Bild in reflexiver Verwendung: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | ==Die reflexive Verwendung von Zeichen­handlun­gen== | ||
+ | Alle Zeichen oder allgemeiner alle [[Interaktion und Kommunikation|kommu­nika­tiven]] und damit medi­alen Handlun­gen können außer zu ihren eigent­lichen (direk­ten) Verwen­dungszwe­cken nicht nur zu symbo­lisch erwei­terten Kommu­nika­tionshand­lungen ([[sprachliche Metaphern und allgemeine Metaphorologie|meta­phori­sche]] Verwen­dungswei­sen) heran­gezo­gen werden: Sie können da­rüber hinaus auch dazu benutzt werden, um auf Aspek­te von Kommu­nika­tionshand­lungen eben dieses Typs selbst aufmerk­sam zu machen. Wegen dieses Rückbe­zugs auf die durchge­führte Kommu­nika­tionshand­lung selbst wird diese Verwen­dungswei­se die ''refle­xive Verwen­dung'' einer Kommu­nika­tionshand­lung genannt. Zu ihr zählen zum Zwecke des Lehrens vorge­führte Beispiel­handlun­gen, durch die auf mehr oder weni­ger alle Ausfüh­rungsas­pekte aufmerk­sam gemacht werden kann, eben­so wie anfüh­rende Verwen­dungen, bei denen etwa gezielt ganz bestimm­te Bedin­gungen für das Erzeu­gen eines entspre­chenden Zeichen­trägers in den Blick gerückt werden (sollen).<ref>Man ma­che sich klar, dass die da­mit durch­ge­führ­te Re­fle­xi­vie­rung kei­nes­wegs die ers­te im Ge­samt­kom­plex der Zei­chen­ver­wen­dung ist: Be­reits ein­fach­ste kom­mu­ni­ka­ti­ve Ver­hal­tens­wei­sen sind not­wen­dig mit ei­nem Akt der Selbst­dar­stel­lung, al­so ei­ner ein­fa­chen Form der Re­fle­xi­vie­rung ver­bun­den (⊳ [[Interaktion und Kommunikation|In­ter­ak­ti­on und Kom­mu­ni­ka­ti­on]]). Bei zei­chen­haf­ten Kom­mu­ni­ka­ti­o­nen tritt da­rü­ber­hi­naus noch ei­ne wei­te­re Re­fle­xi­vie­rungs­ebe­ne auf, in­so­fern sich die Zei­chen­nut­zer ih­rer kom­mu­ni­ka­ti­ven Tä­tig­keit nun be­wusst sind (⊳ [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem|Zei­chen, Zei­chen­trä­ger, Zei­chen­sys­tem]]). Die re­fle­xi­ve Ver­wen­dung von Zei­chen stellt mit­hin be­reits (min­des­tens) die drit­te Ebe­ne der Re­fle­xi­vie­rung in­ner­halb der je­weils be­trach­te­ten kom­ple­xen Ge­samt­hand­lun­gen dar. </ref> | ||
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+ | Auf Sprache bezogen wären demnach refle­xiv verwen­dete sprachli­che Zeichen solche verba­len Äuße­rungen, bei denen es weni­ger darum geht, den norma­lerwei­se damit vollzo­genen Sprechakt einfach zu aktu­ali­sieren. Vielmehr soll der Vollzug eines solchen [[Illokution|Sprechakts]] oder zumindest ein bestimmter Aspekt davon exem­plarisch hervor­geho­ben werden. So sind die Beispiel­sätze, an denen in keinem Lingu­istik­arti­kel oder -lehrbuch Mangel herrschen dürfte, durchweg als refle­xiv verwen­det zu verste­hen: Mit der (wieder­holten) Äuße­rung des Satzes ‘Jonas ging nach Hause’ etwa im ersten Abschnitt von Searles «Sprechakt­theorie» (<bib id='Searle 1971a'></bib>) soll ja nicht mitge­teilt oder behaup­tet werden, was übli­cherwei­se unter norma­len Verwen­dungsbe­dingun­gen mit dem Äußern jenes Satzes mitge­teilt oder behaup­tet wird.<ref>So bleibt bei­spiels­wei­se in dem Kon­text voll­kom­men un­klar, wer eigent­lich mit ‘Jo­nas’ ge­meint ist; ⊳ [[Nomination|No­mi­na­ti­on]].</ref> Vielmehr dient seine Äuße­rung hier als ein Beispiel für das Äußern von Sätzen als solches und für ein damit typi­scherwei­se verbun­denes menta­les Phäno­men (dass man nämlich mit der Äuße­rung etwas ''meint''). | ||
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+ | Prinzipiell besteht eine enge begriff­liche Bezie­hung zwischen refle­xiven Verwen­dungen und der [[Referenz, Denotation, Exemplifikation|Exem­plifi­kation]]. Aller­dings wird letzte­re in der Regel vorwie­gend als ''posi­tive Exem­plifi­kation'' verstan­den: Die exem­plifi­zieren­de Handlung weist selbst den als Beispiel demon­strierten Aspekt auf. Die refle­xive Zeichen­verwen­dung umfasst aber auch Fälle von ''nega­tiver Exem­plifi­kation'': So kann mit einer Zeichen­verwendung beispiels­weise durch Abwe­senheit auf das Fehlen bestimm­ter für Zeichen­handlun­gen dieses Typs norma­lerwei­se wichti­ger oder unum­gängli­cher Aspek­te hinge­wiesen werden. Aus diesem Grund auch kann bei scheitern­der Kommu­nika­tion eine Re­inter­preta­tion als refle­xiv gemein­te Verwen­dung dazu benutzt werden, den oder die Fehler in der Kommu­nika­tionshand­lung auf der Meta­ebe­ne zu erken­nen (und evt. zu über­spielen).<ref> Ich füh­re mir dann et­wa das de­fi­zi­en­te Zei­chen selbst auf re­fle­xi­ve Wei­se vor, um mich auf feh­ler­haf­te As­pek­te sei­ner Ver­wen­dung auf­merk­sam zu ma­chen.</ref> | ||
