Bildzitat: Unterschied zwischen den Versionen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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(Nelson Goodman: Sprach-, Bild- und Musikzitat)
 
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=====Bildzitat: eine Einführung=====
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==Bildzitat: eine Einführung==
Was ist ein Bildzitat? Allgemein gesprochen lässt sich darunter eine zitierende, intramedial stattfindende Referenz zwischen Bildwerken heterogener Provenienz verstehen. Es handelt sich also um ein [[Bild in reflexiver Verwendung]]. Obwohl der Begriff in der Literatur häufig gebraucht wird, ist bislang ungeklärt, welche Merkmale ein Bildzitat erfüllen muss, um als solches zu gelten, und wie es von anderen Verweistechniken wie beispielsweise Variation, Anspielung, Parodie u. ä. zu unterscheiden ist.
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Was ist ein Bildzitat? Allgemein gesprochen lässt sich darun&shy;ter eine zitie&shy;rende, intra&shy;medial statt&shy;finden&shy;de Refe&shy;renz zwischen Bild&shy;werken hetero&shy;gener Prove&shy;nienz ver&shy;stehen. Es handelt sich also um ein [[Bild in reflexiver Verwendung|Bild in refle&shy;xiver Verwen&shy;dung]]. Obwohl der Aus&shy;druck in der Lite&shy;ratur häufig ge&shy;braucht wird, ist bis&shy;lang unge&shy;klärt, welche Merk&shy;male ein Bild&shy;zitat erfül&shy;len muss, um als sol&shy;ches zu gelten, und wie es von anderen Ver&shy;weis&shy;techni&shy;ken wie bei&shy;spiels&shy;weise Varia&shy;tion, Anspie&shy;lung, Parodie u. ä. zu unter&shy;scheiden ist.
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Bildzitate treten in diversen [[Bildmedien]] (etwa in der [[Malerei]], [[Fotografie]], im [[Comic]]) auf und liegen historisch betrachtet – in unterschiedlichen Epochen der Kunst, aber auch in der [[Werbung]] und Alltagskultur vor. Demzufolge sind sie in allen gesellschaftlichen Bereichen anzufinden, in denen auf ein kulturelles Reservoir an Bildern zitierend Bezug genommen wird (⊳ [[Kunstgeschichte als Bildgeschichte]]).
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[[Datei:Malevich, Composition with Mona Lisa.jpg|thumb|Abb. 1 Kazimir Malevich: «Komposition mit Mona Lisa» 1914]]
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Bildzitate treten in di&shy;ver&shy;sen [[Bildmedien|Bild&shy;me&shy;dien]] (et&shy;wa in der [[Malerei|Ma&shy;le&shy;rei]], [[Fotografie|Fo&shy;to&shy;gra&shy;fie]], im [[Comic|Co&shy;mic]]) auf und lie&shy;gen histo&shy;risch be&shy;trach&shy;tet – in un&shy;ter&shy;schied&shy;li&shy;chen Epo&shy;chen der Kunst, aber auch in der [[Werbung|Wer&shy;bung]] und All&shy;tags&shy;kul&shy;tur vor. Dem&shy;zu&shy;fol&shy;ge sind sie in al&shy;len ge&shy;sell&shy;schaft&shy;li&shy;chen Be&shy;rei&shy;chen an&shy;zu&shy;fin&shy;den, in de&shy;nen auf ein kul&shy;tu&shy;rel&shy;les Re&shy;ser&shy;voir an Bil&shy;dern zi&shy;tie&shy;rend Be&shy;zug ge&shy;nom&shy;men wird (⊳ [[Kunstgeschichte als Bildgeschichte|Kunst&shy;ge&shy;schich&shy;te als Bild&shy;ge&shy;schich&shy;te]]).  
Die Frage nach einem Bildzitat ist eng verknüpft mit verschiedenen Themenfeldern, etwa, wie sich das Bildzitat zum Sprachzitat oder allgemeiner Bilder zur Sprache verhalten, in welchen Kategorien über Bilder reflektiert werden kann ([[Sprechen über Bilder]]) und inwiefern im Zuge eines ''iconic'' oder ''pictorial turn'' ein bildspezifischer Diskurs über Bildverweise in Abgrenzung zum sprachlichen Diskurs möglich ist (⊳ [[Bildwissenschaft als Sprach- und Bildkritik]]).
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Die Frage nach einem Bildzitat ist eng ver&shy;knüpft mit ver&shy;schiede&shy;nen Themen&shy;feldern, etwa, wie sich das Bild&shy;zitat zum Sprach&shy;zitat oder allge&shy;meiner Bilder zur Sprache ver&shy;halten, in welchen Kate&shy;gorien über Bilder reflek&shy;tiert werden kann ([[Sprechen über Bilder|Spre&shy;chen über Bil&shy;der]]) und inwie&shy;fern im Zuge eines ''iconic'' oder ''pictorial turn'' ein bild&shy;spezifi&shy;scher Dis&shy;kurs über Bild&shy;verwei&shy;se in Ab&shy;gren&shy;zung zum sprach&shy;lichen Dis&shy;kurs mög&shy;lich ist (⊳ [[Bildwissenschaft als Sprach- und Bildkritik|Bild&shy;wissen&shy;schaft als Sprach- und Bild&shy;kritik]]).
Das Bildzitat ist Gegenstand in vier Forschungszusammenhängen, die mehr oder weniger unabhängig voneinander existieren. Eine gegenseitige Rezeption findet nur zum Teil statt.
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Das Bildzitat ist Gegenstand in vier For&shy;schungs&shy;zusam&shy;menhän&shy;gen, die mehr oder weniger unabhängig von&shy;einan&shy;der existieren. Eine gegen&shy;seitige Rezep&shy;tion findet nur zum Teil statt.  
* Nelson Goodman setzt sich in seiner Symboltheorie mit der Bezugnahmepraktik des Zitierens auseinander. In einer vergleichenden Perspektive betrachtet er die Bedingungen für ein sprachliches, bildliches und musikalisches Zitieren. (Zum möglichen Nutzen von Goodmans Unterscheidung der Referenzformen ''Zitat'' und ''Variation'' als Bestandteil einer homogenen Beschreibungssprache für die Bildwissenschaften vgl. <bib id='Birk 2011a'></bib>.)
 
 
 
* Untersuchungen von Bildzitaten finden vorrangig im Rahmen der Kunstgeschichte als einer [[Bildwissenschaft]] statt. Hier stehen konkrete Analysen von Zitaten in Kunstwerken und ihre Implikationen im Vordergrund. Eine theoretische Reflektion des Begriffs basierend auf Goodmans symboltheoretischem Ansatz ist nicht vorhanden. Grundlage der Einzeluntersuchungen scheint häufig ein alltagssprachliches Verständnis von Zitat – das in erster Linie von der Idee eines sprachlichen Zitat beherrscht wird – zu sein, oder es werden explizit terminologische Bestimmungen des Zitats in Anlehnung an linguistische und literaturwissenschaftliche Definitionen vorgenommen (<bib id='Zuschlag 2002a'></bib>: S. 171).
 
 
 
* Dieser literaturwissenschaftlichen Orientierung entstammt auch ein Zweig bildwissenschaftlicher Forschung, der, beruhend auf dem Ansatz der ''Intertextualität'', Bildbeziehungen unter den Schlagworten ''Interbildlichkeit'', ''Interpikturalität'' oder ''Interikonizität'' erörtert.
 
 
 
* Schließlich beschäftigt sich die Jurisprudenz mit dem Bildzitat. Aus juristischer Hinsicht ist die urheberrechtliche Frage relevant, welche Formen eines Bildzitats zulässig sind. Die rechtliche Perspektive wird zwar vereinzelt in literaturwissenschaftlichen (<bib id='Neumann 1980a'></bib>) oder zeichentheoretischen Arbeiten (<bib id='Steinbrenner 2004a'></bib>: S. 84) zur Zitatklärung herangezogen, spielt jedoch für den symboltheoretischen Ansatz bei Goodman sowie den kunsthistorischen Diskurs keine Rolle.
 
 
 
=====Nelson Goodman: Sprach-, Bild- und Musikzitat=====
 
Nelson Goodman (<bib id='Goodman 1990a'></bib>: S. 59 ff.) betrachtet vergleichend Zitate in der Sprache, in Bildern und in der Musik. Er geht von sprachlichen Konstellationen des Zitierens aus und stellt zwei notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen auf.
 
* Ein Zitat ist erstens gekennzeichnet durch das Enthaltensein des Zitierten. Im Fall des direkten Zitats handelt es sich um eine syntaktische Replikation, im Fall des indirekten Zitats liegt eine semantische Paraphrase des Zitierten vor.
 
* Zweitens wird im Zitat mittels einer Benennung oder [[Prädikation]] auf das Zitierte Bezug genommen (⊳ [[Referenz, Denotation, Exemplifikation]]).
 
 
 
Gemäß Goodmans Kriterien gilt das indirekte Zitat als basale Variante des Zitierens, in der das direkte Zitat mit seiner identischen Buchstabenabfolge des Zitierten einen Sonderfall darstellt. Zitierbar sind vom Buchstaben bis zum Satz alle schriftsprachlichen Ebenen.
 
In der Übertragung der genannten sprachlichen Zitatkriterien stellt Goodman fest, dass im Bereich des Bildes zum Enthaltensein kein Äquivalent vorhanden ist und im Bereich der Musik keines zur Referenz.
 
 
 
Analog zur Bezugnahme auf das Zitierte im direkten Sprachzitat sucht Goodman nach Anführungszeichen im Bild und sieht sie in der Darstellung eines [[Rahmung, Rahmen|Rahmens]] oder einer Staffelei im Bild. Bezüglich des Enthaltenseins stellt sich dabei folgendes Problem. Da das Bild als autographische Kunst kein Alphabet besitzt, [[Syntaktische Dichte|syntaktisch dicht]] ist und somit die exakte Wiederholung einer Buchstabenkombination nicht gegeben ist, stellt sich die Frage, was einer Replik im Bild entsprechen könnte. Repliken können zwar unterschiedlich ausgestaltet sein, sind aber durch die identische Repetition der Buchstabenabfolge gekennzeichnet, die im System einzigartig vorliegender Bildsymbole nicht vorhanden ist. Auch bei einer Kopie liegt, anders als man zunächst vermuten könnte, keine Entsprechung zu einer solchen identischen Repetition vor. Für ein indirektes Bildzitat könnte ebenfalls ein gemalter Rahmen als Anzeige einer Paraphrase dienen. Letztlich ist in diesem Zusammenhang der Kontext entscheidend.
 
 
 
Schließlich sieht Goodman sowohl die Möglichkeit eines Zitats von Sprache im Bild als auch in umgekehrter Richtung. Klang ließe sich ebenfalls bildlich zitieren. So müsste beispielsweise eine Musikpartitur im Bild abgebildet sein, denn [[Notation]]und Klang stehen in einem ähnlichen Verhältnis wie geschriebene und gesprochene Sprache.
 
 
 
Jakob Steinbrenner (<bib id='Steinbrenner 1999a'></bib>; <bib id='Steinbrenner 2004a'></bib>: S. 217 ff.) kommt im Rückgriff auf Überlegungen von Goodman, Tarski und Davidson zu dem Schluss, dass der Zitatbegriff in syntaktischer Hinsicht nicht auf den Bereich des Bildes übertragen werden kann. Er begründet seine Darstellung damit, dass die von ihm herausgearbeiteten Merkmale sprachlicher Zitate keine Entsprechung im Bereich des Bildes besitzen. Dabei räumt er ein, dass auf der Ebene der Semantik Merkmalsähnlichkeiten vorliegen könnten.
 
 
 
Sprachliche Zitate sind gemäß Steinbrenner durch folgende Aspekte gekennzeichnet. Ein Zitat besteht aus einem Zeichenvorkommnis, das von Anführungszeichen gerahmt oder durch andere Mittel hervorgehoben wird, wobei es bestimmte notwendige syntaktische und semantische Merkmale aufweist. Ein Zitat denotiert und stimmt mit dem Zitierten im Typ überein. Zitierbar sind keine fiktiven oder zukünftigen, sondern nur von Personen gemachte, also bereits verwendete Äußerungen. Diese müssen aus eindeutig identifizierbaren Einzelzeichen einer Sprache bestehen, die jeweils einem Typ zuzuordnen sind.
 
