Bildakt-Theorie: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 00:55 Uhr
Unterpunkt zu: Bildtheoretische Ansätze
Bilder in AktionszusammenhängenDie Gründe dafür, dass der Status von Bildern in Aktionszusammenhängen in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt untersucht wird, sie nicht mehr als Epiphänomene, sondern als Akteure oder handlungsstiftende Agenten thematisiert werden, sind vielfältig. Sie liegen in der sich unaufhörlichen steigernden Produktion wie Präsenz von Bildern im Alltag von Menschen und ihrem zunehmenden Einfluss in allen Bereichen privaten und öffentlichen Lebens wie Wissenschaft, Werbung, Presse, Militär, aber auch in der leichteren Zugänglichkeit von Bildern durch das Internet und sich verändernde Möglichkeiten der Bildrecherche für die Wissenschaftler, die sich mit Bildern beschäftigen. Zur Theorie der Sprechakte. Stuttgart: Reclam, orig.: How to do things with Words, 1962. Eintrag in Sammlung zeigen) und «Speech Acts» (vgl. [Searle 1971a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) die Sprechakttheorie begründeten, scheint evident zu sein, und auch die Einführung des Begriffs durch den Dänen Sören Kjörup, der mit «George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures» (vgl. [Kjörup 1974a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) und «Pictorial Speech Acts» (vgl. [Kjörup 1978a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) eine von der Sprachakttheorie ausgehende Bildakttheorie zu begründen versucht, weist auf diesen Ursprung zurück. Phillipe Dubois, der wenig später – 1983 – in «L’Acte Photographique» (vgl. [Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998). Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst. Eintrag in Sammlung zeigen) von ‘image-act’ spricht, stellt seine Analysen der Fotografie ebenfalls in einen pragmatischen Kontext, beruft sich jedoch auf Charles Sanders Peirce. Einen Bruch mit der sprachpragmatischen Fundierung bildet Horst Bredekamps Versuch einer Neubestimmung, die mit den drei Grundkategorien des schematischen, substitutiven und intrinsischen Bildakts die Aktivität im Bild selbst und nicht im Sprecher oder Betrachter erkennt. Diese Bestimmung erfolgt im Kontext aktueller Verkörperungstheorien.[1]
Agieren mit Bildern und agierende BilderDie Bandbreite dessen, was unter ‘Bildakt’ oder ‘Bildhandeln’ in den verschiedenen Wissenschaften verstanden wird, ist groß; disparat erscheinen die Ansätze, die sich bislang kaum gegenseitig zur Kenntnis genommen haben. Sie reichen von
Um die Vielfalt der Ansätze dennoch zu systematisieren, bietet sich eine grobe Unterteilung in zwei Gruppen an: Zur ersten Gruppe gehören Ansätze, in denen das Wahrnehmungs- und Handlungsgeschehen untersucht wird, das sich zwischen Bild und Betrachter vollzieht. Dazu zählen auch solche Ansätze, die die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern untersuchen und in denen Bilder zu Akteuren werden. Das Bild generiert dabei nicht nur eine eigene handlungsauslösende Realität, es wird selbst zur Tat. Diese Theorien, in denen zumeist der Begriff »Bildakt« verwendet wird, stehen im Zentrum dieses Artikels und werden im folgenden Abschnitt an Beispielen erläutert. Zur zweiten Gruppe gehören semiotisch und pragmatisch orientierte Theorien, die erklären, wie Menschen an und mit Bildern Handlungen vollziehen. In diesen Verwendungsweisen des Ausdrucks ‘Bildhandeln’ werden interpretatorische oder kommunikative Akte bezeichnet, in denen Bildträgern ein Bildstatus zugeschrieben wird, mit Bildern kommunikative Handlungen vollzogen oder sie als Werkzeuge verwendet werden. Handlungstheorien des Bildes. Köln: Halem. Eintrag in Sammlung zeigen).