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− | + | ==Bilder in reflexiver Verwen­dung== | |
− | + | Da alle kommunikativen bzw. medi­alen Handlun­gen refle­xiv verwen­det werden können, muss dieser Verwen­dungstyp auch für den – als medi­ale Handlung verstan­denen – Bildge­brauch auftre­ten. Tatsäch­lich wird man [[Bildzitat|Bildzi­tate]] oder auf ande­re Weise ange­führte Bilder sinnvol­ler Weise als refle­xive Bildver­wendun­gen ana­lysie­ren, wird dabei doch gera­de auf Aspek­te der jewei­ligen (direk­ten, symbo­lisch erwei­terten oder sogar bereits refle­xiv verwen­deten) Bildver­wendung selbst aufmerk­sam gemacht, ganz so, wie es die Defi­nition der refle­xiven Verwen­dungswei­se fordert. | |
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− | + | [[Datei:Teapots.jpg|thumb|Ab­bil­dung 1: Se­rie von Bil­dern des «Utah Tea Pots» mit dem ei­gent­li­chen Ziel, com­pu­ter­gra­phi­sche Ver­fah­ren zu il­lus­trie­ren]] | |
− | + | Ty­pi­sche Bei­spie­le sind auch hier in Lehr­bü­chern ver­wen­de­te Bil­der, mit de­nen auf be­stimm­te Ge­sichts­punk­te des Er­zeu­gens und Re­zi­pie­rens von Bil­dern im Sin­ne ei­ner po­si­ti­ven Exem­pli­fi­ka­ti­on auf­merk­sam ge­macht wer­den soll: Wenn et­wa in ei­nem Lehr­buch zur Ge­stal­tungs­leh­re ein Bild mit ei­nem be­son­ders auf­fäl­li­gen ›bild­be­stim­men­den Punkt‹ da­zu be­nutzt wird, den Be­griff des »bild­be­stim­men­den Punkts« zu the­ma­ti­sie­ren oder ein Bild mit be­son­ders au­gen­fäl­li­gen Gestalt­gruppie­rungen als Exem­pel für [[Gestalt|Gestalt­geset­ze]] beim visu­ellen Wahrneh­men. Auch das häufi­ge Auftre­ten von Bildern einer bestimm­ten Art von Tee­kanne – der viel­zitier­te «Utah Tea Pot» – in Lehrbü­chern zur [[Computergraphik|Compu­tergra­phik]] ist entspre­chend nicht so zu inter­pretie­ren, dass Tee­kannen dieser Art ein fast unent­behrli­ches Uten­sil zum Betrei­ben von Compu­tergra­phik darstell­ten. Vielmehr wird hier an einem standar­disier­ten (wenn auch virtu­ellen) Objekt auf die Auswir­kungen bestimm­ter Vari­atio­nen am Erzeu­gungspro­zess solcher Bilder fokus­siert (Abb. 1).<ref> Ei­ne sol­che Les­art kann be­son­ders da­durch ver­stärkt wer­den, dass das Bild als Teil ei­ner ent­spre­chen­den Se­rie auf­tritt, so dass die Wir­kung ver­schie­de­ner Er­zeu­gungs­ver­fah­ren (bzw. un­ter­schied­li­cher Pa­ra­me­ter ei­nes Ver­fah­rens) am glei­chen [[Bildinhalt|Bild­in­halt]] ver­gli­chen wer­den kann.</ref> | |
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+ | Negative Exemplifikation ist ebenfalls bei refle­xiv verwen­deten Bildern möglich und tritt auch nicht selten auf: Das ''Brechen'' mit einer Erwar­tungshal­tung dient als Verweis eben auf die Bedeu­tung dieser Erwar­tungshal­tung als Teil des “norma­len” medi­alen Verwen­dungszu­sammen­hangs. Entspre­chend können selbst mono­chrome Flächen über den refle­xiven Verwen­dungsmo­dus als Bilder mit nega­tiver Exem­plifi­kation ana­lysiert werden: Mit ihnen kann auf alles aufmerk­sam gemacht werden, was ihnen gera­de gegen­über einem “norma­len” Bild fehlt.<ref>Das heißt nicht, dass mit als Bil­dern ein­ge­setz­ten mo­no­chro­men Flä­chen kei­ne po­si­ti­ven Exem­pli­fi­ka­ti­o­nen mög­lich wä­ren: Man kann sie auch da­zu ver­wen­den, um auf be­stimm­te – et­wa [[Affekt|af­fek­ti­ve]] – Ef­fek­te hin­zu­wei­sen, die mit ih­nen aus­ge­löst wer­den kön­nen, ob­wohl oder ge­ra­de weil die üb­li­chen ört­li­chen Farb­va­ri­a­ti­o­nen und al­les was da­mit zu­sam­men­hängt hier feh­len.</ref> | ||
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+ | [[Datei:Dalmatiner.jpg|thumb|Ab­bil­dung 2: (Ini­ti­al) schwer ver­ständ­li­ches Bild ei­nes Dal­ma­ti­ners]] | ||
