Bildsemantik: Unterschied zwischen den Versionen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
Wechseln zu: Navigation, Suche
K (Der Bedeutungsaspekt (im engeren Sinn) von Bildern)
K (Zu den Unterpunkten)
Zeile 33: Zeile 33:
  
 
==Zu den Unterpunkten==
 
==Zu den Unterpunkten==
Die Schlagworte zur Bildsemantik lassen sich grob aufteilen in solche, die eher mit dem Wesen der semantischen Beziehung befasst sind und solche, die den Zielpunkt dieser Beziehung näher beleuchten. Offensichtlich sollten die beiden Komplexe nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, hängt doch die Art der Beziehung vom Typ der aufeinander bezogenen Gegenstände ebenso ab, wie umgekehrt.
+
Die Schlagworte zur Bildsemantik lassen sich grob aufteilen in solche, die eher mit dem Wesen der semantischen Beziehung befasst sind, und solche, die den Zielpunkt dieser Beziehung näher beleuchten. Offensichtlich sollten die beiden Komplexe nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, hängt doch die Art der Beziehung vom Typ der aufeinander bezogenen Gegenstände ebenso ab, wie umgekehrt.
  
 
===Die Natur der semantischen Beziehung bei Bildern===
 
===Die Natur der semantischen Beziehung bei Bildern===
Zeile 39: Zeile 39:
  
 
===Der Zielpunkt der semantischen Beziehung bei Bildern===
 
===Der Zielpunkt der semantischen Beziehung bei Bildern===
Welche Entitäten können durch Bilder bezeichnet werden bzw. welche Entitäten können als Bedeutung von Bildern auftreten? Primär handelt es sich dabei zwar um beliebige visuell wahrnehmbare Entitäten (⊳ [[Gegenstand der visuellen Wahrnehmung]]), jedoch spielen insbesondere die sogenannten [[sortale Gegenstände und Individuation|sortalen Gegenstände]] eine zentrale Rolle, also jene Art von materiellen, räumlich abgegrenzten und zeitlich ausgedehnten Gegenständen, die wir auch umgangssprachlich als Gegenstände im engeren Sinne verstehen. Insofern auch nicht-visuelle Phänomene zunächst metaphorisch auf Visuelles, das dann abgebildet wird, bezogen ist, hängt die [[Semantik logischer Bilder]] ebenfalls von diesen auf besondere Weise individuierten Gegenständen ab. Für die [[Semantik ungegenständlicher Bilder]] ist hingegen insbesondere die Unterscheidung von [[Referenz, Denotation, Exemplifikation]] bestimmend.
+
Welche Entitäten können durch Bilder bezeichnet werden bzw. welche Entitäten können als Bedeutung von Bildern auftreten? Primär handelt es sich dabei zwar um beliebige visuell wahrnehmbare Entitäten (⊳ [[Gegenstand der visuellen Wahrnehmung]]), jedoch spielen insbesondere die so genannten [[sortale Gegenstände und Individuation|sortalen Gegenstände]] eine zentrale Rolle, also jene Art von materiellen, räumlich abgegrenzten und zeitlich ausgedehnten Gegenständen, die wir auch umgangssprachlich als Gegenstände im engeren Sinne verstehen. Insofern auch nicht-visuelle Phänomene zunächst metaphorisch auf Visuelles, das dann abgebildet wird, bezogen ist, hängt die [[Semantik logischer Bilder]] ebenfalls von diesen auf besondere Weise individuierten Gegenständen ab. Für die [[Semantik ungegenständlicher Bilder]] ist hingegen insbesondere die Unterscheidung von [[Referenz, Denotation, Exemplifikation]] bestimmend.
  
  

Version vom 3. Juli 2013, 14:05 Uhr

Hauptpunkt zu: Bilder als Zeichen


Der Bedeutungsaspekt (im engeren Sinn) von Bildern

Die Fragestellung der Bildsemantik richtet den Blick auf die Beziehungen zwischen Bildträger und den damit bezeichneten Entitäten, d.h. dem, was man umgangssprachlich als die Bedeutung des entsprechenden Bildes im engeren Sinn versteht. Es geht also insbesondere um einen möglichen Sachbezug bildhafter Zeichen oder, in Bühlers Terminologie des Organon-Modells, um den Aspekt der Darstellung.[1]

