Bildakt-Theorie: Unterschied zwischen den Versionen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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=====Darstellung des gr. Zusammenhangs=====
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=====Bilder in Aktionszusammenhängen=====
  
 
Die Gründe dafür, dass der Status von Bildern in Aktionszusammenhängen in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt untersucht wird, sie nicht mehr als Epiphänomene, sondern als Akteure oder handlungsstiftende Agenten thematisiert werden, sind vielfältig. Sie liegen in der sich unaufhörlichen steigernden Produktion wie Präsenz von Bildern im Alltag von Menschen und ihrem zunehmenden Einfluss in allen Bereichen privaten und öffentlichen Lebens wie Wissenschaft, Werbung, Presse, Militär, aber auch in der leichteren Zugänglichkeit von Bildern durch das Internet und sich verändernde Möglichkeiten der Bildrecherche für die Wissenschaftler, die sich mit Bildern beschäftigen.  
 
Die Gründe dafür, dass der Status von Bildern in Aktionszusammenhängen in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt untersucht wird, sie nicht mehr als Epiphänomene, sondern als Akteure oder handlungsstiftende Agenten thematisiert werden, sind vielfältig. Sie liegen in der sich unaufhörlichen steigernden Produktion wie Präsenz von Bildern im Alltag von Menschen und ihrem zunehmenden Einfluss in allen Bereichen privaten und öffentlichen Lebens wie Wissenschaft, Werbung, Presse, Militär, aber auch in der leichteren Zugänglichkeit von Bildern durch das Internet und sich verändernde Möglichkeiten der Bildrecherche für die Wissenschaftler, die sich mit Bildern beschäftigen.  
  
Die Ableitung des Terminus „Bildakt“ vom sprachpragmatischen Ansatz John Langshaw Austins und seines Schülers John Searle, die mit ''How to Do Things with Words'', Cambridge (Mass.) 1962 u.ö. (deutsch ''Zur Theorie der Sprechakte'', Stuttgart 1972) und ''Speech Acts'', Cambridge 1969 (deutsch ''Sprechakte'', Frankfurt 1983) die Sprechakttheorie begründeten, scheint evident zu sein, und auch die Einführung des Begriffs durch den Dänen Sören Kjörup, der mit ''How to do things with pictures'', 1974 und ''Pictorial speech acts'', 1978, eine von der Sprachakttheorie ausgehende Bildakttheorie zu begründen versucht, weist auf diesen Ursprung zurück. Phillipe Dubois, der wenig später – 1983 – in ''L’Acte photographique'' (deutsch ''Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv'', Amsterdam/Dresden 1998) von „image-act“ spricht, stellt seine Analysen der Photographie ebenfalls in einen pragmatischen Kontext, beruft sich jedoch auf Charles Sanders Peirce.  
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Die Ableitung des Terminus „Bildakt“ vom sprachpragmatischen Ansatz John Langshaw Austins und seines Schülers John Searle, die mit ''How to Do Things with Words'' (vgl. <bib id='Jonas 1972a'></bib>) und ''Speech Acts'' (vgl. <bib id='Searle 1971a'></bib>) die Sprechakttheorie begründeten, scheint evident zu sein, und auch die Einführung des Begriffs durch den Dänen Sören Kjörup, der mit ''George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures'' (vgl. <bib id='Kjörup 1974a'></bib>) und ''Pictorial Speech Acts'' (vgl. <bib id='Kjörup 1978a'></bib>) eine von der Sprachakttheorie ausgehende Bildakttheorie zu begründen versucht, weist auf diesen Ursprung zurück. Phillipe Dubois, der wenig später – 1983 – in ''L’Acte Photographique'' (vgl. <bib id='Dubois 1998a'></bib>) von „image-act“ spricht, stellt seine Analysen der Fotografie ebenfalls in einen pragmatischen Kontext, beruft sich jedoch auf Charles Sanders Peirce.  
  
Einen Bruch mit der sprachpragmatischen Fundierung bildet Horst Bredekamps Versuch einer Neubestimmung die mit den drei Grundkategorien des schematischen, substitutiven und intrinsischen Bildakts, die Aktivität im Bild selbst und nicht im Sprecher oder Betrachter erkennt. Diese Bestimmung erfolgt im Kontext aktueller Verkörperungstheorien (siehe www.bildakt-verkoerperung.de).
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Einen Bruch mit der sprachpragmatischen Fundierung bildet Horst Bredekamps Versuch einer Neubestimmung, die mit den drei Grundkategorien des ''schematischen'', ''substitutiven'' und ''intrinsischen'' Bildakts die Aktivität im Bild selbst und nicht im Sprecher oder Betrachter erkennt. Diese Bestimmung erfolgt im Kontext aktueller Verkörperungstheorien (vgl. www.bildakt-verkoerperung.de).
  
 
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=====Engere Begriffsbestimmung=====
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=====Agieren mit Bildern und agierende Bilder ===
Ob der „Bildakt“ zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits zum „Begriff“ avanciert und damit glossartauglich geworden ist oder vielmehr einen offenen Problemhorizont anzeigt, ist fraglich. Die Bandbreite dessen, was unter „Bildakt“ oder „Bildhandeln“ in den verschiedenen Wissenschaften verstanden wird, ist groß; disparat erscheinen die Ansätze, die sich bislang kaum gegenseitig zur Kenntnis genommen haben. Sie reichen von Interpretations- oder Prädikationsleistungen, durch die Bilder erst zu Bildern werden, über ein Handeln in und mit Bildern, in dem produzierte Bilder nachträglich Werkzeugcharakter erhalten, über eine phänomenologisch orientierte Charakterisierung des Interaktionsgefüge von Rezipient und Bild, in der das Augenmerk auf die „pathischen“ Aspekte der Aufmerksamkeit auf und Wahrnehmung von Bildern gelegt wird, bis zur Annahme eines Handelns der Bilder selbst als Bildakt, durch den Realitäten erzeugt werden.  
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Die Bandbreite dessen, was unter „Bildakt“ oder „Bildhandeln“ in den verschiedenen Wissenschaften verstanden wird, ist groß; disparat erscheinen die Ansätze, die sich bislang kaum gegenseitig zur Kenntnis genommen haben. Sie reichen von  
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1. Interpretations- oder Prädikationsleistungen, durch die Bilder erst zu Bildern werden, über  
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2. ein Handeln in und mit Bildern, in dem produzierte Bilder nachträglich Werkzeugcharakter erhalten, über
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3. eine phänomenologisch orientierte Charakterisierung des Interaktionsgefüge von Rezipient und Bild, in der das Augenmerk auf die „pathischen“ Aspekte der Aufmerksamkeit auf und Wahrnehmung von Bildern gelegt wird, bis  
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4. zur Annahme eines Handelns der Bilder selbst als Bildakt, durch den Realitäten erzeugt werden.  
  