+ | Auch die Wir­kung be­stimm­ter [[Vexierbild|Ve­xier­bil­der]] kann ana­ly­siert wer­den als ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­such mit ei­nem Bild, der zu­nächst fehl­schlägt. Erst die re­fle­xi­ve Ver­wen­dung des Bil­des als ei­ne Stra­te­gie zum Er­ken­nen und Be­he­ben des me­di­a­len Feh­lers lie­fert Hin­wei­se, was bei die­sem Bild­ge­brauch fehlt. Die­se Ein­sicht kann da­zu ge­nutzt wer­den, das Bild doch noch – auf an­de­re Wei­se – zu ver­ste­hen. Das in der Wahr­neh­mungs­psy­cho­lo­gie sehr bekann­te «Bild eines Dalma­tiners» (Abb. 2) funkti­oniert ganz in diesem Sinn.<ref>Die re­fle­xi­ve Selbst­prä­sen­ta­ti­on des Bil­des nach den ers­ten Fehl­ver­su­chen, über­haupt et­was da­rin zu er­ken­nen, führt zur Er­kennt­nis, dass das Feh­len von kla­ren Ob­jekt-Kon­tu­ren das Se­hen von Ge­gen­stän­den und da­mit die In­ter­pre­ta­ti­on ge­gen­ständ­lich dar­stel­len­der Bil­der er­schwert; mit die­sem Ver­ständ­nis (und dem Wis­sen, dass es sich um ei­nen Dal­ma­ti­ner han­deln soll) ge­lingt es in der Re­gel nach ei­ni­ger Zeit, sich den Dal­ma­ti­ner im Bild zu zei­gen – ei­ne Ver­än­de­rung des Wahr­neh­mungs­ver­mö­gens, die im An­schluss be­ste­hen bleibt, so dass bei wei­te­ren Prä­sen­ta­ti­o­nen des Bil­des der re­fle­xi­ve Mo­dus nicht un­be­dingt ein­ge­nom­men zu wer­den braucht.</ref> | ||
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+ | Offensichtlich sind im Prinzip sämt­liche theore­tisch als an der Bildver­wendung betei­ligt verstan­denen Fakto­ren auch Kandi­daten für eine posi­tive oder nega­tive Exem­plifi­kation bei einem refle­xiv verwen­deten Bild, insbe­sonde­re alle durch zeichen-, medien- und wahrneh­mungsthe­oreti­sche Begrif­fe gefass­ten Teilphä­nome­ne des Bildge­brauchs. | ||
+ | ==Mediale Auswirkungen der refle­xiven Bildver­wendung== | ||
+ | Der reflexive Bildgebrauch hat gegenüber der “direk­ten” Verwen­dung (⊳ [[dezeptiver und immersiver Modus|immersiver Modus]]) spezi­fische Folgen: Beson­ders hervor­zuheben ist, dass die refle­xive Verwen­dung in der Regel die “norma­len” Verwen­dungsbe­dingun­gen des Bildes zwar voraus­setzt, sie aber zugleich (teilwei­se) außer Kraft setzt. Wie am obi­gen Beispiel der «Utah Tea Pot»-Bilder in der Compu­tergra­phik bereits ange­deutet, treten die seman­tischen Aspekte gegen­über den Normal­verwendun­gen oft stark zurück: Es kommt nun nicht mehr darauf an, was mit dem Bild norma­lerweise zu sehen gege­ben wird – etwa eine Teekan­ne. Der übli­che seman­tische Gehalt ist nur noch einer von unend­lich vielen ande­ren eben­falls mögli­chen, die alle als Träger einer ganz ande­ren Botschaft dienen könnten, um die es jetzt tatsäch­lich geht, nämlich dass man mit dieser oder jener Ausprä­gung eines compu­tergra­phischen Verfah­rens ein ''solches'' Bild erhält.<ref>In die­sem Zu­sam­men­hang ist si­cher auch die ver­schie­dent­lich ge­äu­ßer­te Kri­tik an der Kon­zep­tion ei­nes ei­gent­li­chen se­man­ti­schen [[Bildinhalt|Ge­halts]] bei Bil­dern – oder auch Zei­chen ganz all­ge­mein – zu se­hen (vgl. et­wa <bib id='Derrida 1988a'>Der­ri­da 1988a</bib>). Für den Be­griff des re­fle­xi­ven Ge­brauchs ist es al­ler­dings un­er­heb­lich, ob ein sol­cher Ge­halt für plau­si­bel ge­hal­ten wird oder nicht, da es die Stan­dard-''Ver­wen­dung'' ist, die re­flek­tiert und da­bei ge­ge­be­nen­falls par­ti­ell au­ßer Kraft ge­setzt wird. Für die ge­ne­rel­le­re Kri­tik an der Sprech­akt­the­o­rie ⊳ [[Illokution|Il­lo­ku­ti­on]]. </ref> | ||
