Emblem
Unterpunkt zu: Sprach-Bild-Bezüge
Zu Begriff und Geschichte von Emblem und Emblematik
Ein Emblem (ἔμβλημα) ist eine spezifische Bild und Text kombinierende Gattung uneigentlicher, argumentativer Rede. Im Laufe des 16. bis 18. Jahrhunderts avancierte die Emblematik als konsequenteste Umsetzung des Ut pictura poesis (vgl. [Heckscher & Wirth 1967a]: S. 88) in ganz West-Europa zu einer zentralen Kulturtechnik und zum integralen Bestandteil frühneuzeitlicher Wissensordnung. Konstitutiv für Embleme sind ihre allegorische Verweisstruktur und eine regelgeleitete Kombinatorik, die in der ciceronianischen Rhetorik gründet.[1] Embleme stehen in enger Verbindung mit anderen Text-Bild-Genera wie der Imprese (die in der Regel einen persönlichen Leitsatz visualisiert), dem Rebus (einem meist visuell verschlüsselten Bilderrätsel von Worten oder Sentenzen) oder der Renaissance-Hieroglyphik (von der man annahm, ihre Bildzeichen böten einen unmittelbaren Zugang zur göttlichen Erkenntnis). Im Laufe ihrer rund 250-jährigen Geschichte bildet die Emblematik zahlreiche Strukturformen heraus (vgl. [Heckscher & Wirth 1967a]), von denen der bekannteste Strukturtyp eine spezifische Dreiteiligkeit aufweist, wie sie in dem 1531 in Augsburg publizierten ersten Emblembuch des Mailänder Juristen Andreas Alciatus vorgegeben ist. Der Verleger Heinrich Steyner verband in diesem «Emblematum liber» die von Alciatus verfassten Epigramme mit Holzschnitten (nach Zeichnungen des Augsburger Malers Jörg Breu dem Älteren) und schuf so einen emblematischen Prototypen. Dieser Prototyp fand rasch breite Aufnahme innerhalb der respublica litteraria – auch deshalb, weil er durch eine der leistungsfähigsten Medientechniken der Zeit, der Verbindung von Buchdruck und Holzschnitt, verbreitet wurde. Die meisten Embleme des «Emblematum liber» bestehen wie das Beispiel in Abbildung 1 aus einer Inscriptio (Lemma, Motto, Obschrift), einer Pictura (Icon, Symbolum) sowie einer Subscriptio (oder Unterschrift). [2] Die Inscriptio „Paupertatem svmmis ingenijs obesse ne prouehantur“ gibt in Form eines kurzen Sinnspruchs das Thema des Emblems vor und ordnet es zugleich einem bestimmten Kontext zu, der den exegetischen Rahmen des Emblems festlegt (vgl. [Neuber 1993a]). Die Pictura zeigt einen Gelehrten (codiert durch Hut und Mantel), dessen rechter beflügelter Arm in Richtung Himmel, der linke hingegen, mit einem Stein beschwert, Richtung Erde strebt. Sein Blick folgt dem emporstrebenden, nicht dem beschwerten Arm. Die Subscriptio des Alciatus-Emblems besteht aus zwei Distichen. Das erste gibt eine Ekphrasis, die mit der Pictura korrespondiert:[3]
Das zweite Distichon stellt dann die Verbindung zur Inscriptio her, indem es die Pictura auslegt: Die Armut hindert den intellektuell und künstlerisch Begabten daran, seine Fähigkeit voll zu entfalten. Auch wenn der bilderzeugende, ekphrastische Teil der Subscriptio der Evidentia (also dem Vor-Augen-Stellen eines Sachverhaltes oder eines Arguments) dient, so aktualisiert erst das Zusammenspiel aller Teile das dem Emblem zugrunde liegende Argument. Aus dieser im «Emblematum liber» vorzufindenden dreiteiligen Emblemstruktur leitete Albrecht Schöne einen Idealtypus ab, den er unter der Formel einer „Doppelstruktur des Abbildens und Auslegens oder des Darstellens und Deutens“ ([Schöne 1993a]: S. 21) zu klassifizieren versuchte, wobei er im Prozess der Sinnerzeugung der Pictura den Vorrang vor den beiden anderen Konstituenten zuschrieb. Die Kritik an Schönes Idealtypus ließ nicht lange auf sich warten.