Um die Vielfalt der Ansätze dennoch zu systematisieren, bietet sich eine grobe Unterteilung in zwei Gruppen an:  
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Um die Vielfalt der Ansätze dennoch zu systematisieren, bietet sich eine grobe Unterteilung in zwei Gruppen an: Zur ersten Gruppe gehören Ansätze, in denen das Wahrnehmungs- und Handlungsgeschehen untersucht wird, das sich zwischen Bild und Betrachter vollzieht. Dazu zählen auch solche Ansätze, die die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern untersuchen und in denen Bilder zu Akteuren werden. Das Bild generiert dabei nicht nur eine eigene handlungsauslösende Realität, es wird selbst zur Tat. Diese Theorien, in denen zumeist der Begriff „Bildakt“ verwendet wird, stehen im Zentrum dieses Artikels und werden im folgenden Abschnitt an Beispielen erläutert.
Zur ersten Gruppe gehören Ansätze, in denen das Wahrnehmungs- und Handlungsgeschehen untersucht wird, das sich zwischen Bild und Betrachter vollzieht, bzw. Ansätze, die die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern untersuchen und in denen Bilder zu Akteuren werden. Das Bild generiert dabei nicht nur eine eigene handlungsauslösende Realität, es wird selbst zur Tat. Diese Theorien, in denen zumeist der Begriff „Bildakt“ verwendet wird, stehen im Zentrum des Artikels und werden im folgenden Abschnitt an Beispielen erläutert.
 
  
 
Zur zweiten Gruppe gehören semiotisch und pragmatisch orientierte Theorien, die erklären, wie Menschen an und mit Bildern Handlungen vollziehen. In diesen Verwendungsweisen des Begriffes „Bildhandeln“ werden interpretatorische oder kommunikative Akte bezeichnet, in denen Bildträgern ein Bildstatus zugeschrieben wird, mit Bildern kommunikative Handlungen vollzogen oder sie als Werkzeuge verwendet werden.
 
Zur zweiten Gruppe gehören semiotisch und pragmatisch orientierte Theorien, die erklären, wie Menschen an und mit Bildern Handlungen vollziehen. In diesen Verwendungsweisen des Begriffes „Bildhandeln“ werden interpretatorische oder kommunikative Akte bezeichnet, in denen Bildträgern ein Bildstatus zugeschrieben wird, mit Bildern kommunikative Handlungen vollzogen oder sie als Werkzeuge verwendet werden.
  
Charakteristisch für diese an der Sprachphilosophie orientierten Ansätze ist, dass Bilder als Abbilder betrachtet und zumeist als Zeichen behandelt werden. Ihnen wohnt die Tendenz inne, Bilder mit Propositionen oder Prädikaten zu vergleichen oder ihnen eine sprachunterstützende Funktion, bspw. diejenige, Begriffe zu veranschaulichen, zuzuschreiben. Bilder sind in diesen Theorien keine Handlungssubjekte. Menschen machen, dass Bilder etwas abbilden, indem sie mit ihnen einen Bildakt vollziehen.  Vertreter dieser Richtungen sind z.B. Oliver Scholz oder Klaus Sachs-Hombach. Einen guten Überblick über diese Richtungen gibt Silvia Seja, ''Handlungstheorien des Bildes'', Köln 2009.
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Charakteristisch für diese an der Sprachphilosophie orientierten Ansätze ist, dass Bilder als Abbilder betrachtet und zumeist als Zeichen behandelt werden. Ihnen wohnt die Tendenz inne, Bilder mit Propositionen oder Prädikaten zu vergleichen oder ihnen eine sprachunterstützende Funktion zuzuschreiben (z.B. diejenige, Begriffe zu veranschaulichen). Bilder sind in diesen Theorien keine Handlungssubjekte. Menschen machen, dass Bilder etwas abbilden, indem sie mit ihnen einen Bildakt vollziehen.  Vertreter dieser Richtungen sind z.B. Oliver Scholz oder Klaus Sachs-Hombach. Einen guten Überblick über diese Richtungen gibt Silvia Seja in ihrem Buch „Handlungstheorien des Bildes'' (vgl. <bib id='Seja 2009a'></bib>).
  
 
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'''Fotographie: Philippe Dubois'''
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'''Fotografie: Philippe Dubois'''
  
