Authentizität: Unterschied zwischen den Versionen
(→Auswirkungen auf andere Begriffe) |
(→Auswirkungen auf andere Begriffe) |
||
Zeile 45: | Zeile 45: | ||
:::2. Klarere, wenn auch nicht minder flüchtige Kriterien lassen sich für die Sichtweise, den bestimmten Modus der Darstellung beschreiben. „Authentische Darstellung ist [...] vor allem ästhetisches Format, das den Gestaltcharakter der Darstellung durch Gestaltung zu verbergen versucht und andererseits ohne Gestaltung von Authentizität nichts weiß.“ (<bib id='Wortmann 2003a'></bib> S. 13) Exemplarisch wurde bereits der malerische Realismus genannt, bei dem es auch entscheidend darum geht, durch einen bestimmten Stil den Wahrheitsgehalt der Darstellung zu untermauern. Ähnliche Bemühungen lassen sich immer wieder in der Kunstgeschichte beobachten (u a. im Naturalismus oder Fotorealismus, aber auch im Bemühen um Perspektive in der Malerei der Renaissance usw.). Ziel dieser Darstellungsmodi ist zwar augenscheinlich die Treue zur Vorlage zu maximieren, also die Vorlage möglichst präzise wiederzugeben; klar ist aber, dass all diese Darstellungsweisen auf entscheidende Weise diskursiv entstehen und als konventionell einzustufen sind. Der Darstellungsstil des Realismus erscheint uns in einer Zeit des Fotorealismus weniger präzise und damit weniger authentisch, als er den Betrachtern im 19. Jahrhundert vorgekommen sein muss. Eine immer wieder prominente Funktion kommt dem defizienten Bild zu. Defiziente Bilder weisen in der Regel strukturelle ‚Defekte‘ auf, die den spezifischen Umständen der Bildentstehung zugeschrieben werden, welche wiederum die Funktion der Authentifizierung übernehmen (für die Fotografie vgl. dazu <bib id='Susanka 2012a'></bib>). | :::2. Klarere, wenn auch nicht minder flüchtige Kriterien lassen sich für die Sichtweise, den bestimmten Modus der Darstellung beschreiben. „Authentische Darstellung ist [...] vor allem ästhetisches Format, das den Gestaltcharakter der Darstellung durch Gestaltung zu verbergen versucht und andererseits ohne Gestaltung von Authentizität nichts weiß.“ (<bib id='Wortmann 2003a'></bib> S. 13) Exemplarisch wurde bereits der malerische Realismus genannt, bei dem es auch entscheidend darum geht, durch einen bestimmten Stil den Wahrheitsgehalt der Darstellung zu untermauern. Ähnliche Bemühungen lassen sich immer wieder in der Kunstgeschichte beobachten (u a. im Naturalismus oder Fotorealismus, aber auch im Bemühen um Perspektive in der Malerei der Renaissance usw.). Ziel dieser Darstellungsmodi ist zwar augenscheinlich die Treue zur Vorlage zu maximieren, also die Vorlage möglichst präzise wiederzugeben; klar ist aber, dass all diese Darstellungsweisen auf entscheidende Weise diskursiv entstehen und als konventionell einzustufen sind. Der Darstellungsstil des Realismus erscheint uns in einer Zeit des Fotorealismus weniger präzise und damit weniger authentisch, als er den Betrachtern im 19. Jahrhundert vorgekommen sein muss. Eine immer wieder prominente Funktion kommt dem defizienten Bild zu. Defiziente Bilder weisen in der Regel strukturelle ‚Defekte‘ auf, die den spezifischen Umständen der Bildentstehung zugeschrieben werden, welche wiederum die Funktion der Authentifizierung übernehmen (für die Fotografie vgl. dazu <bib id='Susanka 2012a'></bib>). | ||
: | : | ||
− | + | {{GlossarSiehe}} | |
* [[Affekt und Kommunikation]] | * [[Affekt und Kommunikation]] | ||
* [[Bildhandeln]] | * [[Bildhandeln]] |
Version vom 2. November 2012, 20:29 Uhr
Unterpunkt zu: Bildpragmatik
