Bildanthropologie
Unterpunkt zu: Bildtheoretische Ansätze
Der Mensch als animal pictor: Bildkompetenz und die conditio humanaEs hat Tradition, den Menschen als sprachbegabtes Tier zu charakterisieren. Aber auch die merkwürdige Fähigkeit, Bilder zu verwenden, ist, nach allem was wir empirisch wissen, nur dem Menschen eigen. Gibt es begriffliche Gründe für diese empirische Koinzidenz? Ist, anders gefragt, der homo sapiens ganz wesentlich ein animal pictor – ein Wesen, das durch seine Bildkompetenz bestimmt ist? Diese Frage hat bereits Hans Jonas aufgeworfen. Unter dem Titel «Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen» ([Jonas 1961a]) reflektiert er aus phänomenologischer Perspektive über den Stellenwert des Bildvermögens für den Begriff des Menschen. Jonas beginnt seine Überlegungen mit einem Gedankenexperiment zur Frage „Was ist Menschsein?“: Wie könnten, so fragt er, Weltraumforscher erkennen, ob es sich bei Wesen, denen sie auf einer anderen Welt begegnen, um „Menschen“ handelt? Natürlich ist vom Menschen hier nicht im Sinne der biologischen Gattung die Rede, ebenso wenig, wie ja die philosophische Anthropologie mit der empirischen Anthropologie zusammenfällt (vgl. etwa [Tugendhat 2007a]). An welche Symptome lassen sich also Kriterien knüpfen, die, der Charakterisierung »sapiens« entsprechend, bei jenen Wesen auf „Verstehen“, „Geist“, „Kultur“, „Zivilisation“ etc. schließen lassen? Das Vermögen, Bilder zu verwenden, mutet Jonas hierzu als eine besonders günstige Wahl an, da diese Fähigkeit einfacher als etwa das Sprachvermögen zu sein scheint, andererseits aber auch keine graduellen Übergänge zu rein biologisch erklärbaren Phänomenen erkennbar sind, wie sie etwa beim Werkzeuggebrauch auftreten. Würden die Astronauten aus dem Gedankenexperiment in einer Höhle künstlich erzeugte Linien und sonstige Farbkonfigurationen finden, d.h. Artefakte, die sie als Bilder interpretieren, dann wäre, so Jonas, ihre spontane Folgerung, dass es Menschen (im weiten Sinn) waren, die diese Artefakte gemacht haben. Die grundsätzliche Fragestellung, die bildanthropologische Ansätze charakterisiert, richtet sich genau genommen auf den Begriff, den wir uns von Wesen mit der Fähigkeit, Gegenstände als Bilder verwenden zu können, auf sinnvolle und rational kontrollierte Weise bilden können (und sollten; ⊳ Bildlichkeit: Bedingungen und Folgen). Nach Lambert Wiesing ([Wiesing 2005a]) stehen anthropologische Bildtheorien insbesondere neben semiotischen, wahrnehmungstheoretischen und medientheoretischen Ansätzen, wobei der wesentliche Unterschied darin besteht, unter welchen Oberbegriff Bilder gebracht werden. Richteten semiotische Ansätze den Blick auf Bilder als eine besondere Art von Zeichen, wahrnehmungstheoretische Ansätze auf Bilder als Werkzeuge zur Herstellung einer besonderen Art von Gegenständen und medientheoretische Ansätze auf Bilder als eine spezielle Art von Medium, zeichneten sich anthropologische Ansätze vor allem dadurch aus, dass in ihnen Bilder als eine Art von Artefakt verstanden werden, die eine spezifisch-anthropologische Kompetenz erfordern. Wiesing identifiziert diese Kompetenz des homo pictor als die Fähigkeit, sich vom Hier-und-Jetzt lösen zu können, Distanz zur unmittelbaren Umwelt gewinnen zu können.
Weitere VerweiseBildanthropologische Vorschläge wurden insbesondere von A. Leroi-Gourhan [Leroi-Gourhan 1964/65a], V. Flusser [Flusser 1999a], J.-P. Sartre [Sartre 1940a], M. Donald [Donald 1993a], I. Davidson & W. Noble [Davidson & Noble 1989a], H. Belting [Belting 2001a] sowie J. Schirra & K. Sachs-Hombach [Schirra & Sachs-Hombach 2006b] und [Schirra & Sachs-Hombach 2013a] ausgearbeitet. Eine ausführlichere Übersicht zu bildanthropologischen und kulturalistischen Bildtheorien gibt [Halawa & Grabbe 2014a]. |
Anmerkungen
[Belting 2001a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Davidson & Noble 1989a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Donald 1993a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Flusser 1999a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Halawa & Grabbe 2014a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Jonas 1961a]: Jonas, Hans (1961). Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. Zeitschrift für Philosophische Forschung, Band: 15, S. 161–176, Wieder abgedruckt in: Jonas, Hans: Zwischen Nichts und Ewigkeit – Zur Lehre vom Menschen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1987, 26–43. [Leroi-Gourhan 1964/65a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [28] und Emilia Didier [1] — (Hinweis) Zitierhinweis: [Schirra 2013g-e]
[Belting 2001a]: |