Für Philippe Dubois sind Fotographien von einer „unwiderstehliche[n], lebendige[n] Kraft“ (Der fotografische Akt, S. 19) belebt. Fotos sind „ikonische Akte“ (S. 19), „arbeitende Bild[er]“ (S. 19), die in ihrem pragmatischen Zusammenhang, d.h. ihrer Produktion und Rezeption betrachtet und nachvollzogen werden müssen. „Mit der Fotographie ist es uns nicht mehr möglich, das Bild außerhalb des Aktes zu denken, der es generiert“ (S. 19). Um dieser These sprachlich zu unterstützen, kreiert Dubois die Wortsynthese Bild-Akt bzw. frz. „image-act“. Sie drückt aus, dass in der Betrachtung der Fotographie „die übliche Spaltung zwischen dem Produkt (der fertigen Mitteilung) und dem Prozeß (dem generierenden Akt in seinem Vollzug“ (S. 61) überwunden werden soll. Zum Akt der Erzeugung einer Fotographie zählt Dubois sowohl die Produktion, d.h. den Blick des Fotographen auf das Objekt und den Moment der Aufnahme, als auch die Rezeption, d.h. den Blick des Betrachters und die inhärenten Interpretationsleistungen samt Kontextabhängigkeit.   
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Für Philippe Dubois sind Fotografien von einer „unwiderstehliche[n], lebendige[n] Kraft“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19) belebt. Fotos sind „ikonische Akte“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19), „arbeitende Bild[er]“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19), die in ihrem pragmatischen Zusammenhang, d.h. in ihrer Produktion und Rezeption, betrachtet und nachvollzogen werden müssen. „Mit der Fotografie ist es uns nicht mehr möglich, das Bild außerhalb des Aktes zu denken, der es generiert“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19). Um diese These sprachlich zu unterstützen, kreiert Dubois die Wortsynthese „Bild-Akt“ bzw. frz. „image-act“. Sie drückt aus, dass in der Betrachtung der Fotografie „die übliche Spaltung zwischen dem Produkt (der fertigen Mitteilung) und dem Prozeß (dem generierenden Akt in seinem Vollzug“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 61) überwunden werden soll. Zum Akt der Erzeugung einer Fotografie zählt Dubois sowohl die Produktion, d.h. den Blick des Fotografen auf das Objekt und den Moment der Aufnahme, als auch die Rezeption, d.h. den Blick des Betrachters und die inhärenten Interpretationsleistungen samt Kontextabhängigkeit.   
In diesem Zusammenhang bezieht sich Dubois auf Charles Peirce’s Differenzierung von Index, Ikon und Symbol und ordnet die Fotographie der Kategorie des Indizes zu, die er auch als Spur oder Symptom versteht, da Fotos aufgrund ihrer chemischen Entstehung materialiter an ihre Referenz gebunden sind und bleiben, zugleich aber räumlich und zeitlich getrennt von ihr als Zeichen existiert. Aus dieser Ambivalenz bezieht die Fotographie ihre Wirkmacht. In den Worten Dubois: „Dieses Geheimnis, diese Kraft, die unterirdisch jenseits des Abbildes […] in der Fotografie am Werk ist […], das ist die pragmatische Ontologie des Index, das, was Barthes als ‚die metonymische Ausdehnung des punctum‘ bezeichnet, die die körperliche Anwesenheit des Objekts oder des einmaligen Wesens selbst noch im Bild wiedergibt. Eine Anwesenheit, die Abwesenheit aussagt.“ (S. 85)
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In diesem Zusammenhang bezieht sich Dubois auf Charles Sanders Peirces Differenzierung von Index, Ikon und Symbol und ordnet die Fotografie der Kategorie der Indizes zu, die er auch als Spur oder Symptom versteht, da Fotos aufgrund ihrer chemischen Entstehung materialiter an ihre Referenz gebunden sind und bleiben, zugleich aber räumlich und zeitlich getrennt von ihr als Zeichen existieren. Aus dieser Ambivalenz bezieht die Fotografie ihre Wirkmacht. In den Worten Dubois: „Dieses Geheimnis, diese Kraft, die unterirdisch jenseits des Abbildes […] in der Fotografie am Werk ist […], das ist die pragmatische Ontologie des Index, das, was Barthes als ‚die metonymische Ausdehnung des punctum‘ bezeichnet, die die körperliche Anwesenheit des Objekts oder des einmaligen Wesens selbst noch im Bild wiedergibt. Eine Anwesenheit, die Abwesenheit aussagt.“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 85)
  
  
 
'''Phänomenologische Ansätze: Gottfried Boehm, Eva Schürmann, Bernhard Waldenfels'''
 
'''Phänomenologische Ansätze: Gottfried Boehm, Eva Schürmann, Bernhard Waldenfels'''
  
Die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern wird in der phänomenologisch orientierten Rede vom Bildhandeln und der Wirkung von Bildern untersucht, in der das Wahrnehmungsgeschehen von Bildern, mit Maurice Merleau-Ponty formuliert: der vom Gegenstand ausgelöste Wahrnehmungsakt (vgl. Eva Schürmann, Erscheinen und Wahrnehmen, S. 26) in den Blick tritt.
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Die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern wird in der phänomenologisch orientierten Rede vom Bildhandeln und der Wirkung von Bildern untersucht, in der das Wahrnehmungsgeschehen von Bildern mit Maurice Merleau-Ponty formuliert: der vom Gegenstand ausgelöste Wahrnehmungsakt (vgl. <bib id='Schürmann 2000a'></bib>: S. 26) in den Blick tritt.  
Bernhard Waldenfels thematisiert die Bildwirkung  als Affektion, die der Bildwahrnehmung inhärent ist und als Beunruhigung erfahren wird (vgl. Bernhard Waldenfels, Von der Wirkmacht der Bilder). Gottfried Boehm spricht von einem „Energiegefälle, das sich zwischen Zeichenhaftigkeit und Impulsivität aufbaut“ (Gottfried Boehm, Augenmaß, S. 37) und das er hermeneutisch aus dem Kontrast zwischen einer „erstarrten Visuellen Setzung“ und dem „Potential ihrer vieldeutigen Lesbarkeit“ (38) herleitetet. Eva Schürmann verwendet den Begriff des Bildakts im Kontext ihrer Thematisierung von Blick- bzw. Wahrnehmungsakten: „Die Bilder, die ein Ich durch soziales Sichtbarsein und Gesehenwerden herausbildet, stellen insofern Bildakte dar, als sie performativ und prozessual ausgehandelte Selbst- und Weltrelationen hervorbringen.“ Der Blick ist „ein performatives Geschehen, durch das ein Bild gebildet wird – vom Ich, dem anderen, der Situation“ (Unendliches im Endlichen, S. 3f. [vorläufige Paginierung]). Charakteristisch für die phänomenologischen Ansätze ist eine Aufhebung der klassischen Subjekt-Objekttrennung in der Wahrnehmung, die sowohl produktiv als auch rezeptiv verstanden wird, sowie eine an Maurice Merleau-Ponty orientierte Beschäftigung mit einer vorsymbolischen Wirkung von Bildern, die ihre Zeichenhaftigkeit übersteigt und leiblich empfunden wird.
 
  
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Bernhard Waldenfels thematisiert die Bildwirkung als Affektion, die der Bildwahrnehmung inhärent ist und als Beunruhigung erfahren wird (vgl. <bib id='Waldenfels 2008a'></bib>). Gottfried Boehm spricht von einem „Energiegefälle, das sich zwischen Zeichenhaftigkeit und Impulsivität aufbaut“ (<bib id='Boehm 2008a'></bib>: S. 37) und das er hermeneutisch aus dem Kontrast zwischen einer „erstarrten Visuellen Setzung“ und dem „Potential ihrer vieldeutigen Lesbarkeit“ (<bib id='Boehm 2008a'></bib>: S. 38) herleitetet. Eva Schürmann verwendet den Begriff des Bildakts im Kontext ihrer Thematisierung von Blick- bzw. Wahrnehmungsakten: „Die Bilder, die ein Ich durch soziales Sichtbarsein und Gesehenwerden herausbildet, stellen insofern Bildakte dar, als sie performativ und prozessual ausgehandelte Selbst- und Weltrelationen hervorbringen.“ Der Blick ist „ein performatives Geschehen, durch das ein Bild gebildet wird – vom Ich, dem anderen, der Situation“ (<bib id='Schürmann 2011a'></bib>: S. 158). Charakteristisch für die phänomenologischen Ansätze ist eine Aufhebung der klassischen Subjekt-Objekttrennung in der Wahrnehmung, die sowohl produktiv als auch rezeptiv verstanden wird, sowie eine an Maurice Merleau-Ponty orientierte Beschäftigung mit einer vorsymbolischen Wirkung von Bildern, die ihre Zeichenhaftigkeit übersteigt und leiblich empfunden wird.
  