Da sich Bedeutungsphänomene auch bei Bildern auf verschiedenen Ebenen abspielen können (⊳ Bedeutung und Referenz), wird insbesondere zwischen der Bedeutung in einem intensionalen Sinn, dem Bildinhalt, und der Bedeutung im extensionalen Sinn, der Bildreferenz, unterschieden. Zudem können Konnotationen und symbolische Verwendungsweisen zur Bedeutung beitragen, wobei sowohl bildsyntaktische Elemente (z.B. Farbe) als auch Aspekte der Primärbedeutung (z.B. abgebildete Körper) als Symbole für Bedeutungen auf einer höheren Ebene auftreten können (z.B. Taube für den hl. Geist). Letzteres spielt insbesondere für Strukturbilder eine zentrale Rolle, bei denen eigentlich nicht sichtbare Entitäten oder Eigenschaften, etwa Atome oder Temperaturwerte, durch eine metaphorische Beziehung mit sichtbaren Entitäten oder Eigenschaften, etwa materielle Kugeln oder Farbwerte, assoziiert und so überhaupt erst abbildbar werden.

Ähnlichkeit

Grundlage vieler bildsemantischer Ansätze ist eine – gegebenenfalls metaphorisch vermittelte – Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Bild(träger) und dem, was damit abgebildet erscheint, wodurch der Bildträger zu einem ikonischen Zeichen wird. Der Bildträger teilt also einige, aber nicht alle Eigenschaften mit jener Entität – offensichtlich müssen das genau die bildsyntaktisch relevanten Eigenschaften sein. Die partielle Unähnlichkeit, die von Hans Jonas als „ontologische Unvollständigkeit“ bezeichnet wird ([Jonas 1961a]: S. 29), ist dabei ebenfalls bedeutsam: Sie motivieren nicht nur die Unterscheidung zu Replikas, sondern öffnet auch das Feld für stilistische Variationen.

Mit dem Fokus auf Ähnlichkeit konzentriert sich der theoretische Blick zugleich vor allem auf Bilder von Szenerien materiell-räumlicher Gegenstände. Die Semantik anderer Bildarten muss daher bei Ähnlichkeitstheorien, wie oben bereits für logische Bilder angedeutet, durch zusätzliche Beziehungen auf die als “grundlegend” angesetzte Bildart zurückbezogen werden, will man ihnen nicht generell die Bildhaftigkeit absprechen.

In den antiken Bildtheorien[2] wird von einer unabhängig von einer Verwendung als Zeichen bestehenden Ähnlichkeitsrelation zwischen zwei Gegenständen ausgegangen, wie sie in bestimmten “natürlichen Zeichen” (Anzeichen; ⊳ "natürliche" Bilder) auftritt: Der Schatten eines Menschen auf einer Wand, die an der Wasseroberfläche gespiegelte Erscheinung einer Brücke.[3] Solche vorgefundenen ikonischen Anzeichen sind, diesen Theorien zufolge, als Zeichen verwendet der Ausgangspunkt für das gezielte Herstellen von Bildern. Offensichtlich ist es bei einer solchen Betrachtungsweise ganz unproblematisch, Bedeutungsphänomene unabhängig von der eigentlichen Zeichenverwendung untersuchen zu wollen. Daher scheint die Semantik auch die Bildpragmatik zu determinieren: Die durch Ähnlichkeit ausgelöste Repräsentationsfunktion müsste entsprechend alle Bildverwendungsweisen beherrschen (⊳ Ähnlichkeit und wahrnehmungsnahe Zeichen).

Phänomenologische bzw. wahrnehmungstheoretisch orientierte Bildtheorien[4] greifen dieses Primat der Semantik auf, verschieben den Fokus nun aber auf eine wahrgenommene Ähnlichkeit, die entsprechend auch sozial modifiziert und sogar rein subjektiv konstituiert werden kann. Dass ein Gegenstand einem Löwen ähnlich sieht wird nur jemandem auffallen, der einen Löwen visuell zu unterscheiden imstande ist. Wer andererseits lediglich fälschlich zu wissen glaubt, wie ein Löwen aussieht, kann gleichwohl ein Bild anfertigen, das in seinen Augen ein solches Tier darstellt: Auf diesem Weg wird für die Ähnlichkeitstheoretiker überhaupt erst fassbar, warum es Bilder von fiktiven Gegenständen geben kann.[5]

Diese “eng gefassten” Ähnlichkeitstheorien gehen stets davon aus, dass ein Bild bereits unabhängig von der konkreten Verwendung etwas ganz Bestimmtes bedeutet und dass diese Bedeutung dann für alle (möglichen) Verwendungen des Bildes (als eines Bildes) gilt mit nur marginalen Variationen durch den jeweiligen Kontext.


