Bildhandeln
Unterpunkt zu: Bildpragmatik
Darstellung des gr. ZusammenhangsBilder hängen nicht einfach nur an der Wand, sondern sind auf verschiedene Weisen mit verschiedenen Arten von Handlungen verknüpft bzw. in Handlungsvollzüge eingebettet. Der Terminus ‚Bildhandeln’ fasst die verschiedenen Handlungen zusammen, im Zuge derer Bilder geschaffen, rezipiert oder für diverse (meist kommunikative) Zwecke verwendet werden. Handlungstheorien des Bildes gehen je nach Erkenntnisinteresse von unterschiedlichen Fragestellungen aus und stellen dementsprechend je verschiedene Aspekte des Bildes und der beteiligten Handlungsvollzüge in den Vordergrund. Infolgedessen bieten sich die jeweiligen Ausgangsfragen als Einteilungsgrund für jene Theorien an. In dieser Perspektive lassen sich im Wesentlichen vier (miteinander verbundene) Diskussionsfelder unterscheiden. Erstens wird das Bildschaffen (sowie die Rezeption von Bildern) unter anthropologischem Gesichtspunkt untersucht. Ausgehend von der Annahme, dass Bilder spezifisch menschliche Artefakte sind, wird dabei nach den anthropologischen Möglichkeitsbedingungen des Bildschaffens gefragt. Zweitens wird die Verschiedenheit möglicher kommunikativer Zwecke von Bildern herausgearbeitet. Drittens wird versucht, den Bildstatus und die Bildbedeutung(en) vermittels des Gebrauchs der Bilder zu begründen. Viertens wird der Umgang mit interaktiven Bildern wie Computerspielen, (Computer-)Simulationen oder dem Handeln in virtuellen Realitäten untersucht. Engere Begriffsbestimmung(en)Zur anthropologische Rolle des Bildschaffens – der homo pictorBilder sind Artefakte und verweisen damit immer auf jemanden, der sie geschaffen hat (siehe Artikel Bildherstellung). Gerade in einer anthropologischen Perspektive wird geltend gemacht, dass das Herstellen von Bildern – das ‚Bilden’ – eine spezifisch menschliche Tätigkeit sei und dementsprechend angesichts von Bildern immer auf einen menschlichen Schöpfer dieser Bilder geschlossen werden kann. Einflußreich ist in diesem Zusammenhang Hans Jonas’ Rede vom homo pictor [[Jonas 1963]Literaturangabe fehlt. Bilder als Werkzeuge – die Vielfalt kommunikativer ZweckeDie anthropologische Perspektive begnügt sich mit der Beobachtung, dass überhaupt Bilder hergestellt werden. Artefakte werden aber gewöhnlich zu einem bestimmten Zweck oder ggf. zu bestimmten Zwecken geschaffen. Naheliegendes Beispiel dafür sind Werkzeuge. Zwar kann man sicherlich auch das Production Design eines Hammers, einer Säge usw. bewundern oder verabscheuen, aber üblicherweise beurteilt man derartige Gegenstände danach, inwieweit sie ihren Zweck erfüllen. In Analogie zu Werkzeugen kann man nach den Funktionen oder Zwecken von Bildern fragen. Freilich können (ästhetische) Bilder auch ein Wohlgefallen oder ähnliches auslösen, aber das wäre in dieser Perspektive nur eine Funktion neben anderen. Es lässt sich eine Vielzahl möglicher Funktionen von Bildern ausmachen. Beispielsweise unterscheidet [Doelker 2001a]Literaturangabe fehlt. Ein solches Bildhandeln bezieht sich nicht auf das Bild als physischen Gegenstand, also nicht auf den Bildträger, sondern – in der Terminologie Husserls – auf das Bildobjekt. Dabei wird Husserls Unterscheidung von Bild( träger), Bildobjekt (die bildliche Darstellung) und Bildsujet (dem Referenten) vorausgesetzt [vgl. [Husserl 1980a]Literaturangabe fehlt. Gebrauchsabhängigkeit des Bildstatus und der BildbedeutungDie von der Werkzeuganalogie ausgehenden Ansätze thematisieren gewissermaßen ein nachträgliches Bildhandeln, insofern die Bildfunktionen und der entsprechende Umgang mit Bildern den Bildstatus als gegeben voraussetzen. Im Rahmen eines solchen ‚Pragmatismus des Bildes’ sind nur die nachträglichen Bildhandlungen gebrauchsabhängig. Dagegen gilt der ‚Pragmatik des Bildes’ bereits der Bildstatus selber sowie die Bezugnahme des Bildes auf das Dargestellte als gebrauchsabhängig. Gerade in der analytisch geprägten Bildphilosophie gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, die ausgehend von handlungstheoretischen Sprachphilosophien den Bildstatus und die Bildbedeutung auf spezifische Formen des Bildhandelns zurückführen. In diese Richtung gehen z.B. die Überlegungen Oliver Scholz’, wenn er behauptet: „Ob, wie und was ein Gebilde darstellt, hängt zumindest teilweise davon ab, Menschen mit ihm umgehen.“ [[Scholz 2004a]Scholz, Oliver R. (2004).Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl.. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 139; vgl. auch ebd.: S. 137] Jene Gebrauchs- oder Verwendungsabhängigkeit des Bildes beschreibt Scholz vermittels einer Übertragung von Wittgensteins Sprachspiel-Konzeption auf Bilder: „Bilder sind in Bildspiele, Bildspiele in Lebensformen eingebettet.“ [[Scholz 2004a]Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl.. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 158] Im Anschluss an Wittgenstein betont er die Vielfältigkeit solcher Bildspiele und eine (zumindest weitgehende) Unabhängigkeit der Verwendung von den Eigenschaften des Bildes selber:
Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl.. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 160 ff.]. Abgesehen von Scholz’ regelorientiertem, konventionalistisch gedeutetem Begriff des Bildspiels lassen sich im Wesentlichen drei Ansätze ausmachen, die den Bildstatus und die Bildbedeutung auf den Gebrauch zurückführen. Diese Ansätze unterscheiden sich dahingehend, ob sie dabei (vorrangig) vom (a) Bildrezipienten, vom (b) Bildproduzenten oder von der (c) Kommunikation ausgehen.
