Bildtheorie/Bildwissenschaft/Bildkritik: Unterschied zwischen den Versionen

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(Bildphilosophische Abgrenzungen)
(Was kann und was soll eine Bilddisziplin leisten?)
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Wer sich heutzutage für bildwissenschaftliche Fragestellungen interessiert, sieht sich schnell mit einer schier unüberschaubaren Masse von Forschungsliteratur konfrontiert. Nachdem Gottfried Boehm und W.J.T. Mitchell in der ersten Hälfte der 1990er Jahre den iconic  bzw. pictorial turn  proklamierten, haben etliche geistes- und kulturwissenschaftliche Disziplinen das Phänomen des Bildes als einen zentralen Forschungsgegenstand für sich entdeckt. Fand die wissenschaftliche Beschäftigung mit Bildwerken traditionellerweise vorwiegend in der Kunstgeschichte ihre disziplinäre Heimat, spielt sich die zeitgenössische Bildforschung inzwischen in einem breiten interdisziplinären Rahmen ab. Dieser umfasst gerade auch solche Disziplinen, die den besonderen Stellenwert, den Bilder in ihnen einnehmen, lange Zeit nicht eigens zum Thema gemacht haben – zu nennen seien neben der Politologie und der Rechtswissenschaft unter anderem auch die Soziologie oder die Archäologie.
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Auch wenn es zweifelhaft ist, dass sich „[e]rst im 20. Jahrhundert […] Ansätze für einen wissenschaftlichen Bilddiskurs aus[bildeten]“ , stellt die Intensität, mit der sich seit der Proklamation des iconic bzw. pictorial turn auf einer grundlagentheoretischen Ebene mit bildwissenschaftlichen Inhalten beschäftigt wird, ohne Frage ein wissenschaftshistorisches Novum dar. Zwar wurden in der Denkgeschichte insbesondere im Kontext von theologischen, wahrnehmungstheoretischen und ästhetischen Auseinandersetzungen immer wieder Probleme angesprochen, die noch heute eine große bildwissenschaftliche Relevanz besitzen; jedoch steht das Phänomen des Bildes in der Tat erst seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert im Zentrum einer intensiven wissenschaftlichen Debatte. Das Bild hat sich innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften von einem Rand- zu einem Hauptthema entwickelt.
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Folgende Frage steht in diesem Zusammenhang im Mittelpunkt: Was ist ein Bild?  Auf den ersten Blick mag es sich hierbei um eine triviale Frage handeln, die sich bereits durch die alltäglichen Erfahrungen, die wir mit einer Vielzahl von Bildmedien machen, praktisch selbst zu beantworten scheint. Was in der Praxis wie eine Selbstverständlichkeit behandelt wird, erweist sich in der Theorie allerdings oft als überaus kompliziert und rätselhaft. Es mag durchaus vorstellbar sein, dass jemand, der tagtäglich mit Bildern umgeht, weiß, was ein Bild ist. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass er oder sie zugleich auch erklären kann, woran genau sich die Kategorisierung eines Gegenstandes unter den Begriff des Bildes festmacht.
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Tatsächlich führt eine kritische Erörterung der Frage Was ist ein Bild? zu ähnlichen Erklärungsnöten, wie sie sich beispielsweise im Rahmen einer Reflexion auf die Frage Was ist Zeit? einstellen. Was Augustinus im Hinblick auf den Zeitbegriff eingestehen musste, lässt sich in gleicher Weise über den Begriff des Bildes sagen: „Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; wenn ich es einem Fragenden erklären will, weiß ich es nicht.“
