Bilder als Zeichen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Theorieperspektive im Glossar der Bildphilosophie


Fragestellung

Die Frage, inwieweit Bilder Zeichen sind, ist eine der umstrit­tensten Fragen der Bild­theorie, denn hier verhan­delt sich, ob allge­meine Zeichen­theorien sinnvoll auf Bilder anzu­wenden sind oder ob eine solche Heran­gehens­weise den Blick auf wesen­tliche Charak­teris­tika von Bildern verstellt (etwa solche Aspek­te, die im Glossar z.T. unter den Rubriken Bild und Wahrneh­mung und Bilder als Medien thema­tisiert werden). Insbe­sonde­re semio­tische Kate­gorien, die wie die struktu­ralis­tischen ihre Herkunft in der Sprachwis­senschaft haben, werden in dieser Hinsicht kriti­siert.[1]

Wo Bilder als Zeichen aufge­fasst werden, stellt sich umge­kehrt die Frage, wie sie sich von ande­ren Arten von Zeichen unter­scheiden. Meist wird hier auf den Unter­schied zwischen Bild und Sprache abge­hoben.[2]

Mit welchen Schwierigkeiten zeichen­theore­tische Bild­ana­lysen sich ausein­ander­setzen müssen, lässt sich an Roland Barthes’ «Rhéto­rique de l’Image» [Barthes 1964b] (Dt. «Rheto­rik des Bildes» [Barthes 1964a]), einer der einfluss­reichsten struktu­ralis­tischen Bild­ana­lysen, nachvoll­ziehen. Barthes beschäf­tigt sich in seinen frühen Schriften mit der Über­tragbar­keit der Saussure­schen Kate­gorien auf unter­schiedlich­ste Berei­che, von der Mode bis zur Speise­karte ([Barthes 1964b]: S. 1501). Dabei ist für ihn weder ausge­macht, dass die Begrif­fe der Lingu­istik bei einer solchen Über­tragung unver­ändert bleiben, noch, dass die Semio­logie sich dem Modell der Lingu­istik immer genau anpas­sen muss – die Semio­logie ist in dieser Zeit eine Wissen­schaft in ihren Anfän­gen, deren genaue Gestalt sich noch heraus­bilden muss ([Barthes 1964b]: S. 1469). Die Bild­ana­lyse ist dabei ein Bereich unter ande­ren, in dem die Begrif­fe der Semio­logie erprobt werden.

In «Rhétorique de l’Image» unter­sucht Barthes eine aus Text- und Bild­ele­menten beste­hende Werbe­anzei­ge. Er ist sich wesent­licher Unter­schiede zwischen Sprache und Bild wohl bewusst, insbe­sonde­re der Schwierig­keit, dass bei Bildern keine wirkli­che doppel­te Arti­kula­tion festzu­machen ist (d.h. keine klare Unter­scheidung zwischen bedeu­tungsun­terschei­denden und bedeu­tungstra­genden Ele­menten; [Barthes 1964b]: S. 1417; ⊳ Morphologie und Syntax). Er versucht aber, die Anwend­barkeit von Beschrei­bungska­tego­rien wie der Unter­scheidung zwischen para­digma­tischen und syntag­mati­schen Rela­tionen sowie zwischen Deno­tation und Konno­tation zu bele­gen. Dabei geht er u.a. auf drei Fragen ein, die mit dem Problem des Zeichen­charak­ters bildli­cher Darstel­lungen zusam­menhän­gen:

  • die Frage, ob es möglich ist, in Bildern einzel­ne Ele­mente zu iso­lieren, sei es bedeu­tungstra­gende oder bedeu­tungsun­terschei­dende, ([Barthes 1964b]: S. 1425)
  • die Frage nach der Natürlichkeit der bildli­chen Darstel­lung im Vergleich zur sprachli­chen ([Barthes 1964b]: S. 1424) und
  • die Frage nach dem mime­tischen Charak­ter der bildli­chen Darstel­lung ([Barthes 1964b]: S. 1424).