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+ | Ein derartiges Abschirmen des eigent­lichen seman­tischen Gehalts ist auch von Zita­ten und Anfüh­rungen in ande­ren Medien bzw. [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem|Zeichen­syste­men]] bekannt. Tatsäch­lich handelt es sich um eine spezi­elle Ausprä­gung eines allge­meine­ren Zurück­tretens der ''norma­len'' pragma­tischen Aspek­te in der refle­xiven gegen­über der nicht refle­xiven Verwen­dung. Wer etwa ein Verspre­chen nur zitiert ist in der Regel keines­wegs bereit, für dessen Einhal­ten einzu­stehen – etwas, das zu den norma­len Verwen­dungsbe­dingun­gen des Verspre­chens gehört. Als bildli­ches Äqui­valent mag folgen­des Beispiel dienen: Verglei­chen wir das Bild einer Über­wachungs­kame­ra einer­seits in norma­ler Nutzung und ande­rerseits in refle­xiver Verwen­dung, etwa im Kata­log des Herstel­lers des Über­wachungs­systems. Im ersten Fall gehört es zu den norma­len Anwen­dungsbe­dingun­gen, dass der Bildnut­zer seine Aufmerk­samkeit mit dem Bild auf die Situ­ation vor der Kame­ra richtet und entspre­chend auf die im Bild zu sehen­de Szene reagiert. Nichts derglei­chen trifft zu, wenn mit eben dem Bildträ­ger im Kata­log für das Über­wachungs­system gewor­ben – und damit auf bestimm­te Aspek­te der Entste­hung und ''norma­len'' Verwen­dung des Bildes aufmerk­sam gemacht – werden soll. | ||
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+ | Das Ausschalten der ''normalen'' pragma­tischen Zusam­menhän­ge liegt insbe­sonde­re daran, dass bei refle­xiven Verwen­dungen auch die Bildver­wender selbst nicht nur einfach Akteu­re einer Kommu­nika­tionshand­lung sind, sondern sich bei dieser Handlung selbst als Kommu­nizie­rende in den Blick nehmen (⊳ [[Bildrezeption als Kommunikationsprozess|Bildre­zeption als Kommu­nika­tionspro­zess]]). Damit verwen­det auch der, der ein ganz bestimm­tes Bild etwa von Picas­so als einen ‘typi­schen Picas­so’ betrachtet, dieses Bild bereits in refle­xiver Weise. Gleiches gilt für denje­nigen, der einem Bild als Beobach­ter seines Betrach­tens des Bildes gegen­über­tritt. Auch er fokus­siert mit diesem Bildge­brauch auf einen bestimm­ten Aspekt des unre­flexi­ven Bildge­brauchs. Die tatsäch­lich vollzo­gene Kommu­nika­tionshand­lung unter­scheidet sich also deutlich vom direk­ten Bildge­brauch mit der Konse­quenz, dass auch ganz ande­re pragma­tische Regeln zu befol­gen sind. | ||
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+ | Der reflexive Gebrauch eines Zeichens kann selbst auf refle­xive Weise verwen­det werden. Das haben wir beispiels­weise in diesem Text getan, wenn wir Beispie­le refle­xiver Verwen­dung ange­führt haben. Der poten­ziert refle­xive Gebrauch tritt im Alltag eher selten auf, könnte aller­dings im Bereich der Kunstkri­tik eine gewis­se Rolle spielen. | ||
− | ===== | + | ==Zusammenhänge mit anderen Begrif­fen== |
+ | ''Das reflexiv verwendete Bild und die Selbst­refe­rentia­lität des [[Material|Mate­rials]]'': Gele­gentlich begeg­net uns vor allem im Kontext unge­genständ­licher Bilder aber auch im Rahmen der Refe­renzdis­kussion [[digitale Medien|digi­taler Medien]] die Formu­lierung, solche Bilder seien ''selbstre­feren­tiell'', sie verwie­sen nur noch auf ihre eige­ne [[Materialität|Mate­riali­tät]]. Diese Rede von der Selbstre­feren­tiali­tät des Mate­rials steht in engem Zusam­menhang mit refle­xiven Bildver­wendun­gen, mit denen auf (im weiten Sinne) syntak­tische Aspek­te des betrach­teten Bildes oder auch allge­meiner seines Bildtyps aufmerk­sam gemacht wird (⊳ [[Materialität und Bildsyntax|Mate­riali­tät und Bildsyn­tax]]). Die Beson­derheit unge­genständ­licher Bilder – etwa mono­chrome Flächen, abstrak­te Orna­mente – besteht insbe­sonde­re darin, dass sie keine (offen­sichtli­che) seman­tische Dimen­sion zu haben scheinen. Geht man davon aus, dass Bilder norma­lerwei­se (d.h. wenn sie zur direk­ten Verwen­dung gedacht sind) eine mehr oder weni­ger direkt ersicht­liche oder über eine Legen­de beige­legte Bedeu­tung haben, sollte dieser Bruch mit einer Kommu­nika­tionser­wartung den Wechsel zur refle­xiven Verwen­dung auslö­sen. So liegt die These nahe, dass rein unge­genständ­liche Bilder über­haupt nur in refle­xiver Verwen­dung Bilder sind (⊳ [[Semantik ungegenständlicher Bilder|Seman­tik unge­genständ­licher Bilder]]). | ||
