Bildlichkeit: Bedingungen und Folgen: Unterschied zwischen den Versionen
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==Bildqualitäten und Nutzerkompetenzen== | ==Bildqualitäten und Nutzerkompetenzen== | ||
− | Bildlichkeit ist vom | + | Bildlichkeit ist vom alltäg­lichen Sprachge­fühl her all das, was unab­dingbar ist, um einen Gegen­stand zum Bild zu erklä­ren. Gegen­stände sind jedoch nicht einfach von sich aus Bilder, sondern werden von jeman­dem als Bilder begrif­fen. Daher sollte die Frage nach der Bildlich­keit genau­er bese­hen lauten: Welche Quali­täten eines als Bild aufge­fassten Gegen­standes erfor­dern welche Kompe­tenzen bei dem Wesen, das den Gegen­stand als Bild begreift? So sind gemein­hin bestimm­te Wahrneh­mungskom­peten­zen vonnö­ten: etwa die, visu­elle Ähnlich­keiten als solche zu erken­nen. Aber auch die Kompe­tenzen zu bestimm­ten Arten kommu­nika­tiv-medi­alen Verhal­tens oder zum Zeichen­gebrauch werden regel­mäßig als konsti­tutiv gese­hen, wie die Gliede­rung dieses Glossars in Theorie­perspek­tiven auch veran­schaulicht. Wie also hängen diese verschie­denen Kompe­tenzen unter­einan­der und mit den für Bilder als charak­teris­tisch einge­stuften Eigen­schaften zusam­men? |
− | ===Der Ausdruck ‘Bildlichkeit’ und die | + | ===Der Ausdruck ‘Bildlichkeit’ und die darun­ter gefass­ten Begrif­fe=== |
− | Es geht um die Klärung der | + | Es geht um die Klärung der begriff­lichen Rela­tionen rund um den Begriff »Bild« und um die Begrün­dungen dieser Zusam­menhän­ge.<ref>Be­griff­li­che Zu­sam­men­hän­ge wer­den nor­ma­ler­wei­se in Form von Be­griffs­be­stim­mun­gen (im Ex­trem­fall et­wa ei­ner De­fi­ni­ti­on) ar­ti­ku­liert; ⊳ [[Prädikation|Prä­di­ka­ti­on]] und [[Proposition|Pro­po­si­ti­on]].</ref> Inso­fern dabei diver­se Vari­anten auftre­ten, handelt es sich auch hier eher um eine ganze Familie von Begrif­fen. |
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+ | Die Sinnhaftigkeit der Zuschrei­bungen von Eigen­schaften von (oder Rela­tion zwischen) Begrif­fen kann nicht einfach empi­risch geprüft werden, weil es sich um die Bestim­mungen der inter­perso­nellen Bezugs­punkte handelt, anhand derer wir die Geltung empi­rischer prädi­kati­ver Äuße­rungen über­haupt erst feststel­len können. Entspre­chend sind recht komple­xe Betrach­tungen zum korrek­ten Aufbau von Begrif­fen notwen­dig, um darü­ber zu entschei­den, ob wir zurecht von einer begriff­lichen Rela­tion etwa zum Begriff »Bildlich­keit« ausgehen oder nicht. Verschie­dene Vari­anten solcher ''begriffs­synthe­tischer'' Verfah­ren spielen für die Diskus­sion der Bildlich­keit eine wichti­ge Rolle. Insbe­sonde­re die transzen­dental­philo­sophi­schen Betrach­tungen zu den Bedin­gungen der Möglich­keit eines Begriffs und die argu­menta­tionstheo­retisch moti­vierten begriffs­gene­tischen Betrach­tungen können zur Begrün­dung der begriff­lichen Zusam­menhän­ge um den Bildlich­keitsbe­griff beitra­gen. | ||
− | Die | + | ===Eine Komplikation: Die Exten­sion von Bildlich­keit=== |