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An Vorschlägen, wie sich diese Erklärungsnot beseitigen ließe, mangelt es aufgrund des gestiegenen Interesses an bildwissenschaftlichen Grundsatzfragen nicht. Alleine im deutschsprachigen Raum sind in den vergangenen Jahren mehr als ein halbes Dutzend Entwürfe für eine allgemeine Theorie des Bildes vorgestellt worden.  Sie alle machen es sich zum Ziel, sämtliche Schwierigkeiten aufzulösen, die bei dem Versuch auftreten, dem Wesen des Bildbegriffs auf den Grund zu kommen.
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Obwohl sich zwischen einigen dieser Arbeiten starke inhaltliche Überschneidungen ausfindig machen lassen, ist die bildwissenschaftliche Debatte insgesamt noch weit von der Formulierung und Etablierung einer konsensfähigen allgemeinen Bildtheorie entfernt. So klar es ist, dass sich „[e]ine Wissenschaft, die sich ‚Bildwissenschaft‘ nennt, […] der Erforschung des Bildes [widmet]“ , so strittig ist es, „welche spezifischen Aufgaben, Inhalte oder Methoden mit ihr verbunden sein sollen.“
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Daraus folgt, dass sich die Bildwissenschaft auf der Suche nach ihren theoretischen, methodischen und disziplinären Grundlagen noch in einem „vorparadigmatischen Stadium“  befindet. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass sich durch die gegenwärtige Bilddebatte ein Positionenstreit zieht, der streckenweise nicht nur überaus kontrovers ausgetragen wird, sondern zudem eine Reihe von bildwissenschaftlichen Profilen zu Tage fördert, die im Hinblick auf die Frage nach dem Sinn und Zweck bildwissenschaftlichen Forschens zu vollkommen unterschiedlichen Antworten gelangen.
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Von der Bildwissenschaft – im Sinne eines theoretisch, methodisch und disziplinär fest umrissenen wissenschaftlichen Programms – kann demnach nicht geredet werden. Ganz im Gegenteil setzt sich der bildwissenschaftliche Diskurs aus einer Fülle von Bilddisziplinen zusammen, die mit der systematischen Erforschung bildwissenschaftlicher Problemkomplexe mitunter höchst verschiedene Zielvorstellungen und Methoden verbinden.
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Ziel der nachstehenden Abschnitte ist es, die Heterogenität des bildwissenschaftlichen Diskussionsstandes übersichtlich und einführend darzustellen. Neben den theoretischen und methodischen Kernprämissen der wichtigsten Bilddisziplinen sollen außerdem die von ihnen anvisierten Aufgaben und Inhalte erläutert werden. Auch wenn sämtliche Unterpunkte dieses Themenabschnitts als eigenständige Beiträge gelesen werden können, soll diese Sektion dazu dienen, einen vergleichenden Überblick über die gegenwärtige bildwissenschaftliche Forschungssituation zu erlauben. Schließlich nimmt die Vielzahl von Bildbegriffen, die in den unterschiedlichen Bildkonzeptionen im Umlauf ist, einen entscheidenden Einfluss darauf, wie die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, im Einzelfall beantwortet wird.
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Version vom 16. September 2010, 12:46 Uhr

