Ekphrasis: Unterschied zwischen den Versionen

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Ekphrasis ist ursprünglich ein Begriff der griechischen Rhetorik, der die besonders anschauliche sprachliche Darstellung bezeichnet. Im Gegensatz zur Verwendung im heutigen Sprachgebrauch im Sinne von Kunstbeschreibung, umfasste E. in der Antike jedwede Beschreibung von Gegenständen, darunter auch von Kunstwerken, aber ebenso von Personen, Landschaften und Bauwerken.  
 
Ekphrasis ist ursprünglich ein Begriff der griechischen Rhetorik, der die besonders anschauliche sprachliche Darstellung bezeichnet. Im Gegensatz zur Verwendung im heutigen Sprachgebrauch im Sinne von Kunstbeschreibung, umfasste E. in der Antike jedwede Beschreibung von Gegenständen, darunter auch von Kunstwerken, aber ebenso von Personen, Landschaften und Bauwerken.  
  
Nikolaos von Myra definiert E. als „eine ausführliche Rede, die das zu Zeigende deutlich zu Gesicht bringt” und grenzt sie von der reinen Erzählung bzw. dem sachlichen Bericht ab, in denen schlicht eine Abfolge von Ereignissen geschildert wird, denn E. „versucht die Hörer zu Zuschauern zu machen”<ref> Das Zitat lautet im weiteren: „Wir beschreiben aber Orte, Zeiten, Personen, Feste, Taten […]. Wann immer wir aber beschreiben möchten […] Statuen oder Bilder oder derartiges sonst, soll man aber versuchen, Überlegungen zu solchem oder solchem hinzuzufügen von Seiten der Verfassung des Malers oder des Bildhauers.” (Spengel 1966, 491; <bib id='Boeder 1996a'>Boeder 1996, 40</bib>) </ref> . Dies erfolgt unter Einbezug synästhetischer Kriterien und immer mit Konzentration auf die Bewegung der Emotionen der Zuhörer (vgl. <bib id='Webb 1999a'>Webb 1999, 13</bib>). Als Teil der spätantiken ''progymnasmata'' war E. eine Fortgeschrittenen-Übung in der Rhetorikausbildung, in der die affektive Wirkung der Beschreibung auf die Zuhörer und der Anschaulichkeitseffekt (''enargeia''/ ''evidentia'') im Vordergrund standen.<ref> Vier dieser Rhetoriklehrbücher aus dem 1. bis 5. Jahrhundert sind überliefert. Ihre Autoren sind Aelius Theon, Hermogenes, Aphtonius Sophistes und Nikolaos von Myra. Letzterer ist der einzige Autor, der explizit Kunstwerke als Gegenstand der Ekphrasis erwähnt <bib id='Boeder 1996a'>Boeder 1996a, 34-41</bib>. </ref> Zentral ist dabei die Überschreitung der medialen Grenze vom Zuhören zum Zuschauen. Nach Quintilian ist ''enargeia'' die Eigenschaft der Rede, Vergangenes oder allgemein nicht Gegenwärtiges vor dem inneren Auge sichtbar zu machen und dabei durch die Kraft des Wortes und die emotionale Bewegtheit des Rhetors den Wortcharakter des Textes aufzuheben<ref> Quintilian, ''De institutione oratoria'', IV, 2, 63f.; VI, 2, 32; VIII, 3, 63. </ref>, was in der Formel „an die äußere tritt die innere Schau” programmatisch zusammengefasst werden kann <bib id='Graf 1995a'>Graf 1995, 145-146</bib>. Dabei ist die faktische Existenz des beschriebenen Objektes keine notwendige Bedingung, denn die visuelle Qualität der Sprache solle genutzt werden, um die abwesenden Bilder wie anwesend erscheinen zu lassen. Giuliani argumentiert, dass „die Abwesenheit der Bilder eine notwendige Bedingung des ästhetischen Spiels” darstelle <bib id='Giuliani 2006a'>Giuliani 2006, 94</bib>.  