Kritik der eng gefassten Ähnlichkeitssemantiken

Allerdings sind jene Positionen immer wieder heftig kritisiert worden:[6] Abgesehen davon, dass die Ähnlichkeitsrelation symmetrisch ist – wenn A ähnlich zu B, dann auch B ähnlich zu A – und daher genauso gut als Motivation für eine Bildbedeutungsrelation in umgekehrter Richtung verwendet werden könnte,[7] ist mit der reinen ähnlichkeitsvermittelten Repräsentationsfunktion ohnehin nur ein Teil der alltäglichen Bedeutungsphänomene von Bildern erklärbar. Werden Bedeutungen verstanden als Aspekte von Bildzeichenhandlungen, so verengt sich nämlich durch die im engen Sinne ähnlichkeitstheoretisch gefassten semantischen Betrachtungen der Aufmerksamkeitsfokus auf solche Relationen, die nicht als Teil der umfassenderen durch den Handlungsbezug bestimmten Bildpragmatik verhandelt werden müssen – sofern von solchen pragmatikfreien Relationen überhaupt sinnvoll die Rede sein kann. Zeichentheoretische und insbesondere zeichenhandlungstheoretische Ansätze versuchen daher, die Ähnlichkeitsbeziehung auf andere, insbesondere handlungstheoretische Weise mit dem Kontext der Zeichenverwendung in Beziehung zusetzen, wobei es nun die Aspekte der Zeichenhandlung sind, die die Ausprägungen der Ähnlichkeitsbeziehung bestimmen (⊳ dezeptiver und immersiver Modus).

Mit dem so angesetzten Primat der Pragmatik vor der Semantik verschiebt sich der Aufmerksamkeitsfokus zudem von “der” Bedeutung eines Bildes zu den Bedeutungen verschiedener Bildverwendungen: Wenn die Bedeutungen eines Bildes wesentlich von Faktoren des jeweiligen Gebrauchskontextes abhängen, dann macht es gar keinen Sinn, von einer Bedeutung zu sprechen, die unabhängig von einem solchen Verwendungszusammenhang für das Bild bestünde. Annäherungsweise ließe sich davon höchstens in einem bildpragmatischen Sinn reden, nämlich als Bedeutung relativ zu einem sozial etablierten (und damit letztlich variablen) Standardverwendungszusammenhang, von dem immer dann auszugehen wäre, wenn keine spezifischeren Angaben zur Gebrauchssituation bekannt sind.

Zu den Unterpunkten

Die Schlagworte zur Bildsemantik lassen sich grob aufteilen in solche, die eher mit dem Wesen der semantischen Beziehung befasst sind, und solche, die den Zielpunkt dieser Beziehung näher beleuchten. Offensichtlich sollten die beiden Komplexe nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, hängt doch die Art der Beziehung vom Typ der aufeinander bezogenen Gegenstände ebenso ab, wie umgekehrt.

Die Natur der semantischen Beziehung bei Bildern

Wie ist die Natur der semantischen Beziehung bei Bildern im Unterschied zu anderen Zeichenarten verfasst? Lässt sich eine Gruppe charakteristischer Eigenheiten dieser Beziehung bestimmen – oder sollten vielleicht mehrere verschiedene solcher Gruppen in Betracht gezogen werden? Auf die unterschiedlichen Bedeutungsrelationen “Bildinhalt” und “Bildreferenz” ist bereits oben hingewiesen worden. Eine zentrale Rolle für die Art der Bedeutungsbeziehung bei Bildern spielt das Wechselspiel zwischen Ähnlichkeit und Abstraktion: Wie verändert sich die Ähnlichkeitsbewertung durch Variieren des Grades und der Arten von Abstraktionen und umgekehrt? Welche Aspekte werden überhaupt bei der Ähnlichkeitsbewertung berücksichtigt? Historisch wie systematisch ist hier insbesondere die Rolle von Perspektive als sowohl geometrischer wie zeitlicher Projektion zu beachten, wobei beides ins Verhältnis zu der mathematisch-abstrakten Eigenschaft Isomorphie zu setzen ist. Dem besonderen Gewicht einer Ähnlichkeitsrelation für die Bildsemantik verdankt es sich auch, dass die Möglichkeit echter pikturaler Negation immer wieder bezweifelt worden ist. Daraus ergeben sich für Bilder sehr spezifische Verhältnisse zwischen den beiden Begriffen Darstellung und Repräsentation.