− | + | Die Fachdiskussionen zur Bildlich­keit wird durch eine Kompli­kation zusätz­lich erschwert, die es im Vorfeld zu berück­sichti­gen gilt. Die Kompli­kation besteht darin, dass der Ausdruck ‘Bildlich­keit’ nicht nur dazu verwen­det wird, um auf die charak­teris­tischen Eigen­heiten Bezug zu nehmen, die einem Gegen­stand über­haupt zukom­men, wenn er als ein Bild gewer­tet wird (bzw. die Kompe­tenzen, die Wesen benö­tigen, um jene Eigen­schaften zuschrei­ben zu können). Der Ausdruck ‘Bildlich­keit’ wird zugleich in einer weite­ren Bedeu­tung verwen­det: Unter der impli­ziten Voraus­setzung, dass es Bilder gibt, die auf beson­dere Weise deutlich werden lassen, was Bildsein ausmacht, konzen­triert sich ein Teil der Diskus­sion auf den Komplex von Bildei­genschaf­ten, die speziell diesen so genann­ten Bildern im empha­tischen Sinn zukom­men.<ref>Boehm verwendet den Ausdruck ‘starke Bilder’; vgl. <bib id='Boehm 2007a'></bib>: S. 252.</ref> “Bildlich­keit” in diesem zweiten Sinn ist also gar keine Quali­tät aller Bilder; die Exten­sion der betrach­teten Bildklas­se ist deutlich redu­ziert und deckt in etwa die des Begriffs des [[Bild in reflexiver Verwendung|Bildes in refle­xiver Verwen­dung]] ab. Offen bleibt dabei die Frage, ob die sich auf diese Weise an der speziel­len Teilmen­ge heraus­kristal­lisie­renden begriff­lichen Bestim­mungen in der Tat als charak­teris­tisch für alle Bilder gelten können. Begrün­dungen dafür hängen von den erwähn­ten begriffs­synthe­tischen Argu­menten ab. | |
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− | ==Begriffssynthese: | + | ==Begriffssynthese: transzen­dental oder begriffs­genetisch== |
− | Versuche der Begründung der | + | Versuche der Begründung der Sinnhaf­tigkeit begriff­licher Zusam­menhän­ge zielen in der Regel darauf ab, den fragli­chen Begriff und sein Umfeld – kurz: das betrach­tete Begriffs­feld – als auf bestimm­te Weise entstan­den zu verste­hen, wobei die Entste­hungsbe­dingun­gen oder -verfah­ren ein Krite­rium der Korrekt­heit dieses speziel­len Systems von abstrak­ten Bezugs­punkten zur Beur­teilung der Geltung entspre­chender empi­rischer Äuße­rungen bereit­stellen. Sehen wir von der anti­ken Philo­sophie ab, in der von Begrif­fen noch nicht die Rede ist,<ref>Ana­chro­nis­tisch for­mu­liert: Der Be­griff der pla­to­ni­schen Ide­en als Vor­läu­fer des Be­griffs des Be­griffs, wie er sich in der Neu­zeit he­raus­ge­bil­det hat, un­ter­schei­det sich von letz­te­rem vor al­lem da­durch, dass Ide­en nicht ge­schaf­fen sind. Sinn­haf­tig­keit kann al­so nicht über die Kor­rekt­heit ei­nes Er­zeu­gungs­ver­fa­hrens be­stimmt wer­den; vgl. <bib id='Ros 1989/90a'></bib>: B. II, Kap. 3.</ref> bleiben in der Philo­sophie­tradi­tion insbe­sonde­re zwei Ansät­ze: |
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+ | Im Rahmen der Bewusst­seinsphi­loso­phie ent­wickelte Kant (<bib id='Kant 1968a'>Kant, KrV</bib>) den Ansatz der transzen­denta­len Begriffs­synthe­se: Dabei soll die “Konstruk­tion” eines Begriffs im je einzel­nen menschli­chen Geist ausge­richtet werden an einer in “der Vernunft” über­persön­lich festste­henden transzen­denten Rela­tion zwischen einfa­cheren Begrif­fen, einem ''Schema'', nach dem aus jenen Begrif­fen ein komple­xer Begriff mit emer­genten Eigen­schaften synthe­tisiert wird.