Bild und Sprache: Unterschied zwischen den Versionen
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Ersetzt man die spekulative(re) Verhältnis­bestim­mung durch eine der Empi­rie nahe oder nähe­re, findet sich eine Reihe von konkre­ten Verknüp­fungen von Bild und Sprache – vgl. da­zu aus­führ­lich und grund­sätz­lich das Lemma «[[Sprach-Bild-Bezüge|Sprach-​Bild-​Be­zü­ge]]»​ –, deren Modi sich locker mit Hilfe der semio­tischen Grundbe­griffe​ [[Pragmatik, Semantik, Syntax|»Seman­tik«,​ »Pragma­tik«​ und​ »Syntak­tik«]]​ ordnen lassen. | Ersetzt man die spekulative(re) Verhältnis­bestim­mung durch eine der Empi­rie nahe oder nähe­re, findet sich eine Reihe von konkre­ten Verknüp­fungen von Bild und Sprache – vgl. da­zu aus­führ­lich und grund­sätz­lich das Lemma «[[Sprach-Bild-Bezüge|Sprach-​Bild-​Be­zü­ge]]»​ –, deren Modi sich locker mit Hilfe der semio­tischen Grundbe­griffe​ [[Pragmatik, Semantik, Syntax|»Seman­tik«,​ »Pragma­tik«​ und​ »Syntak­tik«]]​ ordnen lassen. | ||
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− | * Beim ersten Modus steht die sprachli­che ''Seman­tik'' im Zentrum. Er ist im laufen­den Text bereits stillschwei­gend voraus­gesetzt worden, denn schließlich gibt es sprachli­che Aus­drücke, mit denen wir solche Gegen­stände wie Bilder bezeich­nen. ‘Bild’ ist ''ein'' der­arti­ger Ausdruck, aber er ist im Deutschen keines­wegs der einzi­ge (⊳ [[Bildtermini im modernen Deutsch|Bildter­mini im moder­nen Deutsch]]). Berück­sichti­gen wir in synchro­ner und diachro­ner Perspek­tive unter­schiedli­che Sprachen, stoßen wir erst recht auf eine Vielzahl von Aus­drücken. Dass es mehre­re Aus­drücke für solche Gegen­stände gibt, ist keine ono­masio­logi­sche Trivia­lität, da die Bedeu­tungen dieser Aus­drücke oft in Nuancen vonein­ander abwei­chen. Der Hauptpunkt​ «[[Bildtermini anderer Sprachen|Bildter­mini ande­rer Sprachen]]»​ ist diesen Nuancen gewidmet. | + | * Beim ersten Modus steht die sprachli­che ''Seman­tik'' im Zentrum. Er ist im laufen­den Text bereits stillschwei­gend voraus­gesetzt worden, denn schließlich gibt es sprachli­che Aus­drücke, mit denen wir solche Gegen­stände wie Bilder bezeich­nen. ‘Bild’ ist ''ein'' der­arti­ger Ausdruck, aber er ist im Deutschen keines­wegs der einzi­ge (⊳ [[Bildtermini im modernen Deutsch|Bildter­mini im moder­nen Deutsch]]). Berück­sichti­gen wir in synchro­ner und diachro­ner Perspek­tive unter­schiedli­che Sprachen, stoßen wir erst recht auf eine Vielzahl von Aus­drücken. Dass es mehre­re Aus­drücke für solche Gegen­stände gibt, ist keine ono­masio­logi­sche Trivia­lität, da die Bedeu­tungen dieser Aus­drücke oft in Nuancen vonein­ander abwei­chen. Der Hauptpunkt​ «[[Bildtermini anderer Sprachen|Bildter­mini ande­rer Sprachen]]»​ ist pri­mär diesen Nuancen gewidmet. |
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* Für den zweiten Modus ist vor allem der Aspekt der ''Pragma­tik'' wichtig. Bei Bildern lässt sich wie bei der Sprache eine regel­hafte Einbet­tung in Handlungs­zusam­menhän­ge nachwei­sen; bei eini­gen dieser Handlungs­zusam­menhän­ge – mit Ludwig Wittgen­stein kann man sie „Zeichen­spiele“ nennen – spielen Bilder und Sprache gemein­sam eine Rolle (vgl. <bib id='Scholz 2004a'></bib>: S. 158f). Der Hauptpunkt​ «[[Sprechen über Bilder]]»​ befasst sich vor allem mit metho­dischen Weisen des Sprechens oder (um die Meta­pher aufzu­lösen) auch des Schreibens über Bilder: Wie werden Bilder beschrie­ben, verstan­den oder inter­pretiert?<ref>Wie bei­spiels­wei­se Law­rence Sternes selbst­re­fe­ren­ti­el­ler Ro­man​ «Tris­tram Shan­dy»​ (1759-​1766) zeigt, ist es mög­lich, das Pro­ze­de­re um­zu­keh­ren und sich mit Bil­dern über Spra­che zu äu­ßern: Er stellt die ha­ne­bü­che­nen Ab­schwei­fun­gen in der vor­her­ge­hen­den Nar­ra­ti­on durch Li­nien dar, die Ara­bes­ken glei­chen; vgl. da­zu​ [http://www1.gifu-u.ac.jp/~masaru/TS/vi.140-155.html#narrative_middles «Tris­tram Shan­dy»,​ Buch 6, Kap. 40].