 
 
Das Zitieren von Bildern in Bildern wirft nun verschiedene Probleme in der Übertragung sprachlicher Zitatkennzeichen auf. Kann ein im Bild dargestellter Rahmen oder eine Staffelei als syntaktische Anzeige, als Anführungszeichen eines darin enthaltenen Bildzitats fungieren? Steinbrenner führt gegen diese Überlegung an, dass das im Rahmen Dargestellte nicht zwangsläufig ein Bild im Bild ist. Es kann auch nur der Rahmen selbst präsentiert werden. Zum einen bleibt offen, was ein Bild ist und wie Bilder in Bildern abgebildet werden können. Zum anderen existiert in der Forschung keine Übereinstimmung in der Frage, ob es so etwas wie atomare Bildzeichen gibt und wie diese zu Zeichenkombinationen zusammengesetzt sind, wie also eine [[Bildgrammatik]] zu denken wäre. Da im Bild das Buchstabieren nicht möglich ist, fehlt die syntaktische Überprüfungsmöglichkeit, ob Zitiertes und Zitat einander im Typ entsprechen.
 
Während prinzipiell jeder sprachliche Zitate verwenden und erkennen kann – bis zu einem gewissen Grad auch ohne semantische Kompetenz –, ist dies bei bildlichen Zitaten nicht der Fall.
 
 
 
Steinbrenner kommt zu dem Schluss, dass im Fall des Bildes aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit der Kennzeichen sprachlicher Zitate sinnvollerweise nicht von einem bildlichen Zitat, sondern von einer ''Anspielung'' gesprochen werden sollte. Die Anspielung stellt eine unspezifischere Form der Bezugnahme dar, die lediglich manche Eigenschaften des Zitierten exemplifiziert (<bib id='Steinbrenner 2004a'></bib>: S. 221).
 
 
 
=====Kunsthistorische Perspektive: Das Bildzitat im Kontext weiterer Bildbezüge=====
 
 
 
In kunsthistorischen Untersuchungen liegt eine Fülle an Termini zur Beschreibung von Bildbeziehungen vor – etwa das Bild im Bild (<bib id='Asemissen & Schweikhart 1994a'></bib>; <bib id='Kemp 1995a'></bib>), die Parodie, Hommage, Allusion, Variation, Kopie u. ä. Christoph Zuschlag (<bib id='Zuschlag 2006a'></bib>) beklagt die uneinheitliche Begriffsverwendung in der Literatur und verweist auf die Schwierigkeit, die Vielfalt der vorhandenen Bildrelationen zu erfassen und zu systematisieren. Zudem liege weder eine konsensuelle theoretische Bestimmung des Bildzitats und seiner Abgrenzung zu anderen Referenzarten vor noch ein einheitliches Kategoriensystem zur Beschreibung und Analyse unterschiedlicher visueller Verweistechniken. So ist beispielsweise nicht klar, ob die zum Teil literaturwissenschaftlich geprägten Termini als semantische Kategorien gelten sollen, ob sie eine Verfahrenstechnik beschreiben oder auf welcher Ebene (etwa motivisch oder figurativ) Übernahmen stattfinden (<bib id='Rosen 2003a'></bib>: S. 162).
 
 
 
So wünschenswert in dieser Debatte ein epochen- und gattungsübergreifender Theoriebau auch wäre, so unklar ist dabei, ob dieser dem Wandel von Bildbegriffen und Kunstdiskursen im Laufe der Kunstgeschichte gerecht würde (<bib id='Zuschlag 2006a'></bib>: S. 95 f.).
 
 
 
Martina Sitt und Attila Horányi beispielsweise verwerfen den Begriff des Zitats, da er – ähnlich wie der Terminus des ''Einflusses'' (Baader 2003: 73 ff.) – zu heterogene Phänomene in der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts umfassen muss und damit seine Beschreibungsprägnanz verloren hat (<bib id='Sitt & Horányi 1993a'></bib>: S. 20).  
 
  
Analysen von Bildzitaten in ihren Funktionen und Wirkungen finden meist epochenbezogen – etwa zu Zitattechniken im 20. Jahrhundert (<bib id='Belting 1998a'></bib>; <bib id='Schmidt 2000a'></bib>; <bib id='Zuschlag 2002a'></bib>) – oder bezogen auf das Werk einzelner Künstler (<bib id='Asemissen & Schweikhart 1994a'></bib>: S. 225 ff.) – z.B. Bildzitate bei Vermeer (<bib id='Hammer-Tugendhat 2009a'></bib>) – statt. In übertragenem Sinn setzen sich auch Vertreterinnen der Performance-Kunst mit Bildzitaten auseinander. So versuchte beispielsweise die Künstlerin Orlan in einer Gesichtsoperation verschiedene weibliche Idealbilder der europäischen Kunstgeschichte (z.B. die Mona Lisa von Leonardo da Vinci und die Venus von Botticelli) in ihrem Gesicht zu vereinen und verwandelte damit Bildzitate in ein reales, somatisches Zitat (<bib id='Baxmann 2001a'></bib>: S. 294 ff.).
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* Nelson Goodman setzt sich in seiner Symbol&shy;theorie mit der Bezug&shy;nahme&shy;praktik des Zitie&shy;rens aus&shy;einan&shy;der. In einer ver&shy;gleichen&shy;den Perspek&shy;tive betrach&shy;tet er die Bedin&shy;gungen für ein sprach&shy;liches, bild&shy;liches und musika&shy;lisches Zitie&shy;ren.<ref>Zum mög&shy;lichen Nutzen von Good&shy;mans Un&shy;ter&shy;schei&shy;dung der Re&shy;fe&shy;renz&shy;for&shy;men ''Zi&shy;tat'' und ''Va&shy;ri&shy;a&shy;ti&shy;on'' als Be&shy;stand&shy;teil ei&shy;ner ho&shy;mo&shy;ge&shy;nen Be&shy;schrei&shy;bungs&shy;spra&shy;che für die Bild&shy;wis&shy;sen&shy;schaf&shy;ten vgl. <bib id='Birk 2012a'></bib>.</ref>
  
Zuschlag definiert das ''Zitat'' in Differenz zur ''Paraphrase'' (<bib id='Zuschlag 2002a'></bib>). Während bei einem Zitat sozusagen Ausschnitte aus einer Vorlage vorgenommen werden und einzelne Elemente in einen neuen Bildkontext gestellt werden, wird bei einer Paraphrase das Vorbild als Ganzes einer Veränderung unterzogen und mit einer neuen Bildvorstellung versehen. Zitat und Paraphrase sind „kritisch reflektierte, also nicht von einem stilistischen Nachahmungsanliegen motivierte, sondern im Bewusstsein der historischen Distanz (und häufig auch der medialen Differenz) erfolgende Rückgriffe auf ein kunstgeschichtliches Vorbild oder mehrere kunstgeschichtliche Vorbilder“ (<bib id='Zuschlag 2002a'></bib>: S. 171 f.)
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* Untersuchungen von Bildzitaten finden vor&shy;rangig im Rahmen der Kunst&shy;geschich&shy;te als einer [[Bildwissenschaft|Bild&shy;wissen&shy;schaft]] statt. Hier stehen kon&shy;krete Ana&shy;lysen von Zita&shy;ten in Kunst&shy;werken und ihre Impli&shy;kati&shy;onen im Vorder&shy;grund. Eine theore&shy;tische Re&shy;flektion des Begriffs basie&shy;rend auf Good&shy;mans symbol&shy;theore&shy;tischem Ansatz ist nicht vor&shy;handen. Grund&shy;lage der Einzel&shy;unter&shy;suchun&shy;gen scheint häufig ein all&shy;tags&shy;sprach&shy;liches Ver&shy;ständ&shy;nis von Zitat – das in erster Linie von der Idee eines sprach&shy;lichen Zitats be&shy;herrscht wird – zu sein, oder es werden ex&shy;plizit termi&shy;nolo&shy;gische Be&shy;stimmun&shy;gen des Zitats in Anleh&shy;nung an lingu&shy;istische und liter&shy;atur&shy;wissen&shy;schaft&shy;liche Defi&shy;niti&shy;onen vorge&shy;nommen (<bib id='Zuschlag 2002a'></bib>: S. 171).  
  
Zuschlag verwendet diese Termini als Oberbegriffe für alle weiteren bildlichen Bezugnahmeformen, die besonders die Kunst des 20. Jahrhunderts prägen, in der der Rekurs auf die Kunstgeschichte charakteristisch ist. Belting spricht in diesem Zusammenhang von einer ''Zitatkunst'' als qualitativ neue Kunstform: „Werke, die nicht mehr geschaffen werden können, lassen sich nur noch zitieren. […] Nicht nur werden einzelne Werke wie Namen der Erinnerung zitiert: Sie stehen auch für einen Werkbegriff ein, an den sie nur noch erinnern.“ (<bib id='Belting 1998a'></bib>: S. 469)
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* Dieser literaturwissenschaftlichen Orien&shy;tierung ent&shy;stammt auch ein Zweig bild&shy;wissen&shy;schaft&shy;licher For&shy;schung, der, beru&shy;hend auf dem An&shy;satz der ''Inter&shy;textu&shy;ali&shy;tät'', Bild&shy;bezie&shy;hungen unter den Schlag&shy;worten ''Inter&shy;bild&shy;lich&shy;keit'', ''Inter&shy;piktu&shy;rali&shy;tät'' oder ''Inter&shy;iko&shy;nizi&shy;tät'' erör&shy;tert.
  
Im 20. Jahrhundert bieten die Reproduktionstechniken eine neuartige Verfügbarkeit der Vorbilder; gleichzeitig wird eine Lesbarkeit des zitierenden Bezugs für den Bildbetrachter vorausgesetzt oder erhofft und an seine Interpretationsleistung appelliert (<bib id='Sello 1979a'></bib>).
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* Schließlich beschäftigt sich die Juris&shy;prudenz mit dem Bild&shy;zitat. Aus juristi&shy;scher Hin&shy;sicht ist die ur&shy;heber&shy;recht&shy;liche Frage rele&shy;vant, welche Formen eines Bild&shy;zitats zu&shy;lässig sind. Die recht&shy;liche Perspek&shy;tive wird zwar ver&shy;einzelt in lite&shy;ratur&shy;wissen&shy;schaft&shy;lichen (<bib id='Neumann 1980a'></bib>) oder zeichen&shy;theore&shy;tischen Arbeiten (<bib id='Steinbrenner 2004a'></bib>: S. 84) zur Zitat&shy;klärung heran&shy;gezogen, spielt jedoch für den symbol&shy;theore&shy;tischen An&shy;satz bei Good&shy;man sowie den kunst&shy;histori&shy;schen Dis&shy;kurs keine Rolle.
  
Weiterhin differenziert Zuschlag das Zitat als Verweis auf konkrete Kunstwerke vom Phänomen der ''Metakunst'' ab den 1960er Jahren. Metakunst referiert nicht auf ein spezifisches Bild, sondern in einem erweiterten Sinne entweder auf die Institution Kunst, auf einen Topos oder thematisiert auf einer selbstreflexiven Metaebene Kunst an sich (<bib id='Zuschlag 2002a'></bib>: S. 176 f.).
 