<ref>Kant be­zeich­net die Re­geln in­ner­halb ei­nes Be­griffs­fel­des als lo­gi­sche Re­geln, die Re­geln zwi­schen Fel­dern als Sche­ma­ta. Die­sen Re­la­ti­o­nen ent­spre­chen im üb­ri­gen in der trans­zen­den­ta­len An­nä­he­rung die syn­the­ti­schen Ur­tei­le a pri­o­ri. Im Ge­gen­satz zu den ana­ly­ti­schen be­griff­li­chen Ur­tei­len (Er­läu­te­rungs­ur­tei­le), die die in ei­nem Be­griff be­reits de­fi­ni­to­risch be­in­hal­te­ten Teil­be­grif­fe le­dig­lich ex­pli­zit ma­chen (et­wa, dass ein Jung­ge­sel­le not­wen­di­ger­wei­se un­ver­hei­ra­tet ist), fü­gen syn­the­ti­sche be­griff­li­che Ur­tei­le (Er­wei­te­rungs­ur­tei­le) “zu dem Be­grif­fe des Sub­jekts ein Prä­di­kat [hin­zu], wel­ches in je­nem gar nicht ge­dacht war und durch kei­ne Zer­glie­de­rung des­sel­ben hät­te kön­nen he­r­aus­ge­zo­gen werden”; vgl. <bib id='Kant 1968a'>Kant, KrV</bib>: A7/B10f.</ref> Nur wer sich “einen deutli­chen Begriff ''macht''”,<ref>Zu die­ser For­mu­lie­rung vgl. <bib id='Kant 1960a'></bib>: Ein­lei­tung, § VIII: “Denn wenn ich ei­nen deut­li­chen Be­griff ma­che: so fan­ge ich von den Tei­len an und ge­he von die­sen zum Gan­zen fort. Es sind hier noch kei­ne Merk­ma­le vor­han­den; ich er­hal­te die­sel­ben erst durch die Syn­the­sis. Aus die­sem syn­the­ti­schen Ver­fah­ren geht al­so die syn­the­ti­sche Deut­lich­keit her­vor, wel­che mei­nen Be­griff durch das, was über den­sel­ben in der (rei­nen oder em­pi­ri­schen) An­schau­ung als Merk­mal hin­zu­kommt, dem In­hal­te nach wirk­lich er­wei­tert. (...) Wenn ich aber ei­nen Be­griff deut­lich ma­che: So wächst durch die­se blo­ße Zer­glie­de­rung mein Er­kenn­tnis ganz und gar nicht dem In­hal­te nach. Die­ser bleibt der­sel­be; nur die Form wird ver­än­dert, in­dem ich das, was in dem ge­ge­be­nen Be­grif­fe schon lag, nur bes­ser un­ter­schei­den oder mit kla­re­rem Be­wusst­sein er­ken­nen ler­ne.”</ref> indem er den ''vernünf­tigen'' Konstruk­tionsprin­zipien folgend die Ausgangs­begrif­fe erwei­tert, gelangt zu sinnvol­len komple­xen Begrif­fen.<ref>Das Prob­lem der ein­fach­sten Be­grif­fe kann in un­se­rem Zu­sam­men­hang ig­no­riert wer­den; vgl. <bib id='Ros 1989/90a'></bib>: B. II.</ref> Die im Schema zusam­menge­stellten Begrif­fe und das Schema selbst bilden daher die transzen­denta­len “Bedin­gungen der Möglich­keit” eines Begriffs: Seine begriff­lichen Bestim­mungen sind sinnvoll, wenn sie der korrek­ten Synthe­se gemäß dem Schema folgen. | ||
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+ | Der transzen­dental­philo­sophisch ausge­richte­ten Bildlich­keitsde­batte geht es um die entspre­chenden über das transzen­denta­le Schema verbun­denen Grundbe­griffe, die als Bedin­gungen der Möglich­keit in den Bildbe­griff einge­hen und so die charak­teris­tischen Eigen­schaften von Bildern ganz allge­mein bestim­men. | ||
− | + | ===Argumentationstheo­retisch-begriffs­gene­tischer Ansatz=== | |