'''Visual Culture Studies: W.J.T. Mitchell'''
 
  
W.J.T. Mitchell, der als Mitbegründer der Visual Culture Studies gilt, operiert mit der These der Lebendigkeit der Bilder: „Bilder sind nicht einfach passive Wesen […] Sie verändern die Art, in der wir denken, sehen und träumen. Sie funktionieren unsere Erinnerungen und Vorstellungen um, bringen neue Maßstäbe und neue Wünsche in die Welt.“ (Bildtheorie, S. 292) Mitchell geht von dem Faktum aus, dass wir gegenüber Bildern in einer magischen, vormodernen Haltung gefangen sind, denn wir erleben, dass Bilder Reaktionen fordern, provozieren und verführen und somit als Handelnde in einem Aktionszusammenhang anzusehen sind. Er glaubt jedoch nicht, dass Bilder tatsächlich lebendig sind, es sind „quasi-Akteure“(Das Leben der Bilder, S. 66) – die VorstelIung eines lebendigen Bildes ist seiner Meinung nach eine „unvermeidliche Metapher“(ebd., S. 75). Die Frage, „Was wollen Bilder“, die in seinem Essay desselben Titels stellt, hat somit heuristische Funktion und dient dazu, die Wirkung von Bildern, die „Prozesse zu untersuchen, durch die das Leben der Objekte in der menschlichen Erfahrung produziert wird“ (ebd., S. 48). „Worauf es […] ankommt, ist nicht, als Schlüsselbegriff eine Personifikation des Kunstwerkes einzuführen, sondern unsere Beziehung zu diesem in Frage zu stellen, die Relationalität von Bild und Betrachter zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Die Idee ist, Bilder weniger begreiflich, weniger transparent zu machen; und außerdem die Analyse von Bildern auf Fragen nach Prozessen und Affekten hinzulenken sowie die Rolle des Betrachters in Frage zu stellen.“ (Ebd., S. 69)
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'''Visual Culture/Visual Studies: W.J.T. Mitchell'''
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W.J.T. Mitchell, der als Mitbegründer der Visual Culture bzw. Visual Studies gilt, operiert mit der These der Lebendigkeit der Bilder: „Bilder sind nicht einfach passive Wesen […]. Sie verändern die Art, in der wir denken, sehen und träumen. Sie funktionieren unsere Erinnerungen und Vorstellungen um, bringen neue Maßstäbe und neue Wünsche in die Welt.“ (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 292) Mitchell geht von dem Faktum aus, dass wir gegenüber Bildern in einer magischen, vormodernen Haltung gefangen sind, denn wir erleben, dass Bilder Reaktionen fordern, provozieren und verführen und somit als Handelnde in einem Aktionszusammenhang anzusehen sind. Er glaubt jedoch nicht, dass Bilder tatsächlich lebendig sind, es sind „quasi-Akteure“(<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 66) – die Vorstellung eines lebendigen Bildes ist seiner Meinung nach eine „unvermeidliche Metapher“(<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 75). Die Frage, „Was will das Bild?“, die er in seinem Essay desselben Titels stellt, hat somit heuristische Funktion und dient dazu, die Wirkung von Bildern, die „Prozesse ausführlich darzulegen, durch die das Leben der Objekte in der menschlichen Erfahrung produziert wird“ (<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 48). „Worauf es […] ankommt, ist nicht, als Schlüsselbegriff eine Personifikation des Kunstwerkes einzuführen, sondern unsere Beziehung zu diesem in Frage zu stellen, die ''Relationalität'' von Bild und Betrachter zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Die Idee ist, Bilder weniger begreiflich, weniger transparent zu machen; und außerdem die Analyse von Bildern auf Fragen nach Prozessen und Affekten hinzulenken sowie die Rolle des Betrachters in Frage zu stellen.“ (<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 69)
  
  
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Unter dem Begriff des Bildakts unterzieht Horst Bredekamp die Abbildtheorie der Bilder einer umfassenden Revision. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen die aktivierende Lebendigkeit von Bildern sowie die These, dass Bilder im Bildakt erzeugen, was sie darstellen.  
 
Unter dem Begriff des Bildakts unterzieht Horst Bredekamp die Abbildtheorie der Bilder einer umfassenden Revision. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen die aktivierende Lebendigkeit von Bildern sowie die These, dass Bilder im Bildakt erzeugen, was sie darstellen.  
Im Unterschied zur semiotisch bzw. pragmatisch orientieren Theorie des Bildhandelns sind es hier nicht die Bilder erzeugenden und einsetzenden Personen, die Bildakte vollziehen, sondern die Bilder selbst, denen eine energetische oder generative Kraft innewohnt. „Unter Bildakt soll eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln verstanden werden, die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Menschen geschieht.“ (Theorie des Bildakts, S. 23 [vorläufige Paginierung])
 
Mit der These: Bilder erzeugen das, was sie zeigen, wendet sich diese Bildakttheorie in erster Linie gegen die Vorstellung, dass Bilder etwas Vorgängiges abbilden oder repräsentieren. Da Bilder nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv, synästhetisch und kinetisch wirken und daher den kognitiven Kontrollbereich verlassen, entwickelt Bredekamp die Bildakttheorie im Kontext aktueller Verkörperungstheorien.
 
Bildakte, agierende Bilder untersucht Bredekamp im weitesten Bereich Bildgeschichte, so auch im Bereich der Politik, wo Bilder als „Verbündete oder Verräter politischer Macht“ (S. 2) erscheinen,  des Militärs wo sie „Waffengänge […] steuern oder gar zu ersetzen vermögen“ (S. 2), und der Wissenschaft, wo sie „durchweg nicht als Darstellungsinstrument, sondern als eigenes Analysemittel eingesetzt werden“(S. 3).
 
Ebenso wie Dubois, bringt Bredekamp die Wirkmacht von Bildern mit ihrer materiellen Gegenständlichkeit in Verbindung: Allein die physische Präsenz birgt jene „aristotelische enargeia, die in jedem Artefakt eine Energiequelle wähnt, die dem Werk erlaubt, zu einer wirkenden Kraft zu werden“ (S.5) Bredekamps Bildakttheorie zielt auf die „in der Form steckenden Kraft“ (S. 24) ab.
 
