Das Bildnerische Denken» lautet «Notebooks, Band 1: The Thinking Eye», <bib id='Klee 1961a'></bib>.</ref> keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. <bib id='Dewey 1980a'></bib>: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen.<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in der Kunstpädagogik===<br />
Paul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9.</ref> weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,<ref>Vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9; Und: <bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 244f.</ref> denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» (<bib id='Klee 1956a'></bib>) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert.<br />
:<br />
Obwohl der Ursprung dieser Bezeichnung also unklar ist, wurde sie in der Kunstpädagogik durch das Buch «Gegenwart der Bildenden Kunst. Erziehung zum Bildnerischen Denken» (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>)<ref>Das Buch erschien im selben Verlag erstmals 1959 unter dem Titel «Bildende Kunst der Gegenwart: Analyse und Methode» und wurde für die zweite, neu betitelte Fassung erweitert.</ref> von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. <bib id='Eid et al 2002a'></bib>: S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ (<bib id='Otto 1973a'></bib>: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. <bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist ''Sichtbarmachen'' sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). <br />
:<br />
Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des ''Kunstunterrichts'' liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für ''fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme'' geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die [[Bildinhalt|Inhalte]] von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er: <br />
:<br />
:''Nicht das Motiv, nicht das Thema, nicht der zu malende Gegenstand, sondern das Malen, das Zeichnen, das Formen oder Bauen, also die jeweilige bildnerische Realisation interessiert den Schüler.'' (<bib id='Pfennig 1974a'></bib>: S. 162) <br />
:<br />
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als ''Inhalte'' begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der ''Visuellen Kommunikation'' – am Konzept »Kunstunterricht«.<ref>Vgl. <bib id='Ehmer 1976a'></bib>: S. 28f. und <bib id='Giffhorn 1972a'></bib>: S. 98f.</ref> In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. <br />
:<br />
Gegenwärtig gibt es vor allem einen Gestaltungslehrer, der den Terminus ‘Bildnerisches Denken’ zur Beschreibung seiner Lehre verwendet (vgl. <bib id='Jenny 1994a'></bib>). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. <bib id='Wick 2000a'></bib>: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. <bib id='Jenny 1996a'></bib>: S. 232).<br />
<br />
===„Bildnerisches Denken“ in Philosophie und Kunstwissenschaft===<br />
Ein Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft<ref>Vgl. <bib id='Barck et al 2000ffa'></bib>, <bib id='Sandkühler 2010a'></bib>, <bib id='Ritter et al 1971a'></bib>, <bib id='Pfisterer 2011a'></bib>, <bib id='Pawlik & Strassner 1987a'></bib>, <bib id='Olbrich 2004a'></bib> und <bib id='Henckmann & Lotter 2004a'></bib>.</ref> nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. <bib id='Mittelstraß & Lorenz 2005a'></bib>: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.<ref>Vgl. <bib id='Engel et al 2012a'></bib>, bzw. den darin enthaltenen Aufsatz: <bib id='Pape 2012a'></bib>, sowie <bib id='Hildebrandt 2011a'></bib>.</ref><br />
:<br />
Das Verständnis dessen, was das ''bildnerische Denken'' ist, variiert dabei zum Teil sehr stark. Thomas Lange versteht darunter das Denken von Künstlern überhaupt oder – noch allgemeiner – das visuelle Denken (vgl. <bib id='Lange 2010a'></bib>: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom ''Bildnerischen Denken'' hat Matthias Bunge: <br />
:<br />
:''[Die Ausdrücke] Künstlerästhetik, Künstlertheorie, Künstlerreflexion, Künstlerbekenntnis, künstlerische Selbstäußerung, künstlerische Selbstinterpretation und Bildnerisches Denken werden weitgehend synonym gebraucht. Wenn hier allgemein von dem ''‚Bildnerischen Denken‘'' geredet wird, ist immer das Denken von Klee, Kandinsky und Beuys gemeint.'' (<bib id='Bunge 1996a'></bib>: S. 14, Fußnote 8, Hervorh. i.O.)<br />
:<br />
Stephan Schmidt grenzt sich von diesem sehr weiten Verständnis ab (vgl. <bib id='Schmidt 2011a'></bib>: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses: <br />
:<br />
:''Das bildnerische Denken […] ist die mediale Tätigkeit des Künstlers, passiv erkennend und aktiv gestaltend. Es ist die bildnerische Praxis des Künstlers unter Anleitung bestimmter Begriffe, eben der künstlerischen Kategorien, ohne die der Künstler nicht zu gestalten vermag'' (ibid. S. 287).<br />
:<br />
Nach Schmidt ist ''bildnerisches Denken'' ein Denken, das <br />
:1. sich nicht unbedingt verbal äußert, sondern evtl. nur in einer bildnerischen Praxis zum Ausdruck kommt (S. 286),<br />
:2. sich sowohl in Bildbetrachtung als auch in Bildgestaltung zeigt (S. 287) und <br />
:3. nicht begriffslos, sondern abhängig von künstlerischen Kategorien ist, die Schmidt als Begriffe versteht. <br />
:<br />
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert: <br />
:<br />
:''Denken ist immer eine Operation mit Begriffen, das gilt auch für das intuitive Denken, insofern es überhaupt noch Denken sein soll. Entscheidend scheint hier vielmehr die Art des Gebrauchs zu sein. Ähnlich wie wir nach Kant uns der Kategorien ‚bedienen‘, um Gegenstände zu konstituieren, so bedient sich der Künstler intuitiv bestimmter Begriffe, die ihn in seiner bildnerisch-tätigen Praxis anleiten'' (S. 286).<br />