− | Entsprechend ist in den zumeist [[Bildanthropologie| | + | Während bei Kant die Begriffs­synthe­se statisch “im Geist” bzw. “in der menschli­chen Vernunft” als solcher festge­schrieben ist, wird die Begriffs­konstruk­tion mit dem durch Wittgen­stein einge­leite­ten “lingu­istic turn” dyna­misiert: Die Synthe­se findet demnach inter­indi­viduell in konkre­ten Argu­menta­tionsver­läufen statt, genau­er in der Reka­pitu­lation einer Begrün­dungssi­tuation für das Einfü­hren eines als gemein­sam zu etab­lieren­den “neuen” (in der Regel komple­xeren) Begriffs­feldes auf der Basis der von den jewei­ligen Diskus­sionspart­nern bereits geteil­ten (einfa­cheren) Begriffs­feldern (vgl. <bib id='Ros 1989/90a'></bib>: B. III). In einer begriffs­gene­tischen Betrach­tung versu­chen die betei­ligten Gesprächs­partner, sich über die Sinnhaf­tigkeit eines stritti­gen Begriffs­feldes zu eini­gen, indem sie einen gemein­sam als akzep­tabel bewer­teten Vorschlag ausar­beiten oder reka­pitu­lieren, wie man rati­onal zu einem solchen Begriff kommen könnte. Dabei werden Erfah­rungsbe­funde, die sich mit den bereits geteil­ten Begriffs­feldern herstel­len lassen, mittels des Vorschlags für eine Bildungs­geschich­te zu einer neuen Art, die Welt zu sehen, verknüpft; eine Sicht, die gemein­sam als vorteil­haft bewer­tet werden kann: Das, was man mithil­fe der bereits geteil­ten Begriffe schon kennt, kann mithil­fe des neu gebil­deten Begriffs­feldes als etwas ande­res gesehen werden,<ref>Da­bei ist ‘se­hen’ hier all­ge­mein als ‘auf­fas­sen’ zu ver­ste­hen; vgl. auch die Be­hand­lung von ‘Se­hen als’: ⊳ [[Sehen|Se­hen]].</ref> etwas, das in deutlich komple­xeren Zusam­menhän­gen begrif­fen werden kann, als es zuvor möglich war. |
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+ | Entsprechend ist in den zumeist [[Bildanthropologie|anthro­polo­gisch]] gepräg­ten begriffs­gene­tischen Ansät­zen zur Bildlich­keitsde­batte häufig die Rede vom Begriff eines Wesens, dem Bildkom­peten­zen noch nicht zuge­schrieben werden können, und von den argu­menta­tiven Übergän­gen zu einem Begriff bildnut­zender Wesen, die in Form einer gene­tischen Erzäh­lung vorge­schlagen werden. Dabei wird in der Regel auf verschie­dene Stufen­theorien der Etho­logie, wie auch der Sprachphi­loso­phie und der philo­sophi­schen Anthro­polo­gie zurück­gegrif­fen, um etwa zu moti­vieren, wieso eine bestimm­te Kombi­nation von ele­menta­ren Kommu­nika­tionsver­halten und einfa­chen Wahrneh­mungskom­peten­zen zu einem sinnvol­len Begriff der Bildfä­higkeit führt. | ||
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==Zur den Hauptpunkten== | ==Zur den Hauptpunkten== | ||
− | + | Mit Bezug auf die unterschied­lichen Formen der Begriffs­synthe­se gliedert sich die Theorie­perspek­tive zur Bildlich­keit in zwei Hauptpunk­te: Einer­seits werden die synthe­tisch mit dem Bildbe­griff verbun­denen [[Grundbegriffe der Bildlichkeit|Grundbe­griffe]] betrach­tet, die wahlwei­se als transzen­dentale Bedin­gungen der Möglich­keit des Bild- oder Bildlich­keitsbe­griffs verstan­den werden oder als Ele­mente, die in begriffs­gene­tische Begrün­dungen des Bildbe­griffs einge­hen. Es handelt sich demnach im wesentlichen um Begrif­fe, die stets “mitschwin­gen”, wenn von Bildern (oder Bildlich­keit) die Rede ist, und die, zumin­dest in der begriffs­gene­tischen Vari­ante, zu einem struktu­rell einfa­cheren Argu­menta­tionszu­sammen­hang gehö­ren. | |
