Emblem

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
Version vom 15. September 2011, 10:33 Uhr von Stefan Manns (Diskussion | Beiträge) (Engere Begriffsbestimmung)
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Unterpunkt zu: Sprach-Bild-Bezüge


Der größere Zusammenhang
„Mit seinem umfangreichen Textkorpus und seinem großen Umfang an Varianten, der eine definitorische wie auch eine typologische Erfassung der Gattung bisweilen als schier aussichtsloses Unterfangen erscheinen läßt, ist das Emblem ohne Zweifel die produktivste der kleinen, im 16. 17. und noch im 18. Jahrhundert produktiven Wort-Bild-Gattungen“ ([Scholz 2002a]Scholz, Bernhard F. (2002).
Emblem und Em­blem­poetik. Histo­rische und syste­mati­sche Studien. Berlin: Erich Schmidt.

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: S. 15).
Zur Emblemforschung im 20. Jahrhundert

In der Emblemforschung des 20. Jahrhunderts, die ihren Ausgang mit den kulturhistorischen Arbeiten von Karl Giehlow und Ludwig Volkmann nahm, wurde dieser schier unüberschaubaren Vielfalt emblematischer Realisierungen vor allem in der Literaturwissenschaft mit idealtypischen Definitionen beizukommen versucht. So definieren die Kunsthistoriker William Heckscher und Karl-August Wirth in ihrem Artikel im RDK das Emblem als eine Kunstform, der durch die „Vereinigung von Text und Bild zu einem sin sich geschlossenen allegorischen Gebilde“ ein „synthetische[r] Charakter […] aus den scheinbar unvereinbaren Elementen Wort und Bild“ eignet und somit „eine besondere Form bildlich-literärer Gestaltungen bezeichnet“ ([Heckscher & Wirth]Literaturangabe fehlt.
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: Sp. 85–88). Am wirkmächtigsten war Albrecht Schönes Bestimmung des Emblems als eine „Doppelfunktion des Abbildens und Auslegens oder des Darstellens und Deutens“, auch wenn diese schon bald als ahistorisch fundamental kritisiert wurde.[1] Ahistorisch sind sie vor allem aber deswegen, weil sie der emblematischen Bild-Text-Verbindung eine Differenz zwischen visuellem und sprachlichem Code zuschreiben, die ihr im zeitgenössischen Verständnis nicht eignete. Weder ist dort im Kontext der Pictura-Poesis eine wesentliche Differenz zwischen grafischem oder verbalem Bild auszumachen, noch ist die Behauptung einer Vorrangstellung des Bildes vor dem Text haltbar. In aktuellen literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerken finden sich folglich offenere Definitionen. In aktuellen literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerken finden sich keine derart reduktionistische Definitionen mehr. Die Emblematik wird hier beispielsweise sehr offen als „Sammelbezeichnung für sämtliche kulturellen Manifestationen des Emblems“3 bezeichnet, das Emblem als „eine der Lehrdichtung zuzurechnende frühneuzeitliche Wort-Bild-Gattung mit im Regelfall dreigliedriger typografischer Anordnung von Bild und Wort“4 oder als eine „Gattung uneigentlichen, argumentativ funktionalisierten Redens mittels einer Kombination von Wort und Bild“5 zu definieren versucht. Die Schwierigkeit der vereinheitlichenden Deifintion dessen, was ein Emblem charakterisiert, drückt sich bereits in der mangelnden zeitgenössischen poetologischen Durchdringung aus. Überlieferte Emblemtraktate bleiben meist weit hinter den tatsächlichen Realisationsformen dieser Text-Bild-Verbindungen zurück und machen so gut wie keine konkreten Vorgaben, wie diese auszusehen hätten. In Folge dadurch entsteht im Laufe von gut 250 Jahren eine kaum noch überschaubare Formenvielfalt, die kaum noch trennschaft voneinander zu unterscheiden ist.