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Nikolaos von Myra definiert E. als „eine ausführliche Rede, die das zu Zeigende deutlich zu Gesicht bringt” und grenzt sie von der reinen Erzählung bzw. dem sachlichen Bericht ab, in denen schlicht eine Abfolge von Ereignissen geschildert wird, denn E. „versucht die Hörer zu Zuschauern zu machen”<ref> Das Zitat lautet im weiteren: „Wir beschreiben aber Orte, Zeiten, Personen, Feste, Taten […]. Wann immer wir aber beschreiben möchten […] Statuen oder Bilder oder derartiges sonst, soll man aber versuchen, Überlegungen zu solchem oder solchem hinzuzufügen von Seiten der Verfassung des Malers oder des Bildhauers.” (Spengel 1966, 491; <bib id='Boeder 1996a'>Boeder 1996</bib>, 40) </ref> . Dies erfolgt unter Einbezug synästhetischer Kriterien und immer mit Konzentration auf die Bewegung der Emotionen der Zuhörer (vgl. <bib id='Webb 1999a'>Webb 1999, 13</bib>). Als Teil der spätantiken ''progymnasmata'' war E. eine Fortgeschrittenen-Übung in der Rhetorikausbildung, in der die affektive Wirkung der Beschreibung auf die Zuhörer und der Anschaulichkeitseffekt (''enargeia''/ ''evidentia'') im Vordergrund standen.<ref> Vier dieser Rhetoriklehrbücher aus dem 1. bis 5. Jahrhundert sind überliefert. Ihre Autoren sind Aelius Theon, Hermogenes, Aphtonius Sophistes und Nikolaos von Myra. Letzterer ist der einzige Autor, der explizit Kunstwerke als Gegenstand der Ekphrasis erwähnt <bib id='Boeder 1996a'>Boeder 1996a, 34-41</bib>. </ref> Zentral ist dabei die Überschreitung der medialen Grenze vom Zuhören zum Zuschauen. Nach Quintilian ist ''enargeia'' die Eigenschaft der Rede, Vergangenes oder allgemein nicht Gegenwärtiges vor dem inneren Auge sichtbar zu machen und dabei durch die Kraft des Wortes und die emotionale Bewegtheit des Rhetors den Wortcharakter des Textes aufzuheben<ref> Quintilian, ''De institutione oratoria'', IV, 2, 63f.; VI, 2, 32; VIII, 3, 63. </ref>, was in der Formel „an die äußere tritt die innere Schau” programmatisch zusammengefasst werden kann <bib id='Graf 1995a'>Graf 1995, 145-146</bib>. Dabei ist die faktische Existenz des beschriebenen Objektes keine notwendige Bedingung, denn die visuelle Qualität der Sprache solle genutzt werden, um die abwesenden Bilder wie anwesend erscheinen zu lassen. Giuliani argumentiert, dass „die Abwesenheit der Bilder eine notwendige Bedingung des ästhetischen Spiels” darstelle <bib id='Giuliani 2006a'>Giuliani 2006, 94</bib>.  
  
 
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Version vom 12. Juli 2011, 13:40 Uhr


Unterpunkt zu: Sprechen über Bilder


Darstellung des gr. Zusammenhangs

Ekphrasis ist ursprünglich ein Begriff der griechischen Rhetorik, der die besonders anschauliche sprachliche Darstellung bezeichnet. Im Gegensatz zur Verwendung im heutigen Sprachgebrauch im Sinne von Kunstbeschreibung, umfasste E. in der Antike jedwede Beschreibung von Gegenständen, darunter auch von Kunstwerken, aber ebenso von Personen, Landschaften und Bauwerken.