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+ | ''Das reflexiv verwendete Bild und die [[bildende Kunst|bilden­de Kunst]]'': Auch für die Unter­scheidung zwischen [[künstlerisches Bild und Alltagsbild|Alltags­bild und künstle­rischem Bild]] scheint der Begriff der refle­xiven Verwen­dung rele­vant: Zwar können Alltags­bilder, wie alle Bilder, auch refle­xiv verwen­det werden; bei den Bildern der bilden­den Kunst scheint hinge­gen der refle­xive Gebrauch die Norm, da hier in der Begeg­nung mit dem Bild immer zugleich die Aufmerk­samkeit auf Aspek­te seiner Herstel­lung, Mate­riali­tät oder Wirkung gerich­tet wird. Allen­falls kommen poten­ziert refle­xive Verwen­dungswei­sen hinzu.<ref>Aus der Aus­zeich­nung von Wer­ken der bil­den­den Kunst als prin­zi­pi­ell re­fle­xiv ver­wen­de­te Zei­chen folgt dann üb­ri­gens zu­min­dest his­to­risch, dass da­nach neu er­stell­te Wer­ke stets mit ei­ner zu­sätz­li­chen Re­fle­xi­ons­ebe­ne be­trach­tet wer­den (soll­ten): näm­lich als re­fle­xiv ver­wen­de­te Zei­chen, die ''in ih­rer Re­fle­xi­vi­tät'' re­fle­xiv ver­wen­det wer­den.</ref> | ||
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+ | ''Das reflexiv verwendete Bild und die ''empha­tischen Bilder'' der [[Bildlichkeit: Bedingungen und Folgen|Bildlich­keitsde­batte]]'': Auch bei den soge­nannten ‘empha­tischen Bildern’ – G. Boehm spricht auch von ‘starken Bildern’ (vgl. <bib id='Boehm 2007a'></bib>: S. 252) – handelt es sich durchweg um refle­xiv verwen­dete Bilder, soll sich doch bei diesen Bildern die Bildhaf­tigkeit auf beson­ders hervor­geho­bene Weise zeigen bzw. genau­er: aufzei­gen lassen. Wenn aber ein Bild dazu verwen­det wird, um unter ande­rem auf das aufmerk­sam zu machen, was Bilder (allge­mein oder einer bestimm­ten Sorte) auszeich­net, dann werden sie offen­sichtlich refle­xiv verwen­det. | ||
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+ | ''Das reflexiv verwendete Bild und die [[Identität bildhafter Zeichen|Iden­tität bildhaf­ter Zeichen]]'': Schließlich ist zu fragen, ob es tatsäch­lich sinnvoll ist, von ''einem'' Bild zu sagen, es könne direkt oder refle­xiv (sogar auf verschie­denen Stufen der Refle­xivi­tät) verwen­det werden oder ob mit den verschie­denen Verwen­dungswei­sen dessel­ben Bildträ­gers durchaus ''unter­schiedli­che'' Bilder konsti­tuiert werden. Immer­hin entspricht erste­res eher unse­rer alltäg­lichen Sprachpra­xis. Doch haben sich in der Theorie­bildung durchaus verschie­dene Meinun­gen etab­liert (⊳ [[Identität bildhafter Zeichen|Iden­tität bildhaf­ter Zeichen]] und [[Identitätskriterien für Bildträger|Iden­titäts­krite­rien für Bildträ­ger]]). | ||
− | + | {{GlossarSiehe}} | |
− | + | * [[Affekt]] | |
− | + | * [[Bildende Kunst]] | |
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− | + | * [[Bildlichkeit: Bedingungen und Folgen]] | |
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+ | * [[Interaktion und Kommunikation]] | ||
+ | * [[Künstlerisches Bild und Alltagsbild]] | ||
+ | * [[Material]] | ||
+ | * [[Materialität]] | ||
+ | * [[Materialität und Bildsyntax]] | ||
+ | * [[Nomination]] | ||
+ | * [[Referenz, Denotation, Exemplifikation]] | ||
+ | * [[Semantik ungegenständlicher Bilder]] | ||
+ | * [[Sprachliche Metaphern und allgemeine Metaphorologie]] | ||
+ | * [[Vexierbild]] | ||
+ | * [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem]] | ||
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''Verantwortlich:'' | ''Verantwortlich:'' | ||
− | + | * [[Benutzer:Joerg R.J. Schirra|Schirra, Jörg R.J. ]] | |
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+ | ''Lektorat:'' | ||
+ | * [[Benutzer:Rainer Totzke|Totzke, Rainer]] | ||
+ | {{GlosTab5}} | ||
+ | <bib id='Schirra 2013g-d'></bib> | ||
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− | {{ | + | {{GlosEndB}} |
<!--Das war's--> | <!--Das war's--> |
Aktuelle Version vom 8. August 2023, 16:52 Uhr
Unterpunkt zu: Bildverwendungstypen
English Version: Image in reflective use