Renaissance-Hieroglyphik

Das erste Emblembuch steht darüber hinaus in enger Verbindung mit den humanistisch-esoterischen Bemühungen um die ägyptische Bilderschrift, die in Gelehrtenkreisen seit einiger Zeit rege Aufmerksamkeit erfuhr.1 Nicht zufällig widmet Alciatus das Emblematum liber seinem Augsburger Berufskollegen, dem Juristen und Humanisten Konrad Peutinger. Dieser hatte auf einer Griechenlandreise eine Handschrift der Hieroglyphica des Horapollo gekauft und mit seiner Veröffentlichung maßgeblichen Anteil an der Popularität der Renaissance-Hieroglyphik.2 Mit der Renaissance-Hieroglyphik wird Alciatus wohl bereits während seiner Studienzeit in Bologna in Berührung gekommen sein. Denn dort lehrte der bedeutende Humanist Pierio Valeriano, der versuchte, die hieroglyphische Weisheit mit der christlichen Lehre zu verbinden.3 Damit nahm er grundlegenden Einfluss auf die weitere Entwicklung nicht nur der Renaissance-Hieroglyphik, sondern auch auf die Emblematik: Er fügte den Hieroglyphen des Horapollo ein in der Analogiesetzung von menschlichen und tierischen Eigenschaften bestehendes moralisierendes Moment hinzu und schließt damit die Hieroglyphik an die Tradition des Physiologus und der mittelalterlichen Tierbücher an.4 Alciatus soll hier die Idee entwickelt haben, „hieroglyphische Gedanken in Verse zu verfassen“5, und tatsächlich lassen sich alle genannten Einflüsse im Emblematum liber beobachten.

Ars memorativa

Der Unterschied zwischen Hieroglyphen und Emblemen besteht vor allem in der Decodierbarkeit der Text-Bild-Verbindung. Im Falle der esoterisch-gelehrten Hieroglyphik muss dem Rezipienten der Code vollständig zugänglich sein, er muss gewissermaßen im Besitz der claves speciales sein, um den Sinn und die Argumente hinter den Bildzeichen dechiffrieren zu können. Im Fall der Emblematik ist dies hingegen unerwünscht. Als Wissensspeicher und als Instrument didaktischer Unterweisung soll es gerade entschlüsselbar, wenn auch unter Demonstration der Scharfsinnigkeit ihres Schöpfers sein. Auch hierfür finden sich die Vorgaben in der Rhetorik. Der Autor an Herennius gibt als Regel vor, dass eine Imago affizierend wirken muss, um memorierbar zu sein; sie hat im wahrsten Sinne des Wortes merk-würdig zu sein. In diesem Widmungsepigramm steckt Alciats emblematisches Programm. Es beginnt mit einer Ekphrasis, einer Bildbeschreibung im ersten Distichon, sich zwei dieses Bild auslegende Distichen anschließen. Die Ekphrasis wiederum dient als imago agens, die hilft, das mit der Ekphrasis verbundene Argument vor Augen zu stellen. Die pictura ist somit eine mögliche Realisation einer bis dahin internalisierten Imago und daher zunächst mehr oder weniger beliebig wählbar. Tatsächlich finden sich weder in den Handschriften der Hieroglyphica noch in Alciats Manuskript des Emblematum liber die jene spezifische Verbindung von Bild und Text, von pictura, inscriptio und subscriptio, die so charakteristisch für die Emblematik wurde. Hier wie dort reicht zunächst die Ekphrasis aus, um davon ausgehend jene imagines zu Bilden, die für die Externalisierung und Memorierung eines spezifischen Arguments geeignet scheinen. Dass es Alciatus auf das (meist moralische) Argument ankommt, bezeugt auch sein unentwegt repitierter Hinweis auf eine Schrift über die richtige Bedeutungsgenerierung beim juristischen Argumentieren De verborum significatione (Lyon 1530):

Verba significant, res significantur. Tametsi et res quandoque etiam significant, ut hieroglyphica apud Horum et Caeremonem, cujus argumenti et nos carmine libellum composuimus, cui titulus est Emblemata.1

Albrecht Dürers grafische Umsetzung der Hieroglyphica-Übersetzung Pirckheimers belegt dies in virtuoser Weise ebenso wie die Heinrich Steyners Entschluss, Alciats Manuskript für die (unautorisierte) Drucklegung mit picturae anzureichern, die auf die Ekphrasen der Epigramme referieren.