[5] Bernhard F. Scholz zeigt die Nähe des Emblems zu anderen symbolischen Formen wie dem Rebus, der Imprese, der Renaissance-Hieroglyphik auf der Grundlage historischer Begriffsbestimmungen, denen er in erster Linie Traktate zur Imprese, die von Emblematikern vielfach zitiert wurden, zugrunde legt. Allen diesen symbolischen Formen ist ein besonderer Rätselcharakter gemeinsam, der sich aus der Verlässlichkeit eines noch universal-göttlichen Verweissystems, dem mittelalterlichen ordo, speist, in welchem alles mit allem in einem symbolisch-allegorischen Bezug steht und der die Dinge der Welt innerhalb einer topisch organisierten Wissensordnung disponibel hält.[6] Diese poetologisch verwandten Formen wenden sich in erster Linie an eine Gelehrtenschicht, die diese Rätselstruktur zu dechiffrieren in der Lage ist. Im Laufe ihrer Gattungsgeschichte bildete die Emblematik eine Vielzahl von Formvarianten aus, die mehr oder weniger von dieser strukturellen Dreigliedrigkeit abweichen, wie etwa die gegen Mitte des 17. Jahrhunderts immer populäreren „mehrständigen Sinnbilder“, die aus bis zu zehn miteinander zu einer Sinneinheit verbundenen Emblemen bestehen können. Trotz ihrer Vielfalt ist diesen Gebilden eine metonymische bzw. metaphorische Relation von Text und Bild eigen (vgl. [Scholz 1997a]). Embleme stellen abstrakte, unanschauliche Begriffe, Ideen, Argumente in der Regel mit dem Ziel vor Augen, ein bestimmtes abstraktes Wissen zu speichern und disponibel zu halten. Das verbindet die Emblematik mit anderen Formen von frühneuzeitlichen Text-Bild-Genera, insbesondere jedoch mit der Mnemonik. Kulturhistorisch äußert sich dies in einer Vielzahl emblematischer Enzyklopädien, wie die gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstandene «Symbola et emblemata» des Nürnberger Juristen Joachim Camerarius. Gegen Ende der Emblematik sind es gerade diese Enzyklopädien, die davon zeugen, wie die Emblematik als topisch organisierte Wissensspeicher insofern an ihre strukturellen Grenzen stößt, als sie die Menge des Wissens nicht sinnvoll aufzunehmen im Stande ist. Mit den ersten Emblemenzyklopädien erfährt die Emblematik eine Funktionserweiterung, die vor kaum einem frühneuzeitlichen Wissensgebiet halt macht. Die Funktionserweiterung der Emblematik drückt sich nicht nur dadurch aus, dass im deutschsprachigen Raum zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Ausdruck ‘Emblem’ allmählich durch das – vom niederländischen ‘zinnebeeld’ abgeleitete – ‘Sinnbild’ ersetzt wird. Sie zeigt sich auch in der zunehmenden Bedeutung, die die Emblematik überhaupt für die frühneuzeitliche Wissensdistribution und Wissensproduktion spielt. Sie wird mit didaktischen, meditativen und repräsentativen Absichten funktionalisiert, wobei es alle nur denkbaren Zwischenformen zwischen diesen Makrobereichen gibt und die Übergänge fließend sind. Es wurde daher aus erschließungspragmatischen Gründen vorgeschlagen, die Vielfalt an Emblembücher wie folgt zu systematisieren: in Impresenliteratur, in ethisch-moralische Emblematik, in weltliche Liebesemblematik, in politische Emblematik und schließlich in religiöse Emblematik sowie in Emblemenzyklopädien, die sich wiederum in zahlreiche Unterkategorien differenzieren lassen.[7]
Ausgewählte Emblemtheorien des 16. und 17. JahrhundertsIn Anbetracht der bedeutenden Stellung, die die Emblematik innerhalb der frühneuzeitlichen Sinnbildsysteme einnimmt,[8] ist es erstaunlich, dass kaum theoretisch verbindliche zeitgenössische Reflexionen über eine Poetik des Emblems überliefert sind. Die meisten Vorreden und Traktate, die sich zur Ursprungsfrage der Emblematik äußern, wiederholen sich meist und werden der emblematischen Formenvielfalt ihrer Zeit kaum gerecht. Produktionsästhetische und/oder rezeptionsästhetische Poetologien des Emblems sind eine Seltenheit. Im Folgenden wird eine exemplarische Auswahl emblemtheoretischer Positionen skizziert, die von Andreas Alciatus über Johann Fischart und Johann Wilhelm Zincgref bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zu