Bildnerisches Denken
Unterpunkt zu: Bildbewusstsein und Einbildungskraft
„Denken“ als bildtheoretisches ThemaDer Ausdruck „bildnerisches Denken“ muss im Zusammenhang zu ähnlichen Bezeichnungen gesehen werden, mit denen verschiedene Autoren die Nicht-Begrifflichkeit/ Nicht-Sprachlichkeit, die Visualität oder allgemeiner die Sinnlichkeit von Teilen unseres Denkens oder des Denken insgesamt beschreiben. Einige dieser Termini sind eng mit einem Autor verknüpft. Dazu zählen das „ikonische Denken“ bzw. der „ikonische Logos“ ([Boehm 2004a]Boehm, Gottfried (2007).Jenseits der Sprache? Anmerkungen zur Logik der Bilder (2004). In Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens, 34-53. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 50), das „anschauliche Denken“ bzw. englisch „visual thinking“ ([Arnheim 2001a]Arnheim, Rudolf (2001). Anschauliches Denken. Zur Einheit von Bild und Begriff. Köln: DuMont Schauberg. Eintrag in Sammlung zeigen) und das „ästhetische Denken“ ([Welsch 2010a]Welsch, Wolfgang (2010). Zur Aktualität ästhetischen Denkens. In Ästhetisches Denken. Eintrag in Sammlung zeigen). Während sich die ersten drei Ausdrücke auf die visuelle Sinnlichkeit beziehen, geht es Welsch um Sinnlichkeit im Allgemeinen. Allen diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie sich von solchen Theorien abgrenzen, denen zufolge das Denken – auch im Zusammenhang mit Bildern – ausschließlich begrifflich bzw. sprachlich von statten geht (vgl. u.a. [Brandt 2010a]Brandt, Reinhard (2010). Das Denken und die Bilder. In In Bildern denken? Kognitive Potentiale von Visualisierung in Kunst und Wissenschaft, 29–42. Eintrag in Sammlung zeigen). In dieser Abgrenzung wird dabei meistens nicht zwischen begrifflichem, sprachlichem oder propositionalem Denken unterschieden. Wenn im Folgenden der Ausdruck "begriffliches Denken" verwendet wird, fasst er daher alle drei zusammen. Anschauliches Denken. Zur Einheit von Bild und Begriff. Köln: DuMont Schauberg. Eintrag in Sammlung zeigen). Er liefert in seinem Buch zwar keine „theoretische Grundlage, die das weite Gebiet des anschaulichen Denkens zusammenfassen und unterbauen würde“, wie er selbst betont (ibid. S. 9). Entsprechend findet man darin keine systematische Erklärung, was unter dem anschaulichen Denken zu verstehen ist. Dennoch wird seine These deutlich, dass das Denken gerade nicht in Worten geschieht (S. 103), sondern im Medium der Sinnlichkeit:
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ), in dem gezeigt werden soll, „dass Visualität das gesamte Peirce’sche Denken bestimmt“ ([Pape 2012a]Pape, Helmut (2012). Was ist Peirce’ bildnerisches Denken?. In Das bildnerische Denken: Charles S. Peirce, 65–91. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 74). Eine allgemeine Explikation dessen, was unter dem „Bildnerischen Denken“ zu verstehen ist, fehlt diesem Band. Gelegentlich wird auch die kantische „Einbildungskraft“ ([Kant 1968a]Kant, Immanuel (1968). Kritik der reinen Vernunft. Berlin: de Gruyter, A: 1781, B: 1787. Eintrag in Sammlung zeigen: B 151) in die Nähe solcher Theorien gestellt, die sich mit der Visualität des Denkens befassen. Zwar leistet die Einbildungskraft die Schematisierung, also den Brückenschlag zwischen Begriffen und Anschauung. Aber sie stellt nach Kant im eigentlichen Sinne keine Denkleistung dar. Für Kant ist das Denken immer und ausschließlich begrifflich: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ ([Kant 1968a]Kant, Immanuel (1968). Kritik der reinen Vernunft. Berlin: de Gruyter, A: 1781, B: 1787. Eintrag in Sammlung zeigen: B 94, A 69) Die andere Richtung verfolgt das Ziel, neben dem begrifflichen Denken eine andere gleichwertige Denkart zu begründen. Hierzu gehört Gottfried Boehm mit seinem Konzept des »ikonischen Logos«:
Der Ursprung der künstlerischen Tätigkeit. In Schriften über Kunst, 131-240. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 200). Auch das Konzept des »ästhetischen Denkens« von Wolfgang Welsch gehört in dieses Lager. In seinem Band «Ästhetisches Denken» entwirft Welsch ein Plädoyer für diese Denkart, die gleichzeitig einem bestimmten Rationalitätstypus entspricht. Ästhetisch im Sinne von sinnlich ist dieses Denken laut Welsch in zweifacher Hinsicht:
Nicht-Propositionalität und ästhetisches Denken. In Ästhetisches Denken. Nicht-Propositionalität, Episteme, Kunst, 28–55. Eintrag in Sammlung zeigen) oder ‘pictorial thinking’ ([Mersch 2016a]Mersch, Dieter (2016). Pictorial Thinking: On the “Logic” of Iconic Structures. In Theorizing Images, 162–184. Eintrag in Sammlung zeigen). Unter letzterem versteht er ein Denken, dass einer eigenen Logik folgt, die er „logic of showing“ ([Mersch 2016a]Mersch, Dieter (2016). Pictorial Thinking: On the “Logic” of Iconic Structures. In Theorizing Images, 162–184. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 175) bzw. „logic of the image“ (ibid. S. 178) nennt. Diese ist Mersch zufolge keineswegs unterhalb von Sprache, Textualität oder diskursiver Rationalität einzuordnen (S. 178). Denn: „Pictorial thinking bears cognition in the realm of showing“ (S. 167). Denken. In Enzyklopädie Philosophie Wissenschaftstheorie, Band 2, 154–156. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 154), so dass das alternative Denken z.B. als „vernunftanalog“ – wie bei Baumgarten ([Baumgarten 2011a]Baumgarten, Alexander Gottlieb (2011). Metaphysica – Metaphysik. Stuttgart: Frommann-Holzboog, übersetzt und herausgeg. von Gawlick, G. & Kreimendahl, l.; lateinisch/deutsch. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 78)[1] – oder als „vorbegrifflich“ – wie bei Wiesing ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008). Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Frankfurt/M. & New York: Campus. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 78) – bezeichnet wird. Der Ausdruck ‘bildnerisches Denken’ wird von Autoren aller drei Richtungen verwendet. ‘Bildnerisches Denken’ kann also ein dem begrifflichen entgegengesetztes oder untergeordnetes Denken bezeichnen. Außerdem kann mit dem Terminus auch die Annahme ausgedrückt werden, dass Visualität unser ganzes Denken prägt. „Bildnerisches Denken“ in verschiedenen DisziplinenIm folgenden Abschnitt werden ausgewählte Verwendungen des Ausdrucks »Bildnerisches Denken« in Philosophie, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik vorgestellt. Nicht alle Verwendungen stützen sich auf eine allgemeine Explikation des Begriffs. Aber alle gehen davon aus, dass dieses Denken nicht nur bei der Rezeption sondern auch bei der Produktion von bildnerischen Werken beteiligt ist. Es handelt sich ausschließlich um Konzepte deutschsprachiger Autoren, da der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ nicht adäquat ins Englische übersetzt werden kann. In den englischen Nachschlagewerken[2] findet man zu den möglichen Übersetzungen ‘Visual Thinking’[3] oder ‘The thinking eye’[4] keine Einträge, genauso wenig wie zu den Übersetzungsversuchen ‘aesthetic / analogue / artistic / iconic / imaginal / pictorial’ ‘thinking / reason / mind’. Dabei bedauert John Dewey bereits 1934 in seinem Buch «Art as Experience» das Fehlen eines solchen Ausdrucks im Englischen, der sowohl rezeptive als auch produktive Prozesse beschreibt (vgl. [Dewey 1980a]Dewey, John (1980).Art as experience. New York: Perigee Books Berkley Publishing. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 46). Eine weitere Gemeinsamkeit der Konzepte besteht darin, dass sie das „bildnerische Denken“ implizit oder explizit auf Paul Klee zurückführen. „Bildnerisches Denken“ in der KunstpädagogikPaul Klee gilt als Vater dieses Begriffs,[5] weil das von Jürg Spiller herausgegebene Werk, das Klees Aufzeichnungen zu seiner Lehre enthält, den Titel «Das bildnerische Denken» ([Klee 1956a]Klee, Paul (1956).Das bildnerische Denken: Schriften zur Form- und Gestaltungslehre. Basel, Stuttgart: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen) trägt. Dennoch ist bis heute unklar, ob Klee den Ausdruck tatsächlich geprägt hat,[6] denn weder in Spillers Band noch in Klees eigenen Manuskripten zu seiner «Bildnerische Gestaltungslehre» ([Klee 1956a]Klee, Paul (1956). Das bildnerische Denken: Schriften zur Form- und Gestaltungslehre. Basel, Stuttgart: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen) wird dieser Begriff eingeführt oder näher erläutert. Gegenwart der Bildenden Kunst, Erziehung zum Bildnerischen Denken. Oldenburg: Isensee. Eintrag in Sammlung zeigen)[7] von Reinhard Pfennig bald populär (vgl. [Wick 2000a]Wick,Rainer (2000). Vorwort. In Bildkonzepte, 6–14. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 13, Fußnote 9). Im kunstpädagogischen Konzept «Kunstunterricht» (vgl. [Eid et al 2002a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 113), dessen Hauptvertreter Reinhard Pfennig und Gunter Otto sind, wurde der Ausdruck ‘Bildnerisches Denken’ zum „Schlüsselbegriff“ ([Otto 1973a]Otto, Gunter (1973). Nachwort über Kommunikation. In Kunstunterricht. Planung bildnerischer Denkprozesse, 169–181. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 169) für eine Neuorientierung der schulischen Kunstpädagogik (vgl. [Pfennig 1974a]Pfennig, Reinhard (1974). Gegenwart der Bildenden Kunst, Erziehung zum Bildnerischen Denken. Oldenburg: Isensee. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 120). Auch Pfennig knüpft explizit an Klee an (ibid. S. 117). Für Pfennig ist Bildnerischen Denken „in Bildern oder Zeichen denken und sich durch Bilder mitteilen“ (S. 331). „In jedem Falle ist Sichtbarmachen sowohl Weg wie Ziel des bildnerischen Denkvorganges“ (S. 117, Hervorh. i.O.). Das, was Pfennig weiterhin die Beschreibung der „Eigenschaften des bildnerischen Denkens“ (S. 123) nennt, ist allerdings weniger eine systematische Analyse einer bestimmten Denkart, sondern eher eine assoziative Aneinanderreihung verschiedener Tätigkeiten, die er unter diese Denkart fassen möchte (S. 117f.). Der Schwerpunkt von Pfennigs Konzept des Kunstunterrichts liegt entsprechend der damals zeitgenössischen Kunst auf abstrakten Bildgestaltungen. Dies wird nicht nur an den gewählten Bildbeispielen aus der Kunst deutlich (Abbildungsverzeichnis, S. 338), sondern auch an den abgebildeten Schülerlösungen von Aufgabenstellungen (S. 165 und v.a. ab S. 201), die mustergültig „Wege aufzeigen, die für fundamentale Einsichten in bildnerische Probleme geeignet sind“ (S. 201, Hervorh. i. O.). In seinen weiteren Erläuterungen zu diesen bildnerischen Problemen zeigt sich, dass hiermit weitgehend oder gänzlich formale Probleme gemeint sind. Die Inhalte von Kunst bzw. von Bildern werden zweitrangig. So behauptet er:
Daher entwirft Pfennig ein Konzept von Kunstunterricht, in dem die Form, d.h. die „bildnerischen Probleme als Inhalte begriffen werden“ (S. 210, Hervorh. i. O.). Diese Tendenz zum Formalismus wurde zum größten Kritikpunkt der nachfolgenden Generation von Kunstpädagogen – v.a. der Vertreter der Visuellen Kommunikation – am Konzept »Kunstunterricht«.[8] In Folge dessen ist auch der Begriff »bildnerisches Denken« in Misskredit geraten. Bildnerisches Denken. In Die Zukunft beginnt im Kopf: Wissenschaft und Technik für die Gesellschaft, 126–134. Eintrag in Sammlung zeigen). Peter Jenny versteht seinen Unterricht in den Grundlagen bildnerischen Gestaltens als Schule des Bildnerischen Denkens (vgl. [Wick 2000a]Wick,Rainer (2000). Vorwort. In Bildkonzepte, 6–14. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 9). Dabei knüpft er lose an die Tradition des Bauhauses an (ibid S. 7). Eine systematische Erklärung oder Begründung dieses Denkens liefert er nicht, obwohl er selbst das Fehlen einer systematischen Lehre des Bildnerischen Denkens bemängelt (vgl. [Jenny 1996a]Jenny, Peter (1996). Warum Bilder nicht allein den Spezialisten überlassen werden dürfen. In Das Wort, das Spiel, das Bild: Unterrichtsmethoden für die Gestaltung von Wahrnehmungsprozessen, 218–233. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 232). „Bildnerisches Denken“ in Philosophie und KunstwissenschaftEin Lemma ‘Bildnerisches Denken’ wird in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern der Philosophie und der Kunstwissenschaft[9] nicht verhandelt. Auch die Ausdrücke ‘anschauliches’, ‘visuelles’ und ‘ikonisches Denken’ sind nicht berücksichtigt – abgesehen von einer Nebenbemerkung zum „anschaulichen Denken“, die Mittelstraß und Lorenz in der Neuauflage der «Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie» eingefügt haben (Vgl. [Mittelstraß & Lorenz 2005a]Mittelstraß, Jürgen & Lorenz, Kuno (1984a).Denken. In Enzyklopädie Philosophie Wissenschaftstheorie, Band 2, 154–156. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 154.). Die Bezeichnung ist also weder in der Philosophie noch in der Kunstwissenschaft als terminus technicus etabliert. Dennoch wird sie von einigen Autoren verwendet, allerdings meistens ohne systematische Einführung und oft sogar ohne Explikation des damit bezeichneten Begriffes.[10] Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges. Berlin, München: Deutscher Kunstbuchverlag. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 9-11). Ein ähnlich weites Verständnis vom Bildnerischen Denken hat Matthias Bunge:
‘Eine kleine Reise in das Land der besseren Erkenntnis‘: Paul Klee und der Begriff des ‚bildnerischen Denkens‘. In Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, 56, 2, 275–296. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 287). Er liefert eine präzise Explikation seines Verständnisses:
Nach Schmidt ist bildnerisches Denken ein Denken, das
Damit reiht er sich in die Reihe der Autoren ein, die das bildnerische Denken in Abhängigkeit zum begrifflichen Denken sehen und somit hierarchisch diesem untergeordnet, wie er auch selbst erläutert:
Am Beispiel eines Bildes von Paul Klee (siehe Abb.) zeigt er auf, inwiefern der Begriff »Bewegung« für dieses Bild konstitutiv ist, bzw. dass dieser Begriff den Künstler in seiner praktischen Tätigkeit geleitet hat. Bei seiner Bildbeschreibung verwendet er allerdings kompliziertere Termini wie ‘Farbbewegung’ (S. 292), ‘Beobachterbewegung’ (S. 293), ‘Wachstumsbewegung’ (S. 293) und ‘Vervollkommnungsbewegung’ (S. 293). Es bleibt zu fragen, ob entsprechende Begriffe tatsächlich Klee beim Malen seines Bildes geleitet haben, oder ob der Zusammenhang nicht umgekehrt ist, und diese Wortneuschöpfungen im Nachhinein passend zu den Gemälden gebildet wurden, um die beobachtbaren Wirkungen zumindest näherungsweise beschreiben zu können. Bildnerisches Denken. Eine Theorie der Bilderfahrung. Bielefeld: Transkript. Eintrag in Sammlung zeigen) von Goda Plaum dieses Denken so beschrieben, dass es dem begrifflichen Denken komplementär gegenübersteht. Grundlegend dafür ist die Unterscheidung zwischen abstrahierendem und konkretisierendem Denken (ibid. S. 167–189). Das abstrahierende Denken charakterisiert einen Denkgegenstand durch die Gemeinsamkeiten, die er mit anderen Gegenständen aufweist. Besonders gut ist dies in einem sprachlichen Medium, d.h. mit Begriffen bzw. Prädikaten möglich, unter die die Gegenstände der Welt subsumiert werden können. Das konkretisierende Denken hingegen kennzeichnet einen Denkgegenstand durch den Verweis auf die Merkmale, die ihn von anderen Gegenständen unterscheiden, d.h. die seine Einmaligkeit ausmachen. Hierzu eignen sich visuelle Medien, also beispielsweise eine Zeichnung, in der die individuellen Züge einer Person festgehalten werden, besonders gut. Die Zuordnung von Denkart und Medien ist aber nicht zwingend. Manche Visualisierungen werden abstrahierend gebraucht, wie etwa Piktogramme. Ebenso gibt es sprachliche Äußerungen, die konkretisierend verstanden werden wollen, wie zum Beispiel Gedichte.