(Mögliche Überleitung von Teil A) zu B))

Gerade weil die Emblematik innerhalb der ‚semiotischen Matrix‘ frühneuzeitlicher Sinnsysteme eine dominierende Stellung einnimmt,2 ist es erstaunlich, dass es kaum theoretisch verbindliche Reflexionen über eine Poetik des Emblems gibt. Die meisten Vorreden und Traktate, die sich zur Ursprungsfrage der Emblematik äußern, wiederholen sich meist und werden der emblematischen Formenvielfalt ihrer Zeit – ja auch innerhalb des Emblembuches, das sie einleiten – kaum gerecht. Produktionsästhetische und/oder rezeptionsästhetische Poetologien des Emblems sind eine Seltenheit. Erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts greifen die Schriften Harsdörffers weiter aus. Hier finden sich erstmals umfangreiche Bestimmungen, die der Emblempraxis gerecht werden wollen und die den sich um die Jahrhundertwende erheblich erweiterten Funktionsumfang der Emblematik Rechnung zu tragen versucht. Mit einer Auswahl von wichtigen emblemtheoretischen Positionen, angefangen bei Alciatus über Johann Fischart, Johann Wilhelm Zincgref, Sambucus, Justus Georg Schottelius und Georg Philipp Harsdörffer, soll diese Entwicklung dargestellt werden. Die Funktionserweiterung der Emblematik drückt sich nicht nur in der zu Beginn des 17. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum sich allmählich durchsetzende Substitution des Begriffes ‚Emblem‘ durch die wohl aus dem niederländischen übernommene Lehnübersetzung von ‚zinnebeeld‘ in ‚Sinnbild‘ aus. Sie zeigt sich auch in der zunehmenden Bedeutung die die Emblematik überhaupt für die frühneuzeitliche Wissensdistribution und Wissensproduktion spielte. Als konstitutiver Bestandteil dieser ‚semiotischen Matrix‘ wird die Emblematik mit didaktischer, meditativer, repräsentativer Absicht funktionalisiert, wobei es alle nur denkbaren Zwischenformen zwischen diesen Makrobereichen gibt: als politisch-moralischer Fürstenspiegel oder allgemein ethisch-moralische Lehremblematik, als katholische oder protestantische Erbauungsemblematik, emblematische Katechismen, Totentänze oder Ordensregeln, als Liebesemblematik oder auch als umfangreiche Emblemenzyklopädien.


Engere Begriffsbestimmung

Die Emblematik nimmt ihren Ausgang bei dem Mailänder Humanisten und Juristen Andreas Alciatus (1492–1550) – dem emblematum pater et princeps1 – und damit auch die Versuche, die Spezifik dieser Text-Bild-Verbindungen zu bestimmen. Allerdings finden sich im 1531 in Augsburg erschienenen Emblematum liber kaum verwertbare Hinweise darauf, was Alciatus unter dem Begriff ‚Emblematum‘ eigentlich verstand. In der Widmung seines Büchleins, die an den Augsburger Humanisten und kaiserlichen Rat Konrad Peutinger gerichtet ist, verkündet Alciatus:

Dum pueros iuglans, iuuenes dum tessera fallit,
Destinet & segnes chartula picta uiros.
Haec nos festiuis Emblemata cudimus horis,
Artificum illustri signaque facta manu.
Vestibus ut torulos, petasis ut figere parmas,
Et ualeat tacitis scribere quisque notis.2