  
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Im Unterschied zur semiotisch bzw. pragmatisch orientieren Theorie des Bildhandelns sind es hier nicht die Bilder erzeugenden und einsetzenden Personen, die Bildakte vollziehen, sondern die Bilder selbst, denen eine energetische oder generative Kraft innewohnt. Unter „Bildakt“ versteht Bredekamp „eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln […] die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Gegenüber entsteht“. (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 52
  
'''Visual History: Gerhard Paul'''
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Mit der These‚ wonach Bilder das erzeugen, was sie zeigen, wendet sich diese Bildakttheorie in erster Linie gegen die Vorstellung, dass Bilder etwas Vorgängiges abbilden oder repräsentieren. Da Bilder nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv, synästhetisch und kinetisch wirken und daher den kognitiven Kontrollbereich verlassen, entwickelt Bredekamp die Bildakttheorie im Kontext aktueller Verkörperungstheorien.
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Bildakte, agierende Bilder untersucht Bredekamp im weitesten Bereich der Bildgeschichte, so auch im Bereich der Politik, wo Bilder als „Verbündete oder Verräter politischer Macht“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14 erscheinen, des Militärs, wo sie „Waffengänge […] steuern oder gar zu ersetzen vermögen“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14), und der Wissenschaft, wo sie „durchweg nicht als Darstellungsinstrument, sondern als eigenes Analysemittel eingesetzt werden“(<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14.
  
In direktem Anschluss an Horst Bredekamp begreift Gerhard Paul im Rahmen der sich etablierenden Visual History Bilder nicht nur als Quellenmaterial, in dem Geschichte sich dokumentiert, sondern als Agenten, die Geschichte beeinflussen oder schreiben. Angeregt durch die Debatten, die sich anlässlich der Wehrmachtsausstellung des Instituts für Sozialforschung (1995-1999) um die Beweiskraft bzw. Manipulierbarkeit von Bildern entzündet haben, werden diese von den Geschichtswissenschaften zunehmend als Instanzen, die Wahrnehmungsmuster und Sichtweisen prägen, und als „Realität erzeugende Bildakte“ (Visual History, S. 12) betrachtet. „Für die Analyse und den Umgang mit Bildern bedeutet das“, so Gerhard Paul, „diese auch als Aktiva ernster zu nehmen: […] als Medien der Geschichts- und Erinnerungspolitik, die eine bestimmte Deutung von Geschichte generieren und transportieren, als Medien der kommerziellen Reklame, der politischen Propaganda und der Herrschaftssicherung sowie schließlich als Medium kollektiver Identitätsbildung, über die soziale und politische Kollektive ihre Identität herausbilden und abzusichern versuchen.“ (Ebd., S. 8) Wie Bredekamp betrachtet auch Paul Bilder, deren Reichweite im medialen Zeitalter potentiell unbegrenzt ist, als integrale Bestandteile politischer und militärischer Strategien. Visual History nimmt auch diese Bildakte, in denen die Dokumentation zum eigentlichen Ziel der Aktion wird, in den Blick.  
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Ebenso wie Dubois bringt Bredekamp die Wirkmacht von Bildern mit ihrer materiellen Gegenständlichkeit in Verbindung: Allein die physische Präsenz birgt jene „aristotelische enargeia, die in jedem Artefakt eine Energiequelle wähnt, die dem Werk erlaubt, zu einer wirkenden Kraft zu werden“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 5). Bredekamps Bildakttheorie zielt auf die „in der Form steckende potentia“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 55 ab.
  
  
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'''Visual History: Gerhard Paul'''
  
Literatur:
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In direktem Anschluss an Horst Bredekamp begreift Gerhard Paul im Rahmen der sich etablierenden ''Visual History'' Bilder nicht nur als Quellenmaterial, in dem Geschichte sich dokumentiert, sondern als Agenten, die Geschichte beeinflussen oder schreiben. Angeregt durch die Debatten, die sich anlässlich der Wehrmachtsausstellung des Instituts für Sozialforschung (1995-1999) um die Beweiskraft bzw. Manipulierbarkeit von Bildern entzündet haben, werden diese von den Geschichtswissenschaften zunehmend als Instanzen, die Wahrnehmungsmuster und Sichtweisen prägen, und als „Realität erzeugende Bildakte“ (<bib id='Paul 2010a'></bib>: S. 15) betrachtet. „Für die Analyse und den Umgang mit Bildern bedeutet das“, so Gerhard Paul, „diese auch als Aktiva ernster zu nehmen: […] als Medien der Geschichts- und Erinnerungspolitik, die eine bestimmte Deutung von Geschichte generieren und transportieren, als Medien der kommerziellen Reklame, der politischen Propaganda und der Herrschaftssicherung sowie schließlich als Medium kollektiver Identitätsbildung, über die soziale und politische Kollektive ihre Identität herausbilden und abzusichern versuchen.“ (<bib id='Paul 2010a'></bib>: S. 10) Wie Bredekamp betrachtet auch Paul Bilder, deren Reichweite im medialen Zeitalter potenziell unbegrenzt ist, als integrale Bestandteile politischer und militärischer Strategien. Visual History nimmt auch diese Bildakte, in denen die Dokumentation zum eigentlichen Ziel der Aktion wird, in den Blick.  
 
 
- Gottfried Boehm, Wie Bilder Sinner erzeugen – Die Macht des Zeigens, Berlin 2007.
 
- Gottfried Boehm u.a. (Hg.), Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt, München 2008.
 
- Horst Bredekamp, Schlussvortrag: BILD – AKT – GESCHICHTE, in: Geschichtsbilder. 46. Deutscher Historikertag vom 19.-22. September 2006 in Konstanz. Berichtsband, Konstanz 2007, S. 289-309 .
 
- Horst Bredekamp, Bildakte als Zeugnis und Urteil, in: Monika Flacke (Hrsg.), Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen, Mainz 2004, S. 29-66.
 
- Horst Bredekamp, Theorie des Bildakts, Frankfurt 2010, im Erscheinen.
 
- W.J.T. Mitchell, Bildtheorie , Frankfurt 2008.
 
- W.J.T. Mitchell, Das Leben der Bilder: Eine Theorie der visuellen Kultur, München 2008.
 
- Gerhard Paul, Visual History, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11. 2.2010, URL: http://docupedia.de/docupedia/index.php?title=Visual_History&oldid=68958
 
- Eva Schürmann, Erscheinen und Wahrnehmen. Eine vergleichende Studie zur Kunst von James Turrell und der Philosophie Merleau-Pontys, München 2000.
 
- Eva Schürmann, Unendliches im Endlichen. Über einige Gemeinsamkeiten des Gesichter- und Bildersehens, in: Horst Bredekamp/John Michael Krois (Hg.), Sehen und Handeln, Berlin 2011, in Vorbereitung.
 