Kendall Walton schließt (ähnlich wie Scholz) an Wittgensteins Begriff des Sprachspiels an, wenn er behauptet, dass der Bildstatus sowie die Bedeutung von Bildern davon abhängen, dass wir mit ihnen ‚Bildspiele’ (pictorial games) spielen – wenngleich er sich (anders als Scholz) nicht explizit auf Wittgenstein bezieht. Das Bildspiel im Sinne Waltons zeichnet sich dadurch aus, dass wir so tun als ob, wir vor dem (abgebildeten) Gegenstand selbst ständen.
Für Kendall Walton [[Walton 1973a]Literaturangabe fehlt.
Die kritische Beurteilung von Waltons Ansatz hängt davon ab, wie der ‚Umgang’ mit Bildern gedeutet wird. Deutet man den Umgang wie Steinbrenner primär als ‚Rede über Bilder’, dann ist dieser Umgang intersubjektiv zugänglich und Teil einer sozialen Praxis. Allerdings sind Bilder dann (bis zu einem gewissen Grad) sprachabhängig, insofern Bilder im Rahmen einer solchen Perspektive nur ‚bedeuten’ können, was auch sprachlich formulierbar ist. Deutet man dagegen den ‚Umgang’ mit Bildern als kogntive Akte, wie Seja es Walton unterstellt, dann lässt sich Wittgensteins Privatsprachenargument gegen Waltons Ansatz in Stellung bringen (vgl. [Seja 2009a]Literaturangabe fehlt.
Ansätze, die nicht von der Rezeption, sondern entweder vom Bildproduzenten oder von demjenigen ausgehen, der das Bild ‚ins Spiel bringt’, schließen in der Regel an die Sprechakttheorie Searles an. Ihr Interesse gilt dabei hauptsächlich nicht-verbalen illokutionären Akten, die sie wie Searle (und anders als Austin) intentionalistisch begründen. Zunächst gestattet die Annahme illokutionärer Bildakte eine Erweiterung von ähnlichkeitstheoretischen oder konventionalistischen Bildtheorien um die pragmatische Dimension [vgl. für die Ähnlichkeitstheorie David [Novitz 1977]Literaturangabe fehlt. Auf den ersten Blick scheint sich Novitz mit einer pragmatischen Erweiterung seiner Ähnlichkeitstheorie zu begnügen, während der Bildstatus einzig von seiner Ähnlichkeitstheorie abhängt. Darauf deutet jedenfalls seine Unterscheidung zwischen Bild und Gebrauch des Bildes (picture-use distinction) hin. „To sketch or depict is one thing, to use the sketch another.“ [[Novitz 1977]Literaturangabe fehlt. Die sich in seiner Bild-Gebrauch-Unterscheidung andeutende Unabhängigkeit von Bildstatus und Gebrauch weicht Novitz jedoch immer weiter auf. Zwar begründet Novitz die Abbildungsfunktion und damit den Bildstatus mit der visuellen Ähnlichkeit: „a picture must look like whatever it is a picture of“. ([Novitz 1977]Literaturangabe fehlt. Letztlich führt Novitz sowohl die illokutionären Akte als auch die den Bildstatus konstituierende Ähnlichkeit auf Intentionen zurück. Damit beginnt seine Unterscheidung zwischen Bild und Gebrauch bereits zu schwanken. Sie stürzt endgültig ein, wenn er die bildliche Darstellung (depicting) als intentionale Aktivität (intentional activity) beschreibt [Vgl. [Novitz 1977]Literaturangabe fehlt.