Alciatus sieht die Funktion der Embleme für das Kunsthandwerk darin, aus einem Arsenal möglicher picturae zu schöpfen, um mit ihnen beliebige Artefakte zu schmücken. ‚Emblematum‘ in diesem Sinne ist kunstvolle Applikation, ist Intarsie oder Einlegearbeit, zurückzuführen auf den griech. Begriff ‚emballon‘. Deutlicher äußert sich Alciatus über den Status des Emblems in einem Brief an seinen Freund Francesco Calvo vom 9. Dezember 1522, in dem es heißt: „libellum composui epigrammaton, cui titulum feci Emblemata: singulis enim epigrammatibus aliquid describo, quod ex historia [!], vel ex rebus naturalibus aliquid elegans significet.“3 Epigramme – nicht picturae – liegen den im Emblematum liber versammelten Emblemen zugrunde. Gezogen wurden die meisten aus der Epigrammsammlung der Anthologia Graeca, aber auch aus dem Physiologus und der Hieroglyphica des Horapollo. Diese zeichnen sich allesamt durch ein spezifisches Verhältnis von bildbeschreibender Ekphrasis und einer dieser auslegenden explicatio aus. Alciatus’ Embleme verbinden alle eine Überschrift in Form eines Mottos mit einem teils ekphrastischen und teils explikatorischen Epigramm. Dennoch wurde in der Folge des Augsburger Druckes die pictura zum charakteristischen Bestandteil eines Emblems, wenngleich sie nicht zwingend konstitutiv wurde. Noch im 17. Jahrhundert führt beispielsweise Georg Philipp Harsdörffer vor, wie Sinnbilder ganz ohne konkretisierende picturae inveniert werden können. Von Anfang an wird für den Emblembegriff jedoch seine kunsthandwerkliche Funktionalisierung charakteristisch, die auch in den zahlreich folgenden Übersetzungen des Emblematum liber deutlich wird. So übersetzt beispielsweise Wolfgang Hunger den Titelbegriff ‚emblematum liber‘ als ‚verschrote werck“4.

Die kunsthandwerkliche Ausrichtung der Emblematik als Arsenal für die Applikationen auf alltäglichen Gebrauchsgegenständen, aber auch in der Architektur und Skulptur, findet sich auch im ersten deutschsprachigen Emblemtraktat des berühmten Straßburger Literaten Johann Fischart (1546/47–1590), das er Matthias Holtzwarts Emblematum tyrocinia (Straßburg 1581) voranstellte. Bereits der Titel dieser Arbeit weist auf die von Alciatus übernommene kunsthandwerkliche Begrifflichkeit hin: Kurtzer vnd Woldienlicher Vorbericht / von Vrsprung / Namen vnd Gebrauch der Emblematen / oder Eingeblömeten Zierwercken. Doch Fischart leitet den Emblembegriff noch aus einer weiteren Tradition ab, die ihm aus Paolo Giovios Dialogo dell’Imprese vertraut war: aus den militärischen Standarten und der Heraldik. Es sind dies Bildzeichen, die zugleich als Feldzeichen und als Gedächtniszeichen fungieren. Die memoriale Funktion der Embleme besteht für Fischart darin, dass sie als „Gedenckzeychen“ dazu helfen, sich der „Vorfahren Glück vnd Fall dadurch zu erinnern“5. Indem Fischart die Filiation der Emblematik mit der Impresenkunst betont, macht er eine sozialdisziplinarische und gesellschaftsordnende Dimension dieser Text-Bild-Verbindungen stark. Denn an den Wappen waren die Mitglieder des Hofes identifizierbar, ihr soziales Gewicht und Prestige allen einsichtig. Die Emblematik wird in dieser Hinsicht als der kulturhistorische Versuch gewertet, dem gesellschaftlich-stratifikatorischen Bedeutungsverlust der Heraldik zu begegnen.6 Um dieses Defizit aufzufangen, hätte man, so Fischart, damit begonnen, die „nach Exempel der Römischen Keyser besondere vergriffene Kunstgemärck vnd Fundzeychen / sammt darzu dienlichen kurtzen Sprüchen / reimen / Diwisen vnd buchstaben / so die Deutung begreiffen vnd erhalten zuerfinden.“7 Haben diese Text-Bild-Verbindungen erst einmal die traditionelle Funktion der Heraldik übernommen, ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zu ihren ästhetischen Realisierungen gewesen, de, Anfertigen von „Poetischen Geheimnußlehrigen Gemählen“8, wie Fischart befindet. Wie diese semantische Aufladung des Gemähls allerdings konkret umgesetzt werden soll, darüber äußert sich Fischart jedoch nicht. Er bleibt produktionsästhetische Regeln emblematischer Inventivik schuldig. Seine Darstellung ist vielmehr historisch deskriptiv, nicht theoretisch.