  
 
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Version vom 1. Oktober 2012, 12:18 Uhr


Unterpunkt zu: Bildtheoretische Ansätze


Bilder in Aktionszusammenhängen

Die Gründe dafür, dass der Status von Bildern in Aktionszusammenhängen in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt untersucht wird, sie nicht mehr als Epiphänomene, sondern als Akteure oder handlungsstiftende Agenten thematisiert werden, sind vielfältig. Sie liegen in der sich unaufhörlichen steigernden Produktion wie Präsenz von Bildern im Alltag von Menschen und ihrem zunehmenden Einfluss in allen Bereichen privaten und öffentlichen Lebens wie Wissenschaft, Werbung, Presse, Militär, aber auch in der leichteren Zugänglichkeit von Bildern durch das Internet und sich verändernde Möglichkeiten der Bildrecherche für die Wissenschaftler, die sich mit Bildern beschäftigen.

Die Ableitung des Terminus „Bildakt“ vom sprachpragmatischen Ansatz John Langshaw Austins und seines Schülers John Searle, die mit How to Do Things with Words (vgl. [Jonas 1972a]Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
) und Speech Acts (vgl. [Searle 1971a]Searle, John R. (1971).
Sprechakttheorie - Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

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) die Sprechakttheorie begründeten, scheint evident zu sein, und auch die Einführung des Begriffs durch den Dänen Sören Kjörup, der mit George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures (vgl. [Kjörup 1974a]Kjörup, Sören (1974).
George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures. In The Monist, 58, 2, 216-235.

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) und Pictorial Speech Acts (vgl. [Kjörup 1978a]Kjörup, Sören (1978).
Pictorial Speech Acts. In Erkenntnis, 12, 1, 55-71.

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) eine von der Sprachakttheorie ausgehende Bildakttheorie zu begründen versucht, weist auf diesen Ursprung zurück. Phillipe Dubois, der wenig später – 1983 – in L’Acte Photographique (vgl. [Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst.

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) von „image-act“ spricht, stellt seine Analysen der Fotografie ebenfalls in einen pragmatischen Kontext, beruft sich jedoch auf Charles Sanders Peirce.

Einen Bruch mit der sprachpragmatischen Fundierung bildet Horst Bredekamps Versuch einer Neubestimmung, die mit den drei Grundkategorien des schematischen, substitutiven und intrinsischen Bildakts die Aktivität im Bild selbst und nicht im Sprecher oder Betrachter erkennt. Diese Bestimmung erfolgt im Kontext aktueller Verkörperungstheorien (vgl. www.bildakt-verkoerperung.de).


==Agieren mit Bildern und agierende Bilder

Die Bandbreite dessen, was unter „Bildakt“ oder „Bildhandeln“ in den verschiedenen Wissenschaften verstanden wird, ist groß; disparat erscheinen die Ansätze, die sich bislang kaum gegenseitig zur Kenntnis genommen haben. Sie reichen von 1. Interpretations- oder Prädikationsleistungen, durch die Bilder erst zu Bildern werden, über 2. ein Handeln in und mit Bildern, in dem produzierte Bilder nachträglich Werkzeugcharakter erhalten, über 3. eine phänomenologisch orientierte Charakterisierung des Interaktionsgefüge von Rezipient und Bild, in der das Augenmerk auf die „pathischen“ Aspekte der Aufmerksamkeit auf und Wahrnehmung von Bildern gelegt wird, bis 4. zur Annahme eines Handelns der Bilder selbst als Bildakt, durch den Realitäten erzeugt werden.

Um die Vielfalt der Ansätze dennoch zu systematisieren, bietet sich eine grobe Unterteilung in zwei Gruppen an: Zur ersten Gruppe gehören Ansätze, in denen das Wahrnehmungs- und Handlungsgeschehen untersucht wird, das sich zwischen Bild und Betrachter vollzieht. Dazu zählen auch solche Ansätze, die die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern untersuchen und in denen Bilder zu Akteuren werden. Das Bild generiert dabei nicht nur eine eigene handlungsauslösende Realität, es wird selbst zur Tat. Diese Theorien, in denen zumeist der Begriff „Bildakt“ verwendet wird, stehen im Zentrum dieses Artikels und werden im folgenden Abschnitt an Beispielen erläutert.

Zur zweiten Gruppe gehören semiotisch und pragmatisch orientierte Theorien, die erklären, wie Menschen an und mit Bildern Handlungen vollziehen. In diesen Verwendungsweisen des Begriffes „Bildhandeln“ werden interpretatorische oder kommunikative Akte bezeichnet, in denen Bildträgern ein Bildstatus zugeschrieben wird, mit Bildern kommunikative Handlungen vollzogen oder sie als Werkzeuge verwendet werden.

Charakteristisch für diese an der Sprachphilosophie orientierten Ansätze ist, dass Bilder als Abbilder betrachtet und zumeist als Zeichen behandelt werden. Ihnen wohnt die Tendenz inne, Bilder mit Propositionen oder Prädikaten zu vergleichen oder ihnen eine sprachunterstützende Funktion zuzuschreiben (z.B. diejenige, Begriffe zu veranschaulichen). Bilder sind in diesen Theorien keine Handlungssubjekte. Menschen machen, dass Bilder etwas abbilden, indem sie mit ihnen einen Bildakt vollziehen. Vertreter dieser Richtungen sind z.B. Oliver Scholz oder Klaus Sachs-Hombach. Einen guten Überblick über diese Richtungen gibt Silvia Seja in ihrem Buch „Handlungstheorien des Bildes (vgl. [Seja 2009a]Seja, Silvia (2009).
Handlungstheorien des Bildes. Köln: Herbert von Halem Verlag.

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).


optional Beispiele

Fotografie: Philippe Dubois

Für Philippe Dubois sind Fotografien von einer „unwiderstehliche[n], lebendige[n] Kraft“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst.

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: S. 19) belebt. Fotos sind „ikonische Akte“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst.

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: S. 19), „arbeitende Bild[er]“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst.

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: S. 19), die in ihrem pragmatischen Zusammenhang, d.h. in ihrer Produktion und Rezeption, betrachtet und nachvollzogen werden müssen. „Mit der Fotografie ist es uns nicht mehr möglich, das Bild außerhalb des Aktes zu denken, der es generiert“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst.

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: S. 19). Um diese These sprachlich zu unterstützen, kreiert Dubois die Wortsynthese „Bild-Akt“ bzw. frz. „image-act“. Sie drückt aus, dass in der Betrachtung der Fotografie „die übliche Spaltung zwischen dem Produkt (der fertigen Mitteilung) und dem Prozeß (dem generierenden Akt in seinem Vollzug“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst.