Georg Philipp Harsdörffer und Justus Georg Schottelius reicht. Bei Harsdörffer finden sich erstmals umfangreiche Bestimmungen, die der Emblempraxis und der seit der Jahrhundertwende erheblich wachsenden Funktionsvielfalt der Emblematik gerecht zu werden versuchen. Alciatus: «Emblematum liber»Die Begriffsgeschichte der Emblematik beginnt, wie gesagt, mit dem 1531 von Heinrich Steyner in Augsburg verlegten «Emblematum liber», in dem er unautorisiert ein 104 Epigramme umfassendes Manuskript des Juristen Andreas Alciatus mit Holzschnitten von Jörg Breu verband und auf diese Weise eher zufällig die Dreiteiligkeit schuf, die dann auf die neue Text-Bild-Gattung übertragen wurde.[9] Was Alciatus selbst unter ‘Emblem’ verstand wird andeutungsweise in seinem dem Augsburger Humanisten Konrad Peutinger zugedachten Widmungsepigramm fassbar:
Abgesehen davon also, dass die von Alciatus erfundenen Embleme einem sinnvollen Zeitvertreib dienen sollen, sieht er in ihnen Vorlagen für die Verzierung von Kleidung und anderen Artefakten, wobei es ihm weniger auf die grafische Umsetzung der bilderzeugenden Teile der Epigramme anzukommen scheint, sondern auf das dem Epigramm zugrundeliegende Kernargument. Welchen Themenbereichen die Argumente entnommen werden können, erläutert Alciatus seinem Freund Francesco Calvo in einem Brief vom 9. Dezember 1522:
Für die Epigramme des «Emblematum liber» hat sich Alciatus vor allem bei der «Anthologia Graeca», dem «Physiologus» und der «Hieroglyphica» des Horapollo bedient.[12] Fischart: «Kurtzer vnd Woldienlicher Vorbericht»Alciatus’ kunsthandwerkliche Implikation des Emblems im Sinne einer Intarsie oder Einlegearbeit prägt einerseits noch das erste deutschsprachige Emblemtraktat, das Johann Fischart (1546/47–1590) als Vorwort dem 1581 in Straßburg erschienenen «Emblematum tyrocinia» Matthias Holtzwarts voranstellte. Andererseits leitet Fischart in diesem «Kurtze[n] vnd Woldienliche[n] Vorbericht / von Vrsprung / Namen vnd Gebrauch der Emblematen / oder Eingeblömeten Zierwercken» den Emblembegriff noch aus der Heraldik und dem militärischen Standartenwesen ab und schlägt damit eine Verbindung zur Impresentradition. Bereits Paolo Giovio wies in seinem berühmten und einflussreichen «Dialogo dell’Imprese Militari et Amoroso» (Rom 1555) auf die memorative Kraft dieser Bild- und Gedächtniszeichen hin.[13] Fischart sieht die Aufgabe der „Gedenckzeychen“ darin, dem Rezipienten dazu zu verhelfen, sich der „Vorfahren Glück vnd Fall […] zu erinnern“ ([Fischart 1581a]: fol. a8r). Wenn Fischart die enge Verwandtschaft des Emblems mit der Imprese betont, weist er zugleich auf sozialdisziplinarische und gesellschaftsordnende Dimensionen dieser Text-Bild-Verbindungen hin. An den Wappen sind die Mitglieder des Hofes identifizierbar, ihr soziales Gewicht und Prestige allen einsichtig. Die Emblematik wird in dieser Hinsicht als der kulturhistorische Versuch gewertet, auch dem gesellschaftlich-stratifikatorischen Bedeutungsverlust der Heraldik zu begegnen.[14] Um diesen aufzufangen, hätte man, so Fischart, damit begonnen, die
Habe die Heraldik erst einmal ihre traditionelle Funktion verloren, sei es nur noch ein kleiner Schritt hin zum Anfertigen von „Poetischen Geheimnußlehrigen Gemählen: vnd dieselbige jnen selbs / oder andern zugleich neben jnen zu fruchtbarlicher Erinnerung offentlich fürzumalen“ ([Fischart 1581a]: fol. a3v). Eine Erklärung jedoch, wie die produktionsästhetischen Regeln emblematischer Inventio aussehen und wie die potentiellen semantischen Aufladungen solcher „Gemärcke“ zustande kommen, bleibt Fischart seinen Lesern schuldig. Eine Anleitung zum Erfinden eigener Embleme ist sein Traktat nicht. Zincgref: «Emblematum ethico-politicorum»Fischarts Argumente finden sich einige Zeit später auch bei Johann Wilhelm Zincgref (1591-1636) wieder, dem Heidelberger Humanisten und Doktor beider Rechte. In der «Praefatio de origine et usu emblematum» seines «Emblematum ethico-politicorum», erstmals 1619 in Frankfurt am Main bei Theodor de Bry erschienen, wiederholt er einerseits die bereits bekannten kunsthandwerklichen Argumente[15] und knüpft andererseits an die bereits von Alciatus der Emblematik zugrunde gelegten Renaissance-Hieroglyphik an. Embleme sind den Hieroglyphen analoge Schriftzeichen.