Affekt und Wahrnehmung: Unterschied zwischen den Versionen
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In der bildtheoretischen Forschung der jüngst vergangenen Jahre entzündete sich eine ausgedehnte Debatte über affektive Wirkungsformen und ihre Relevanz für den Status von Bildern. Bezogen auf Wahrnehmungstheorien, auf Gebrauchsweisen sowie auf technische Verfahren der Einsetzung und Verbreitung von Bildern wurde die Verteilung von (bzw. Dynamik zwischen) Aktivität und Passivität im Verhältnis von Bild und Betrachter vermehrt diskutiert. Die unterschiedlichen Forschungspositionen und Argumentationsgänge lassen sich dabei zwei leitenden, miteinander verknüpften Fragen zuordnen: Erstens wenden sich Untersuchungen zur Reflexion des Bildes bzw. „Bewußtwerdung des Bildes als Bild“ <bib id='Stoichita 1998a'>Stoichita 1998a</bib>: 110, den im gestalteten formalen Gefüge des Bildes angelegten, im Verhältnis zum Betrachter wirksam werdenden Aktqualitäten zu. Dabei wurde – zum Teil in differenzierender Auseinandersetzung mit Sprechakttheorien – die mit der Form gegebene Kraft des Bildes als Blickwendung, Bildhandeln oder Bildakt näher bestimmt <bib id='Didi-Huberman 1999a'>Didi-Huberman 1999a</bib>, <bib id='Dubois 1998a'>Dubois 1998a</bib>, <bib id='Bredekamp 2010a'>Bredekamp 2010a</bib>. Die kommunikative Funktion von Bildern erfährt eine stärkere Betonung in <bib id='Sachs-Hombach 2003a'>Sachs-Hombach 2003a</bib>, <bib id='Seja 2009a'>Seja 2009a</bib>. ‚Bildakt‘ bezeichnet dabei nach Horst Bredekamp „eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln […], die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Gegenüber entsteht.“ <bib id='Bredekamp 2010a'>Bredekamp 2010a</bib>: 52. Herausgestellt wurde an bildlichen Formen ihr Vermögen, eigensinnig wahrnehmungsbezogene Erfahrungen zu erzeugen. Verstärkte Aufmerksamkeit erhielt damit auch die Relationalität von Bild und Betracher als wirkmächtige Kraft und Fundierung eines pathischen, den Betrachter passivierenden Wahrnehmungsgeschehens; siehe bspw. <bib id='Boehm & Mersmann & Spies 2008a'>Boehm & Mersmann & Spies 2008a</bib>, <bib id='Busch & Därmann 2007a'>Busch & Därmann 2007a</bib>. | In der bildtheoretischen Forschung der jüngst vergangenen Jahre entzündete sich eine ausgedehnte Debatte über affektive Wirkungsformen und ihre Relevanz für den Status von Bildern. Bezogen auf Wahrnehmungstheorien, auf Gebrauchsweisen sowie auf technische Verfahren der Einsetzung und Verbreitung von Bildern wurde die Verteilung von (bzw. Dynamik zwischen) Aktivität und Passivität im Verhältnis von Bild und Betrachter vermehrt diskutiert. Die unterschiedlichen Forschungspositionen und Argumentationsgänge lassen sich dabei zwei leitenden, miteinander verknüpften Fragen zuordnen: Erstens wenden sich Untersuchungen zur Reflexion des Bildes bzw. „Bewußtwerdung des Bildes als Bild“ <bib id='Stoichita 1998a'>Stoichita 1998a</bib>: 110, den im gestalteten formalen Gefüge des Bildes angelegten, im Verhältnis zum Betrachter wirksam werdenden Aktqualitäten zu. Dabei wurde – zum Teil in differenzierender Auseinandersetzung mit Sprechakttheorien – die mit der Form gegebene Kraft des Bildes als Blickwendung, Bildhandeln oder Bildakt näher bestimmt <bib id='Didi-Huberman 1999a'>Didi-Huberman 1999a</bib>, <bib id='Dubois 1998a'>Dubois 1998a</bib>, <bib id='Bredekamp 2010a'>Bredekamp 2010a</bib>. Die kommunikative Funktion von Bildern erfährt eine stärkere Betonung in <bib id='Sachs-Hombach 2003a'>Sachs-Hombach 2003a</bib>, <bib id='Seja 2009a'>Seja 2009a</bib>. ‚Bildakt‘ bezeichnet dabei nach Horst Bredekamp „eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln […], die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Gegenüber entsteht.“ <bib id='Bredekamp 2010a'>Bredekamp 2010a</bib>: 52. Herausgestellt wurde an bildlichen Formen ihr Vermögen, eigensinnig wahrnehmungsbezogene Erfahrungen zu erzeugen. Verstärkte Aufmerksamkeit erhielt damit auch die Relationalität von Bild und Betracher als wirkmächtige Kraft und Fundierung eines pathischen, den Betrachter passivierenden Wahrnehmungsgeschehens; siehe bspw. <bib id='Boehm & Mersmann & Spies 2008a'>Boehm & Mersmann & Spies 2008a</bib>, <bib id='Busch & Därmann 2007a'>Busch & Därmann 2007a</bib>. | ||