[11] Bildnerisches Denken ist konkretisierendes Denken, das in visuellen Medien zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Denkens können mehrere spezifisch bildnerische Denkleistungen unterschieden werden – die Funktionen des bildnerischen Denkens (S. 167–189, S. 191–235 und 254–269). Diese sind:
Die Leistung des Zusammensetzens ist identisch mit dem, was man als Komposition eines Bildes bezeichnet. Mit den Verbindungen zur Welt sind alle semantischen Relationen gemeint. Im Unterschied zum bildnerischen Denken im kunstpädagogischen Konzept des Kunstunterrichts wird hier also die inhaltliche Ebene nicht ausgeschlossen. Die Funktionen 1–3 treten sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption von Bildern in Erscheinung. Für die Funktion 4 ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Prozessen nicht relevant, weil sie sich auf mentale Bilder bezieht. Auswirkung auf die Begriffe »Bild«, »Medium« und »Schema«Das jeweilige Verständnis vom bildnerischen Denken hat Auswirkungen auf die Explikation weiterer Begriffe, insbesondere der Begriffe »Bildlichkeit« bzw. »Bild«, sofern man sie in Relation zum »Bildnerischen« definieren will. Es kann auch zu einer bestimmten Auffassung der Begriffe »Medium« und »Schema« führen. Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Halem. Eintrag in Sammlung zeigen). Das Schema steht in diesem Verständnis nicht im Gegensatz zum Bild (wie in anderen Theorien), sondern ist etwas, das zur Tiefenstruktur eines Bildes gehört (ibid, S. 119–121) oder das ein Bild erst ermöglicht, wie bei Kant:[12]
Die Frage, ob neben den materiellen Bildern auch visuelle Vorstellungen als mentale Bilder in ein solches Bildverständnis mit einbezogen werden können oder sollen, bleibt dabei offen. Four Fundamental Concepts of Image Science. In Visual Literacy, 14–29. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 16.) und G. Boehm (vgl. [Boehm 2007d]Boehm, Gottfried (2007). Das bildnerische Kontinuum. In Wie Bilder Sinn erzeugen, 159–179. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 169–170). Um das Bild, das bildnerisch denkend betrachtet wird, von einer visuellen Darstellung zu unterscheiden, die nicht-bildnerisch denkend betrachtet wird, schlägt Plaum den folgenden Begriff »Schema« vor: Eine visuelle Darstellung, die man bildnerisch denkend betrachtet, wird als Bild betrachtet und kann verkürzt als ‘Bild’ bezeichnet werden. Eine visuelle Darstellung, die man schematisierend denkend betrachtet, wird als Schema betrachtet und kann verkürzt als ‘Schema’ bezeichnet werden ([Plaum 2016a]Plaum, Goda (2016). Bildnerisches Denken. Eine Theorie der Bilderfahrung. Bielefeld: Transkript. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 178–187). Auch dieses Verständnis von »Bild« lässt die Frage offen, ob es mentale Bilder gibt bzw. was sinnvoll unter diesem Ausdruck zu verstehen ist. |
Anmerkungen
[Arnheim 1969a]: Arnheim, Rudolf (1969). Visual Thinking. Berkeley, Los Angeles: University of California Press.
[Arnheim 2001a]: Arnheim, Rudolf (2001). Anschauliches Denken. Zur Einheit von Bild und Begriff. Köln: DuMont Schauberg.
[Barck et al 2000ffa]: Ausgabe 1: 2018 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [110], Goda Plaum [24] und Dimitri Liebsch [6] — (Hinweis) |