:<br />
Am Beispiel von zwei Bildern von Paul Klee zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für diese Bilder konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292 und S. 295), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. <br />
:<br />
Im Gegensatz zu Schmidts Konzept wird in dem Buch «Bildnerisches Denken» (<bib id='Plaum 2016a'></bib>) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das ''abstrahierende'' Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die ''Gemeinsamkeiten'', die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. [[Prädikation|Prädikaten]] möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das ''konkretisierende'' Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen ''unterscheiden'', d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.<ref>Hierzu auch ⊳ [[Uneigentliche Bilder]].</ref> Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:<br />
:<br />
: 1. das bildnerische Wahrnehmen von [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|Farben]] und [[Raum und Geometrie|Formen]], <br />
: 2. das bildnerische Zusammensetzen von Farben und Formen zu einem Bildganzen, <br />
: 3. das Verbinden dieser Zusammensetzungen mit der Welt, sowie <br />
: 4. das Erfinden von Farb- und Formzusammensetzungen mit ihren Verbindungen zur Welt. <br />
:<br />
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als [[Komposition]] eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle [[Bildsemantik|semantischen Relationen]] gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf [[Bildvorstellungen|mentale Bilder]] bezieht.<br />
<br />
<br />
==Auswirkung auf die Begriffe &#8203;»Bild«, &#8203;»Medium« und&#8203; »Schema«==<br />
<br />
Das jeweilige Verständnis vom ''bildnerischen Denken'' hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe &#8203;»Medium« &#8203;und &#8203;»Schema« &#8203;führen.<br />
:<br />
Versteht man bildnerisches Denken als ''Visualität'' allen Denkens oder als ''visuelles Denken'', legt dies ein sehr breites Bildverständnis nahe. ‘Bild’ kann sich dann auf alle visuellen Darstellungen beziehen. Ein solches breites Bildverständnis kann den Ausdruck ‘Bild’ als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von [[Bildmedien|Medien]] auffassen – im Unterschied beispielsweise zum Medium der Sprache. Sachs-Hombach vertritt z.B. ein solches Bildverständnis (vgl. <bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>). Das ''Schema'' steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:<ref>Hierzu auch ⊳ [[Image Schemata]] sowie [[Anschauung und Begriff]].</ref> <br />
:<br />
:''So viel können wir nur sagen: das ''Bild'' ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das ''Schema'' sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wonach die Bilder allererst möglich werden'' (<bib id='Kant 1968a'></bib>: B 181, A 141–142, Hervorh. i. O.). <br />
:<br />
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle [[Vorstellungsbilder|Vorstellungen]] als ''mentale Bilder'' in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen.<br />
:<br />
Geht man im Gegensatz dazu davon aus, dass das bildnerische Denken ein zum begrifflichen Denken entgegengesetztes, aber diesem gleichwertiges Denken ist, ergibt sich daraus ein anderer Bildbegriff. Unterscheidet man das ''Bildnerische'' vom ''Visuellen'', kann man daraus eine Differenzierung zwischen Bildern und visuellen Darstellungen ableiten. Denn in diesem Verständnis ist nicht jedes Denken, das sich auf visuelle Darstellungen bezieht, bildnerisch. Das heißt auch, dass nicht alle Darstellungen in visuellen Medien Bilder sind. Der Ausdruck ‘Bild’ bezeichnet in diesem Verständnis nicht eine bestimmte Medienart, sondern Bilder zeigen sich in verschiedenen visuellen Medien. Eine solche Differenzierung zwischen ‘Bild’ und ‘Medium’ vertreten u.a. W. J. T. Mitchell (vgl. <bib id='Mitchell 2008c'></bib>: S. 16.) und G. Boehm (vgl. <bib id='Boehm 2007d'></bib>: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird ''als Bild'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird ''als Schema'' betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden (<bib id='Plaum 2016a'></bib>: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es ''mentale Bilder'' gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist.<br />
<br />
{{GlossarSiehe}}<br />
* [[Anschauung und Begriff]]<br />
* [[Bildinhalt]]<br />
* [[Bildmedien]]<br />
* [[Bildsemantik]]<br />
* [[Bildvorstellungen]]<br />
* [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie]] <br />
* [[Image Schemata]]<br />
* [[Komposition]]<br />
* [[Prädikation]]<br />
* [[Raum und Geometrie]]<br />
* [[Uneigentliche Bilder]]<br />
* [[Vorstellungsbilder]]<br />
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<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--><br />
<!--Anmerkungen und Literatur wird automatisch eingesetzt --><br />
<!--Literatur muß dazu mit entsprechender Bezeichnung in der Bibliogryphy-Seite eingetragen sein--><br />
<!-- ... dazu den "Sammlung"-Link im Literaturkasten verwenden --><br />
{{GlosTab2}}<br />
{{GlosTab3}}<br />
''Ausgabe 1: 2018''<br />
{{GlosTab4}}<br />
''Verantwortlich:'' <br />
<br />
* [[Benutzer:Goda Plaum|Plaum, Goda]]<br />
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{{GlosTab4}}<br />
''Lektorat:'' <br />
* <br />
<!--den Schluß nicht verändern--><br />
{{GlosEnd}}<br />
<!--Das war's--></div>Goda Plaum