− | Neben dieser formalen und phänomenologischen Akzentuierung verbinden sich Überlegungen zur Affektivität der Bildwahrnehmung zweitens mit Fragen nach Verwendungsweisen von Bildern und den ihnen eigenen Handlungsdimensionen als Agenten oder Akteure. Angesprochen sind damit politische oder religiöse Praktiken des Bildgebrauchs sowie affektive und emotional-evaluative Einstellungen, die als Verhalten beobachtbar werden in Formen der Bildverehrung, der Bildstrafe oder -zerstörung.<ref> Vgl. bspw. die nicht unproblematischen Thesen zur Geschichte der Personifikation von Bildern in <bib id='Mondzain 2006a'>Mondzain 2006a</bib>. Gegenüber phänomenologischen und ästhetischen Theorien der Bildwahrnehmung bilden religiöse Bildordnungen und Frömmigkeitspraktiken einen eigenen Gegenstandsbereich unter dem Gesichtspunkt des (Heils-)Wirkens von Bildern. Die Rolle von emotionalen Regungen und Ausdrucksverhalten in der religiösen Bildanschauung erfordert andere Begrifflichkeiten als in der profanierten Sphäre. Zu religiösen Bildordnungen siehe bspw. <bib id='Belting 2004a'>Belting 2004a</bib>, <bib id='Ganz & Henkel 2004a'>Ganz & Henkel 2004a</bib>, <bib id='Boehm | + | Neben dieser formalen und phänomenologischen Akzentuierung verbinden sich Überlegungen zur Affektivität der Bildwahrnehmung zweitens mit Fragen nach Verwendungsweisen von Bildern und den ihnen eigenen Handlungsdimensionen als Agenten oder Akteure. Angesprochen sind damit politische oder religiöse Praktiken des Bildgebrauchs sowie affektive und emotional-evaluative Einstellungen, die als Verhalten beobachtbar werden in Formen der Bildverehrung, der Bildstrafe oder -zerstörung.<ref> Vgl. bspw. die nicht unproblematischen Thesen zur Geschichte der Personifikation von Bildern in <bib id='Mondzain 2006a'>Mondzain 2006a</bib>. Gegenüber phänomenologischen und ästhetischen Theorien der Bildwahrnehmung bilden religiöse Bildordnungen und Frömmigkeitspraktiken einen eigenen Gegenstandsbereich unter dem Gesichtspunkt des (Heils-)Wirkens von Bildern. Die Rolle von emotionalen Regungen und Ausdrucksverhalten in der religiösen Bildanschauung erfordert andere Begrifflichkeiten als in der profanierten Sphäre. Zu religiösen Bildordnungen siehe bspw. <bib id='Belting 2004a'>Belting 2004a</bib>, <bib id='Ganz & Henkel 2004a'>Ganz & Henkel 2004a</bib>, <bib id='Boehm 2007a'>Boehm 2007a</bib>: 54-71, <bib id='Rimmele 2010a'>Rimmele 2010a</bib>.</ref> Vor allem die Arbeiten von William J. Thomas Mitchell zu Personifizierung, Animismus und Fetischismus sowie zur Personalität von Bildern (als Dingen oder Körpern) erweisen sich hier als weitreichend. Im Zentrum von Mitchells kritischen Interventionen steht ein subalternes Modell des Bildes. Das Bild soll in seinen Wünschen bzw. in seinem Begehren zum Sprechen gebracht werden, um in dieser Weise (gewissermaßen als Subjekt) selbstmächtig zur Theoriebildung beizutragen <bib id='Mitchell 2008a'>Mitchell 2008a</bib>, <bib id='Mitchell 2005a'>Mitchell 2005a</bib>. |