  
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==Nelson Goodman: Sprach-, Bild- und Musik&shy;zitat==
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Nelson Goodman (<bib id='Goodman 1990a'></bib>: S. 59 ff.) betrach&shy;tet ver&shy;gleichend Zita&shy;te in der Sprache, in Bil&shy;dern und in der Musik. Er geht von sprach&shy;lichen Kon&shy;stella&shy;tionen des Zitie&shy;rens aus und stellt zwei not&shy;wendige, aber nicht hin&shy;reichen&shy;de Bedin&shy;gungen auf.
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* Ein Zitat ist erstens gekenn&shy;zeichnet durch das Ent&shy;halten&shy;sein des Zitier&shy;ten. Im Fall des direk&shy;ten Zitats handelt es sich um eine syntak&shy;tische Repli&shy;kation, im Fall des indi&shy;rekten Zitats liegt eine seman&shy;tische Para&shy;phrase des Zitier&shy;ten vor (⊳ [[Pragmatik, Semantik, Syntax|Prag&shy;matik, Seman&shy;tik, Syn&shy;tax]]).
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* Zweitens wird im Zitat mittels einer Benen&shy;nung oder [[Prädikation|Prädi&shy;kation]] auf das Zitier&shy;te Bezug genom&shy;men (⊳ [[Referenz, Denotation, Exemplifikation|Refe&shy;renz, Deno&shy;tation, Ex&shy;empli&shy;fika&shy;tion]]).
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Gemäß Goodmans Kriterien gilt das indi&shy;rekte Zitat als ba&shy;sale Vari&shy;ante des Zitie&shy;rens, in der das direk&shy;te Zitat mit seiner iden&shy;tischen Buch&shy;staben&shy;abfol&shy;ge des Zitier&shy;ten einen Sonder&shy;fall dar&shy;stellt. Zitier&shy;bar sind vom Buch&shy;staben bis zum Satz alle schrift&shy;sprach&shy;lichen Ebe&shy;nen.<ref>Auf der Ebe&shy;ne der Buch&shy;sta&shy;ben kann es kein in&shy;di&shy;rek&shy;tes Zi&shy;tat ge&shy;ben, da hier kei&shy;ne se&shy;man&shy;ti&shy;sche Pa&shy;ra&shy;phra&shy;se mög&shy;lich ist.</ref> In der Über&shy;tragung der genan&shy;nten sprach&shy;lichen Zitat&shy;krite&shy;rien stellt Good&shy;man fest, dass im Be&shy;reich des Bildes zum Ent&shy;halten&shy;sein kein Äqui&shy;valent vor&shy;handen ist und im Be&shy;reich der Musik kei&shy;nes zur Refe&shy;renz.
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Analog zur Bezugnahme auf das Zitier&shy;te im direk&shy;ten Sprach&shy;zitat sucht Good&shy;man nach An&shy;führungs&shy;zeichen im Bild und sieht sie in der Dar&shy;stellung eines [[Rahmung, Rahmen|Rah&shy;mens]] oder einer Staf&shy;felei im Bild. Bezüg&shy;lich des Ent&shy;halten&shy;seins stellt sich dabei fol&shy;gendes Prob&shy;lem. Da das Bild als auto&shy;graphische Kunst kein Alpha&shy;bet besitzt, [[Syntaktische Dichte|syntak&shy;tisch dicht]] ist und somit die exakte Wieder&shy;holung einer Buch&shy;staben&shy;kombi&shy;nation nicht gege&shy;ben ist, stellt sich die Frage, was einer Replik im Bild ent&shy;sprechen könnte. Repli&shy;ken können zwar unter&shy;schied&shy;lich aus&shy;gestal&shy;tet sein, sind aber durch die iden&shy;tische Repe&shy;tition der Buch&shy;staben&shy;abfol&shy;ge gekenn&shy;zeichnet, die im System einzig&shy;artig vor&shy;liegen&shy;der Bild&shy;symbole nicht vor&shy;handen ist. Auch bei einer Kopie liegt, anders als man zu&shy;nächst vermu&shy;ten könnte, keine Ent&shy;sprechung zu einer solchen iden&shy;tischen Repe&shy;tition vor. Für ein indi&shy;rektes Bild&shy;zitat könnte eben&shy;falls ein gemal&shy;ter Rahmen als Anzei&shy;ge einer Para&shy;phrase dienen. Letzt&shy;lich ist in diesem Zu&shy;sammen&shy;hang der [[Kontext|Kon&shy;text]] ent&shy;scheidend.
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Schließlich sieht Goodman sowohl die Mög&shy;lich&shy;keit eines Zitats von Sprache im Bild als auch in umge&shy;kehrter Rich&shy;tung. Klang ließe sich eben&shy;falls bild&shy;lich zitie&shy;ren. So müsste bei&shy;spiels&shy;weise eine Musik&shy;parti&shy;tur im Bild abge&shy;bildet sein, denn [[Notation|Nota&shy;tion]] und Klang stehen in einem ähn&shy;lichen Ver&shy;hält&shy;nis wie geschrie&shy;bene und gespro&shy;chene Sprache.
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Jakob Steinbrenner (<bib id='Steinbrenner 1999a'></bib>; <bib id='Steinbrenner 2004a'></bib>: S. 217 ff.) kommt im Rück&shy;griff auf Über&shy;legun&shy;gen von Good&shy;man, Tarski und David&shy;son zu dem Schluss, dass der Zitat&shy;begriff in syntak&shy;tischer Hin&shy;sicht nicht auf den Be&shy;reich des Bildes über&shy;tragen werden kann. Er begrün&shy;det seine Dar&shy;stellung damit, dass die von ihm heraus&shy;gear&shy;beite&shy;ten Merk&shy;male sprach&shy;licher Zita&shy;te keine Ent&shy;sprechung im Be&shy;reich des Bildes besit&shy;zen. Da&shy;bei räumt er ein, dass auf der Ebe&shy;ne der Seman&shy;tik Merk&shy;mals&shy;ähn&shy;lich&shy;keiten vor&shy;liegen könnten.
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Sprachliche Zitate sind gemäß Stein&shy;brenner durch fol&shy;gende Aspekte ge&shy;kenn&shy;zeichnet. Ein Zitat be&shy;steht aus einem Zeichen&shy;vorkomm&shy;nis, das von An&shy;führungs&shy;zeichen gerahmt oder durch andere Mittel hervor&shy;gehoben wird, wobei es bestim&shy;mte not&shy;wendige syntak&shy;tische und seman&shy;tische Merk&shy;male aufweist. Ein Zitat deno&shy;tiert und stimmt mit dem Zi&shy;tierten im Typ über&shy;ein. Zitier&shy;bar sind keine fikti&shy;ven oder zukünf&shy;tigen, sondern nur von Per&shy;sonen ge&shy;machte, also bereits ver&shy;wendete Äuße&shy;rungen. Diese müssen aus ein&shy;deutig iden&shy;tifi&shy;zier&shy;baren Einzel&shy;zeichen einer Sprache bestehen, die je&shy;weils einem Typ zuzu&shy;ordnen sind.
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Das Zitieren von Bildern in Bildern wirft nun ver&shy;schiede&shy;ne Proble&shy;me in der Über&shy;tragung sprach&shy;licher Zitat&shy;kennzei&shy;chen auf. Kann ein im Bild dar&shy;gestell&shy;ter Rah&shy;men oder eine Staf&shy;felei als syntak&shy;tische An&shy;zeige, als An&shy;führungs&shy;zeichen eines darin ent&shy;halte&shy;nen Bild&shy;zitats fungie&shy;ren? Stein&shy;brenner führt gegen diese Über&shy;legung an, dass das im Rah&shy;men Darge&shy;stellte nicht zwangs&shy;läufig ein Bild im Bild ist. Es kann auch nur der Rahmen selbst präsen&shy;tiert werden. Zum einen bleibt offen, was ein Bild ist und wie Bil&shy;der in Bil&shy;dern abge&shy;bildet werden können. Zum ande&shy;ren exi&shy;stiert in der For&shy;schung keine Über&shy;ein&shy;stimmung in der Frage, ob es so etwas wie ato&shy;mare Bild&shy;zeichen gibt und wie diese zu Zeichen&shy;kombin&shy;ationen zu&shy;sammen&shy;gesetzt sind, wie also eine [[Bildgrammatik|Bild&shy;gramma&shy;tik]] zu denken wäre. Da im Bild das Buch&shy;stabie&shy;ren nicht mög&shy;lich ist, fehlt die syntak&shy;tische Über&shy;prüfungs&shy;mög&shy;lich&shy;keit, ob Zitier&shy;tes und Zitat einan&shy;der im Typ ent&shy;sprechen.
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Wäh&shy;rend prinzi&shy;piell jeder sprach&shy;liche Zitate ver&shy;wenden und erken&shy;nen kann – bis zu einem gewissen Grad auch ohne seman&shy;tische Kompe&shy;tenz –, ist dies bei bild&shy;lichen Zita&shy;ten nicht der Fall.
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Steinbrenner kommt zu dem Schluss, dass im Fall des Bildes auf&shy;grund der feh&shy;lenden Über&shy;trag&shy;bar&shy;keit der Kenn&shy;zeichen sprach&shy;licher Zita&shy;te sinn&shy;voller&shy;weise nicht von einem bild&shy;lichen Zitat, son&shy;dern von einer ''An&shy;spielung'' gespro&shy;chen werden sollte. Die An&shy;spielung stellt eine unspe&shy;zifische&shy;re Form der Bezug&shy;nahme dar, die ledig&shy;lich manche Eigen&shy;schaften des Zitier&shy;ten exemp&shy;lifi&shy;ziert (<bib id='Steinbrenner 2004a'></bib>: S. 221).
  
=====Interbildlichkeit, Interpikturalität und Interikonizität=====
 
  
Zur Darstellung von Bildbeziehungen wird bisweilen auf den literaturwissenschaftlichen Ansatz der ''Intertextualität'' zurückgegriffen, den Julia Kristeva in den 1970er Jahren zur Beschreibung von Textbeziehungen in Anlehnung an Michail Bachtins Konzept der ''Dialogizität'' entwickelte. Der Begriff der Intertextualität wird in kunstwissenschaftlichen Arbeiten zum Teil direkt auf das Medium Bild übertragen, da entweder explizit textähnliche Strukturen von Bild-Bild-Bezügen – etwa die ''intertextuelle Metamalerei'' (<bib id='Stoichita 1998a'></bib>) – untersucht werden sollen oder sich bildspezifischere Begriffe noch nicht genügend durchgesetzt haben (<bib id='Rose 2006a'></bib>: S. 60).
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==Kunsthistorische Perspektive: Das Bild&shy;zitat im Kon&shy;text weite&shy;rer Bild&shy;bezüge==
Mieke Bal setzt ''quotation'' als Sprach- und Bildmedium übergreifenden Terminus ein und bezeichnet damit „intersection of iconography and intertextuality“ (<bib id='Bal 1999a'></bib>: S. 8).
 