Die reflexive Verwendung von ZeichenhandlungenAlle Zeichen oder allgemeiner alle kommunikativen und damit medialen Handlungen können außer zu ihren eigentlichen (direkten) Verwendungszwecken nicht nur zu symbolisch erweiterten Kommunikationshandlungen (metaphorische Verwendungsweisen) herangezogen werden: Sie können darüber hinaus auch dazu benutzt werden, um auf Aspekte von Kommunikationshandlungen eben dieses Typs selbst aufmerksam zu machen. Wegen dieses Rückbezugs auf die durchgeführte Kommunikationshandlung selbst wird diese Verwendungsweise die reflexive Verwendung einer Kommunikationshandlung genannt. Zu ihr zählen zum Zwecke des Lehrens vorgeführte Beispielhandlungen, durch die auf mehr oder weniger alle Ausführungsaspekte aufmerksam gemacht werden kann, ebenso wie anführende Verwendungen, bei denen etwa gezielt ganz bestimmte Bedingungen für das Erzeugen eines entsprechenden Zeichenträgers in den Blick gerückt werden (sollen).[1] Sprechakttheorie - Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen) soll ja nicht mitgeteilt oder behauptet werden, was üblicherweise unter normalen Verwendungsbedingungen mit dem Äußern jenes Satzes mitgeteilt oder behauptet wird.[2] Vielmehr dient seine Äußerung hier als ein Beispiel für das Äußern von Sätzen als solches und für ein damit typischerweise verbundenes mentales Phänomen (dass man nämlich mit der Äußerung etwas meint). Prinzipiell besteht eine enge begriffliche Beziehung zwischen reflexiven Verwendungen und der Exemplifikation. Allerdings wird letztere in der Regel vorwiegend als positive Exemplifikation verstanden: Die exemplifizierende Handlung weist selbst den als Beispiel demonstrierten Aspekt auf. Die reflexive Zeichenverwendung umfasst aber auch Fälle von negativer Exemplifikation: So kann mit einer Zeichenverwendung beispielsweise durch Abwesenheit auf das Fehlen bestimmter für Zeichenhandlungen dieses Typs normalerweise wichtiger oder unumgänglicher Aspekte hingewiesen werden. Aus diesem Grund auch kann bei scheiternder Kommunikation eine Reinterpretation als reflexiv gemeinte Verwendung dazu benutzt werden, den oder die Fehler in der Kommunikationshandlung auf der Metaebene zu erkennen (und evt. zu überspielen).[3]
Bilder in reflexiver VerwendungDa alle kommunikativen bzw. medialen Handlungen reflexiv verwendet werden können, muss dieser Verwendungstyp auch für den – als mediale Handlung verstandenen – Bildgebrauch auftreten. Tatsächlich wird man Bildzitate oder auf andere Weise angeführte Bilder sinnvoller Weise als reflexive Bildverwendungen analysieren, wird dabei doch gerade auf Aspekte der jeweiligen (direkten, symbolisch erweiterten oder sogar bereits reflexiv verwendeten) Bildverwendung selbst aufmerksam gemacht, ganz so, wie es die Definition der reflexiven Verwendungsweise fordert. Typische Beispiele sind auch hier in Lehrbüchern verwendete Bilder, mit denen auf bestimmte Gesichtspunkte des Erzeugens und Rezipierens von Bildern im Sinne einer positiven Exemplifikation aufmerksam gemacht werden soll: Wenn etwa in einem Lehrbuch zur Gestaltungslehre ein Bild mit einem besonders auffälligen ›bildbestimmenden Punkt‹ dazu benutzt wird, den Begriff des »bildbestimmenden Punkts« zu thematisieren oder ein Bild mit besonders augenfälligen Gestaltgruppierungen als Exempel für Gestaltgesetze beim visuellen Wahrnehmen. Auch das häufige Auftreten von Bildern einer bestimmten Art von Teekanne – der vielzitierte «Utah Tea Pot» – in Lehrbüchern zur Computergraphik ist entsprechend nicht so zu interpretieren, dass Teekannen dieser Art ein fast unentbehrliches Utensil zum Betreiben von Computergraphik darstellten. Vielmehr wird hier an einem standardisierten (wenn auch virtuellen) Objekt auf die Auswirkungen bestimmter Variationen am Erzeugungsprozess solcher Bilder fokussiert (Abb. 1).[4] Negative Exemplifikation ist ebenfalls bei reflexiv verwendeten Bildern möglich und tritt auch nicht selten auf: Das Brechen mit einer Erwartungshaltung dient als Verweis eben auf die Bedeutung dieser Erwartungshaltung als Teil des “normalen” medialen Verwendungszusammenhangs. Entsprechend können selbst monochrome Flächen über den reflexiven Verwendungsmodus als Bilder mit negativer Exemplifikation analysiert werden: Mit ihnen kann auf alles aufmerksam gemacht werden, was ihnen gerade gegenüber einem “normalen” Bild fehlt.