Gegenwärtige Bildtheorien wenden sich also der Frage zu, welche Rolle Affekte als eine Komponente von Wahrnehmungsakten dafür spielen, dass Dinge als Bild wahrgenommen und behandelt werden. Darüber hinaus eröffnen sie auch eine Debatte darüber, wie ein Begehren oder affektives Bewegt-Sein des Bildes selbst einen formalen Ausdruck (er-)finden kann und dieser als theoretische Äußerung zu begreifen wäre. | Gegenwärtige Bildtheorien wenden sich also der Frage zu, welche Rolle Affekte als eine Komponente von Wahrnehmungsakten dafür spielen, dass Dinge als Bild wahrgenommen und behandelt werden. Darüber hinaus eröffnen sie auch eine Debatte darüber, wie ein Begehren oder affektives Bewegt-Sein des Bildes selbst einen formalen Ausdruck (er-)finden kann und dieser als theoretische Äußerung zu begreifen wäre. |
Version vom 16. März 2011, 12:04 Uhr
Unterpunkt zu: Bildwahrnehmung
Darstellung des gr. ZusammenhangsIn der philosophischen Affektdiskussion wird Bildwerken neben Rhetorik, Musik und Dichtung (bzw. Theater) ein wichtiger Platz zugewiesen. Seit der griechischen Antike bezieht sich das Nachdenken über Affekte mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen auf die Gegenstände der Darstellung, die Struktur des Werks und die sinnlich-affektauslösende Wirkungskraft ästhetischer Formen. Im Zentrum der Diskussion stehen die menschliche Affektnatur und die Möglichkeiten einer ästhetischen Transformation starker Regungen mittels künstlerischer Repräsentationen. Kunstwerken wird zugesprochen, durch ihre würdige Form der Affektdarstellung und -auslösung dem Individuum eine Anleitung zum Umgang mit starken, unvernünftigen Regungen zu geben. Als affektregulierend werden in der Nachfolge von Aristoteles’ Poetik die Erlebnisqualitäten eines Kunstwerks verstanden, das starke Affektregungen ermöglicht, zu ihrer Mäßigung anleitet und somit den Einzelnen zu vernunftgemäßem tugendhaften Handeln hinführt [Aristoteles 1997]Aristoteles (1997).Poetik. Griechisch/Deutsch. Stuttgart: Reclam. Eintrag in Sammlung zeigen, [Aristoteles 1995b]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. , [Bernays 1970a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . Seit Mitte des 18. Jahrhunderts werden in ästhetischen Debatten Affekte als in Sinneseindrücken begründete, von Lust oder Unlust begleitete, kurzzeitige Gemütsbewegungen erörtert. Die Verwendung des Begriffs ‚Affekt‘ sowie des häufig synonym verwendeten Ausdrucks ‚Empfindung‘ für eine unmittelbare und zeitlich begrenzte Erlebnisqualität geben dabei eine Bedeutungsdifferenzierung gegenüber länger anhaltenden, habituellen Strebungen (‚Neigung‘, ‚Begierde‘ oder ‚Leidenschaften‘) zu erkennen [Lanz 1971a]Literaturangabe fehlt. In der philosophischen Ästhetik – ebenso in psychologisch fundierten Kunsttheorien – findet sich keine einheitliche Bestimmung von ‚Affekt‘, die einen spezifischen Bereich der subjektiven Wahrnehmung von seelischen und/oder körperlichen Zustandsveränderungen gegenüber den weiter gefassten Begriffen ‚Gefühl‘ oder ‚Stimmung‘ eindeutig abgrenzen würde. Eine systematische Begründung und präzise Funktion erhält der Affektbegriff demgegenüber in der Psychoanalyse: Er bezeichnet die unwillkürliche, starke gefühlsmäßige und/oder körperliche Reaktion eines Subjekts, die einen qualitativen Gehalt aufweist und nicht notwendig an eine bewusste Repräsentanz und ein bewusstes Erleben in Form einer Eindrücke reflektierenden Selbstwahrnehmung geknüpft ist [Freud 1946a]Literaturangabe fehlt. Seit den 1960er Jahren setzte sich, vor allem in der analytischen Philosophie, die terminologische Unterscheidung von Affekten und Emotionen durch. In gegenwärtigen Theorien werden Emotionen als bewusste intentionale Relation zwischen einem Individuum und einem Gegenstand in der Welt definiert, aufgrund derer der Gegenstand als in bestimmter Weise seiend repräsentiert wird [Döring 2009a]Literaturangabe fehlt.