− | Es handelt sich demnach im wesentlichen um | + | : |
− | + | Andererseits erlaubt es die Synthe­se des Bildbe­griffs, weite­re Begrif­fe zu bilden, die vom Bildbe­griff argu­menta­tiv abhän­gig sind. Das betrifft insbe­sonde­re Fälle, in denen Teile der Argu­menta­tionsstruk­turen um den Bildbe­griff auf ande­re Domä­nen über­tragen werden (dazu auch ⊳ [[sprachliche Metaphern und allgemeine Metaphorologie|Meta­phoro­logie]]). Zudem werden eini­ge der zur Begriffs­gene­se verwen­deten Begrif­fe durch die Synthe­se zu komple­xeren Vari­anten transfor­miert. Diesen [[Auswirkungen der Bildlichkeit|Auswir­kungen]] der Begriffs­synthe­se widmet sich vor allem der begriffs­gene­tische Teil der Bildlich­keitsdis­kussion. | |
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Aktuelle Version vom 1. September 2023, 17:21 Uhr
Theorieperspektive im Glossar der Bildphilosophie
Bildqualitäten und NutzerkompetenzenBildlichkeit ist vom alltäglichen Sprachgefühl her all das, was unabdingbar ist, um einen Gegenstand zum Bild zu erklären. Gegenstände sind jedoch nicht einfach von sich aus Bilder, sondern werden von jemandem als Bilder begriffen. Daher sollte die Frage nach der Bildlichkeit genauer besehen lauten: Welche Qualitäten eines als Bild aufgefassten Gegenstandes erfordern welche Kompetenzen bei dem Wesen, das den Gegenstand als Bild begreift? So sind gemeinhin bestimmte Wahrnehmungskompetenzen vonnöten: etwa die, visuelle Ähnlichkeiten als solche zu erkennen. Aber auch die Kompetenzen zu bestimmten Arten kommunikativ-medialen Verhaltens oder zum Zeichengebrauch werden regelmäßig als konstitutiv gesehen, wie die Gliederung dieses Glossars in Theorieperspektiven auch veranschaulicht. Wie also hängen diese verschiedenen Kompetenzen untereinander und mit den für Bilder als charakteristisch eingestuften Eigenschaften zusammen? Der Ausdruck ‘Bildlichkeit’ und die darunter gefassten BegriffeEs geht um die Klärung der begrifflichen Relationen rund um den Begriff »Bild« und um die Begründungen dieser Zusammenhänge.[1] Insofern dabei diverse Varianten auftreten, handelt es sich auch hier eher um eine ganze Familie von Begriffen. Die Sinnhaftigkeit der Zuschreibungen von Eigenschaften von (oder Relation zwischen) Begriffen kann nicht einfach empirisch geprüft werden, weil es sich um die Bestimmungen der interpersonellen Bezugspunkte handelt, anhand derer wir die Geltung empirischer prädikativer Äußerungen überhaupt erst feststellen können. Entsprechend sind recht komplexe Betrachtungen zum korrekten Aufbau von Begriffen notwendig, um darüber zu entscheiden, ob wir zurecht von einer begrifflichen Relation etwa zum Begriff »Bildlichkeit« ausgehen oder nicht. Verschiedene Varianten solcher begriffssynthetischer Verfahren spielen für die Diskussion der Bildlichkeit eine wichtige Rolle. Insbesondere die transzendentalphilosophischen Betrachtungen zu den Bedingungen der Möglichkeit eines Begriffs und die argumentationstheoretisch motivierten begriffsgenetischen Betrachtungen können zur Begründung der begrifflichen Zusammenhänge um den Bildlichkeitsbegriff beitragen. Eine Komplikation: Die Extension von BildlichkeitDie Fachdiskussionen zur Bildlichkeit wird durch