Bildtermini anderer Sprachen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Hauptpunkt zu: Bild und Sprache


Die Annahme, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht nur in den Kulturwissenschaften eine Hinwendung, ein turn hin zu den Bildern stattgefunden habe, gehört zum Commonsense.[1] Vor diesem Hintergrund bedarf eine Rückwendung zur Sprache – und selbst wenn es sich dabei um eine Wendung zu den Bildtermini anderer Sprachen handelt – zumindest einer Erläuterung. Welche Gründe gibt es also, sich mit derartigen Bildtermini auseinanderzusetzen? #

Obwohl offenbar gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine Hinwendung zum Thema Bild stattgefunden hat, ist damit keineswegs das gängige wissenschaftliche Prozedere – um auf dieser allgemeinsten Ebene noch nicht von Methode zu sprechen – außer Kurs gesetzt worden: In der Regel reden oder schreiben wir in den Wissenschaften immer noch über die für uns relevanten Themen. Wir haben nicht begonnen, (über) sie stattdessen nur noch zu malen oder zu zeichnen. Um über sie reden oder schreiben zu können, müssen wir naheliegender Weise auch Ausdrücke verwenden, mit denen wir uns auf sie beziehen. Sich mit Bildtermini auseinanderzusetzen bedeutet daher, sich über die Instrumente Aufschluss zu geben, mit denen wir uns (auch in den Wissenschaften) auf Bilder beziehen. Nebenbei, auch der letzte Satz ist ein Beispiel für diesen Bezug, denn vor dem letzten Wort in ihm finden sich bezeichnenderweise keine Bilder, vor ihm findet sich lediglich der Ausdruck ‘Bilder’.

Schon anhand von einer, erst recht bei der Berücksichtigung von mehreren Sprachen, kann man feststellen, dass es erstens eine Vielzahl von derartigen Termini gibt und dass es sich zweitens bei dieser Vielzahl nicht um eine onomasiologische Trivialität handelt. Die Onomasiologie fragt bekanntlich nach den verschiedenen Bezeichnungen, die eine Sache haben kann. Bei den uns interessierenden Termini handelt es sich jedoch nicht immer schlicht um verschiedene Termini für ein und dieselbe Sache – welche Sache es tatsächlich ist, kann vielmehr nach Maßgabe der Termini durchaus variieren. Wir stoßen bei dem Termini also auf Bedeutungsnuancen. Die französische Alltagssprache kennt beispielsweise sowohl die Rede vom tableau als auch die von der image; gemäß der unterschiedlichen Logik der beiden Begriffe, der konkreteren Ausrichtung des ersten und der abstrakteren Ausrichtung der zweiten, können wir von einem tableau sagen, dass wir es an die Wand hängen, bei einer image ist dies jedoch unmöglich.[2] Die deutsche Alltagssprache hingegen verfährt anders, verschleift diesen Unterschied und nennt beides ‘Bild’.[3]

Die Semasiologie fragt danach, was alles unter ein und dieselbe Bezeichnung fällt. Im Falle der Bildtermini ist diese Frage ebenfalls aufschlussreich, da sie keineswegs nur visuell wahrnehmbare Artefakte bezeichnen. William James Thomas Mitchell hat auch aufgrund dessen die Familie der Bilder grob in graphische (Gemäl­de, Zeichnungen etc., Statuen, Pläne), optische (Spiegel, Projektionen), perzeptuelle (Sinnesdaten, „Formen“, Erscheinungen), mentale (Träume, Erinnerungen, Ideen, Vorstellungsbilder) und sprachliche Bilder (Metaphern, Beschreibungen) eingeteilt ([Mitchell 1986a]Literaturangabe fehlt.
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: S. 10). Etwas anders gesagt: Es lässt sich beobachten, dass eine Fülle verschiedener Gegenstände unter die fraglichen Termini fällt.

Neben Unterschieden, die sich bereits in der synchronen Perspektive erschließen, finden sich auch Unterschiede, wenn man wie die Begriffsgeschichte oder die historische Semantik die Termini in der diachronen Perspektive verfolgt.[4] Beispielsweise fiel unter ‘imago’, der Wurzel für das französische oder englische ‘image’, keineswegs immer nur etwas Abstrakte(re)s, sondern zu Beginn der rekonstruierbaren Begriffsgeschichte ganz handgreiflich die römische Totenmaske (⊳ Lateinisch: 'effigies', 'species', 'simulacrum', 'imago').[5]

In einer wiederum diachronen Perspektive fällt auf, dass Bildtermin – teils durch explizite Vergleiche oder Analogien gestützt – oftmals einem metaphorischen Gebrauch zugeführt wurden. 