Viele der von Fischart angeführten Aspekte, finden sich ebenfalls wenige Jahrzehnte später bei dem Heidelberger Humanisten und Doktor beider Rechte, Johann Wilhelm Zingref (1591–1636) wieder. Doch ist er bereits um die Formulierung einiger grundlegender Signifikationsregeln zwischen Text und Bild bemüht, indem er gerade den göttlichen Ursprung der Emblematik in der Hieroglyphik erneut stark zu machen versucht. Doch zunächst bestimmt auch er den Begriff ‚Emblem‘ in der Praefactio de origine et usu emblematum seines Emblematum ethico-politicorum, das erstmals 1619 in Frankfurt am Main bei Theodor de Bry erschien ist, ganz in Alciats kunsthandwerklichen Sinne.9 Bei ihm ist das Emblem jedoch nicht einfach Zierwerk, sondern eine Schrift, wie sie von den Ägyptern in Form der Hieroglyphen erfunden wurde. Wie eben diese alten Schriftzeichen der Weisen, so sollen auch die Embleme Mentales in Bildern repräsentieren (vor- und darstellen).10 Und mit Diodorus Siculus präzisiert Zincgref diese Eigenschaft des emblematum scribere, die darin bestehe, dass bestimmte Bilder von Tieren, menschlichen Gliedmaßen oder Gegenständen bestimmte mentale Konzepte zugrunde gelegt werden, damit diese leichter im Gedächtnis gehalten werden können. Ganz wie Alciatus in De verborum significatione, verbindet auch Zincgref die humanistischen Vorstellung der Hieroglyphik explizit mit einer mnemotechnischen Funktion und weiß dies durch Autoritäten wie Tacitus oder Diodorus Siculus zu belegen.11 Daher sind diese mentale Konzepte codierende Bildzeichen auch als militärische Standarten so erfolgreich, wie eine seitenlange Auflistung einschlägiger Beispiele belegen soll und die am deutlichsten noch in der zeitgenössischen Praxis der Impresenkunst zu finden sei. Für Zincgref ist der ‚Begriff‘ Emblem damit – modern gesprochen – ein ‚umbrella term‘: „Emblem generalissimum esse nomen, quo quaevis figure, sive picta, sive caelata, significatur, quodque sub ambitu suo complectatur illam alteram speciem Emblematum universalium, habbentium aliquod noëma dogmaticum generale: vel significationem virtutis, vel detestationem vitij, vel denique instructionem ad prudentiam […].“12 In Zincgrefs Ausführungen kündigt sich nicht nur die fortschreitende Ausdifferenzierung der Emblematik an, für ihn sind Emblem und Imprese auch ein und dasselbe, weil sie eine bestimmte Realisation emblematischer Signifikation darstellen und zur Konkretisierung mit Devisen oder Motti versehen werden können. Dadurch aber sind sie für zahlreiche Anwendungsgebiete verfügbar. Denn ihr Gebrauch besteht darin Vorstellungsbilder (imagines vivantes), etwa über heroische Taten und Menschen, und ihre seelischen Abbilder (simulacra animorum) durch poetische Bearbeitung in körperhafte Bilder (pictae) zu überführen, um als Gedächtnis und Vorbild der Nachwelt verfügbar zu bleiben.13 Noch deutlicher markiert Joannes Sambucus (1531–1584) die mnemotechnische Funktion des Emblems. In seinem Traktat Emblemata (Antwerpen 1566) fordert ganz im Sinne Giovios und der Ars memorativa, die emblematische Signifikation von Wort und Bild habe überraschend und unerwartet zu sein, um dem Anspruch der obscuritas – die ja schon in Alciats „tacite scribere“ angesprochen ist – gerecht zu werden.14 Sambucus lehnt Rückgriffe auf bereits codifizierte Muster bei der Inventio explizit ab.