Nikolaos von Myra definiert E. als „eine ausführliche Rede, die das zu Zeigende deutlich zu Gesicht bringt” und grenzt sie von der reinen Erzählung bzw. dem sachlichen Bericht ab, in denen schlicht eine Abfolge von Ereignissen geschildert wird, denn E. „versucht die Hörer zu Zuschauern zu machen”[1] . Dies erfolgt unter Einbezug synästhetischer Kriterien und immer mit Konzentration auf die Bewegung der Emotionen der Zuhörer (vgl. [Webb 1999, 13]). Als Teil der spätantiken progymnasmata war E. eine Fortgeschrittenen-Übung in der Rhetorikausbildung, in der die affektive Wirkung der Beschreibung auf die Zuhörer und der Anschaulichkeitseffekt (enargeia/ evidentia) im Vordergrund standen.[2] Zentral ist dabei die Überschreitung der medialen Grenze vom Zuhören zum Zuschauen. Nach Quintilian ist enargeia die Eigenschaft der Rede, Vergangenes oder allgemein nicht Gegenwärtiges vor dem inneren Auge sichtbar zu machen und dabei durch die Kraft des Wortes und die emotionale Bewegtheit des Rhetors den Wortcharakter des Textes aufzuheben[3], was in der Formel „an die äußere tritt die innere Schau” programmatisch zusammengefasst werden kann [Graf 1995, 145-146]. Dabei ist die faktische Existenz des beschriebenen Objektes keine notwendige Bedingung, denn die visuelle Qualität der Sprache solle genutzt werden, um die abwesenden Bilder wie anwesend erscheinen zu lassen. Giuliani argumentiert, dass „die Abwesenheit der Bilder eine notwendige Bedingung des ästhetischen Spiels” darstelle [Giuliani 2006, 94].

[Bätschmann 2009]

[Baumann 2011]

[Baxandall 1990]

[Boehm & Pfotenhauer 1995]

[Boehm 1995]

[Bruhn 2000]

[Cheeke 2008]

[Downey 1959]

[Drügh 2006]

[Fink 1988]

[Fowler 1991]

[Frangenberg 2003]

[Friedländer 1912]

[Greif 1998]

[Heffernan 1993]

[Heffernan 1999]

[Hempfer 2000]


Engere Begriffsbestimmung
optional Beispiele
Auswirkungen auf andere Begriffe
Anmerkungen
  1. Das Zitat lautet im weiteren: „Wir beschreiben aber Orte, Zeiten, Personen, Feste, Taten […]. Wann immer wir aber beschreiben möchten […] Statuen oder Bilder oder derartiges sonst, soll man aber versuchen, Überlegungen zu solchem oder solchem hinzuzufügen von Seiten der Verfassung des Malers oder des Bildhauers.” (Spengel 1966, 491; [Boeder 1996], 40)
  2. Vier dieser Rhetoriklehrbücher aus dem 1. bis 5. Jahrhundert sind überliefert. Ihre Autoren sind Aelius Theon, Hermogenes, Aphtonius Sophistes und Nikolaos von Myra. Letzterer ist der einzige Autor, der explizit Kunstwerke als Gegenstand der Ekphrasis erwähnt [Boeder 1996a, 34-41].
  3. Quintilian, De institutione oratoria, IV, 2, 63f.; VI, 2, 32; VIII, 3, 63.
Literatur                             [Sammlung]

[Baumann 2011]: Baumann, Mario (2011). Bilder schreiben. Virtuose Ekphrasis in Philostrats Eikones. Berlin: De Gruyter.