[5] Auch die Wirkung bestimmter Vexierbilder kann analysiert werden als ein Kommunikationsversuch mit einem Bild, der zunächst fehlschlägt. Erst die reflexive Verwendung des Bildes als eine Strategie zum Erkennen und Beheben des medialen Fehlers liefert Hinweise, was bei diesem Bildgebrauch fehlt. Diese Einsicht kann dazu genutzt werden, das Bild doch noch – auf andere Weise – zu verstehen. Das in der Wahrnehmungspsychologie sehr bekannte «Bild eines Dalmatiners» (Abb. 2) funktioniert ganz in diesem Sinn.[6] Offensichtlich sind im Prinzip sämtliche theoretisch als an der Bildverwendung beteiligt verstandenen Faktoren auch Kandidaten für eine positive oder negative Exemplifikation bei einem reflexiv verwendeten Bild, insbesondere alle durch zeichen-, medien- und wahrnehmungstheoretische Begriffe gefassten Teilphänomene des Bildgebrauchs.
Mediale Auswirkungen der reflexiven BildverwendungDer reflexive Bildgebrauch hat gegenüber der “direkten” Verwendung (⊳ immersiver Modus) spezifische Folgen: Besonders hervorzuheben ist, dass die reflexive Verwendung in der Regel die “normalen” Verwendungsbedingungen des Bildes zwar voraussetzt, sie aber zugleich (teilweise) außer Kraft setzt. Wie am obigen Beispiel der «Utah Tea Pot»-Bilder in der Computergraphik bereits angedeutet, treten die semantischen Aspekte gegenüber den Normalverwendungen oft stark zurück: Es kommt nun nicht mehr darauf an, was mit dem Bild normalerweise zu sehen gegeben wird – etwa eine Teekanne. Der übliche semantische Gehalt ist nur noch einer von unendlich vielen anderen ebenfalls möglichen, die alle als Träger einer ganz anderen Botschaft dienen könnten, um die es jetzt tatsächlich geht, nämlich dass man mit dieser oder jener Ausprägung eines computergraphischen Verfahrens ein solches Bild erhält.[7] Ein derartiges Abschirmen des eigentlichen semantischen Gehalts ist auch von Zitaten und Anführungen in anderen Medien bzw. Zeichensystemen bekannt. Tatsächlich handelt es sich um eine spezielle Ausprägung eines allgemeineren Zurücktretens der normalen pragmatischen Aspekte in der reflexiven gegenüber der nicht reflexiven Verwendung. Wer etwa ein Versprechen nur zitiert ist in der Regel keineswegs bereit, für dessen Einhalten einzustehen – etwas, das zu den normalen Verwendungsbedingungen des Versprechens gehört. Als bildliches Äquivalent mag folgendes Beispiel dienen: Vergleichen wir das Bild einer Überwachungskamera einerseits in normaler Nutzung und andererseits in reflexiver Verwendung, etwa im Katalog des Herstellers des Überwachungssystems. Im ersten Fall gehört es zu den normalen Anwendungsbedingungen, dass der Bildnutzer seine Aufmerksamkeit mit dem Bild auf die Situation vor der Kamera richtet und entsprechend auf die im Bild zu sehende Szene reagiert. Nichts dergleichen trifft zu, wenn mit eben dem Bildträger im Katalog für das Überwachungssystem geworben – und damit auf bestimmte Aspekte der Entstehung und normalen Verwendung des Bildes aufmerksam gemacht – werden soll. Das Ausschalten der normalen pragmatischen Zusammenhänge liegt insbesondere daran, dass bei reflexiven Verwendungen auch die Bildverwender selbst nicht nur einfach Akteure einer Kommunikationshandlung sind, sondern sich bei dieser Handlung selbst als Kommunizierende in den Blick nehmen (⊳ Bildrezeption als Kommunikationsprozess). Damit verwendet auch der, der ein ganz bestimmtes Bild etwa von Picasso als einen ‘typischen Picasso’ betrachtet, dieses Bild bereits in reflexiver Weise. Gleiches gilt für denjenigen, der einem Bild als Beobachter seines Betrachtens des Bildes gegenübertritt. Auch er fokussiert mit diesem Bildgebrauch auf einen bestimmten Aspekt des unreflexiven Bildgebrauchs. Die tatsächlich vollzogene Kommunikationshandlung unterscheidet sich also deutlich vom direkten Bildgebrauch mit der Konsequenz, dass auch ganz andere pragmatische Regeln zu befolgen sind. Der reflexive Gebrauch eines Zeichens kann selbst auf reflexive Weise verwendet werden. Das haben wir beispielsweise in diesem Text getan, wenn wir Beispiele reflexiver Verwendung angeführt haben. Der potenziert reflexive Gebrauch tritt im Alltag eher selten auf, könnte allerdings im Bereich der Kunstkritik eine gewisse Rolle spielen.