Für Zincgref besteht die uneingeschränkte Leistung der Embleme darin, dass sie durch eine Art Gleichnis unseren Geist zu anderen Wahrnehmungen führen dies die äußeren Sinne ermöglichten.15 Embleme sind Erkenntnis- und Ordnungsmittel in einem. Sie halten Wissen verfügbar und vermögen es bisweilen, neues Wissen und neue Erkenntnisse zu schaffen, zu denen die sinnlich-empirische Wahrnehmung des Menschen nicht möglich wäre. Einige Jahrzehnte später begibt sich der Nürnberger Patrizier, Jurist und Polyhistor Georg Philipp Harsdörffer auf die Suche nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten dieser Leistungsfähigkeit analogischer Erkenntnis, die das Gleichnis verspricht. In seinen Frauenzimmer Gesprächspielen entfaltet Harsdörffer im gelehrten Dialog die umfassendste Synthese der seit gut einhundert Jahren verhandelten Emblemtheorien, die ihn nach Gerhard F. Strasser „zum Gewährsmann für die Emblemtheorie im deutschen Raum“16 macht. Zur Mitte des 17. Jahrhunderts hat die Emblematik eine derartige Ausdifferenzierung erfahren und eine fast unüberschaubare Formenvielfalt entwickelt, dass man nur noch schwerlich von dem Emblem und der Emblematik sprechen kann. Zincrefs ‚umbrella term‘ wies bereits in diese Richtung.

Ein weiteres Anzeichen für den Strukturwandel, den die Emblematik zu Beginn des 17. Jahrhunderts erfuhr, ist die Substitution des griech.-lat. Terminus’ ‚Emblematum‘ durch den wohl aus dem niederländischen (‚zinnebeeld‘) entlehnte deutsche Begriff ‚Sinnbild‘. „Es werden aber solche Gemähl und Schriften Sinnbilder genant / weil selbe von Bildern / vnd wenig Worten / darinn der Sinn / Meinung und Verstand deß Erfinders besgriffen / zusammengesetzet: welche dann mehr weisen / als gemahlet oder geschrieben sit / in dem selbe zu ferneren Nachdenken fügliche Anlaß geben.“17 Eine noch ausführlichere Definition dessen, was unter diesem Begriff zu verstehen ist, liefert der Wolfenbütteler Geheimrat und Fruchtbringer Justus Georg Schottelius, mit dem Harsdörffer zeitlebens in freundschaftlichem Austausch stand. In seiner 1663 erschienenen Ausführlichen Arbeit von der teutschen HaubtSprache verwirft er den alten Begriff ‚Emblematum‘, da er zu einseitig auf die kunsthandwerkliche Funktion dieser Text-Bild-Verbindung ausgerichtet sei.18 Der Begriff ‚Sinnbild‘ hingegen zeige ein solches Bild an, „dabey man etwas müsse zu Sinne fassen: Bild ist das letzte im Worte und also Grund / darum Haubtsachlich unser nachdenken auf ein Bild / das ist / auf jedes / so Bildweis vorgestellet wird / gehen muß: Sinn aber / das beyfugige oder vorderste Worttheil deutet an / daß solches Bild in sich ein sonderlichen Sinn / sonderliche Meynung und Deutung habe.“19 Im Sinnbild codiert das Bild den propositionalen Gehalt, der durch Lemma und eventuell auch durch die subscriptio konkretisiert, niemals aber vereindeutigt werden darf. Wie die Imprese, so ist auch das Emblem (ganz nach Maßgabe der Ars memorativa) durch jene obscuritas des Rätsels geprägt, die das verschlüsselte Argument nicht unmittelbar einsichtig macht und daher merk-würdiger auf den Rezipienten wirkt und der im dem Sinnbild zugrunde gelegten Leib-Seele-Verhältnis metaphorisiert wird: „Der Leib des Sinnbildes / als etwas schönes / ansehnliches und eusserliches / bestehet in einem Bilde oder Gemählte / welches auff dasselbe / was darunter angedeutet und verborgen wird / das ist / auf seinen Sinn / muß deuten […]. Die Seele des Sinnbildes / welche gleichsam den Leib redend machet / bestehet in Worten / nemlich in des Sinnbildes Deutspruche und in dessen Auslegung.“ Fehlt das Wort, so kann auch nicht mehr von einem Sinnbild, sondern muss vielmehr von „einem gemahlten Rätzel oder blossen Gemählte“20 die Rede sein.