[Baxandall 1990]: Baxandall, Michael (1990). Ursachen der Bilder. Über das historische Erklären von Kunst. Berlin: Reimer, zuerst engl.: Patterns of intentention, 1985. [Boeder 1996a, 34-41]: Boeder, Maria (1996). Visa et vox. Sprache und Bild in der spätantiken Literatur. Frank­furt/M.: Lang. [Boehm & Pfotenhauer 1995]: Boehm, Gott­fried & Pfoten­hauer, Helmut (Hg.) (1995). Beschrei­bungskunst, Kunstbe­schreibung: Ekphra­sis von der Anti­ke bis zur Gegen­wart. München: Fink. [Boehm 1995]: Boehm, Gottfried (1995). Bild­be­schreibung. Über die Grenzen von Bild und Sprache. In: Boehm, G. & Pfoten­hauer, H. (Hg.): Beschrei­bungskunst, Kunstbe­schreibung: Ekphra­sis von der Anti­ke bis zur Gegen­wart. München: Fink, S. 23-40. [Bruhn 2000]: Bruhn, Sieglind (2000). Mucial Ecphrasis: Composers Responding to Poetry and Painting. New York: Pendragon Press. [Bätschmann 2009]: Bätsch­mann, Oskar (2009). Beschrei­bung und Illus­tration. In: Kofler, Peter (Hg.): Eksta­tische Kunst – beson­nenes Wort. Aby Warburg und die Denkräu­me der Ekphra­sis. Wien: Studien-Verlag, S. 55-66. [Cheeke 2008]: Cheek, Stephen (2008). Writing for Art. The Aesthetics of Ekphrasis. Manchester: Manchester Uni­versity Press. [Downey 1959]: Downey, Glanville (1959). Ekphrasis. Reallexikon für Antike und Christentum, Band: IV, Sp.921-944. [Drügh 2006]: Drügh, Heinz J. (Hg.) (2006). Ästhe­tik der Beschrei­bung – poeti­sche und kultu­relle Ener­gie deskrip­tiver Texte (1700-2000). Studien und Texte zur Kultur­geschich­te deutschspra­chiger Lite­ratur. Tübin­gen: Francke. [Fink 1988]: Fink, Monika (1988). Musik nach Bildern. Programm­bezo­genes Kompo­nieren im 19. und 20. Jahrhun­dert. Inns­bruck: Helb­ling. [Fowler 1991]: Fowler, Don P. (1991). Narrate and Describe: The Problem of Ekphra­sis. The Journal of Roman Studies, Band: 81, S. 25-35. [Frangenberg 2003]: Frangenberg, Thomas (2003). Poetry on Art : Renaissance to Romanticism. Donington: Schaun, T.. [Friedländer 1912]:
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- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
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[Giuliani 2006, 94]: Giulia­ni, Luca (2006). Die unmög­lichen Bilder des Philo­strat: Ein anti­ker Beitrag zur Para­gone-Debat­te. Pega­sus. Berli­ner Beirä­ge zum Nach­leben der Anti­ke, Band: 8, S. 91-116. [Graf 1995, 145-146]: Graf, Fritz (1995). Ekphra­sis. Die Entste­hung der Gattung in der Anti­ke. In: Boehm, G. & Pfoten­hauer, H. (Hg.): Beschrei­bungskunst, Kunstbe­schreibung: Ekphra­sis von der Anti­ke bis zur Gegen­wart. München: Fink, S. 143-156. [Greif 1998]: Greif, Stefan (1998). Die Malerei kann ein sehr beredtes Schweigen haben. Beschreibungskunst und Bildästhetik der Dichter. München: Fink. [Heffernan 1993]: Heffernan, James A.W. (1993). The Museum of Words. The Poetics of Ekphrasis from Homer to Ashbery. Chicago [u.a.]: Univ. of Chicago Press. [Heffernan 1999]: Heffernan, James A.W. (1999). Speaking for Pictures: The Rhetoric of Art Criticism. Word & Image, Band: 15, S. 19-33. [Hempfer 2000]: Hempfer, Klaus (Hg.) (2000). Jenseits der Mimesis: parnassische “transposition d'art” und der Pradigmenwechsel in der Lyrik des 19. Jahrhunderts. Stutt­gart: Steiner. [Webb 1999, 13]: Webb, Ruth (1999). Ekphra­sis Ancient and Modern: The Inven­tion of a Genre. Word & Image, Band: 15, S. 7-18.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Thönnes, Barbara

Seitenbearbeitungen durch: Barbara Thönnes [51], Joerg R.J. Schirra [23] und Dimitri Liebsch [21] — (Hinweis)