Zusammenhänge mit anderen BegriffenDas reflexiv verwendete Bild und die Selbstreferentialität des Materials: Gelegentlich begegnet uns vor allem im Kontext ungegenständlicher Bilder aber auch im Rahmen der Referenzdiskussion digitaler Medien die Formulierung, solche Bilder seien selbstreferentiell, sie verwiesen nur noch auf ihre eigene Materialität. Diese Rede von der Selbstreferentialität des Materials steht in engem Zusammenhang mit reflexiven Bildverwendungen, mit denen auf (im weiten Sinne) syntaktische Aspekte des betrachteten Bildes oder auch allgemeiner seines Bildtyps aufmerksam gemacht wird (⊳ Materialität und Bildsyntax). Die Besonderheit ungegenständlicher Bilder – etwa monochrome Flächen, abstrakte Ornamente – besteht insbesondere darin, dass sie keine (offensichtliche) semantische Dimension zu haben scheinen. Geht man davon aus, dass Bilder normalerweise (d.h. wenn sie zur direkten Verwendung gedacht sind) eine mehr oder weniger direkt ersichtliche oder über eine Legende beigelegte Bedeutung haben, sollte dieser Bruch mit einer Kommunikationserwartung den Wechsel zur reflexiven Verwendung auslösen. So liegt die These nahe, dass rein ungegenständliche Bilder überhaupt nur in reflexiver Verwendung Bilder sind (⊳ Semantik ungegenständlicher Bilder). Das reflexiv verwendete Bild und die bildende Kunst: Auch für die Unterscheidung zwischen Alltagsbild und künstlerischem Bild scheint der Begriff der reflexiven Verwendung relevant: Zwar können Alltagsbilder, wie alle Bilder, auch reflexiv verwendet werden; bei den Bildern der bildenden Kunst scheint hingegen der reflexive Gebrauch die Norm, da hier in der Begegnung mit dem Bild immer zugleich die Aufmerksamkeit auf Aspekte seiner Herstellung, Materialität oder Wirkung gerichtet wird. Allenfalls kommen potenziert reflexive Verwendungsweisen hinzu.[8] Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. Berlin: Berlin University Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 252) – handelt es sich durchweg um reflexiv verwendete Bilder, soll sich doch bei diesen Bildern die Bildhaftigkeit auf besonders hervorgehobene Weise zeigen bzw. genauer: aufzeigen lassen. Wenn aber ein Bild dazu verwendet wird, um unter anderem auf das aufmerksam zu machen, was Bilder (allgemein oder einer bestimmten Sorte) auszeichnet, dann werden sie offensichtlich reflexiv verwendet. Das reflexiv verwendete Bild und die Identität bildhafter Zeichen: Schließlich ist zu fragen, ob es tatsächlich sinnvoll ist, von einem Bild zu sagen, es könne direkt oder reflexiv (sogar auf verschiedenen Stufen der Reflexivität) verwendet werden oder ob mit den verschiedenen Verwendungsweisen desselben Bildträgers durchaus unterschiedliche Bilder konstituiert werden. Immerhin entspricht ersteres eher unserer alltäglichen Sprachpraxis. Doch haben sich in der Theoriebildung durchaus verschiedene Meinungen etabliert (⊳ Identität bildhafter Zeichen und Identitätskriterien für Bildträger). Siehe auch:
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Anmerkungen
[Boehm 2007a]: Boehm, Gottfried (2007). Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. Berlin: Berlin University Press.
[Derrida 1988a]: Derrida, Jacques (1988). Signatur Ereignis Kontext. In: Derrida, J. (Hg.): Randgänge der Philosophie. Wien: Passagen, S. 291-314. [Searle 1971a]: Searle, John R. (1971). Sprechakttheorie - Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [38], Emilia Didier [8] und Rainer Totzke [3] — (Hinweis) Zitierhinweis: in Literatursammlung. Eintrag in Sammlung zeigen Schirra, Jörg R.J. (2013). Bild in reflexiver Verwendung. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024). |