Engere BegriffsbestimmungAffektive Bildwahrnehmung bezeichnet eine starke oder überwältigende, augenblickliche emotionale Erregung eines Individuums im Prozess der sinnlichen und Bedeutung bildenden Erschließung von Bildwerken oder bildlich strukturierten Darstellungsräumen. Systematische Beiträge zur affektiven Komponente der Wahrnehmung finden sich vor allem in ästhetischen und phänomenologischen Bildtheorien. Diese fassen die Wahrnehmung als dynamische Struktur auf und kennzeichnen sie als einen sowohl reaktiven als auch produktiv-realisierenden Vollzug zwischen wahrnehmendem Subjekt und den sichtbaren Aspekten des Objekts (des Bildes). Bilder können in ihrer materiell-dinglichen und formalen Struktur vom Betrachter als Auslöser und Gegenstand einer unwillkürlich auftretenden, spezifischen Gestimmtheit erfahren werden. Für das Betrachter-Subjekt nimmt damit der Zugang zum bildlich Sichtbaren im Wesentlichen die Form einer Selbstwahrnehmung unmittelbarer Empfindungen an. Empfindungen umfassen dabei die momentane Erlebnisqualität sinnlicher Eindrücke sowie die sie begleitenden Gefühlszustände bzw. emotional bewegenden Vorstellungen. In der ersten Einleitung zur Kritik der Urteilskraft führt Immanuel Kant eine Empfindung, „die mit dem Gefühle der Lust und Unlust unmittelbar verbunden ist“ [Kant 1977a]Literaturangabe fehlt. Gegenüber der affektkritischen Ausrichtung von Kants Analyse der ästhetischen Urteilskraft, zeichnet sich in Beiträgen zur Kunsttheorie seit dem späten 19. Jahrhundert eine Neubewertung der subjektiven (physischen und psychischen) Komponenten der Bildwahrnehmung ab.[3] Diese bezieht sich sowohl auf die bildnerische Erfindung als auch auf die Verfasstheit der erschließend konstruierenden Anschauung. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken damit Erkenntnisprozesse, die von sichtbaren Ausdrucksformen ihren Ausgang nehmen. In diesem Sinne arbeitet Konrad Fiedler gegen Kants Trennung von Anschauung und Begriff an der theoretischen Begründung einer Erkenntnisform im Sichtbaren. Fiedler bestimmt die künstlerische Tätigkeit (des Malers und Bildhauers) als Vollzug, der die unbewussten Gestaltungsvorgänge, aufgrund derer Empfindungen zu Wahrnehmungen werden, zur Sichtbarkeit zu bringen vermag [Fiedler 1991a]Literaturangabe fehlt. Ernst Cassirer untersucht in der "Philosophie der symbolischen Formen" die Wirklichkeit des Menschen in der Kultur als Gesamtheit der vielfältigen, werkhaften Vermittlungen und aller möglichen Weisen, durch Akte der Symbolisierung Sinn zu erzeugen.[5] Bilder und Zeichen fasst Cassirer als sinnliche erlebte Ausdrucksbewegung und als darin sinntragende Vermittlung eines Geistigen [Cassirer 2009a]Literaturangabe fehlt. Den Beiträgen zu einer phänomenologischen Erklärung des Bildes/der Bildbetrachtung ist die grundlegende Unterscheidung zwischen dem materiellen Bildträger und dem imaginärem Bildobjekt (oder: Bildgegenstand) gemeinsam.[7] In seiner Schrift "Das Imaginäre" grenzt Jean-Paul Sartre den Bewusstseinsakt der Einbildung, der etwas als irreales Bildobjekt (als Vorstellung, image mentale) erscheinen lässt, strikt von der Wahrnehmung ab – denn die Wahrnehmung setzt ihr Objekt als ein in Raum und Zeit anwesend existierendes.