Der Zielpunkt der semantischen Beziehung bei Bildern

Welche Entitäten können durch Bilder bezeichnet werden bzw. welche Entitäten können als Bedeutung von Bildern auftreten? Primär handelt es sich dabei zwar um beliebige visuell wahrnehmbare Entitäten (⊳ Gegenstand der visuellen Wahrnehmung), jedoch spielen insbesondere die so genannten sortalen Gegenstände eine zentrale Rolle, also jene Art von materiellen, räumlich abgegrenzten und zeitlich ausgedehnten Gegenständen, die wir auch umgangssprachlich als Gegenstände im engeren Sinne verstehen. Insofern auch nicht-visuelle Phänomene zunächst metaphorisch auf Visuelles, das dann abgebildet wird, bezogen ist, hängt die Semantik logischer Bilder ebenfalls von diesen auf besondere Weise individuierten Gegenständen ab. Für die Semantik ungegenständlicher Bilder ist hingegen insbesondere die Unterscheidung von Referenz, Denotation, Exemplifikation bestimmend.



Anmerkungen
  1. Von einem Sachbezug im eigentlichen Sinne wäre nur zu sprechen, wenn die Bedeutung eines Bildes als äquivalent zu einer (mehr oder weniger komplexen) Proposition oder – in einem schon etwas weiteren Sinn – zu einem der propositionalen Teile (Prädikation oder Nomination) begriffen wird. Da einige Bildtheorien diese Voraussetzung abstreiten, kann in ihrem Rahmen lediglich in einem noch allgemeineren, jeweils genauer zu präzisierenden Sinn vom Sachbezug eines Bildes oder einer Bildzeichenhandlung geredet werden (⊳ Kontextbildung).
  2. Hier ist neben Platon (vgl. insbes. Politeia und Sophistes) vor allem die Sammlung bildtheoretischer Betrachtungen von Plinius Secundus d.Ä. zu nennen ([Plinius 2004a]: B. XXXV); ebenso ⊳ Mimesis.
  3. In der Debutades-Episode bei Plinius wird die Enstehung von Malerei (und Plastik) bekanntlich auf den fixierten Schattenwurf zurückgeführt: eine junge Korintherin, Tochter des Töpfers Debutades, verdauert den Schatten ihres Abschied nehmenden Geliebten mit einer Umrißlinie; [Plinius 2004a]: B. XXXVI 151.
  4. vgl. etwa [Waldenfels 1999a] bzw. [Sachs-Hombach 2003a].
  5. In diesem Zusammenhang ist aufschlussreich, wie sich die Erklärbarkeit fiktiver, widersprüchlicher und leerer Begriffe beim Übergang zur bewusstseinstheoretischen Philosophie gegenüber der antiken Position herausgebildet hat; vgl. [Ros 1989a].
  6. Hierzu insbesondere [Goodman 1968a], [Goodman & Elgin 1988] und [Scholz 2004a].
  7. Doch wer verweist schon mithilfe des Freundes auf dessen Schatten, statt umgekehrt?
Literatur                             [Sammlung]

[Goodman & Elgin 1988]: Goodman, Nelson & Elgin, Catherine Z. (1988). Reconceptions in Philosophy and Other Arts and Sciences. Indianapolis: Hackett, Deutsch: Revisionen. Philosophie und andere Künste und Wissenschaften. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1993.

[Goodman 1968a]: Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976). Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998. [Jonas 1961a]: Jonas, Hans (1961). Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. Zeitschrift für Philosophische Forschung, Band: 15, S. 161–176, Wieder abgedruckt in: Jonas, Hans: Zwischen Nichts und Ewigkeit – Zur Lehre vom Menschen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1987, 26–43. [Plinius 2004a]:
Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Ros 1989a]: Ros, Arno (1989). “Bedeutung”, “Idee” und “Begriff” – Zur Behandlung einiger bedeutungstheoretischer Paradoxien durch Leibniz. Studia Leibnitiana, Band: 21, S. 133-154. [Sachs-Hombach 2003a]: Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. [Scholz 2004a]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl.. [Waldenfels 1999a]:
Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.

Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [38], Klaus Sachs-Hombach [2] und Emilia Didier [1] — (Hinweis)