eine Komplikation zusätzlich erschwert, die es im Vorfeld zu berücksichtigen gilt. Die Komplikation besteht darin, dass der Ausdruck ‘Bildlichkeit’ nicht nur dazu verwendet wird, um auf die charakteristischen Eigenheiten Bezug zu nehmen, die einem Gegenstand überhaupt zukommen, wenn er als ein Bild gewertet wird (bzw. die Kompetenzen, die Wesen benötigen, um jene Eigenschaften zuschreiben zu können). Der Ausdruck ‘Bildlichkeit’ wird zugleich in einer weiteren Bedeutung verwendet: Unter der impliziten Voraussetzung, dass es Bilder gibt, die auf besondere Weise deutlich werden lassen, was Bildsein ausmacht, konzentriert sich ein Teil der Diskussion auf den Komplex von Bildeigenschaften, die speziell diesen so genannten Bildern im emphatischen Sinn zukommen.[2] “Bildlichkeit” in diesem zweiten Sinn ist also gar keine Qualität aller Bilder; die Extension der betrachteten Bildklasse ist deutlich reduziert und deckt in etwa die des Begriffs des Bildes in reflexiver Verwendung ab. Offen bleibt dabei die Frage, ob die sich auf diese Weise an der speziellen Teilmenge herauskristallisierenden begrifflichen Bestimmungen in der Tat als charakteristisch für alle Bilder gelten können. Begründungen dafür hängen von den erwähnten begriffssynthetischen Argumenten ab.
Begriffssynthese: transzendental oder begriffsgenetischVersuche der Begründung der Sinnhaftigkeit begrifflicher Zusammenhänge zielen in der Regel darauf ab, den fraglichen Begriff und sein Umfeld – kurz: das betrachtete Begriffsfeld – als auf bestimmte Weise entstanden zu verstehen, wobei die Entstehungsbedingungen oder -verfahren ein Kriterium der Korrektheit dieses speziellen Systems von abstrakten Bezugspunkten zur Beurteilung der Geltung entsprechender empirischer Äußerungen bereitstellen. Sehen wir von der antiken Philosophie ab, in der von Begriffen noch nicht die Rede ist,[3] bleiben in der Philosophietradition insbesondere zwei Ansätze: Transzendental-philosophischer AnsatzIm Rahmen der Bewusstseinsphilosophie entwickelte Kant ([Kant, KrV]Literaturangabe fehlt. Der transzendentalphilosophisch ausgerichteten Bildlichkeitsdebatte geht es um die entsprechenden über das transzendentale Schema verbundenen Grundbegriffe, die als Bedingungen der Möglichkeit in den Bildbegriff eingehen und so die charakteristischen Eigenschaften von Bildern ganz allgemein bestimmen. Argumentationstheoretisch-begriffsgenetischer AnsatzWährend bei Kant die Begriffssynthese statisch “im Geist” bzw. “in der menschlichen Vernunft” als solcher festgeschrieben ist, wird die Begriffskonstruktion mit dem durch Wittgenstein eingeleiteten “linguistic turn” dynamisiert: Die Synthese findet demnach interindividuell in konkreten Argumentationsverläufen statt, genauer in der Rekapitulation einer Begründungssituation für das Einführen eines als gemeinsam zu etablierenden “neuen” (in der Regel komplexeren) Begriffsfeldes auf der Basis der von den jeweiligen Diskussionspartnern bereits geteilten (einfacheren) Begriffsfeldern (vgl. [Ros 1989/90a]Ros, Arno (1989/90).Begründung und Begriff. Wandlungen des Verständnisses begrifflicher Argumentationen. Hamburg: Meiner, 3 Bände. Eintrag in Sammlung zeigen: B. III). In