[16] Auch die Embleme sollen wie diese auf Hermes Trismegistos zurückgeführten ideographischen Zeichen Mentales in Bildern vor- und darstellen: „Primi per figuras animalius […] Ægyptii sensus mentis effingebant […]“ ([Zincgref 1664a]: Bd. 1, fol. ):( ):( 1r)).[17] Zugleich aber haben, wie Alciatus bereits betonte, diese hieroglyphischen Zeichen die Kraft, Dinge direkt zu bezeichnen. Zincgref beruft sich auf Diodorus Siculus und beschreibt das emblematum scribere als das Verbinden einzelner Bildelemente (res pictae) wie die Darstellung vom Tieren, von menschlichen Gliedmaßen oder von Gegenständen auf der einen Seite mit bestimmten mentalen Konzepten auf der anderen Seite, damit die mit ihnen verbundenen Argumente leichter im Gedächtnis behalten werden können. Er verbindet das humanistische Konzept der Hieroglyphik mit einer mnemotechnischen Funktion und weiß dies durch Autoritäten wie Tacitus oder Diodorus Siculus zu belegen.
Zugleich erweitert Zincgref damit den Emblembegriff zu einem umbrella term:
Zincgref verwendet den Ausdruck ‘Emblem’ universal für Text-Bild-Verbindungen. Die Übergang von Emblem, Imprese und Hieroglyphe sind fließend. Ihnen allen eignet Symbol- bzw. Gleichnishaftigkeit und sie können von einem allgemeinen Emblem (Emblema communia sive universalia), wie Zincgref es nennt, in ein Einzelemblem (Emblema singulare) individuell verwandelt werden – und vice versa. Als solche fänden sie dann auf Devisen oder Wappen Verwendung. Sie alle überführen Vorstellungsbilder (imagines vivantes), etwa über heroische Taten und ihre seelischen Abbilder (simulacra animorum) durch poetische Bearbeitung in körperhafte Bilder (pictae), um als Vorbild dem Gedächtnis der Nachwelt verfügbar zu bleiben (vgl. [Zincgref 1664a]: Bd. 1, fol. ):( ):( 3v). Für Zincgref besteht die uneingeschränkte Leistung der Embleme darin, unseren Geist durch Gleichnishaftigkeit und Analogiebildung zu Wahrnehmungen zu führen, zu denen die äußeren Sinne nicht im Stande sind (vgl. [Zincgref 1664a]: Bd. 1, fol. ):( ):( 4r). Embleme sind Erkenntnis- und Ordnungsmittel in Einem. Sie halten Wissen verfügbar und sind in der Lage, neues Wissen und neue Erkenntnisse auf Basis der Rekombination und Analogiebildung zu generieren.[20] Harsdörffer: «Frauenzimmer Gesprächspiele» und «Mordgeschichte»Wiederum einige Jahrzehnte nach Zincgref begibt sich der Nürnberger Patrizier, Jurist und Polyhistor Georg Philipp Harsdörffer auf die Suche nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten dieser analogiebildenden Leistungsfähigkeit des emblematischen Gleichnisses. In seinen «Frauenzimmer Gesprächspielen» entfaltet Harsdörffer im gelehrten Dialog die umfassendste Synthese der seit gut hundert Jahren verhandelten Emblemtheorien, was ihn, wie Gerhard F. Strasser resümiert, „zum Gewährsmann für die Emblemtheorie im deutschen Raum“ macht ([Strasser 2000a]: S. 41).[21] Zur Mitte des 17. Jahrhunderts hat die Emblematik eine Ausdifferenzierung hin zu einer unübersichtlich gewordenen Formenvielfalt erfahren, so dass kaum noch von dem Emblem und der Emblematik gesprochen werden kann. Zincgrefs umbrella term wies bereits die Richtung. Auch bei Harsdörffer dokumentiert sich nun der Strukturwandel der Emblematik in der Ersetzung von ‘Emblematum’ durch ‘Sinnbild’:
Text und Bild sind im Sinnbild so eng aufeinander bezogen, dass das eine Zeichensystem nicht ohne das andere auskommt. Harsdörffer betont dies in seiner emblemtheoretischen Zugabe zur dritten Auflage des «Großen Schau-Platzes jämmerlicher Mordgeschichte», die 50 Lehrsätze für die Inventio und Produktion von Sinnbildern präsentiert.[23] Gleich zu Beginn der Schrift verweist er auf die maßgebliche Rolle, die die Analogie bei dieser Semiose von Text und Bild spielt. Denn das Bild könne, wie das Wort auch, eine eigentliche (sensus litteralis) und uneigentliche (sensus allegoricus) Bedeutung besitzen und müsse bezüglich seiner uneigentlichen Bedeutung nochmals unterschieden werden, je nachdem ob es sich um eine Allegorie, die er als „Iconologia“ oder „Bilderkunst“[24] bezeichnet, oder um ein Sinnbild handelt. Während erstere sich durch stark konventionalisierte Codierungen auszeichnen, so dass sie als Zierde für „Gebäuden / Tapeten / Büchertituln und in viel andre wege“ (§3) dienen, schöpfen Sinnbilder ihr Potential aus ihrem Gleichnischarakter, der aus der Spannung zwischen Text und Bild erzeugt wird und durch die „die in Sinnbildern enthaltene Lehre leichter bemercket / die Bitterkeit der Vermahnung versüst / und die Lieblichkeit der Mahlerey und Poeterey kunstartig mit gesamter wolständigkeit an das Liecht gesetzt“ (§7) wird, so dass idealerweise ein Sinnbild nicht ohne Berücksichtigung des Zusammenspiels von Text- und Bildcode dechiffriert werden könne (§23). Die immer wieder dargestellten Zusammenhänge, in die die Emblematik gestellt wird, werden von Harsdörffer zum diskursiven Ordnungsmuster der Verständigung über die Eigenschaften des Gleichnisses. Die Ausführungen zur Sinnbildkunst werden im ersten Band der «Gesprächspiele» mit Ausführungen über das Gleichnis und die Gedächtniskunst vorbereitet, die Impresenkunst („Münzpreg“) schließt sich ihr an. Somit entspricht die diskursive Entfaltung des Themas ziemlich genau den üblichen Abhandlungen über diesen Sachverhalt – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Harsdörffer stellt sie nicht mehr in eine kulturhistorische Entwicklungsgeschichte, sondern behandelt sie unter dem erkenntnistheoretischen Interesse potentieller Wissensgenerierung qua Analogie. Das Gleichnis, so sagt Harsdörffer, sei die Quelle der Inventio und es sei „nichts in der gantzen Welt zu finden / welches nicht durch die Gleichnis belanget werden könnte“ ([Harsdörffer 1969a]: X, § 5, S. 54). Schottelius: «Ausführliche Arbeit von der teutschen HaubtSprache»Eine noch ausführlichere Definition von »Sinnbild« liefert der Wolfenbütteler Geheimrat und Fruchtbringer Justus Georg Schottelius, mit dem Harsdörffer zeitlebens in freundschaftlichem Austausch stand. In seiner 1663 erschienenen «Ausführlichen Arbeit von der teutschen HaubtSprache» verwirft er den alten Begriff »Emblematum«, weil er ihm zu einseitig auf die kunsthandwerkliche Funktion reduziert ist (vgl. [Schottelius 1663a]: S. 1105). Der Sinnbild-Begriff zeige hingegen ein solches Bild an,
Im Sinnbild codiert das Bild das zugrundeliegende Argument, das durch das Lemma und eventuell durch die Subscriptio konkretisiert, niemals aber vereindeutigt werden darf. Wie die Imprese, so ist auch das Emblem ganz nach Maßgabe der Ars memorativa durch jene obscuritas geprägt, die das verschlüsselte Argument nicht unmittelbar einsichtig macht und daher merk-würdig auf den Rezipienten wirkt. In diesem Zusammenspiel zwischen propositionalem Gehalt und Bildrhetorik konstituiert sich diejenige Qualität des Emblems, die im zeitgenössischen Kontext so oft mit der Leib-Seele-Metapher angesprochen wird:
Fehlt das Wort, so ist nicht mehr von einem Sinnbild, sondern von „einem gemahlten Rätzel oder blossen Gemählte“ (ibid.: S. 1106) die Rede.