  
Darüber hinaus liegen verschiedene Termini für Bildverweise vor, die intertextuelle Herangehensweisen adaptieren:  
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In kunsthistorischen Untersuchungen liegt eine Fülle an Termi&shy;ni zur Be&shy;schreibung von Bild&shy;bezie&shy;hungen vor – etwa das Bild im Bild (<bib id='Asemissen & Schweikhart 1994a'></bib>; <bib id='Kemp 1995a'></bib>), die Paro&shy;die, Hom&shy;mage, Allu&shy;sion, Vari&shy;ation, Kopie u. ä. Christoph Zu&shy;schlag (<bib id='Zuschlag 2006a'></bib>) beklagt die unein&shy;heit&shy;liche Begriffs&shy;verwen&shy;dung in der Lite&shy;ratur und ver&shy;weist auf die Schwierig&shy;keit, die Viel&shy;falt der vor&shy;hande&shy;nen Bild&shy;relati&shy;onen zu erfas&shy;sen und zu syste&shy;mati&shy;sieren. Zu&shy;dem liege weder eine konsen&shy;suelle theore&shy;tische Bestim&shy;mung des Bild&shy;zitats und seiner Abgren&shy;zung zu ande&shy;ren Refe&shy;renzar&shy;ten vor noch ein ein&shy;heit&shy;liches Kate&shy;gorien&shy;system zur Beschrei&shy;bung und Ana&shy;lyse unter&shy;schied&shy;licher visu&shy;eller Ver&shy;weis&shy;techni&shy;ken. So ist bei&shy;spiels&shy;weise nicht klar, ob die zum Teil lite&shy;ratur&shy;wissen&shy;schaft&shy;lich gepräg&shy;ten Termi&shy;ni als seman&shy;tische Kate&shy;gorien gelten sollen, ob sie eine Ver&shy;fahrens&shy;technik beschrei&shy;ben oder auf wel&shy;cher Ebene (etwa moti&shy;visch oder figu&shy;rativ) Über&shy;nahmen statt&shy;finden (<bib id='Rosen 2003a'></bib>: S. 162).
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So wünschenswert in dieser Debatte ein epo&shy;chen- und gattungs&shy;über&shy;greifen&shy;der Theorie&shy;bau auch wäre, so un&shy;klar ist dabei, ob dieser dem Wandel von Bild&shy;begrif&shy;fen und Kunst&shy;diskur&shy;sen im Laufe der Kunst&shy;geschich&shy;te ge&shy;recht würde (<bib id='Zuschlag 2006a'></bib>: S. 95 f.).
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Martina Sitt und Attila Horányi beispiels&shy;weise ver&shy;werfen den Begriff des Zitats, da er – ähnlich wie der Termi&shy;nus des ''Ein&shy;flusses'' (<bib id='Baader 2003b'></bib>: 73 ff.) – zu hetero&shy;gene Phäno&shy;mene in der Male&shy;rei des 19. und 20. Jahr&shy;hunderts um&shy;fassen muss und damit seine Be&shy;schreibungs&shy;prägnanz ver&shy;loren hat (<bib id='Sitt & Horányi 1993a'></bib>: S. 20).
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Analysen von Bildzitaten in ihren Funk&shy;tionen und Wir&shy;kungen finden meist epochen&shy;bezogen – etwa zu Zitat&shy;techniken im 20. Jahr&shy;hundert (<bib id='Belting 1998a'></bib>; <bib id='Schmidt 2000a'></bib>; <bib id='Zuschlag 2002a'></bib>) – oder bezo&shy;gen auf das Werk einzel&shy;ner Künst&shy;ler (<bib id='Asemissen & Schweikhart 1994a'></bib>: S. 225 ff.) – z.B. Bild&shy;zitate bei Ver&shy;meer (<bib id='Hammer-Tugendhat 2009a'></bib>) – statt. In über&shy;trage&shy;nem Sinn setzen sich auch Vertre&shy;terinnen der [[Performance|Perfor&shy;mance-Kunst]] mit Bild&shy;zitaten aus&shy;einan&shy;der. So ver&shy;suchte bei&shy;spiels&shy;weise die Künst&shy;lerin Orlan in einer Gesichts&shy;opera&shy;tion ver&shy;schiedene weib&shy;liche Ideal&shy;bilder der euro&shy;päischen Kunst&shy;geschich&shy;te (z.B. die «Mona Lisa» von Leo&shy;nardo da Vinci und die «Venus» von Botti&shy;celli) in ihrem Gesicht zu verei&shy;nen und ver&shy;wandelte damit Bild&shy;zitate in ein reales, soma&shy;tisches Zitat (<bib id='Baxmann 2001a'></bib>: S. 294 ff.).
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Zuschlag definiert das ''Zitat'' in Diffe&shy;renz zur ''Para&shy;phrase'' (<bib id='Zuschlag 2002a'></bib>). Wäh&shy;rend bei einem Zitat sozu&shy;sagen Aus&shy;schnitte aus einer Vor&shy;lage vorge&shy;nommen werden und ein&shy;zelne Ele&shy;mente in einen neuen Bild&shy;kontext ge&shy;stellt werden, wird bei einer Para&shy;phrase das Vor&shy;bild als Ganzes einer Ver&shy;ände&shy;rung unter&shy;zogen und mit einer neuen Bild&shy;vorstel&shy;lung ver&shy;sehen. Zitat und Para&shy;phrase sind „kri&shy;tisch reflek&shy;tierte, also nicht von einem stilisti&shy;schen Nach&shy;ahmungs&shy;anlie&shy;gen moti&shy;vierte, sondern im Bewusst&shy;sein der histo&shy;rischen Distanz (und häufig auch der medi&shy;alen Diffe&shy;renz) erfol&shy;gende Rück&shy;griffe auf ein kunst&shy;geschicht&shy;liches Vor&shy;bild oder mehre&shy;re kunst&shy;geschicht&shy;liche Vor&shy;bilder“ (<bib id='Zuschlag 2002a'></bib>: S. 171 f.)
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Zuschlag verwendet diese Termini als Ober&shy;begriffe für alle weite&shy;ren bild&shy;lichen Bezug&shy;nahme&shy;formen, die beson&shy;ders die Kunst des 20. Jahr&shy;hunderts prägen, in der der Re&shy;kurs auf die Kunst&shy;geschich&shy;te charak&shy;teristisch ist. Belting spricht in diesem Zu&shy;sammen&shy;hang von einer ''Zitat&shy;kunst'' als quali&shy;tativ neue Kunst&shy;form: „Werke, die nicht mehr ge&shy;schaffen werden können, lassen sich nur noch zitie&shy;ren. […] Nicht nur werden ein&shy;zelne Werke wie Namen der Erin&shy;nerung zi&shy;tiert: Sie stehen auch für einen Werk&shy;begriff ein, an den sie nur noch erin&shy;nern.“ (<bib id='Belting 1998a'></bib>: S. 469)
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Im 20. Jahrhundert bieten die Re&shy;produk&shy;tions&shy;techni&shy;ken eine neu&shy;artige Ver&shy;füg&shy;bar&shy;keit der Vor&shy;bilder; gleich&shy;zeitig wird eine Les&shy;bar&shy;keit des zitie&shy;renden Bezugs für den Bild&shy;betrach&shy;ter voraus&shy;gesetzt oder er&shy;hofft und an seine Inter&shy;preta&shy;tions&shy;leistung appel&shy;liert (<bib id='Sello 1979a'></bib>).
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Als spezielle Kunstform, die sich mit visu&shy;ellen Arte&shy;fakten der Kunst&shy;geschich&shy;te, aber auch mit Bil&shy;dern der Popu&shy;lär&shy;kultur (Wer&shy;bung und Massen&shy;medien), aus&shy;einander&shy;setzt, ist die ''Appro&shy;priation Art'' der 1980er Jahre zu nennen.
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In Techni&shy;ken wie Zitat und Wieder&shy;holung werden Vor-Bil&shy;der ange&shy;eignet, indem sie noch einmal gezeich&shy;net, ge&shy;malt oder foto&shy;grafiert werden. Diese erneu&shy;te Schöp&shy;fung ist als kri&shy;tische Reflek&shy;tion von Autor&shy;schaft, Origi&shy;nalität und dem Ver&shy;hältnis von Pro&shy;duzent und Rezi&shy;pient zu ver&shy;stehen (<bib id='Wege 1999a'></bib>: S. 20.).
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Das Zitat als Verweis auf konkrete Kunst&shy;werke diffe&shy;renziert Zu&shy;schlag vom Phäno&shy;men der ''Meta&shy;kunst'' ab den 1960er Jahren. Meta&shy;kunst refe&shy;riert nicht auf ein spezi&shy;fisches Bild, sondern in einem erwei&shy;terten Sinne ent&shy;weder auf die Insti&shy;tution Kunst, auf einen Topos oder thema&shy;tisiert auf einer selbst&shy;reflexi&shy;ven Meta&shy;ebene Kunst an sich (<bib id='Zuschlag 2002a'></bib>: S. 176 f.).
  
* ''Interbildlichkeit'' (<bib id='Rose 2006a'></bib>) bezeichnet einerseits Bildbeziehungen sowie Bildreflexionen im Medium Bild und andererseits eine literarische Interbildlichkeit. Letztere ist gekennzeichnet durch eine im übertragenen Sinn vorhandene [[uneigentliche Bilder|Bildlichkeit]] der Sprache im Text, z.B. mittels Verknüpfung von Sprachbildern.
 
* ''Interpikturalität'' (zusammenfassend <bib id='Rosen 2003a'></bib>; <bib id='Rosen et al. 2003a'></bib>) auch in der Schreibweise ''Interpiktoralität'': Hierbei handelt es sich um Beziehungen zwischen Bildern, die in der Übernahme von Termini aus der Sprach- und Literaturwissenschaft als Zitat oder Allusion bezeichnet werden. In Analogie zur Sprache steht zur Diskussion, wie Markierungen von Bildbezügen aussehen könnten oder wie verschiedene Deutlichkeitsgrade von Referenzen auseinander zu halten seien.
 
: Phänomen und Beschreibung von Bildrelationen sind – ähnlich wie bei der Erforschung von Textbeziehungen – immer wieder Gegenstand kunstgeschichtlicher Untersuchungen gewesen. Gemäß Rosen unterscheidet sich die traditionelle Quellenforschung der Kunstgeschichte jedoch von dem neueren Interpikturalitätsdiskurs. Die Quellenforschung versucht, Einflüsse in Kunstwerken nachzuvollziehen und Beziehungslinien abzubilden. Der Interpikturalitätsansatz indes nimmt die sinnproduzierenden und konstitutiven Funktionen von Bildbezügen in Kunstwerken in den Blick.
 
* ''Interikonizität'' (<bib id='Zuschlag 2006a'></bib>; <bib id='Gamer 2007a'></bib>): Zuschlag strebt unter diesem Stichwort ein mehrdimensionales Modell an, das sowohl eine Typologie der interikonischen Bezugnahmen nach formalen und inhaltlichen Einteilungen als auch die funktionalen und historischen Bedingungen und Kontexte sowie produktions- und rezeptionsästhetische Sichtweisen berücksichtigt. Diese Vorgehensweise soll eine differenzierte Beschreibung der einzelnen Bezugnahmen sowie der Rolle des Rezipienten ermöglichen. In der Übertragung vom Medium des Textes auf Objekte der Kunst müssten folgende Aspekte diskutiert werden: das Wechselverhältnis von bildlichem Prätext und Posttext, Begriffe wie Autorschaft und Intentionalität, die Frage eines engen oder weiten Interikonizitätsbegriffs oder auch der Nutzen einer Übernahme von Schriftkategorien wie Einzeltextreferenz, System- oder Gattungsreferenz.
 
: Eine Anwendung dieses Postulats der Interikonizität liegt bisher nur in Ansätzen vor. Zuschlag weist auf die Notwendigkeit hin, bei der Übernahme textbasierter Kategorien die spezifischen Charakteristika des Mediums Bild zu berücksichtigen. Gerade für diesen Punkt bestehen noch keine Lösungsvorschläge.
 
: Wagner kritisiert an Zuschlags Konzept, dass dieses auf rein bildliche Relationen fokussiert sei. Bildverweise bedürften jedoch stets sprachlicher Vermittlung und Bedeutungsstiftung, so dass Interikonizität auf sprachliche Intertextualität angewiesen und mit dieser verbunden sei (<bib id='Wagner 2006a'></bib>: S. 221).
 
* Im Rahmen einer weitestgehend literaturwissenschaftlich orientierten Herangehensweise finden sich vereinzelt Untersuchungen zu Bildzitaten in verschiedenen visuellen Formaten ([[Malerei]], [[Fotografie]], [[Film]]) (<bib id='Böhn 1999a'></bib>) oder zu Bildzitaten in literarischen Werken (<bib id='Eilert 1991a'></bib>). Zitierende Bezüge zwischen filmischen Stills und Werken des kunstgeschichtlichen Kanons (<bib id='Keitz 1994a'></bib>) werden ebenso analysiert wie Zitate in intermedialen Relationen zwischen Texten und Bildern (<bib id='Horstkotte & Leonhard 2006a'></bib>). Dabei wird auch versucht, intermediale und interkulturelle Bildbeziehungen und Bildtransfers nachzuvollziehen und so verschiedene Bildmedien, Zeitschichten und Diskurse außerhalb des klassischen kunstgeschichtlichen Fokus zu berücksichtigen (<bib id='Schulz 2010a'></bib>: S. 322 f.).
 
