Ekphrasis

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Unterpunkt zu: Sprechen über Bilder


Darstellung des gr. Zusammenhangs

Ekphrasis ist ursprünglich ein Begriff der griechischen Rhetorik, der die besonders anschauliche sprachliche Darstellung bezeichnet. Im Gegensatz zur Verwendung im heutigen Sprachgebrauch im Sinne von Kunstbeschreibung, umfasste E. in der Antike jedwede Beschreibung von Gegenständen, darunter auch von Kunstwerken, aber ebenso von Personen, Landschaften und Bauwerken.

Nikolaos von Myra definiert E. als „eine ausführliche Rede, die das zu Zeigende deutlich zu Gesicht bringt” und grenzt sie von der reinen Erzählung bzw. dem sachlichen Bericht ab, in denen schlicht eine Abfolge von Ereignissen geschildert wird, denn E. „versucht die Hörer zu Zuschauern zu machen”[1] . Dies erfolgt unter Einbezug synästhetischer Kriterien und immer mit Konzentration auf die Bewegung der Emotionen der Zuhörer (vgl. [Webb 1999],13). Als Teil der spätantiken progymnasmata war E. eine Fortgeschrittenen-Übung in der Rhetorikausbildung, in der die affektive Wirkung der Beschreibung auf die Zuhörer und der Anschaulichkeitseffekt (enargeia/ evidentia) im Vordergrund standen.[2] Zentral ist dabei die Überschreitung der medialen Grenze vom Zuhören zum Zuschauen. Nach Quintilian ist enargeia die Eigenschaft der Rede, Vergangenes oder allgemein nicht Gegenwärtiges vor dem inneren Auge sichtbar zu machen und dabei durch die Kraft des Wortes und die emotionale Bewegtheit des Rhetors den Wortcharakter des Textes aufzuheben[3], was in der Formel „an die äußere tritt die innere Schau” programmatisch zusammengefasst werden kann [Graf 1995], 145-146. Dabei ist die faktische Existenz des beschriebenen Objektes keine notwendige Bedingung, denn die visuelle Qualität der Sprache solle genutzt werden, um die abwesenden Bilder wie anwesend erscheinen zu lassen. Giuliani argumentiert, dass „die Abwesenheit der Bilder eine notwendige Bedingung des ästhetischen Spiels” darstelle [Giuliani 2006, 94].

[Bätschmann 2009]

[Baumann 2011]

[Baxandall 1990]

[Boehm & Pfotenhauer 1995]

[Boehm 1995]

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[Rosand 1990]

[Rosen 2001]

[Rosenberg 1995]

[Rosenberg 2007]


Engere Begriffsbestimmung
optional Beispiele
Auswirkungen auf andere Begriffe
Anmerkungen
  1. Das Zitat lautet im weiteren: „Wir beschreiben aber Orte, Zeiten, Personen, Feste, Taten […]. Wann immer wir aber beschreiben möchten […] Statuen oder Bilder oder derartiges sonst, soll man aber versuchen, Überlegungen zu solchem oder solchem hinzuzufügen von Seiten der Verfassung des Malers oder des Bildhauers.” ([Spengel 1966a], 491; [Boeder 1996], 40)
  2. Vier dieser Rhetoriklehrbücher aus dem 1. bis 5. Jahrhundert sind überliefert. Ihre Autoren sind Aelius Theon, Hermogenes, Aphtonius Sophistes und Nikolaos von Myra. Letzterer ist der einzige Autor, der explizit Kunstwerke als Gegenstand der Ekphrasis erwähnt [Boeder 1996], 34-41.
  3. Quintilian, De institutione oratoria, IV, 2, 63f.; VI, 2, 32; VIII, 3, 63.
Literatur                             [Sammlung]

[Baumann 2011]: Baumann, Mario (2011). Bilder schreiben. Virtuose Ekphrasis in Philostrats Eikones. Berlin: De Gruyter.

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Literaturangabe fehlt.
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[Webb 1999]: Webb, Ruth (1999). Ekphrasis ancient and modern: the invention of a genre. Word & Image, Band: 15, S. 7-18.


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Verantwortlich:

Thönnes, Barbara

Seitenbearbeitungen durch: Barbara Thönnes [51], Joerg R.J. Schirra [23] und Dimitri Liebsch [21] — (Hinweis)