AusblickEntsprechend vielgestaltig sind die thematischen und inhaltlichen Ausrichtungen der Emblembücher. Sie reichen von der Impresenliteratur über eine ethisch-moralische und politische Emblematik, zu der Fürstenspiegel wie Zincgrefs erwähntes Emblembuch ebenso zu zählen sind wie die panegyrische und Funeral-Emblematik, und die vor allem seit Beginn des 17. Jahrhunderts inflationär einsetzende religiöse Emblematik (unabhängig von konfessionellen Beschränkungen) bis hin zu mehrbändigen Emblemenzyklopädien, die etwa das naturkundliche und moralische, aber auch theologische Wissen der Frühen Neuzeit miteinander verbinden; nicht zu vergessen sind ebenfalls die Kunstbücher mit ihren Sammlungen an emblematischen Topoi, für die etwa Cesare Ripas «Iconologia» prototypisch wurde, und der unüberschaubare Bereich angewandter Emblematik.[25] Die letzten Emblemenzyklopädien erschienen wie Laurentius W. Woyts «Emblematischer Parnassus» noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Danach reißt die Emblemproduktion fast schlagartig ab. Als epistemische Ordnungsinstrumente sind Emblembücher im Laufe des 18. Jahrhunderts offensichtlich an die Grenzen der Verwaltbarkeit und Darstellbarkeit des Wissens geraten. Wenn die Analogie nicht mehr als Grundlage einer Wissensordnung funktioniert, scheitert auch die Emblematik als Ordnungsverfahren moralisch-ethischer Diskurse. Doch das allein erklärt den rapiden Bedeutungsverlust dieser Kulturtechnik nicht überzeugend. Denn auch andere Formen der frühneuzeitlichen Bild-Text-Relation verlieren an Bedeutung, wie etwa die Mnemonik, deren Verhältnis zur Emblematik noch nicht einmal ansatzweise untersucht wurde, was eines der dringlichsten Desiderate für die aktuelle Emblemforschung darstellt. Dabei ist schon des Längeren bekannt, dass zwischen der Emblematik und der Mnemonik eine enge Verknüpfung besteht.[26] Die Erforschung dieser Zusammenhänge könnte den Schlüssel zur Erklärung des Bedeutungsverlustes der auf Analogiebildung basierenden Text-Bild-Genera gegen Ende der Frühen Neuzeit liefern. Siehe auch:
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Anmerkungen
[Alciatus 1531a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Alciatus 1967a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Balavoine 1981a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Becker-Cantarino 2005a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Fischart 1581a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Greene 1982a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Harsdörffer 1656a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Harsdörffer 1968a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Harsdörffer 1969a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Heckscher & Wirth 1967a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Kocher 2007a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Kocher 2010a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Kocher 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Köhler 1986a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Manns 2007a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Manns 2009a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Manns 2012a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Miedema 1968a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Neuber 1993a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Schmidt-Biggemann 1983a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Schmidt-Biggemann 2007a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Scholz 1997a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Scholz 2002a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Scholz 2007a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Schottelius 1663a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Schöne 1993a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Strasser 2000a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Sulzer 1992a]: Literaturangabe fehlt. 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