einer begriffsgenetischen Betrachtung versuchen die beteiligten Gesprächspartner, sich über die Sinnhaftigkeit eines strittigen Begriffsfeldes zu einigen, indem sie einen gemeinsam als akzeptabel bewerteten Vorschlag ausarbeiten oder rekapitulieren, wie man rational zu einem solchen Begriff kommen könnte. Dabei werden Erfahrungsbefunde, die sich mit den bereits geteilten Begriffsfeldern herstellen lassen, mittels des Vorschlags für eine Bildungsgeschichte zu einer neuen Art, die Welt zu sehen, verknüpft; eine Sicht, die gemeinsam als vorteilhaft bewertet werden kann: Das, was man mithilfe der bereits geteilten Begriffe schon kennt, kann mithilfe des neu gebildeten Begriffsfeldes als etwas anderes gesehen werden,[7] etwas, das in deutlich komplexeren Zusammenhängen begriffen werden kann, als es zuvor möglich war. Entsprechend ist in den zumeist anthropologisch geprägten begriffsgenetischen Ansätzen zur Bildlichkeitsdebatte häufig die Rede vom Begriff eines Wesens, dem Bildkompetenzen noch nicht zugeschrieben werden können, und von den argumentativen Übergängen zu einem Begriff bildnutzender Wesen, die in Form einer genetischen Erzählung vorgeschlagen werden. Dabei wird in der Regel auf verschiedene Stufentheorien der Ethologie, wie auch der Sprachphilosophie und der philosophischen Anthropologie zurückgegriffen, um etwa zu motivieren, wieso eine bestimmte Kombination von elementaren Kommunikationsverhalten und einfachen Wahrnehmungskompetenzen zu einem sinnvollen Begriff der Bildfähigkeit führt.
Zur den HauptpunktenMit Bezug auf die unterschiedlichen Formen der Begriffssynthese gliedert sich die Theorieperspektive zur Bildlichkeit in zwei Hauptpunkte: Einerseits werden die synthetisch mit dem Bildbegriff verbundenen Grundbegriffe betrachtet, die wahlweise als transzendentale Bedingungen der Möglichkeit des Bild- oder Bildlichkeitsbegriffs verstanden werden oder als Elemente, die in begriffsgenetische Begründungen des Bildbegriffs eingehen. Es handelt sich demnach im wesentlichen um Begriffe, die stets “mitschwingen”, wenn von Bildern (oder Bildlichkeit) die Rede ist, und die, zumindest in der begriffsgenetischen Variante, zu einem strukturell einfacheren Argumentationszusammenhang gehören. Andererseits erlaubt es die Synthese des Bildbegriffs, weitere Begriffe zu bilden, die vom Bildbegriff argumentativ abhängig sind. Das betrifft insbesondere Fälle, in denen Teile der Argumentationsstrukturen um den Bildbegriff auf andere Domänen übertragen werden (dazu auch ⊳ Metaphorologie). Zudem werden einige der zur Begriffsgenese verwendeten Begriffe durch die Synthese zu komplexeren Varianten transformiert. Diesen Auswirkungen der Begriffssynthese widmet sich vor allem der begriffsgenetische Teil der Bildlichkeitsdiskussion. |
Anmerkungen
[Boehm 2007a]: Boehm, Gottfried (2007). Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. Berlin: Berlin University Press.
[Kant 1960a]: Kant, Immanuel (1960). Logik. In: Weischedel, W. (Hg.): Kant: Werke in 12 Bänden. Wiesbaden: ???, S. ???, Bd. VI.
[Kant, KrV]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [32], Klaus Sachs-Hombach [7], Eva Schürmann [6] und Emilia Didier [3] — (Hinweis) |