  
=====Das Bildzitat als juristischer Gegenstand=====
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==Interbildlichkeit, Inter&shy;piktu&shy;rali&shy;tät und Inter&shy;ikoni&shy;zität==
  
Das Zitieren von Bildern ist, wenn es das Urheberrecht eines Bildinhabers berührt, auch Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Die Frage nach der Zulässigkeit von Bildzitaten ist beispielsweise bei Abbildungen in wissenschaftlichen Publikationen relevant. Im Kontext des Internets und seiner weltweiten Verbreitung von Bildern besitzen Bildzitate unterschiedlichster Art eine große Virulenz (<bib id='Barabash 2010a'></bib>).
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Zur Darstellung von Bildbeziehungen wird bis&shy;weilen auf den lite&shy;ratur&shy;wissen&shy;schaft&shy;lichen An&shy;satz der ''Inter&shy;textu&shy;alität'' zurück&shy;gegriffen, den Julia Kriste&shy;va in den 1970er Jahren zur Be&shy;schreibung von Text&shy;beziehun&shy;gen in An&shy;lehnung an Michail Bach&shy;tins Konzept der ''Dialo&shy;gizität'' ent&shy;wickelte. Der Begriff der Inter&shy;textua&shy;lität wird in kunst&shy;wissen&shy;schaft&shy;lichen Arbei&shy;ten zum Teil direkt auf das Medium Bild über&shy;tragen, da ent&shy;weder expli&shy;zit text&shy;ähn&shy;liche Struk&shy;turen von Bild-Bild-Bezü&shy;gen – etwa die ''inter&shy;textu&shy;elle Meta&shy;malerei'' (<bib id='Stoichita 1998a'></bib>) – unter&shy;sucht werden sollen oder sich bild&shy;spezi&shy;fischere Begriffe noch nicht genü&shy;gend durch&shy;gesetzt haben (<bib id='Rose 2006a'></bib>: S. 60).  
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Mieke Bal setzt ‘''quota&shy;tion''’ als Sprach- und Bild&shy;medium über&shy;greifen&shy;den Termi&shy;nus ein und bezeich&shy;net damit „inter&shy;section of icono&shy;graphy and inter&shy;textuality“ (<bib id='Bal 1999a'></bib>: S. 8).  
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Darüber hinaus liegen verschiedene Termi&shy;ni für Bild&shy;ver&shy;weise vor, die inter&shy;textu&shy;elle Heran&shy;gehens&shy;weisen adap&shy;tieren:
  
Bereits 1886 wurde eine internationale „Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst“ zwischen den Ländern Deutschland, Belgien, Großbritannien, Schweiz, Italien, Spanien und Tunesien geschlossen, die in revidierter Form (die sogenannte RBÜ) immer noch Gültigkeit besitzt. Inzwischen ist sie von fast allen Staaten der Welt anerkannt worden. Laut RBÜ soll den Urhebern von Werken der Wissenschaft und Kunst ein Mindestrecht garantiert werden. Gleichzeitig gilt es, die Interessen der Urheber und der Nutzer eines Werkes im Sinne eines Allgemeinwohls und eines gesellschaftlichen Fortschritts in Einklang zu bringen.  
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* ''Interbildlichkeit'' (<bib id='Rose 2006a'></bib>) bezeich&shy;net einer&shy;seits Bild&shy;beziehun&shy;gen sowie Bild&shy;reflexi&shy;onen im Medium Bild und anderer&shy;seits eine lite&shy;rarische Inter&shy;bild&shy;lich&shy;keit. Letzte&shy;re ist gekenn&shy;zeichnet durch eine im über&shy;tragenen Sinn vorhan&shy;dene [[uneigentliche Bilder|Bild&shy;lich&shy;keit]] der Sprache im Text, z.B. mittels Ver&shy;knüp&shy;fung von [[Sprachliche Metaphern und allgemeine Metaphorologie|Sprach&shy;bildern]].
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* ''Interpikturalität'' (zusammen&shy;fassend <bib id='Rosen 2003a'></bib>; <bib id='Rosen et al. 2003a'></bib>) auch in der Schreib&shy;weise ''Inter&shy;pikto&shy;rali&shy;tät'': Hier&shy;bei handelt es sich um Be&shy;ziehun&shy;gen zwischen Bildern, die in der Über&shy;nahme von Ter&shy;mini aus der Sprach- und Lite&shy;ratur&shy;wissen&shy;schaft als Zitat oder Allu&shy;sion bezeich&shy;net werden. In Ana&shy;logie zur Sprache steht zur Diskus&shy;sion, wie Markie&shy;rungen von Bild&shy;bezügen aus&shy;sehen könnten oder wie ver&shy;schiedene Deut&shy;lich&shy;keits&shy;grade von Refe&shy;renzen aus&shy;einan&shy;der zu halten seien.
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: Phänomen und Beschreibung von Bild&shy;rela&shy;tio&shy;nen sind – ähn&shy;lich wie bei der Er&shy;forschung von Text&shy;bezie&shy;hungen – immer wieder Gegen&shy;stand kunst&shy;geschicht&shy;licher Unter&shy;suchun&shy;gen gewesen. Gemäß Rosen unter&shy;scheidet sich die tradi&shy;tionelle Quellen&shy;forschung der Kunst&shy;geschichte jedoch von dem neue&shy;ren Inter&shy;piktu&shy;rali&shy;täts&shy;diskurs. Die Quellen&shy;forschung ver&shy;sucht, Ein&shy;flüsse in Kunst&shy;werken nach&shy;zuvoll&shy;ziehen und Be&shy;ziehungs&shy;linien abzu&shy;bilden. Der Inter&shy;piktu&shy;rali&shy;tätsan&shy;satz in&shy;des nimmt die sinn&shy;produ&shy;zieren&shy;den und konsti&shy;tutiven Funk&shy;tionen von Bild&shy;bezügen in Kunst&shy;werken in den Blick.
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* ''Interikonizität'' (<bib id='Zuschlag 2006a'></bib>; <bib id='Gamer 2007a'></bib>): Zu&shy;schlag strebt unter diesem Stich&shy;wort ein mehr&shy;dimen&shy;siona&shy;les Modell an, das so&shy;wohl eine Typo&shy;logie der inter&shy;ikoni&shy;schen Bezug&shy;nahmen nach formalen und inhalt&shy;lichen Ein&shy;teilun&shy;gen als auch die funk&shy;tiona&shy;len und histo&shy;rischen Bedin&shy;gungen und Kon&shy;texte sowie produk&shy;tions- und rezep&shy;tions&shy;ästhetische Sicht&shy;weisen berück&shy;sichtigt. Diese Vor&shy;gehens&shy;weise soll eine diffe&shy;renzier&shy;te Be&shy;schreibung der einzel&shy;nen Bezug&shy;nahmen so&shy;wie der Rolle des Rezi&shy;pienten er&shy;mög&shy;lichen. In der Über&shy;tragung vom Medium des Textes auf Objekte der Kunst müss&shy;ten fol&shy;gende Aspek&shy;te dis&shy;kutiert werden: das Wechsel&shy;verhält&shy;nis von bild&shy;lichem Prä&shy;text und Post&shy;text, Begriffe wie »Autor&shy;schaft« und »Inten&shy;tionali&shy;tät«, die Frage eines engen oder weiten Inter&shy;ikoni&shy;zitäts&shy;begriffs oder auch der Nutzen einer Über&shy;nahme von Schrift&shy;katego&shy;rien wie Einzel&shy;text&shy;referenz, System- oder Gattungs&shy;referenz.
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: Eine Anwendung dieses Postulats der Inter&shy;ikoni&shy;zität liegt bis&shy;her nur in An&shy;sätzen vor. Zu&shy;schlag weist auf die Not&shy;wendig&shy;keit hin, bei der Über&shy;nahme text&shy;basierter Kate&shy;gorien die spezi&shy;fischen Charak&shy;teristi&shy;ka des Mediums Bild zu berück&shy;sichtigen. Gerade für diesen Punkt beste&shy;hen noch keine Lösungs&shy;vorschläge.
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: Wagner kritisiert an Zuschlags Konzept, dass dieses auf rein bild&shy;liche Rela&shy;tionen fokus&shy;siert sei. Bild&shy;verweise bedürf&shy;ten jedoch stets sprach&shy;licher Vermitt&shy;lung und Be&shy;deutungs&shy;stiftung, so dass Inter&shy;ikoni&shy;zität auf sprach&shy;liche Inter&shy;textua&shy;lität ange&shy;wiesen und mit dieser ver&shy;bunden sei (<bib id='Wagner 2006a'></bib>: S. 221).
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* Im Rahmen einer weitestgehend lite&shy;ratur&shy;wissen&shy;schaft&shy;lich orien&shy;tierten Heran&shy;gehens&shy;weise finden sich verein&shy;zelt Unter&shy;suchungen zu Bild&shy;zitaten in verschie&shy;denen visu&shy;ellen Formaten ([[Malerei|Male&shy;rei]], [[Fotografie|Foto&shy;grafie]], [[Film]]) (<bib id='Böhn 1999a'></bib>) oder zu Bild&shy;zitaten in lite&shy;rari&shy;schen Werken (<bib id='Eilert 1991a'></bib>). Zitie&shy;rende Bezüge zwischen filmi&shy;schen Stills und Werken des kunst&shy;geschicht&shy;lichen Kanons (<bib id='Keitz 1994a'></bib>) werden ebenso ana&shy;lysiert wie Zitate in inter&shy;medialen Rela&shy;tionen zwischen Texten und Bildern (<bib id='Horstkotte & Leonhard 2006a'></bib>). Da&shy;bei wird auch ver&shy;sucht, inter&shy;mediale und inter&shy;kulturelle Bild&shy;beziehun&shy;gen und Bild&shy;transfers nachzu&shy;vollziehen und so ver&shy;schiedene Bild&shy;medien, Zeit&shy;schichten und Diskurse außer&shy;halb des klassischen kunst&shy;geschicht&shy;lichen Fokus zu berück&shy;sichtigen (<bib id='Schulz 2010a'></bib>: S. 322 f.).
  
Die Voraussetzungen eines Zitats sehen wie folgt aus: Zunächst muss das zitierte, urheberrechtlich geschützte Werk bereits der Öffentlichkeit rechtmäßig vorliegen. Weiterhin muss der Zweck des Zitierens den Zitatumfang legitimieren und das Zitat mit den „anständigen Gepflogenheiten“ (RBÜ Art. 10, zitiert nach <bib id='Barabash 2010a'></bib>: S. 12) vereinbar sein.
 