[8] Die Vorstellung situiert Sartre auf einer mittleren Position, zwischen Wahrnehmung und Wissen (in Form begrifflicher Reflexion). Die Grundstruktur der Vorstellung erläutert Sartre u.a. am Beispiel affektiver Bewusstseinsformen, die irreale Objekte setzen [Sartre 1994b]Literaturangabe fehlt. Das Auge und der Geist. Philosophische Essays.. Hamburg: Felix Meiner, neu bearbeitet, kommentiert und mit einer Einleitung versehen von Bermes, Christian (2003). Eintrag in Sammlung zeigen, [Merleau-Ponty 1994a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. , [Merleau-Ponty 2006a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . In Merleau-Pontys Konzeption geben sich die unhintergehbaren, der Wahrnehmung immanenten Strukturen in der Erfahrung des existierenden Leibes zu erkennen, dem sich jede Wahrnehmung präsentiert. Der Leib organisiert das perzeptive Feld in Abhängigkeit von einem intentionalen Bewusstsein und gibt in seiner Begegnung mit der Welt den Gegenständen Gestalt und Sinn: „Mein Leib ist nicht einfach ein Gegenstand unter all den anderen Gegenständen, ein Komplex von Sinnesqualitäten unter anderen, er ist ein für alle anderen Gegenstände empfindlicher Gegenstand, der allen Tönen ihre Resonanz gibt, mit allen Farben mitschwingt und allen Worten durch die Art und Weise, in der er sie aufnimmt, ihre ursprüngliche Bedeutung verleiht.“ [Merleau-Ponty 1966a]Merleau-Ponty, Maurice (1966). Phänomenologie der Wahrnehmung (1945). Berlin: Walter de Gruyter, aus dem Französischen übersetzt und eingeführt durch eine Vorrede von Boehm, Rudolf. Eintrag in Sammlung zeigen: 276. Innerhalb seines Modells setzt Merleau-Ponty Empfindungen und Affekte nicht als der Wahrnehmung vorgängige, äußere Reize an, sondern als dem Bewusstsein in der Reflexion als evident gegebene Phänomene [Merleau-Ponty 1966a]Merleau-Ponty, Maurice (1966). Phänomenologie der Wahrnehmung (1945). Berlin: Walter de Gruyter, aus dem Französischen übersetzt und eingeführt durch eine Vorrede von Boehm, Rudolf. Eintrag in Sammlung zeigen: 59ff. Komplexe und länger anhaltende Gefühle wie beispielsweise Liebe können den Bezug zu uns selbst und zur Welt begründen. Sie können somit existentielle Bedeutung gewinnen für unser intentionales Engagement in der Welt [Merleau-Ponty 1966a]Merleau-Ponty, Maurice (1966). Phänomenologie der Wahrnehmung (1945). Berlin: Walter de Gruyter, aus dem Französischen übersetzt und eingeführt durch eine Vorrede von Boehm, Rudolf. Eintrag in Sammlung zeigen: 430ff. Mit Merleau-Pontys Überlegungen lässt sich ein Argument dafür gewinnen, dass Bilder selbst zur Erkenntnis über die Rolle der Affekte in der Wahrnehmung beitragen. Merleau-Ponty nimmt eine enge Verbindung zwischen dem leiblichen Sehen und der sichtbaren Wirklichkeit erfundener bildlicher Formen an. Vor diesem Hintergrund ist Bildtheorie als sprachlich-begrifflicher Nachvollzug der mit Bildern selbst gegebenen phänomenologischen Erforschung des Sehens und der Sichtbarkeit zu verstehen [Merleau-Ponty 1961a]Merleau-Ponty, Maurice (1961). Das Auge und der Geist. Philosophische Essays.. Hamburg: Felix Meiner, neu bearbeitet, kommentiert und mit einer Einleitung versehen von Bermes, Christian (2003). Eintrag in Sammlung zeigen.[9] Für gegenwärtige Diskussionen erweist sich Merleau-Pontys phänomenologischer Zugang als instruktiv, weil er die leibliche Erfahrung des Sehens als ein reziprokes Geschehen zwischen Blick und Gesehenem vorstellt. Gemäß dieser Darlegung ist das Wahrnehmen von Bildern gleichermaßen aktiv (imaginativ-konstruierend) und passiv (rezeptiv).[10] In der bildtheoretischen Forschung der jüngst vergangenen Jahre entzündete sich eine ausgedehnte Debatte über affektive Wirkungsformen und ihre Relevanz für den Status von Bildern. Bezogen auf Wahrnehmungstheorien, auf Gebrauchsweisen sowie auf technische Verfahren der Einsetzung und Verbreitung von Bildern wurde die Verteilung von (bzw. Dynamik zwischen) Aktivität und Passivität im Verhältnis von Bild und Betrachter vermehrt diskutiert. Die unterschiedlichen Forschungspositionen und Argumentationsgänge lassen sich dabei zwei leitenden, miteinander verknüpften Fragen zuordnen: Erstens wenden sich Untersuchungen zur Reflexion des Bildes bzw. „Bewußtwerdung des Bildes als Bild“ [Stoichita 1998a]Literaturangabe fehlt.Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : 110, den im gestalteten formalen Gefüge des Bildes angelegten, im Verhältnis zum Betrachter wirksam werdenden Aktqualitäten zu. Dabei wurde – zum Teil in differenzierender Auseinandersetzung mit Sprechakttheorien – die mit der Form gegebene Kraft des Bildes als Blickwendung, Bildhandeln oder Bildakt näher bestimmt [Didi-Huberman 1999a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. , [Dubois 1998a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. , [Bredekamp 2010a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . Die kommunikative Funktion von Bildern erfährt eine stärkere Betonung in [Sachs-Hombach 2003a]Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. Eintrag in Sammlung zeigen, [Seja 2009a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . ‚Bildakt‘ bezeichnet dabei nach Horst Bredekamp „eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln […], die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Gegenüber entsteht.“ [Bredekamp 2010a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : 52. Herausgestellt wurde an bildlichen Formen ihr Vermögen, eigensinnig wahrnehmungsbezogene Erfahrungen zu erzeugen. Verstärkte Aufmerksamkeit erhielt damit auch die Relationalität von Bild und Betracher als wirkmächtige Kraft und Fundierung eines pathischen, den Betrachter passivierenden Wahrnehmungsgeschehens; siehe bspw. [Boehm & Mersmann & Spies 2008a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. , [Busch & Därmann 2007a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . Neben dieser formalen und phänomenologischen Akzentuierung verbinden sich Überlegungen zur Affektivität der Bildwahrnehmung zweitens mit Fragen nach Verwendungsweisen von Bildern und den ihnen eigenen Handlungsdimensionen als Agenten oder Akteure. Angesprochen sind damit politische oder religiöse Praktiken des Bildgebrauchs sowie affektive und emotional-evaluative Einstellungen, die als Verhalten beobachtbar werden in Formen der Bildverehrung, der Bildstrafe oder -zerstörung.[11] Vor allem die Arbeiten von William J. Thomas Mitchell zu Personifizierung, Animismus und Fetischismus sowie zur Personalität von Bildern (als Dingen oder Körpern) erweisen sich hier als weitreichend. Im Zentrum von Mitchells kritischen Interventionen steht ein subalternes Modell des Bildes. Das Bild soll in seinen Wünschen bzw. in seinem Begehren zum Sprechen gebracht werden, um in dieser Weise (gewissermaßen als Subjekt) selbstmächtig zur Theoriebildung beizutragen [Mitchell 2008a]Literaturangabe fehlt. Gegenwärtige Bildtheorien wenden sich also der Frage zu, welche Rolle Affekte als eine Komponente von Wahrnehmungsakten dafür spielen, dass Dinge als Bild wahrgenommen und behandelt werden. Darüber hinaus eröffnen sie auch eine Debatte darüber, wie ein Begehren oder affektives Bewegt-Sein des Bildes selbst einen formalen Ausdruck (er-)finden kann und dieser als theoretische Äußerung zu begreifen wäre. optional BeispieleAuswirkungen auf andere Begriffe |
Anmerkungen
[Aristoteles 1995b]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Aristoteles 1997]: Aristoteles (1997). Poetik. Griechisch/Deutsch. Stuttgart: Reclam. [Barthes 1989a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Ulrike Hanstein [68], Joerg R.J. Schirra [31] und Mark A. Halawa [2] — (Hinweis) |