1. BegriffsbestimmungDer Begriff ›Authentizität‹ geht auf das griechische ›authentikos‹ (Urheber) wie auch auf das lateinische ›authenticum‹ (Original) zurück und wird gemeinhin als die Echtheit, Originalität, Verbürgtheit und der Gültigkeits- und Wahrheitsanspruch einer Sache verstanden. Wichtige Oppositionspaare ergeben sich mit der Kopie (das lateinische ›exemplarium‹ als Gegenstück zum ›authenticum‹), dem Plagiat oder der Fälschung sowie auch der Inszenierung (vgl. [Röttgers & Fabian 1971a]Röttgers, K.;Fabian, R. (1971).Authentisch. In Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. A-C, 691-692. Eintrag in Sammlung zeigen). Authentizität ist als ein Schlüsselbegriff der abendländischen Kulturgeschichte zu verstehen und in vielen wissenschaftlichen Disziplinen (u. a. Psychologie, Rhetorik, Kulturwissenschaften, maßgeblich in der Philosophie etwa bei Heidegger und Sartre) ein häufig bemühter Begriff, wobei sich auch die unterschiedlichen disziplinären Fragestellungen unweigerlich in die jeweilige Begriffsverwendung eingeschrieben haben . 2. ›Authentizität‹ im bildwissenschaftlichen DiskursIm bildwissenschaftlichen Diskurs wird der Begriff der ›Authentizität‹ letztlich für zwei Problembereiche hinzugezogen, die nur eine geringe Schnittmenge aufweisen. Die Frage, wann ein Bild authentisch ist, wird in der bildbezogenen Forschung, dem oben angedeuteten semantischen Spielraum des Terminus ›Authentizität‹ gemäß, auf zweierlei Art beantwortet: (a) im Hinblick auf den Urheber und (b) im Hinblick auf den Bildinhalt, die Bildbedeutung.
Die für die Authentizität entscheidende Frage lautet dann, wie die beiden Aspekte der Originalität und der Realitätstreue in der Kommunikation mit Bildern aufgerufen werden können. Es geht also um die kommunikativen Formen der Authentifizierung. 3. Formen der Bild-AuthentifizierungSystematisch lassen sich (a) extrinsische (durch Zuschreibungen von außen) und (b) intrinsische (durch das Bild selbst hervorgebrachte) Formen der Bild-Authentifizierung unterscheiden. In den meisten Fällen sind mehrere Formen der Bildauthentifizierung aufzufinden (also sowohl extrinsische als auch intrinsische).
|
Anmerkungen
[Andree 2006a]: Andree, Martin (2006). Archäologie der Medienwirkung. Faszinationstypen von der Antike bis heute; (Simulation, Spannung, Fiktionalität, Authentizität, Unmittelbarkeit, Geheimnis, Ursprung). München: Fink.
[Bazin 2009]: Bazin, André (2009). Ontologie des photographischen Bildes. In: Fischer, Robert (Hg.): Was ist Film?. Berlin: Alexander Verlag, S. 33-42. [Benjamin 1939a]: Benjamin, Walter (2002). Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Schöttker, D. (Hg.): Walter Benjamin: Medienästhetische Schriften. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 351–383, dritte, autorisierte letzte Fassung, 1939. [Grice 1970a]: Grice, Herbert Paul (1970). Logic and Conversation. Cambridge: Harvard University Press. [Grittmann 2003a]: Grittmann, Elke (2003). Die Konstruktion von Authentizität. Was ist echt an den Pressefotos im Informationsjournalismus?. In: Knieper, T.& Müller, M. (Hg.): Authentizität und Inszenierung von Bilderwelten. Köln: von Halem, S. 123-149. [Knieper & Müller 2003a]: Knieper, Thomas & Müller, Marion G. (2007). Vorwort. In: Knieper, T. & Müller, M. G. (Hg.): Authentizität und Inszenierung von Bilderwelten. Köln: von Halem, S. 7-9. [Röttgers & Fabian 1971a]: Röttgers, K.;Fabian, R. (1971). Authentisch. In: Ritter, Joachim (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. A-C. Darmstadt: Wissenschaftl. Buchges., S. 691-692. [Sontag 2003a]: Sontag, Susan (2003). Regarding the Pain of Others. New York: Picador. [Susanka 2012a]: Susanka, Thomas (2012). The Rhetorics of Authenticity: Photographic Representations of War. In: Straub, Julia (Hg.): Paradoxes of Authenticity. Bielefeld: transcript, S. 95-114. [Wiesing 2007a]: Wiesing, Lambert (2007). Zur Rhetorik des Bildes. In: Knape, Joachim (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden: Koerner, S. 37-48. [Wortmann 2003a]: Wortmann, Volker (2003). Authentisches Bild und authentisierende Form. Köln: van Halem. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Thomas Susanka [28], Joerg R.J. Schirra [24] und Mark A. Halawa [4] — (Hinweis) |