  
Laut Calame und Thouvenin unterscheidet sich das Bildzitat von anderen Zitatarten durch seinen Umfang. Dem Sinn des Zitierens entspricht, aufgrund der Spezifika des Mediums Bild, meist nur das Zitieren des gesamten Werkes und nicht nur eines Ausschnitts. Dies ist, sofern die Verhältnismäßigkeit zum Gesamtwerk gegeben ist, rechtlich möglich (<bib id='Calame & Thouvenin 2008a'></bib>: S. 139 ff.).
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==Das Bildzitat als juristischer Gegen&shy;stand==
  
In Deutschland ist das Zitatrecht in §51 UrhG ([http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__51.html]) geregelt. Mit der Gesetzesnovelle des sogenannten zweiten Korbs des §51 UrhG vom 1. Januar 2008 gestaltet sich die Rechtslage folgendermaßen:  
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Das Zitieren von Bildern ist, wenn es das Ur&shy;heber&shy;recht eines Bild&shy;inhabers berührt, auch Gegen&shy;stand juris&shy;tischer Aus&shy;einan&shy;derset&shy;zungen. Die Frage nach der Zu&shy;lässig&shy;keit von Bild&shy;zitaten ist beispiels&shy;weise bei Abbil&shy;dungen in wissen&shy;schaft&shy;lichen Publi&shy;kationen rele&shy;vant. Im Kontext des Inter&shy;nets und seiner welt&shy;weiten Verbrei&shy;tung von Bildern besitzen Bild&shy;zitate unter&shy;schiedlich&shy;ster Art eine große Viru&shy;lenz (<bib id='Barabash 2010a'></bib>).
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Bereits 1886 wurde eine internationale «Berner Über&shy;ein&shy;kunft zum Schutz von Werken der Lite&shy;ratur und Kunst» zwischen den Ländern Deutsch&shy;land, Bel&shy;gien, Groß&shy;britan&shy;nien, Schweiz, Ita&shy;lien, Spa&shy;nien und Tune&shy;sien ge&shy;schlossen, die in revi&shy;dierter Form (die soge&shy;nannte ''RBÜ'') immer noch Gültig&shy;keit besitzt. In&shy;zwischen ist sie von fast allen Staaten der Welt aner&shy;kannt worden. Laut RBÜ soll den Ur&shy;hebern von Werken der Wissen&shy;schaft und Kunst ein Mindest&shy;recht garan&shy;tiert werden. Gleich&shy;zeitig gilt es, die Inte&shy;ressen der Ur&shy;heber und der Nutzer eines Werkes im Sinne eines All&shy;gemein&shy;wohls und eines gesell&shy;schaft&shy;lichen Fort&shy;schritts in Ein&shy;klang zu bringen.
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Die Voraussetzungen eines Zitats sehen wie folgt aus: Zu&shy;nächst muss das zitierte, ur&shy;heber&shy;recht&shy;lich ge&shy;schützte Werk bereits der Öffent&shy;lich&shy;keit recht&shy;mäßig vor&shy;liegen. Weiter&shy;hin muss der Zweck des Zitie&shy;rens den Zitat&shy;umfang legi&shy;timie&shy;ren und das Zitat mit den „anstän&shy;digen Ge&shy;pflogen&shy;heiten“ (RBÜ Art. 10, zitiert nach <bib id='Barabash 2010a'></bib>: S. 12) verein&shy;bar sein.
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Laut Calame und Thouvenin unter&shy;scheidet sich das Bild&shy;zitat von anderen Zitat&shy;arten durch seinen Um&shy;fang. Dem Sinn des Zitie&shy;rens ent&shy;spricht, auf&shy;grund der Spezi&shy;fika des Mediums Bild, meist nur das Zitieren des gesam&shy;ten Werkes und nicht nur eines Aus&shy;schnitts. Dies ist, sofern die Verhält&shy;nismäßig&shy;keit zum Gesamt&shy;werk gegeben ist, recht&shy;lich mög&shy;lich (<bib id='Calame & Thouvenin 2008a'></bib>: S. 139 ff.).<ref>Dieser Aspekt wird im Rah&shy;men der Dis&shy;kus&shy;sion der Schwei&shy;zer Ge&shy;set&shy;zes&shy;la&shy;ge an&shy;ge&shy;führt. Sie ori&shy;en&shy;tiert sich im We&shy;sent&shy;li&shy;chen an der Ber&shy;ner Über&shy;ein&shy;kunft, wo&shy;bei die ge&shy;nann&shy;ten „an&shy;stän&shy;di&shy;gen Ge&shy;pflo&shy;gen&shy;hei&shy;ten“ durch die Zi&shy;tat&shy;zwecke „Er&shy;läu&shy;te&shy;rung“, „Hin&shy;weis“ und „Ver&shy;an&shy;schau&shy;li&shy;chung“ kon&shy;kre&shy;ti&shy;siert wur&shy;den (<bib id='Calame & Thouvenin 2008a'></bib>).</ref>
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In Deutschland ist das Zitat&shy;recht in §51 UrhG ([http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__51.html]) gere&shy;gelt. Mit der Gesetzes&shy;novelle des soge&shy;nannten zweiten Korbs des §51 UrhG vom 1. Januar 2008 gestal&shy;tet sich die Rechts&shy;lage fol&shy;gender&shy;maßen:  
  
„Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. […]“ Insbesondere werden im Weiteren das Zitat im wissenschaftlichen Kontext zu Erläuterungszwecken sowie das Sprach- und Musikzitat angeführt. Nicht explizit genannt, aber durch die Neufassung des Paragraphen ebenfalls abgedeckt, sind Werkarten wie Bild-, Film- und Multimediazitate. Im konkreten Fall ist der Zitatzweck rechtlich zu prüfen, der in einer Belegfunktion oder im zitierenden Bezug mit dem Ziel einer kulturellen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung liegen kann. Die reine Ausschmückung eines Werkes mittels eines Zitats ist nicht zulässig. Das Zitat darf nicht an die Stelle der eigenen geistigen Schöpfung treten, die im Verhältnis überwiegen muss. Unter der Voraussetzung, dass die Bedingungen eines korrekten Zitierens erfüllt sind (angemessener Umfang und Zweck des Zitats eines urheberrechtlich vorliegenden Werkes sowie seine Kennzeichnung in Form einer Quellenangabe), hat der Urheber das Zitieren seines Werkes ohne finanzielle Entschädigungsmöglichkeit zu dulden (<bib id='Barabash 2010a'></bib>: S. 11 ff.).
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:''Zulässig ist die Vervielfältigung, Ver&shy;breitung und öffent&shy;liche Wieder&shy;gabe eines ver&shy;öffent&shy;lichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Um&shy;fang durch den beson&shy;deren Zweck gerecht&shy;fertigt ist. […]''  
  
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Insbe&shy;sondere werden im Weite&shy;ren das Zitat im wissen&shy;schaft&shy;lichen Kontext zu Er&shy;läute&shy;rungs&shy;zwecken sowie das Sprach- und Musik&shy;zitat ange&shy;führt. Nicht expli&shy;zit genannt, aber durch die Neu&shy;fassung des Para&shy;graphen eben&shy;falls abge&shy;deckt, sind Werk&shy;arten wie Bild-, Film- und Multi&shy;media&shy;zitate. Im konkre&shy;ten Fall ist der Zitat&shy;zweck recht&shy;lich zu prüfen, der in einer Beleg&shy;funktion oder im zitie&shy;renden Bezug mit dem Ziel einer kultu&shy;rellen und gesell&shy;schaft&shy;lichen Weiter&shy;entwick&shy;lung liegen kann. Die reine Aus&shy;schmückung eines Werkes mittels eines Zitats ist nicht zu&shy;lässig. Das Zitat darf nicht an die Stelle der eigenen geistigen Schöp&shy;fung treten, die im Ver&shy;hältnis über&shy;wiegen muss. Unter der Voraus&shy;setzung, dass die Bedin&shy;gungen eines korrekten Zitie&shy;rens erfüllt sind (ange&shy;messener Umfang und Zweck des Zitats eines urheber&shy;recht&shy;lich vor&shy;liegenden Werkes sowie seine Kenn&shy;zeichnung in Form einer Quellen&shy;angabe), hat der Ur&shy;heber das Zitieren seines Werkes ohne finan&shy;zielle Ent&shy;schädi&shy;gungsmög&shy;lichkeit zu dulden (<bib id='Barabash 2010a'></bib>: S. 11 ff.).
  
 
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 01:07 Uhr

Unterpunkt zu: Bildpragmatik


Bildzitat: eine Einführung

Was ist ein Bildzitat? Allgemein gesprochen lässt sich darun­ter eine zitie­rende, intra­medial statt­finden­de Refe­renz zwischen Bild­werken hetero­gener Prove­nienz ver­stehen. Es handelt sich also um ein Bild in refle­xiver Verwen­dung. Obwohl der Aus­druck in der Lite­ratur häufig ge­braucht wird, ist bis­lang unge­klärt, welche Merk­male ein Bild­zitat erfül­len muss, um als sol­ches zu gelten, und wie es von anderen Ver­weis­techni­ken wie bei­spiels­weise Varia­tion, Anspie­lung, Parodie u. ä. zu unter­scheiden ist.

Abb. 1 Kazimir Malevich: «Komposition mit Mona Lisa» 1914

Bildzitate treten in di­ver­sen Bild­me­dien (et­wa in der Ma­le­rei, Fo­to­gra­fie, im Co­mic) auf und lie­gen – histo­risch be­trach­tet – in un­ter­schied­li­chen Epo­chen der Kunst, aber auch in der Wer­bung und All­tags­kul­tur vor. Dem­zu­fol­ge sind sie in al­len ge­sell­schaft­li­chen Be­rei­chen an­zu­fin­den, in de­nen auf ein kul­tu­rel­les Re­ser­voir an Bil­dern zi­tie­rend Be­zug ge­nom­men wird (⊳ Kunst­ge­schich­te als Bild­ge­schich­te).

Die Frage nach einem Bildzitat ist eng ver­knüpft mit ver­schiede­nen Themen­feldern, etwa, wie sich das Bild­zitat zum Sprach­zitat oder allge­meiner Bilder zur Sprache ver­halten, in welchen Kate­gorien über Bilder reflek­tiert werden kann (Spre­chen über Bil­der) und inwie­fern im Zuge eines iconic oder pictorial turn ein bild­spezifi­scher Dis­kurs über Bild­verwei­se in Ab­gren­zung zum sprach­lichen Dis­kurs mög­lich ist (⊳ Bild­wissen­schaft als Sprach- und Bild­kritik).

Das Bildzitat ist Gegenstand in vier For­schungs­zusam­menhän­gen, die mehr oder weniger unabhängig von­einan­der existieren. Eine gegen­seitige Rezep­tion findet nur zum Teil statt.

  • Nelson Goodman setzt sich in seiner Symbol­theorie mit der Bezug­nahme­praktik des Zitie­rens aus­einan­der. In einer ver­gleichen­den Perspek­tive betrach­tet er die Bedin­gungen für ein sprach­liches, bild­liches und musika­lisches Zitie­ren.[1]
  • Untersuchungen von Bildzitaten finden vor­rangig im Rahmen der Kunst­geschich­te als einer Bild­wissen­schaft statt. Hier stehen kon­krete Ana­lysen von Zita­ten in Kunst­werken und ihre Impli­kati­onen im Vorder­grund. Eine theore­tische Re­flektion des Begriffs basie­rend auf Good­mans symbol­theore­tischem Ansatz ist nicht vor­handen. Grund­lage der Einzel­unter­suchun­gen scheint häufig ein all­tags­sprach­liches Ver­ständ­nis von Zitat – das in erster Linie von der Idee eines sprach­lichen Zitats be­herrscht wird – zu sein, oder es werden ex­plizit termi­nolo­gische Be­stimmun­gen des Zitats in Anleh­nung an lingu­istische und liter­atur­wissen­schaft­liche Defi­niti­onen vorge­nommen ([Zuschlag 2002a]: S. 171).
  • Dieser literaturwissenschaftlichen Orien­tierung ent­stammt auch ein Zweig bild­wissen­schaft­licher For­schung, der, beru­hend auf dem An­satz der Inter­textu­ali­tät, Bild­bezie­hungen unter den Schlag­worten Inter­bild­lich­keit, Inter­piktu­rali­tät oder Inter­iko­nizi­tät erör­tert.
  • Schließlich beschäftigt sich die Juris­prudenz mit dem Bild­zitat. Aus juristi­scher Hin­sicht ist die ur­heber­recht­liche Frage rele­vant, welche Formen eines Bild­zitats zu­lässig sind. Die recht­liche Perspek­tive wird zwar ver­einzelt in lite­ratur­wissen­schaft­lichen ([Neumann 1980a]) oder zeichen­theore­tischen Arbeiten ([Steinbrenner 2004a]: S. 84) zur Zitat­klärung heran­gezogen, spielt jedoch für den symbol­theore­tischen An­satz bei Good­man sowie den kunst­histori­schen Dis­kurs keine Rolle.


Nelson Goodman: Sprach-, Bild- und Musik­zitat

Nelson Goodman ([Goodman 1990a]: S. 59 ff.) betrach­tet ver­gleichend Zita­te in der Sprache, in Bil­dern und in der Musik. Er geht von sprach­lichen Kon­stella­tionen des Zitie­rens aus und stellt zwei not­wendige, aber nicht hin­reichen­de Bedin­gungen auf.