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: S. 61) überwunden werden soll. Zum Akt der Erzeugung einer Fotografie zählt Dubois sowohl die Produktion, d.h. den Blick des Fotografen auf das Objekt und den Moment der Aufnahme, als auch die Rezeption, d.h. den Blick des Betrachters und die inhärenten Interpretationsleistungen samt Kontextabhängigkeit. In diesem Zusammenhang bezieht sich Dubois auf Charles Sanders Peirces Differenzierung von Index, Ikon und Symbol und ordnet die Fotografie der Kategorie der Indizes zu, die er auch als Spur oder Symptom versteht, da Fotos aufgrund ihrer chemischen Entstehung materialiter an ihre Referenz gebunden sind und bleiben, zugleich aber räumlich und zeitlich getrennt von ihr als Zeichen existieren. Aus dieser Ambivalenz bezieht die Fotografie ihre Wirkmacht. In den Worten Dubois: „Dieses Geheimnis, diese Kraft, die unterirdisch jenseits des Abbildes […] in der Fotografie am Werk ist […], das ist die pragmatische Ontologie des Index, das, was Barthes als ‚die metonymische Ausdehnung des punctum‘ bezeichnet, die die körperliche Anwesenheit des Objekts oder des einmaligen Wesens selbst noch im Bild wiedergibt. Eine Anwesenheit, die Abwesenheit aussagt.“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst.

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: S. 85)


Phänomenologische Ansätze: Gottfried Boehm, Eva Schürmann, Bernhard Waldenfels

Die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern wird in der phänomenologisch orientierten Rede vom Bildhandeln und der Wirkung von Bildern untersucht, in der das Wahrnehmungsgeschehen von Bildern – mit Maurice Merleau-Ponty formuliert: der vom Gegenstand ausgelöste Wahrnehmungsakt (vgl. [Schürmann 2000a]Schürmann, Eva (2000).
Erscheinen und Wahrnehmen. Eine vergleichende Studie zur Kunst von James Turrell und der Philosophie Merleau-Pontys. München: Wilhelm Fink Verlag.

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: S. 26) – in den Blick tritt. Bernhard Waldenfels thematisiert die Bildwirkung als Affektion, die der Bildwahrnehmung inhärent ist und als Beunruhigung erfahren wird (vgl. [Waldenfels 2008a]Waldenfels, Bernhard (2008).
Von der Wirkmacht und Wirkkraft der Bilder.
In Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt, 47-63.

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). Gottfried Boehm spricht von einem „Energiegefälle, das sich zwischen Zeichenhaftigkeit und Impulsivität aufbaut“ ([Boehm 2008a]Boehm, Gottfried (2008).
Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz.
In Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt, 15-43.

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: S. 37) und das er hermeneutisch aus dem Kontrast zwischen einer „erstarrten Visuellen Setzung“ und dem „Potential ihrer vieldeutigen Lesbarkeit“ ([Boehm 2008a]Boehm, Gottfried (2008).
Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz.
In Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt, 15-43.

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: S. 38) herleitetet. Eva Schürmann verwendet den Begriff des Bildakts im Kontext ihrer Thematisierung von Blick- bzw. Wahrnehmungsakten: „Die Bilder, die ein Ich durch soziales Sichtbarsein und Gesehenwerden herausbildet, stellen insofern Bildakte dar, als sie performativ und prozessual ausgehandelte Selbst- und Weltrelationen hervorbringen.“ Der Blick ist „ein performatives Geschehen, durch das ein Bild gebildet wird – vom Ich, dem anderen, der Situation“ ([Schürmann 2011a]Schürmann, Eva (2011).
Unendliches im Endlichen. Über einige Gemeinsamkeiten des Gesichter- und Bildersehens.
In Sehen und Handeln, 155-167, Reihe: Actus et Imago, Bd. 1.

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: S. 158). Charakteristisch für die phänomenologischen Ansätze ist eine Aufhebung der klassischen Subjekt-Objekttrennung in der Wahrnehmung, die sowohl produktiv als auch rezeptiv verstanden wird, sowie eine an Maurice Merleau-Ponty orientierte Beschäftigung mit einer vorsymbolischen Wirkung von Bildern, die ihre Zeichenhaftigkeit übersteigt und leiblich empfunden wird.


Visual Culture/Visual Studies: W.J.T. Mitchell

W.J.T. Mitchell, der als Mitbegründer der Visual Culture bzw. Visual Studies gilt, operiert mit der These der Lebendigkeit der Bilder: „Bilder sind nicht einfach passive Wesen […]. Sie verändern die Art, in der wir denken, sehen und träumen. Sie funktionieren unsere Erinnerungen und Vorstellungen um, bringen neue Maßstäbe und neue Wünsche in die Welt.“ ([Mitchell 2008a]Mitchell, William J. Thomas (2008).
Bildtheorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, hrsg. von Gustav Frank.

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: S. 292) Mitchell geht von dem Faktum aus, dass wir gegenüber Bildern in einer magischen, vormodernen Haltung gefangen sind, denn wir erleben, dass Bilder Reaktionen fordern, provozieren und verführen und somit als Handelnde in einem Aktionszusammenhang anzusehen sind. Er glaubt jedoch nicht, dass Bilder tatsächlich lebendig sind, es sind „quasi-Akteure“([Mitchell 2008b]Mitchell, William J.T. (2008).
Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa.

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: S. 66) – die Vorstellung eines lebendigen Bildes ist seiner Meinung nach eine „unvermeidliche Metapher“([Mitchell 2008b]Mitchell, William J.T. (2008).
Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa.

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: S. 75). Die Frage, „Was will das Bild?“, die er in seinem Essay desselben Titels stellt, hat somit heuristische Funktion und dient dazu, die Wirkung von Bildern, die „Prozesse ausführlich darzulegen, durch die das Leben der Objekte in der menschlichen Erfahrung produziert wird“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, William J.T. (2008).
Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa.

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: S. 48). „Worauf es […] ankommt, ist nicht, als Schlüsselbegriff eine Personifikation des Kunstwerkes einzuführen, sondern unsere Beziehung zu diesem in Frage zu stellen, die Relationalität von Bild und Betrachter zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Die Idee ist, Bilder weniger begreiflich, weniger transparent zu machen; und außerdem die Analyse von Bildern auf Fragen nach Prozessen und Affekten hinzulenken sowie die Rolle des Betrachters in Frage zu stellen.“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, William J.T. (2008).
Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa.