Somit hängt für Novitz letztlich auch der Bildstatus vom Gebrauch ab, wodurch er seine picture-use-Unterscheidung selbst unterläuft. Das bedeutet aber nicht – wie Seja behauptet –, dass damit die „Zuschreibung der illokutionären Rolle des Abbildens mit der Zuschreibung des Bildstatus identisch“ [[Seja 2009a]Literaturangabe fehlt. Indem Novitz und vor allem Kjørup Searles Sprechakttheorie auf Bilder übertragen, übernehmen sie nicht nur dessen Intentionalismus, sondern auch seine Differenzierung von Dimensionen eines Sprechaktes bzw. Bildaktes. Dementsprechend unterscheiden sie den lokutionären Bildakt, den propositionalen Gehalt und den illokutionären Akt voneinander. [vgl. [Kjørup 1978]Literaturangabe fehlt. Für die Zuschreibung verschiedener illokutionärer Akte muss der Bildstatus vorausgesetzt werden. Ausgehend davon wendet Seja [[Seja 2009a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 112 und [Scholz 2004a]Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl.. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 141 ff.]
Sofern die Rezeptionsakte wie auch die Intentionen als private, mentale Zustände konzipiert werden, werfen sie das Problem ihrer intersubjektiven Erkennbarkeit auf. Dieses Problem stellt sich nicht für Ansätze, welche von der Kommunikation als ganzer ausgehen statt von einem ihrer Pole. In eine solche Richtung geht der Ansatz von Matthias Vogel, der Davidsons Modell der Triangulation auf nicht-sprachliche Medien erweitert. Als ›Triangulation‹ bezeichnet Davidson die wechselseitige Interpretation der Handelnden und deren Interaktion mit ihrem Gegenstandsbereich. Die so verstandene Triangulation ist nach Davidson nötig, um Gedanken und Sprache einen spezifischen (propositionalen) Gehalt zu verleihen.
Vogel begreift Davidsons Triangulation als ›basale Spracherwerbssituation‹ und erweitert das Modell, indem er auch nicht-sprachliche Medien integriert (Vgl. hierzu und zum Folgenden [Vogel 2003a]Literaturangabe fehlt. Vogels Adaption des Triangulationsmodells ist offensichtlich zunächst medienunspezifisch. Sein Modell ist weder dazu gedacht noch dazu geeignet, den Bildbegriff zu definieren oder den Bildstatus zu begründen. Zweck des Modells ist die Erläuterung medial vermittelter Kommunikation – unabhängig davon, ob es sich um sprachliche, bildhafte oder sonstige Medien handelt. Dabei setzt Vogel einen handlungstheoretischen Medienbegriff voraus:
Dabei unterscheidet Vogel Medien erster von denen und höherer Ordnung (vgl. [Vogel 2003a]Literaturangabe fehlt. Umgang mit interaktiven Bildern – Probehandlungen und SimulationenComputerspiele, Simulationen und sogenannte virtuelle Realitäten ermöglichen ein Bildhandeln von einer völlig anderen Qualität als die bisher skizzierten Fälle. Sowohl die von Seja als pragmatistisch als auch die als pragmatisch bezeichneten Verwendungen von Bildern lassen die gebrauchten Bilder – sofern sie einmal geschaffen sind – unverändert. Dagegen ermöglichen Computerspiele, Simulationen und virtuelle Realitäten einen interaktiven Umgang mit Bildern. Der Benutzer rezipiert oder interpretiert die Bilder nicht einfach, sondern wirkt verändernd auf sie ein. Entsprechend geht es hierbei auch nicht mehr um statische, sondern um dynamische oder interaktive Bilder (siehe Interaktives Bild). Anders als das traditionelle Tafelbild ermöglichen derartige Bilder eine spezifische ‚Handhabbarkeit’ ([Seja 2009a]Literaturangabe fehlt. Das durch die drei genannten Arten dynamischer Bilder ermöglichte Bildhandeln beschreibt Seja mittels des Freudschen Terminus der ‚Probehandlung’ ([Seja 2009a]Literaturangabe fehlt. Auswirkungen auf andere BegriffeDie verschiedenen Bestimmungen und Arten von Bildhandeln wirken sich auf verschiedene Begriffe aus. So steht der anthropologische Begriff von 'Bilden' in einem engen Zusammenhang mit dem Begriff der Bildherstellung und der Bildkompetenz (Auswirkungen der Bildlichkeit). Das am Werkzeugbegriff orientierte Verständnis von Bildhandeln betrifft die Pragmatik des Bildes. Das Gleiche gilt auch für die Gebrauchstheorien des Bildes. Darüber hinaus wirken sich diese aber auch auf den Bildbegriff selbst aus, insofern sie den Status eines Gegenstandes als Bild von dem Gebrauch des Gegenstandes als Bild abhängig machen. Das Bildhandeln als Umgang mit interaktiven Bildern wie Computerspielen oder Simulationen (Simulation, Simulakrum) wie auch dem Handeln in oder mit virtuellen Realitäten (Virtualität) wirkt sich augenscheinlich auf das Verständnis eben dieser Begriffe bzw. der durch sie bezeichneten Phänomene aus.
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Anmerkungen
[Black 1972]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2001a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bryson 2001a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Davidson 2004a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Doelker 2001a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Husserl 1980a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Jonas 1963]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Kjørup 1978]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Novitz 1977]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Scholz 2004a]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl.. [Seja 2009a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Tobias Schöttler [66], Joerg R.J. Schirra [28], Eva Schürmann [1] und Dimitri Liebsch [1] — (Hinweis) |