Gemäß Goodmans Kriterien gilt das indi­rekte Zitat als ba­sale Vari­ante des Zitie­rens, in der das direk­te Zitat mit seiner iden­tischen Buch­staben­abfol­ge des Zitier­ten einen Sonder­fall dar­stellt. Zitier­bar sind vom Buch­staben bis zum Satz alle schrift­sprach­lichen Ebe­nen.[2] In der Über­tragung der genan­nten sprach­lichen Zitat­krite­rien stellt Good­man fest, dass im Be­reich des Bildes zum Ent­halten­sein kein Äqui­valent vor­handen ist und im Be­reich der Musik kei­nes zur Refe­renz.

Analog zur Bezugnahme auf das Zitier­te im direk­ten Sprach­zitat sucht Good­man nach An­führungs­zeichen im Bild und sieht sie in der Dar­stellung eines Rah­mens oder einer Staf­felei im Bild. Bezüg­lich des Ent­halten­seins stellt sich dabei fol­gendes Prob­lem. Da das Bild als auto­graphische Kunst kein Alpha­bet besitzt, syntak­tisch dicht ist und somit die exakte Wieder­holung einer Buch­staben­kombi­nation nicht gege­ben ist, stellt sich die Frage, was einer Replik im Bild ent­sprechen könnte. Repli­ken können zwar unter­schied­lich aus­gestal­tet sein, sind aber durch die iden­tische Repe­tition der Buch­staben­abfol­ge gekenn­zeichnet, die im System einzig­artig vor­liegen­der Bild­symbole nicht vor­handen ist. Auch bei einer Kopie liegt, anders als man zu­nächst vermu­ten könnte, keine Ent­sprechung zu einer solchen iden­tischen Repe­tition vor. Für ein indi­rektes Bild­zitat könnte eben­falls ein gemal­ter Rahmen als Anzei­ge einer Para­phrase dienen. Letzt­lich ist in diesem Zu­sammen­hang der Kon­text ent­scheidend.

Schließlich sieht Goodman sowohl die Mög­lich­keit eines Zitats von Sprache im Bild als auch in umge­kehrter Rich­tung. Klang ließe sich eben­falls bild­lich zitie­ren. So müsste bei­spiels­weise eine Musik­parti­tur im Bild abge­bildet sein, denn Nota­tion und Klang stehen in einem ähn­lichen Ver­hält­nis wie geschrie­bene und gespro­chene Sprache.

Jakob Steinbrenner ([Steinbrenner 1999a]; [Steinbrenner 2004a]: S. 217 ff.) kommt im Rück­griff auf Über­legun­gen von Good­man, Tarski und David­son zu dem Schluss, dass der Zitat­begriff in syntak­tischer Hin­sicht nicht auf den Be­reich des Bildes über­tragen werden kann. Er begrün­det seine Dar­stellung damit, dass die von ihm heraus­gear­beite­ten Merk­male sprach­licher Zita­te keine Ent­sprechung im Be­reich des Bildes besit­zen. Da­bei räumt er ein, dass auf der Ebe­ne der Seman­tik Merk­mals­ähn­lich­keiten vor­liegen könnten.

Sprachliche Zitate sind gemäß Stein­brenner durch fol­gende Aspekte ge­kenn­zeichnet. Ein Zitat be­steht aus einem Zeichen­vorkomm­nis, das von An­führungs­zeichen gerahmt oder durch andere Mittel hervor­gehoben wird, wobei es bestim­mte not­wendige syntak­tische und seman­tische Merk­male aufweist. Ein Zitat deno­tiert und stimmt mit dem Zi­tierten im Typ über­ein. Zitier­bar sind keine fikti­ven oder zukünf­tigen, sondern nur von Per­sonen ge­machte, also bereits ver­wendete Äuße­rungen. Diese müssen aus ein­deutig iden­tifi­zier­baren Einzel­zeichen einer Sprache bestehen, die je­weils einem Typ zuzu­ordnen sind.

Das Zitieren von Bildern in Bildern wirft nun ver­schiede­ne Proble­me in der Über­tragung sprach­licher Zitat­kennzei­chen auf. Kann ein im Bild dar­gestell­ter Rah­men oder eine Staf­felei als syntak­tische An­zeige, als An­führungs­zeichen eines darin ent­halte­nen Bild­zitats fungie­ren? Stein­brenner führt gegen diese Über­legung an, dass das im Rah­men Darge­stellte nicht zwangs­läufig ein Bild im Bild ist. Es kann auch nur der Rahmen selbst präsen­tiert werden. Zum einen bleibt offen, was ein Bild ist und wie Bil­der in Bil­dern abge­bildet werden können. Zum ande­ren exi­stiert in der For­schung keine Über­ein­stimmung in der Frage, ob es so etwas wie ato­mare Bild­zeichen gibt und wie diese zu Zeichen­kombin­ationen zu­sammen­gesetzt sind, wie also eine Bild­gramma­tik zu denken wäre. Da im Bild das Buch­stabie­ren nicht mög­lich ist, fehlt die syntak­tische Über­prüfungs­mög­lich­keit, ob Zitier­tes und Zitat einan­der im Typ ent­sprechen. Wäh­rend prinzi­piell jeder sprach­liche Zitate ver­wenden und erken­nen kann – bis zu einem gewissen Grad auch ohne seman­tische Kompe­tenz –, ist dies bei bild­lichen Zita­ten nicht der Fall.

Steinbrenner kommt zu dem Schluss, dass im Fall des Bildes auf­grund der feh­lenden Über­trag­bar­keit der Kenn­zeichen sprach­licher Zita­te sinn­voller­weise nicht von einem bild­lichen Zitat, son­dern von einer An­spielung gespro­chen werden sollte. Die An­spielung stellt eine unspe­zifische­re Form der Bezug­nahme dar, die ledig­lich manche Eigen­schaften des Zitier­ten exemp­lifi­ziert ([Steinbrenner 2004a]: S. 221).


Kunsthistorische Perspektive: Das Bild­zitat im Kon­text weite­rer Bild­bezüge

In kunsthistorischen Untersuchungen liegt eine Fülle an Termi­ni zur Be­schreibung von Bild­bezie­hungen vor – etwa das Bild im Bild ([Asemissen & Schweikhart 1994a]; [Kemp 1995a]), die Paro­die, Hom­mage, Allu­sion, Vari­ation, Kopie u. ä. Christoph Zu­schlag ([Zuschlag 2006a]) beklagt die unein­heit­liche Begriffs­verwen­dung in der Lite­ratur und ver­weist auf die Schwierig­keit, die Viel­falt der vor­hande­nen Bild­relati­onen zu erfas­sen und zu syste­mati­sieren. Zu­dem liege weder eine konsen­suelle theore­tische Bestim­mung des Bild­zitats und seiner Abgren­zung zu ande­ren Refe­renzar­ten vor noch ein ein­heit­liches Kate­gorien­system zur Beschrei­bung und Ana­lyse unter­schied­licher visu­eller Ver­weis­techni­ken. So ist bei­spiels­weise nicht klar, ob die zum Teil lite­ratur­wissen­schaft­lich gepräg­ten Termi­ni als seman­tische Kate­gorien gelten sollen, ob sie eine Ver­fahrens­technik beschrei­ben oder auf wel­cher Ebene (etwa moti­visch oder figu­rativ) Über­nahmen statt­finden ([Rosen 2003a]: S. 162).

So wünschenswert in dieser Debatte ein epo­chen- und gattungs­über­greifen­der Theorie­bau auch wäre, so un­klar ist dabei, ob dieser dem Wandel von Bild­begrif­fen und Kunst­diskur­sen im Laufe der Kunst­geschich­te ge­recht würde ([Zuschlag 2006a]: S. 95 f.).

Martina Sitt und Attila Horányi beispiels­weise ver­werfen den Begriff des Zitats, da er – ähnlich wie der Termi­nus des Ein­flusses ([Baader 2003b]: 73 ff.) – zu hetero­gene Phäno­mene in der Male­rei des 19. und 20. Jahr­hunderts um­fassen muss und damit seine Be­schreibungs­prägnanz ver­loren hat ([Sitt & Horányi 1993a]: S. 20).

Analysen von Bildzitaten in ihren Funk­tionen und Wir­kungen finden meist epochen­bezogen – etwa zu Zitat­techniken im 20. Jahr­hundert ([Belting 1998a]; [Schmidt 2000a]; [Zuschlag 2002a]) – oder bezo­gen auf das Werk einzel­ner Künst­ler ([Asemissen & Schweikhart 1994a]: S. 225 ff.) – z.B. Bild­zitate bei Ver­meer ([Hammer-Tugendhat 2009a]) – statt. In über­trage­nem Sinn setzen sich auch Vertre­terinnen der Perfor­mance-Kunst mit Bild­zitaten aus­einan­der. So ver­suchte bei­spiels­weise die Künst­lerin Orlan in einer Gesichts­opera­tion ver­schiedene weib­liche Ideal­bilder der euro­päischen Kunst­geschich­te (z.B. die «Mona Lisa» von Leo­nardo da Vinci und die «Venus» von Botti­celli) in ihrem Gesicht zu verei­nen und ver­wandelte damit Bild­zitate in ein reales, soma­tisches Zitat ([Baxmann 2001a]: S. 294 ff.).

Zuschlag definiert das Zitat in Diffe­renz zur Para­phrase ([Zuschlag 2002a]). Wäh­rend bei einem Zitat sozu­sagen Aus­schnitte aus einer Vor­lage vorge­nommen werden und ein­zelne Ele­mente in einen neuen Bild­kontext ge­stellt werden, wird bei einer Para­phrase das Vor­bild als Ganzes einer Ver­ände­rung unter­zogen und mit einer neuen Bild­vorstel­lung ver­sehen. Zitat und Para­phrase sind „kri­tisch reflek­tierte, also nicht von einem stilisti­schen Nach­ahmungs­anlie­gen moti­vierte, sondern im Bewusst­sein der histo­rischen Distanz (und häufig auch der medi­alen Diffe­renz) erfol­gende Rück­griffe auf ein kunst­geschicht­liches Vor­bild oder mehre­re kunst­geschicht­liche Vor­bilder“ ([Zuschlag 2002a]: S. 171 f.)

Zuschlag verwendet diese Termini als Ober­begriffe für alle weite­ren bild­lichen Bezug­nahme­formen, die beson­ders die Kunst des 20. Jahr­hunderts prägen, in der der Re­kurs auf die Kunst­geschich­te charak­teristisch ist. Belting spricht in diesem Zu­sammen­hang von einer Zitat­kunst als quali­tativ neue Kunst­form: „Werke, die nicht mehr ge­schaffen werden können, lassen sich nur noch zitie­ren. […] Nicht nur werden ein­zelne Werke wie Namen der Erin­nerung zi­tiert: Sie stehen auch für einen Werk­begriff ein, an den sie nur noch erin­nern.“ ([Belting 1998a]: S. 469)

Im 20. Jahrhundert bieten die Re­produk­tions­techni­ken eine neu­artige Ver­füg­bar­keit der Vor­bilder; gleich­zeitig wird eine Les­bar­keit des zitie­renden Bezugs für den Bild­betrach­ter voraus­gesetzt oder er­hofft und an seine Inter­preta­tions­leistung appel­liert ([Sello 1979a]).

Als spezielle Kunstform, die sich mit visu­ellen Arte­fakten der Kunst­geschich­te, aber auch mit Bil­dern der Popu­lär­kultur (Wer­bung und Massen­medien), aus­einander­setzt, ist die Appro­priation Art der 1980er Jahre zu nennen. In Techni­ken wie Zitat und Wieder­holung werden Vor-Bil­der ange­eignet, indem sie noch einmal gezeich­net, ge­malt oder foto­grafiert werden. Diese erneu­te Schöp­fung ist als kri­tische Reflek­tion von Autor­schaft, Origi­nalität und dem Ver­hältnis von Pro­duzent und Rezi­pient zu ver­stehen ([Wege 1999a]: S. 20.).

Das Zitat als Verweis auf konkrete Kunst­werke diffe­renziert Zu­schlag vom Phäno­men der Meta­kunst ab den 1960er Jahren. Meta­kunst refe­riert nicht auf ein spezi­fisches Bild, sondern in einem erwei­terten Sinne ent­weder auf die Insti­tution Kunst, auf einen Topos oder thema­tisiert auf einer selbst­reflexi­ven Meta­ebene Kunst an sich ([Zuschlag 2002a]: S. 176 f.).