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: S. 69)


Kunstgeschichte und Anthropologie: Horst Bredekamp

Unter dem Begriff des Bildakts unterzieht Horst Bredekamp die Abbildtheorie der Bilder einer umfassenden Revision. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen die aktivierende Lebendigkeit von Bildern sowie die These, dass Bilder im Bildakt erzeugen, was sie darstellen.

Im Unterschied zur semiotisch bzw. pragmatisch orientieren Theorie des Bildhandelns sind es hier nicht die Bilder erzeugenden und einsetzenden Personen, die Bildakte vollziehen, sondern die Bilder selbst, denen eine energetische oder generative Kraft innewohnt. Unter „Bildakt“ versteht Bredekamp „eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln […] die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Gegenüber entsteht“. ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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: S. 52

Mit der These‚ wonach Bilder das erzeugen, was sie zeigen, wendet sich diese Bildakttheorie in erster Linie gegen die Vorstellung, dass Bilder etwas Vorgängiges abbilden oder repräsentieren. Da Bilder nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv, synästhetisch und kinetisch wirken und daher den kognitiven Kontrollbereich verlassen, entwickelt Bredekamp die Bildakttheorie im Kontext aktueller Verkörperungstheorien.

Bildakte, agierende Bilder untersucht Bredekamp im weitesten Bereich der Bildgeschichte, so auch im Bereich der Politik, wo Bilder als „Verbündete oder Verräter politischer Macht“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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: S. 14 erscheinen, des Militärs, wo sie „Waffengänge […] steuern oder gar zu ersetzen vermögen“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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: S. 14), und der Wissenschaft, wo sie „durchweg nicht als Darstellungsinstrument, sondern als eigenes Analysemittel eingesetzt werden“([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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: S. 14. Ebenso wie Dubois bringt Bredekamp die Wirkmacht von Bildern mit ihrer materiellen Gegenständlichkeit in Verbindung: Allein die physische Präsenz birgt jene „aristotelische enargeia, die in jedem Artefakt eine Energiequelle wähnt, die dem Werk erlaubt, zu einer wirkenden Kraft zu werden“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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: S. 5). Bredekamps Bildakttheorie zielt auf die „in der Form steckende potentia“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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: S. 55 ab.


Visual History: Gerhard Paul

In direktem Anschluss an Horst Bredekamp begreift Gerhard Paul im Rahmen der sich etablierenden Visual History Bilder nicht nur als Quellenmaterial, in dem Geschichte sich dokumentiert, sondern als Agenten, die Geschichte beeinflussen oder schreiben. Angeregt durch die Debatten, die sich anlässlich der Wehrmachtsausstellung des Instituts für Sozialforschung (1995-1999) um die Beweiskraft bzw. Manipulierbarkeit von Bildern entzündet haben, werden diese von den Geschichtswissenschaften zunehmend als Instanzen, die Wahrnehmungsmuster und Sichtweisen prägen, und als „Realität erzeugende Bildakte“ ([Paul 2010a]Paul, Gerhard (2010).
Visual History, Version: 1.0. In Docupedia-Zeitgeschichte, 11.

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: S. 15) betrachtet. „Für die Analyse und den Umgang mit Bildern bedeutet das“, so Gerhard Paul, „diese auch als Aktiva ernster zu nehmen: […] als Medien der Geschichts- und Erinnerungspolitik, die eine bestimmte Deutung von Geschichte generieren und transportieren, als Medien der kommerziellen Reklame, der politischen Propaganda und der Herrschaftssicherung sowie schließlich als Medium kollektiver Identitätsbildung, über die soziale und politische Kollektive ihre Identität herausbilden und abzusichern versuchen.“ ([Paul 2010a]Paul, Gerhard (2010).
Visual History, Version: 1.0. In Docupedia-Zeitgeschichte, 11.

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: S. 10) Wie Bredekamp betrachtet auch Paul Bilder, deren Reichweite im medialen Zeitalter potenziell unbegrenzt ist, als integrale Bestandteile politischer und militärischer Strategien. Visual History nimmt auch diese Bildakte, in denen die Dokumentation zum eigentlichen Ziel der Aktion wird, in den Blick.


Auswirkungen auf andere Begriffe


Anmerkungen
Literatur                             [Sammlung]

[Boehm 2008a]: Boehm, Gottfried (2008). Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz. In: Gottfried Boehm, Birgit Mersmann & Christian Spies (Hg.): Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt. München: Wilhelm Fink Verlag, S. 15-43.

[Bredekamp 2010a]: Bredekamp, Horst (2010). Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Frankfurt am Main: Suhrkamp. [Dubois 1998a]: Dubois, Philippe (1998). Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv. Dresden, Amsterdam: Verlag der Kunst. [Jonas 1972a]:
Literaturangabe fehlt.
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- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Kjörup 1974a]: Kjörup, Sören (1974). George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures. The Monist, Band: 58, Nummer: 2, S. 216-235. [Kjörup 1978a]: Kjörup, Sören (1978). Pictorial Speech Acts. Erkenntnis, Band: 12, Nummer: 1, S. 55-71. [Mitchell 2008a]: Mitchell, William J. Thomas (2008). Bildtheorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, hrsg. von Gustav Frank. [Mitchell 2008b]: Mitchell, William J.T. (2008). Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa. [Paul 2010a]: Paul, Gerhard (2010). Visual History, Version: 1.0. Docupedia-Zeitgeschichte, Band: 11. [Schürmann 2000a]: Schürmann, Eva (2000). Erscheinen und Wahrnehmen. Eine vergleichende Studie zur Kunst von James Turrell und der Philosophie Merleau-Pontys. München: Wilhelm Fink Verlag. [Schürmann 2011a]: Schürmann, Eva (2011). Unendliches im Endlichen. Über einige Gemeinsamkeiten des Gesichter- und Bildersehens. In: Horst Bredekamp & John Michael Krois (Hg.): Sehen und Handeln. Berlin: Akademie Verlag, S. 155-167, Reihe: Actus et Imago, Bd. 1. [Searle 1971a]: Searle, John R. (1971). Sprechakttheorie - Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Seja 2009a]: Seja, Silvia (2009). Handlungstheorien des Bildes. Köln: Herbert von Halem Verlag. [Waldenfels 2008a]: Waldenfels, Bernhard (2008). Von der Wirkmacht und Wirkkraft der Bilder. In: Gottfried Boehm, Birgit Mersmann & Christian Spies (Hg.): Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt. München: Wilhelm Fink Verlag, S. 47-63.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Lauschke, Marion

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [20], Mark A. Halawa [14], Dr. Marion Lauschke [5] und Eva Schürmann [1] — (Hinweis)