Diese drei Fragen, nach der Ana­logi­zität und der Natür­lichkeit von bildli­chen Darstel­lungen sowie nach ihrer Ähnlich­keit mit dem Darge­stellten spielen in der Debat­te um den Zeichen­charak­ter bildli­cher Darstel­lungen einer­seits und die spezi­fische Diffe­renz von Bildzei­chen ande­rerseits immer wieder eine Rolle: Sowohl im Rahmen struktu­ralis­tischer Zeichen­theorien als auch im Ausgang von Goodmans Symbol­theorie und im Ausgang von der Peirce­schen Zeichen­theorie werden sie immer wieder thema­tisiert. Dabei favo­risie­ren die unter­schiedli­chen Theorien z.T. gegen­sätzli­che Antwor­ten[3], die in den Einzel­arti­keln dieser Glossar­sektion thema­tisiert werden.


Aufteilung

Die Aufteilung der Artikel orien­tiert sich an der Termi­nolo­gie von [Sachs-Hombach 2003a]: Er schlägt im Sinne einer Anwen­dung semio­tischer Kate­gorien in der Bild­ana­lyse eine Unter­scheidung zwischen Bild­syntax, Bild­seman­tik und Bild­pragma­tik vor. Aller­dings sind diese Kate­gorien hier allge­meiner zu verste­hen als in ihrem ursprüng­lichen Anwen­dungsbe­reich (⊳ Pragma­tik, Seman­tik, Syntax): Unter ‘Bild­syntax’ wird die „Unter­suchung der forma­len Eigen­schaften“ von Zeichen, der „Bezie­hungen […] inner­halb komple­xer Zeichen sowie zwischen den Zeichen eines Zeichen­systems“ oder die Kombi­nato­rik „ele­menta­re[r] Zeichen“ verstan­den ([Sachs-Hom­bach 2003a]: S. 103). Einer Bild­seman­tik, die sich mit der „deskrip­tiven“ Bedeu­tung von Bildern beschäf­tigt, wird eine Bild­pragma­tik zur Seite gestellt (vgl. [Sachs-Hom­bach 2003a]: S.156), die die Verwen­dung von Bildern in kommu­nika­tiven Kontex­ten unter­sucht.

Anmerkungen
  1. Bei­spiel­haft sind hier [Wie­sing 1998a] und [Böh­me 1999a] zu nen­nen. Ei­ne se­mi­o­ti­sche Ent­geg­nung fin­det sich et­wa in [Nöth 2005a].
  2. Vgl.[El­kins 1999a]: S.84 zu den un­ter­schied­li­chen his­to­ri­schen Va­ri­an­ten die­ses Du­a­lis­mus.
  3. Ei­ne Über­sicht gibt [Sachs-Hom­bach 2003a]: Teil II.
Literatur                             [Sammlung]

[Barthes 1964a]: Barthes, Roland (1990). Rhetorik des Bildes (1964). In: Barthes, Roland (Hg.): Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays III. Frankfurt am Main: Suhrkamp, aus dem Französischen von Hornig, Dieter.

[Barthes 1964b]: Barthes, Roland (1964). Rhétorique de l'image. In: Marty, É. (Hg.): Roland Barthes. Oeuvres Complètes, Band I (1993). Paris: Éditions du Seuil, S. 1417-1429. [Böh­me 1999a]: Böhme, Gernot (1999). Theorie des Bildes. München: Wilhelm Fink. [El­kins 1999a]: Elkins, James (1999). The Domain of Images. Ithaca, London: Cornell University Press. [Nöth 2005a]:
Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Sachs-Hom­bach 2003a]: Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. [Wie­sing 1998a]:
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Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [31], Elisabeth Birk [9] und Klaus Sachs-Hombach [1] — (Hinweis)