Interbildlichkeit, Inter­piktu­rali­tät und Inter­ikoni­zität

Zur Darstellung von Bildbeziehungen wird bis­weilen auf den lite­ratur­wissen­schaft­lichen An­satz der Inter­textu­alität zurück­gegriffen, den Julia Kriste­va in den 1970er Jahren zur Be­schreibung von Text­beziehun­gen in An­lehnung an Michail Bach­tins Konzept der Dialo­gizität ent­wickelte. Der Begriff der Inter­textua­lität wird in kunst­wissen­schaft­lichen Arbei­ten zum Teil direkt auf das Medium Bild über­tragen, da ent­weder expli­zit text­ähn­liche Struk­turen von Bild-Bild-Bezü­gen – etwa die inter­textu­elle Meta­malerei ([Stoichita 1998a]) – unter­sucht werden sollen oder sich bild­spezi­fischere Begriffe noch nicht genü­gend durch­gesetzt haben ([Rose 2006a]: S. 60). Mieke Bal setzt ‘quota­tion’ als Sprach- und Bild­medium über­greifen­den Termi­nus ein und bezeich­net damit „inter­section of icono­graphy and inter­textuality“ ([Bal 1999a]: S. 8).

Darüber hinaus liegen verschiedene Termi­ni für Bild­ver­weise vor, die inter­textu­elle Heran­gehens­weisen adap­tieren:

  • Interbildlichkeit ([Rose 2006a]) bezeich­net einer­seits Bild­beziehun­gen sowie Bild­reflexi­onen im Medium Bild und anderer­seits eine lite­rarische Inter­bild­lich­keit. Letzte­re ist gekenn­zeichnet durch eine im über­tragenen Sinn vorhan­dene Bild­lich­keit der Sprache im Text, z.B. mittels Ver­knüp­fung von Sprach­bildern.
  • Interpikturalität (zusammen­fassend [Rosen 2003a]; [Rosen et al. 2003a]) auch in der Schreib­weise Inter­pikto­rali­tät: Hier­bei handelt es sich um Be­ziehun­gen zwischen Bildern, die in der Über­nahme von Ter­mini aus der Sprach- und Lite­ratur­wissen­schaft als Zitat oder Allu­sion bezeich­net werden. In Ana­logie zur Sprache steht zur Diskus­sion, wie Markie­rungen von Bild­bezügen aus­sehen könnten oder wie ver­schiedene Deut­lich­keits­grade von Refe­renzen aus­einan­der zu halten seien.
Phänomen und Beschreibung von Bild­rela­tio­nen sind – ähn­lich wie bei der Er­forschung von Text­bezie­hungen – immer wieder Gegen­stand kunst­geschicht­licher Unter­suchun­gen gewesen. Gemäß Rosen unter­scheidet sich die tradi­tionelle Quellen­forschung der Kunst­geschichte jedoch von dem neue­ren Inter­piktu­rali­täts­diskurs. Die Quellen­forschung ver­sucht, Ein­flüsse in Kunst­werken nach­zuvoll­ziehen und Be­ziehungs­linien abzu­bilden. Der Inter­piktu­rali­tätsan­satz in­des nimmt die sinn­produ­zieren­den und konsti­tutiven Funk­tionen von Bild­bezügen in Kunst­werken in den Blick.
  • Interikonizität ([Zuschlag 2006a]; [Gamer 2007a]): Zu­schlag strebt unter diesem Stich­wort ein mehr­dimen­siona­les Modell an, das so­wohl eine Typo­logie der inter­ikoni­schen Bezug­nahmen nach formalen und inhalt­lichen Ein­teilun­gen als auch die funk­tiona­len und histo­rischen Bedin­gungen und Kon­texte sowie produk­tions- und rezep­tions­ästhetische Sicht­weisen berück­sichtigt. Diese Vor­gehens­weise soll eine diffe­renzier­te Be­schreibung der einzel­nen Bezug­nahmen so­wie der Rolle des Rezi­pienten er­mög­lichen. In der Über­tragung vom Medium des Textes auf Objekte der Kunst müss­ten fol­gende Aspek­te dis­kutiert werden: das Wechsel­verhält­nis von bild­lichem Prä­text und Post­text, Begriffe wie »Autor­schaft« und »Inten­tionali­tät«, die Frage eines engen oder weiten Inter­ikoni­zitäts­begriffs oder auch der Nutzen einer Über­nahme von Schrift­katego­rien wie Einzel­text­referenz, System- oder Gattungs­referenz.
Eine Anwendung dieses Postulats der Inter­ikoni­zität liegt bis­her nur in An­sätzen vor. Zu­schlag weist auf die Not­wendig­keit hin, bei der Über­nahme text­basierter Kate­gorien die spezi­fischen Charak­teristi­ka des Mediums Bild zu berück­sichtigen. Gerade für diesen Punkt beste­hen noch keine Lösungs­vorschläge.
Wagner kritisiert an Zuschlags Konzept, dass dieses auf rein bild­liche Rela­tionen fokus­siert sei. Bild­verweise bedürf­ten jedoch stets sprach­licher Vermitt­lung und Be­deutungs­stiftung, so dass Inter­ikoni­zität auf sprach­liche Inter­textua­lität ange­wiesen und mit dieser ver­bunden sei ([Wagner 2006a]: S. 221).
  • Im Rahmen einer weitestgehend lite­ratur­wissen­schaft­lich orien­tierten Heran­gehens­weise finden sich verein­zelt Unter­suchungen zu Bild­zitaten in verschie­denen visu­ellen Formaten (Male­rei, Foto­grafie, Film) ([Böhn 1999a]) oder zu Bild­zitaten in lite­rari­schen Werken ([Eilert 1991a]). Zitie­rende Bezüge zwischen filmi­schen Stills und Werken des kunst­geschicht­lichen Kanons ([Keitz 1994a]) werden ebenso ana­lysiert wie Zitate in inter­medialen Rela­tionen zwischen Texten und Bildern ([Horstkotte & Leonhard 2006a]). Da­bei wird auch ver­sucht, inter­mediale und inter­kulturelle Bild­beziehun­gen und Bild­transfers nachzu­vollziehen und so ver­schiedene Bild­medien, Zeit­schichten und Diskurse außer­halb des klassischen kunst­geschicht­lichen Fokus zu berück­sichtigen ([Schulz 2010a]: S. 322 f.).


Das Bildzitat als juristischer Gegen­stand

Das Zitieren von Bildern ist, wenn es das Ur­heber­recht eines Bild­inhabers berührt, auch Gegen­stand juris­tischer Aus­einan­derset­zungen. Die Frage nach der Zu­lässig­keit von Bild­zitaten ist beispiels­weise bei Abbil­dungen in wissen­schaft­lichen Publi­kationen rele­vant. Im Kontext des Inter­nets und seiner welt­weiten Verbrei­tung von Bildern besitzen Bild­zitate unter­schiedlich­ster Art eine große Viru­lenz ([Barabash 2010a]).

Bereits 1886 wurde eine internationale «Berner Über­ein­kunft zum Schutz von Werken der Lite­ratur und Kunst» zwischen den Ländern Deutsch­land, Bel­gien, Groß­britan­nien, Schweiz, Ita­lien, Spa­nien und Tune­sien ge­schlossen, die in revi­dierter Form (die soge­nannte RBÜ) immer noch Gültig­keit besitzt. In­zwischen ist sie von fast allen Staaten der Welt aner­kannt worden. Laut RBÜ soll den Ur­hebern von Werken der Wissen­schaft und Kunst ein Mindest­recht garan­tiert werden. Gleich­zeitig gilt es, die Inte­ressen der Ur­heber und der Nutzer eines Werkes im Sinne eines All­gemein­wohls und eines gesell­schaft­lichen Fort­schritts in Ein­klang zu bringen.

Die Voraussetzungen eines Zitats sehen wie folgt aus: Zu­nächst muss das zitierte, ur­heber­recht­lich ge­schützte Werk bereits der Öffent­lich­keit recht­mäßig vor­liegen. Weiter­hin muss der Zweck des Zitie­rens den Zitat­umfang legi­timie­ren und das Zitat mit den „anstän­digen Ge­pflogen­heiten“ (RBÜ Art. 10, zitiert nach [Barabash 2010a]: S. 12) verein­bar sein.

Laut Calame und Thouvenin unter­scheidet sich das Bild­zitat von anderen Zitat­arten durch seinen Um­fang. Dem Sinn des Zitie­rens ent­spricht, auf­grund der Spezi­fika des Mediums Bild, meist nur das Zitieren des gesam­ten Werkes und nicht nur eines Aus­schnitts. Dies ist, sofern die Verhält­nismäßig­keit zum Gesamt­werk gegeben ist, recht­lich mög­lich ([Calame & Thouvenin 2008a]: S. 139 ff.).[3]

In Deutschland ist das Zitat­recht in §51 UrhG ([1]) gere­gelt. Mit der Gesetzes­novelle des soge­nannten zweiten Korbs des §51 UrhG vom 1. Januar 2008 gestal­tet sich die Rechts­lage fol­gender­maßen:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Ver­breitung und öffent­liche Wieder­gabe eines ver­öffent­lichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Um­fang durch den beson­deren Zweck gerecht­fertigt ist. […]

Insbe­sondere werden im Weite­ren das Zitat im wissen­schaft­lichen Kontext zu Er­läute­rungs­zwecken sowie das Sprach- und Musik­zitat ange­führt. Nicht expli­zit genannt, aber durch die Neu­fassung des Para­graphen eben­falls abge­deckt, sind Werk­arten wie Bild-, Film- und Multi­media­zitate. Im konkre­ten Fall ist der Zitat­zweck recht­lich zu prüfen, der in einer Beleg­funktion oder im zitie­renden Bezug mit dem Ziel einer kultu­rellen und gesell­schaft­lichen Weiter­entwick­lung liegen kann. Die reine Aus­schmückung eines Werkes mittels eines Zitats ist nicht zu­lässig. Das Zitat darf nicht an die Stelle der eigenen geistigen Schöp­fung treten, die im Ver­hältnis über­wiegen muss. Unter der Voraus­setzung, dass die Bedin­gungen eines korrekten Zitie­rens erfüllt sind (ange­messener Umfang und Zweck des Zitats eines urheber­recht­lich vor­liegenden Werkes sowie seine Kenn­zeichnung in Form einer Quellen­angabe), hat der Ur­heber das Zitieren seines Werkes ohne finan­zielle Ent­schädi­gungsmög­lichkeit zu dulden ([Barabash 2010a]: S. 11 ff.).

Anmerkungen
  1. Zum mög­lichen Nutzen von Good­mans Un­ter­schei­dung der Re­fe­renz­for­men Zi­tat und Va­ri­a­ti­on als Be­stand­teil ei­ner ho­mo­ge­nen Be­schrei­bungs­spra­che für die Bild­wis­sen­schaf­ten vgl. [Birk 2012a].
  2. Auf der Ebe­ne der Buch­sta­ben kann es kein in­di­rek­tes Zi­tat ge­ben, da hier kei­ne se­man­ti­sche Pa­ra­phra­se mög­lich ist.
  3. Dieser Aspekt wird im Rah­men der Dis­kus­sion der Schwei­zer Ge­set­zes­la­ge an­ge­führt. Sie ori­en­tiert sich im We­sent­li­chen an der Ber­ner Über­ein­kunft, wo­bei die ge­nann­ten „an­stän­di­gen Ge­pflo­gen­hei­ten“ durch die Zi­tat­zwecke „Er­läu­te­rung“, „Hin­weis“ und „Ver­an­schau­li­chung“ kon­kre­ti­siert wur­den ([Calame & Thouvenin 2008a]).
Literatur                             [Sammlung]

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Ausgabe 1: 2013

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Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Anna Valentine Ullrich [45], Joerg R.J. Schirra [38] und Dimitri Liebsch [6] — (Hinweis)

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[Ullrich 2013g-a] [Birk 2012a]:
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