Wir können sie u.a. in der Erkenntnistheorie, Psychologie, Ethik

Fragestellung

Im ersten Kapitel seines einfluss­reichen Buches «Icono­logy» unter­scheidet W.J.T. Mitchell mehre­re Zweige in der Fami­lie der „images“, darun­ter den graphi­schen, opti­schen, menta­len und verba­len (vgl. [Mitchell 1986a]Literaturangabe fehlt.
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: S. 10). Das ist auf den ersten Blick einleuch­tend. Es entspricht weitge­hend unse­rem Sprachver­ständnis, dass wir Gemäl­de, Spiege­lungen, Vorstel­lungen und auch bestimm­te rheto­rische Figu­ren – wie etwa die eben verwen­dete Meta­pher des Zweigs – ‘Bilder’ nennen (⊳ Bild und rheto­rische Figur).

Allerdings sollte uns schon Mitchells Text selbst skeptisch machen: Wieso spricht er von ‘images’ und nicht von ‘pic­tures’? Immer­hin lässt sich doch beides mit ‘Bild’ über­setzen! Und welche Bedeu­tungsdif­ferenz im Engli­schen entgeht uns, wenn wir genau das tun und beides mit ein und demsel­ben deutschen Wort wieder­geben? Außer­dem ist Sprache, sind Sprachen wandelbar. Dafür ist zufäl­liger­weise das deutsche Wort ‘Image’ ein gutes Beispiel, das, aus dem Engli­schen kommend, sich in den 1950er Jahren zuerst in der Wirtschafts­psycho­logie und dann in der Alltags­sprache verbrei­tete (vgl. [Brachfeld 1976a]Literaturangabe fehlt.
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). Wir müssen also vermu­ten, dass sich unser gegen­wärti­ges Sprachver­ständnis nicht ohne Verzer­rungen einfach in die Vergan­genheit proji­zieren lässt.

In den hier zusammengestellten Beiträ­gen wird es darum gehen, genau diese Skrupel zu berück­sichti­gen und vor allem danach zu fragen, was sich in älte­ren und fremdspra­chigen Texten tatsäch­lich findet, wenn in der deutschen Über­setzung zumeist nur ‘Bild’ zu lesen ist. Es wird sich also um Beiträ­ge zur Begriffs­geschich­te oder zur histo­rischen Seman­tik von ‘Bild’ und seinen Über­setzun­gen handeln.[6]

Anmerkungen
  1. Zu den einschlägigen Proklamationen dieses turn vgl. [Fellmann 1991a]Literaturangabe fehlt.
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    : S. 26, ([Mitchell 2008a]Literaturangabe fehlt.
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    : S. 101-135 und [Boehm 1994a]Boehm, Gottfried (1994).
    Die Wiederkehr der Bilder. München: Fink.

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    .
  2. Entsprechendes trifft auch auf das Englische und die Unterscheidung zwischen picture und image zu.
  3. Im Deutschen wird dieser Unterschied erst durch eine Verbindung des Bildterminus mit einem Adjektiv oder durch eine andere Erweiterung eingeholt. Beispiele in der deutschen Wissenschaftssprache dafür finden sich bei Edmund Husserl, der das „physische Bild, das Bild aus Leinwand, aus Marmor usw.“ vom „repräsentierenden Bild“ oder „Bildobjekt“ abgrenzt ([Husserl 1980a]Literaturangabe fehlt.
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    : S. 19), oder in der Bezeichnung ‘Bildträger’.
  4. Für die Philosophie vgl. dazu [Ritter 1967a]Literaturangabe fehlt.
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    , für die Historiographie [Koselleck 1979a]Literaturangabe fehlt.
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    und für die Soziologie [Luhmann 1980a]Literaturangabe fehlt.
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    .
  5. Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Noch Husserls Erklärungen zum physischen Bild verraten ansatzweise, dass es früher im Gegensatz zu heute üblich war, unter ‘Bild’ vor allem plastische und nicht plane Gegenstände zu fassen.
  6. Der the­ma­tisch eben­falls in die­sen Zu­sam­men­hang ge­hö­ren­de Ar­ti­kel​ «Bild­ter­mi­ni im mo­der­nen Deutsch»​ wur­de aus na­he­lie­gen­den Grün­den dem Haupt­punkt​ «Spre­chen über Bil­der»​ zu­ge­ord­net.
Literatur                             [Sammlung]

[Boehm 1994a]: Boehm, Gottfried (1994). Die Wiederkehr der Bilder. München: Fink.

[Brachfeld 1976a]:
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[Fellmann 1991a]:
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[Husserl 1980a]:
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[Koselleck 1979a]:
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[Luhmann 1980a]:
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[Mitchell 1986a]:
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[Mitchell 2008a]:
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