Spezielle BeispieleFotografie: Philippe DuboisDer fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 19) belebt. Fotos sind „ikonische Akte“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998). Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 19), „arbeitende Bild[er]“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998). Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 19), die in ihrem pragmatischen Zusammenhang, d.h. in ihrer Produktion und Rezeption, betrachtet und nachvollzogen werden müssen. „Mit der Fotografie ist es uns nicht mehr möglich, das Bild außerhalb des Aktes zu denken, der es generiert“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998). Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 19). Um diese These sprachlich zu unterstützen, kreiert Dubois die Wortsynthese ‘Bild-Akt’ bzw. frz. ‘image-act’. Sie drückt aus, dass in der Betrachtung der Fotografie „die übliche Spaltung zwischen dem Produkt (der fertigen Mitteilung) und dem Prozeß (dem generierenden Akt in seinem Vollzug“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998). Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 61) überwunden werden soll. Zum Akt der Erzeugung einer Fotografie zählt Dubois sowohl die Produktion, d.h. den Blick des Fotografen auf das Objekt und den Moment der Aufnahme, als auch die Rezeption, d.h. den Blick des Betrachters und die inhärenten Interpretationsleistungen samt Kontextabhängigkeit. Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 85) Phänomenologische Ansätze: Gottfried Boehm, Eva Schürmann, Bernhard WaldenfelsDie besondere Wirkmächtigkeit von Bildern wird in der phänomenologisch orientierten Rede vom Bildhandeln und der Wirkung von Bildern untersucht, in der das Wahrnehmungsgeschehen von Bildern – mit Maurice Merleau-Ponty formuliert: der vom Gegenstand ausgelöste Wahrnehmungsakt (vgl. [Schürmann 2000a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). Gottfried Boehm spricht von einem „Energiegefälle, das sich zwischen Zeichenhaftigkeit und Impulsivität aufbaut“ ([Boehm 2008a]Boehm, Gottfried (2008). Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz. In Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt, ???. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 37) und das er hermeneutisch aus dem Kontrast zwischen einer „erstarrten Visuellen Setzung“ und dem „Potential ihrer vieldeutigen Lesbarkeit“ ([Boehm 2008a]Boehm, Gottfried (2008). Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz. In Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt, ???. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 38) herleitet. Eva Schürmann verwendet den Begriff des Bildakts im Kontext ihrer Thematisierung von Blick- bzw. Wahrnehmungsakten: „Die Bilder, die ein Ich durch soziales Sichtbarsein und Gesehenwerden herausbildet, stellen insofern Bildakte dar, als sie performativ und prozessual ausgehandelte Selbst- und Weltrelationen hervorbringen.“ Der Blick ist „ein performatives Geschehen, durch das ein Bild gebildet wird – vom Ich, dem anderen, der Situation“ ([Schürmann 2011a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 158). Charakteristisch für die phänomenologischen Ansätze ist eine Aufhebung der klassischen Subjekt-Objekttrennung in der Wahrnehmung, die sowohl produktiv als auch rezeptiv verstanden wird, sowie eine an Maurice Merleau-Ponty orientierte Beschäftigung mit einer vorsymbolischen Wirkung von Bildern, die ihre Zeichenhaftigkeit übersteigt und leiblich empfunden wird. Visual Culture/Visual Studies: W.J.T. MitchellBildtheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, hrsg. von Gustav Frank. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 292). Mitchell geht von dem Faktum aus, dass wir gegenüber Bildern in einer magischen, vormodernen Haltung gefangen sind, denn wir erleben, dass Bilder Reaktionen fordern, provozieren und verführen und somit als Handelnde in einem Aktionszusammenhang anzusehen sind. Er glaubt jedoch nicht, dass Bilder tatsächlich lebendig sind, es sind „quasi-Akteure“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, W.J.T. (2008). Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: Verlag C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 66) – die Vorstellung eines lebendigen Bildes ist seiner Meinung nach eine „unvermeidliche Metapher“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, W.J.T. (2008). Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: Verlag C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 75). Die Frage, „Was will das Bild?“, die er in seinem Essay desselben Titels stellt, hat somit heuristische Funktion und dient dazu, die Wirkung von Bildern, die „Prozesse ausführlich darzulegen, durch die das Leben der Objekte in der menschlichen Erfahrung produziert wird“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, W.J.T. (2008). Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: Verlag C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 48). „Worauf es […] ankommt, ist nicht, als Schlüsselbegriff eine Personifikation des Kunstwerkes einzuführen, sondern unsere Beziehung zu diesem in Frage zu stellen, die Relationalität von Bild und Betrachter zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Die Idee ist, Bilder weniger begreiflich, weniger transparent zu machen; und außerdem die Analyse von Bildern auf Fragen nach Prozessen und Affekten hinzulenken sowie die Rolle des Betrachters in Frage zu stellen.“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, W.J.T. (2008). Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: Verlag C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 69) Kunstgeschichte und Anthropologie: Horst BredekampUnter dem Begriff des Bildakts unterzieht Horst Bredekamp die Abbildtheorie der Bilder einer umfassenden Revision. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen die aktivierende Lebendigkeit von Bildern sowie die These, dass Bilder im Bildakt erzeugen, was sie darstellen. Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 52). Mit der These‚ wonach Bilder das erzeugen, was sie zeigen, wendet sich diese Bildakttheorie in erster Linie gegen die Vorstellung, dass Bilder etwas Vorgängiges abbilden oder repräsentieren. Da Bilder nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv, synästhetisch und kinetisch wirken und daher den kognitiven Kontrollbereich verlassen, entwickelt Bredekamp die Bildakttheorie im Kontext aktueller Verkörperungstheorien. Bildakte, agierende Bilder untersucht Bredekamp im weitesten Bereich der Bildgeschichte, so auch im Bereich der Politik, wo Bilder als „Verbündete oder Verräter politischer Macht“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 14) erscheinen, des Militärs, wo sie „Waffengänge […] steuern oder gar zu ersetzen vermögen“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010). Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 14), und der Wissenschaft, wo sie „durchweg nicht als Darstellungsinstrument, sondern als eigenes Analysemittel eingesetzt werden“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010). Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 14). Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 5). Bredekamps Bildakttheorie zielt auf die „in der Form steckende potentia“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010). Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 55) ab. Visual History: Gerhard PaulIn direktem Anschluss an Horst Bredekamp begreift Gerhard Paul im Rahmen der sich etablierenden Visual History Bilder nicht nur als Quellenmaterial, in dem Geschichte sich dokumentiert, sondern als Agenten, die Geschichte beeinflussen oder schreiben. Angeregt durch die Debatten, die sich anlässlich der Wehrmachtsausstellung des Instituts für Sozialforschung (1995-1999) um die Beweiskraft bzw. Manipulierbarkeit von Bildern entzündet haben, werden diese von den Geschichtswissenschaften zunehmend als Instanzen, die Wahrnehmungsmuster und Sichtweisen prägen, und als „Realität erzeugende Bildakte“ ([Paul 2010a]Literaturangabe fehlt. Siehe auch:
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Anmerkungen
[Austin 1972a]: Austin, John L. (1972). Zur Theorie der Sprechakte. Stuttgart: Reclam, orig.: How to do things with Words, 1962.
[Boehm 2008a]: Boehm, Gottfried (2008). Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz. In: Mersman, Birgit & Spies, Christian (Hg.): Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt. München: Wilhelm Fink, S. ???.
[Bredekamp 2010a]: Bredekamp, Horst (2010). Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
[Dubois 1998a]: Dubois, Philippe (1998). Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst.
[Kjörup 1974a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [20], Mark A. Halawa [14], Dr. Marion Lauschke [5] und Eva Schürmann [1] — (Hinweis) Zitierhinweis: [Lauschke 2013g-a]Literaturangabe fehlt. |