</ref> | * Für den zweiten Modus ist vor allem der Aspekt der ''Pragma­tik'' wichtig. Bei Bildern lässt sich wie bei der Sprache eine regel­hafte Einbet­tung in Handlungs­zusam­menhän­ge nachwei­sen; bei eini­gen dieser Handlungs­zusam­menhän­ge – mit Ludwig Wittgen­stein kann man sie „Zeichen­spiele“ nennen – spielen Bilder und Sprache gemein­sam eine Rolle (vgl. <bib id='Scholz 2004a'></bib>: S. 158f). Der Hauptpunkt​ «[[Sprechen über Bilder]]»​ befasst sich vor allem mit metho­dischen Weisen des Sprechens oder (um die Meta­pher aufzu­lösen) auch des Schreibens über Bilder: Wie werden Bilder beschrie­ben, verstan­den oder inter­pretiert?<ref>Wie bei­spiels­wei­se Law­rence Sternes selbst­re­fe­ren­ti­el­ler Ro­man​ «Tris­tram Shan­dy»​ (1759-​1766) zeigt, ist es mög­lich, das Pro­ze­de­re um­zu­keh­ren und sich mit Bil­dern über Spra­che zu äu­ßern: Er stellt die ha­ne­bü­che­nen Ab­schwei­fun­gen in der vor­her­ge­hen­den Nar­ra­ti­on durch Li­nien dar, die Ara­bes­ken glei­chen; vgl. da­zu​ [http://www1.gifu-u.ac.jp/~masaru/TS/vi.140-155.html#narrative_middles «Tris­tram Shan­dy»,​ Buch 6, Kap. 40].</ref> |
Version vom 26. Januar 2014, 10:34 Uhr
Theorieperspektive im Glossar der Bildphilosophie
Die Antwort auf die Frage, welches Verhältnis zwischen Bild und Sprache besteht, ist facettenreich. Ad hoc lässt sich dieser Reichtum dadurch erklären, dass einerseits die Verhältnisbestimmungen eher spekulativ oder eher empirisch begründet und dass andererseits die Relata unterschiedlich abstrakt oder konkret gefasst werden können. In der Anthropologie beispielsweise findet sich eine Spekulation, die dieses Verhältnis als Konkurrenz bestimmt und Bild und Sprache en bloc in Beziehung zu setzen versucht. Hierbei stehen sich zwei Traditionen gegenüber. Die ältere Tradition versteht den Menschen seit Aristoteles als „zoon logon echon“ (ζωον λόγον έχον),[1] als das Sprache (und Vernunft) habende Tier; in ihr spielt das Bild nur eine nachgeordnete Rolle. Die jüngere Tradition sieht mit Hans Jonas im Menschen vor allem den „homo pictor“, den malenden Menschen; hier gilt die Sprache als ein Abgeleitetes, das seinerseits schon die Fähigkeit zu Imagination und Darstellung voraussetzt.[2] Aus einer damit verwandten Perspektive, die die Konkurrenz funktionalistisch fasst, stammen die – weniger spekulativen und konkreteren – Versuche, die Leistungsfähigkeit von Bild und Sprache daran zu messen, inwieweit diese jenes (völlig oder teilweise) ersetzen kann und umgekehrt. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise die Einsicht in die notorischen Probleme von Bildern bei der Darstellung von Negationen entstanden[3] oder das Sprichwort geprägt worden, dass ein Bild mehr sage als tausend Worte. Nebenbei, die Entscheidung darüber, ob das Bild oder die Sprache in der Konkurrenz obsiegt, folgt oft auch handfesten forschungspolitischen Motiven. So wurden in den 1990er Jahren die Schlagworte des „iconic“ oder „pictorial turn“ in Analogie zum älteren „linguistic turn“ nicht zuletzt deshalb ausgerufen, um anstelle der Sprache das Bild als neues (human-)wissenschaftliches Paradigma zu empfehlen.[4] Ersetzt man die spekulative(re) Verhältnisbestimmung durch eine der Empirie nahe oder nähere, findet sich eine Reihe von konkreten Verknüpfungen von Bild und Sprache – vgl. dazu ausführlich und grundsätzlich das Lemma «Sprach-Bild-Bezüge» –, deren Modi sich locker mit Hilfe der semiotischen Grundbegriffe »Semantik«, »Pragmatik« und »Syntaktik« ordnen lassen.
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Hauptpunkte
Anmerkungen
[Jonas 1973a]: Jonas, Hans (1973). Homo pictor. Von der Freiheit des Bildens. In: Jonas, Hans (Hg.): Organismus und Freiheit. Ansätze zu einer philosophischen Biologie. Göttingen: ???, S. 226-257.
[Liebsch 2012a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [38] und Joerg R.J. Schirra [34] — (Hinweis) |