Theorieperspektive im Glossar der Bildphilosophie


Was kann und was soll eine Bilddisziplin leisten?

Wer sich heutzutage für bildwissenschaftliche Fragestellungen interessiert, sieht sich schnell mit einer schier unüberschaubaren Masse von Forschungsliteratur konfrontiert. Nachdem Gottfried Boehm und W.J.T. Mitchell in der ersten Hälfte der 1990er Jahre den iconic bzw. pictorial turn proklamierten, haben etliche geistes- und kulturwissenschaftliche Disziplinen das Phänomen des Bildes als einen zentralen Forschungsgegenstand für sich entdeckt. Fand die wissenschaftliche Beschäftigung mit Bildwerken traditionellerweise vorwiegend in der Kunstgeschichte ihre disziplinäre Heimat, spielt sich die zeitgenössische Bildforschung inzwischen in einem breiten interdisziplinären Rahmen ab. Dieser umfasst gerade auch solche Disziplinen, die den besonderen Stellenwert, den Bilder in ihnen einnehmen, lange Zeit nicht eigens zum Thema gemacht haben – zu nennen seien neben der Politologie und der Rechtswissenschaft unter anderem auch die Soziologie oder die Archäologie. Auch wenn es zweifelhaft ist, dass sich „[e]rst im 20. Jahrhundert […] Ansätze für einen wissenschaftlichen Bilddiskurs aus[bildeten]“ , stellt die Intensität, mit der sich seit der Proklamation des iconic bzw. pictorial turn auf einer grundlagentheoretischen Ebene mit bildwissenschaftlichen Inhalten beschäftigt wird, ohne Frage ein wissenschaftshistorisches Novum dar. Zwar wurden in der Denkgeschichte insbesondere im Kontext von theologischen, wahrnehmungstheoretischen und ästhetischen Auseinandersetzungen immer wieder Probleme angesprochen, die noch heute eine große bildwissenschaftliche Relevanz besitzen; jedoch steht das Phänomen des Bildes in der Tat erst seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert im Zentrum einer intensiven wissenschaftlichen Debatte. Das Bild hat sich innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften von einem Rand- zu einem Hauptthema entwickelt. Folgende Frage steht in diesem Zusammenhang im Mittelpunkt: Was ist ein Bild? Auf den ersten Blick mag es sich hierbei um eine triviale Frage handeln, die sich bereits durch die alltäglichen Erfahrungen, die wir mit einer Vielzahl von Bildmedien machen, praktisch selbst zu beantworten scheint. Was in der Praxis wie eine Selbstverständlichkeit behandelt wird, erweist sich in der Theorie allerdings oft als überaus kompliziert und rätselhaft. Es mag durchaus vorstellbar sein, dass jemand, der tagtäglich mit Bildern umgeht, weiß, was ein Bild ist. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass er oder sie zugleich auch erklären kann, woran genau sich die Kategorisierung eines Gegenstandes unter den Begriff des Bildes festmacht. Tatsächlich führt eine kritische Erörterung der Frage Was ist ein Bild? zu ähnlichen Erklärungsnöten, wie sie sich beispielsweise im Rahmen einer Reflexion auf die Frage Was ist Zeit? einstellen. Was Augustinus im Hinblick auf den Zeitbegriff eingestehen musste, lässt sich in gleicher Weise über den Begriff des Bildes sagen: „Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; wenn ich es einem Fragenden erklären will, weiß ich es nicht.“ An Vorschlägen, wie sich diese Erklärungsnot beseitigen ließe, mangelt es aufgrund des gestiegenen Interesses an bildwissenschaftlichen Grundsatzfragen nicht. Alleine im deutschsprachigen Raum sind in den vergangenen Jahren mehr als ein halbes Dutzend Entwürfe für eine allgemeine Theorie des Bildes vorgestellt worden. Sie alle machen es sich zum Ziel, sämtliche Schwierigkeiten aufzulösen, die bei dem Versuch auftreten, dem Wesen des Bildbegriffs auf den Grund zu kommen. Obwohl sich zwischen einigen dieser Arbeiten starke inhaltliche Überschneidungen ausfindig machen lassen, ist die bildwissenschaftliche Debatte insgesamt noch weit von der Formulierung und Etablierung einer konsensfähigen allgemeinen Bildtheorie entfernt. So klar es ist, dass sich „[e]ine Wissenschaft, die sich ‚Bildwissenschaft‘ nennt, […] der Erforschung des Bildes [widmet]“ , so strittig ist es, „welche spezifischen Aufgaben, Inhalte oder Methoden mit ihr verbunden sein sollen.“ Daraus folgt, dass sich die Bildwissenschaft auf der Suche nach ihren theoretischen, methodischen und disziplinären Grundlagen noch in einem „vorparadigmatischen Stadium“ befindet. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass sich durch die gegenwärtige Bilddebatte ein Positionenstreit zieht, der streckenweise nicht nur überaus kontrovers ausgetragen wird, sondern zudem eine Reihe von bildwissenschaftlichen Profilen zu Tage fördert, die im Hinblick auf die Frage nach dem Sinn und Zweck bildwissenschaftlichen Forschens zu vollkommen unterschiedlichen Antworten gelangen. Von der Bildwissenschaft – im Sinne eines theoretisch, methodisch und disziplinär fest umrissenen wissenschaftlichen Programms – kann demnach nicht geredet werden. Ganz im Gegenteil setzt sich der bildwissenschaftliche Diskurs aus einer Fülle von Bilddisziplinen zusammen, die mit der systematischen Erforschung bildwissenschaftlicher Problemkomplexe mitunter höchst verschiedene Zielvorstellungen und Methoden verbinden. Ziel der nachstehenden Abschnitte ist es, die Heterogenität des bildwissenschaftlichen Diskussionsstandes übersichtlich und einführend darzustellen. Neben den theoretischen und methodischen Kernprämissen der wichtigsten Bilddisziplinen sollen außerdem die von ihnen anvisierten Aufgaben und Inhalte erläutert werden. Auch wenn sämtliche Unterpunkte dieses Themenabschnitts als eigenständige Beiträge gelesen werden können, soll diese Sektion dazu dienen, einen vergleichenden Überblick über die gegenwärtige bildwissenschaftliche Forschungssituation zu erlauben. Schließlich nimmt die Vielzahl von Bildbegriffen, die in den unterschiedlichen Bildkonzeptionen im Umlauf ist, einen entscheidenden Einfluss darauf, wie die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, im Einzelfall beantwortet wird.



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