Die Bedeutung, die die Verbindung von Text und Bild im Sinnbild spielt ist nicht zu unterschätzen. Wie wenig das eine Zeichensystem ohne das andere auszukommen vermag, betont Harsdörffer in der Neue[n] Zugabe: C. Sinnbildern Welche auf Fahenen / Schaupfennige / in Stammbücher / Taeten / becher / Gläser / Flaschen / Schalen / teller / zu trauer und Freudengedichten / Wie auch zu andrer Zierlichkeit / nach Belieben / gebrauchet werden können.21 Gleich zu Beginn seiner Ausführungen verweist er auf die maßgebliche Rolle, die die Analogie bei dieser Semiose von Text und Bild spielt. Denn wie das Wort eine eigentliche (sensus litteralis) und uneigentliche (sensus allegoricus) Bedeutung besitzen kann, so auch das Bild, das bezüglich seiner uneigentlichen oder figürlichen Bedeutung nochmals unterschieden werden kann, je nachdem ob es sich um eine Allegorie handelt, die als Iconologia oder Bilderkunst bezeichnet wird,22 oder um ein Sinnbild. Erstere zeichneten sich durch stark konventionalisierte Codierungen aus, so dass sie als Zierde für „Gebäuden / Tapeten / Büchertituln und in viel andre wege“ (§3) dienen. Im Gegensatz zur Bildkunst schöpfen Sinnbilder ihr Potential aus ihrem Gleichnischarakter, der aus der Spannung zwischen Text und Bild erzeugt wird und durch die „ die in Sinnbildern enthaltene Lehre leichter bemercket / die Bitterkeit der Vernmahnung versüst / und die Lieblichkeit der Mahlerey und Poeterey kunstartig umit gesamter wolstädnigkeit an das Liecht gesetzt“ (§7) wird, so dass idealerweise ein Sinnbild nicht ohne beide Konstituenten, nicht ohne Text und Bild gemeinsam, dechiffriert werden könne (§23).

Die immer wieder dargestellten Zusammenhänge, in die die Emblematik gestellt wird, werden von Harsdörffer zum diskursiven Ordnungsmuster der Verständigung über die Eigenschaften des Gleichnisses. Die Ausführungen zur Sinnbildkunst werden im ersten Band der Gesprächspiele mit Ausführungen über das Gleichnis und die Gedächtniskunst vorbereitet, die Impresenkunst (Münzpreg) schließt sich ihr an. Somit entspricht die diskursive Entfaltung des Themas ziemlich genau den üblichen Abhandlungen über diesen Sachverhalt, mit einem entscheidenden Unterschied: Harsdörffer stellt sie nicht mehr in eine kulturhistorische Entwicklungsgeschichte, sondern behandelt sie unter dem erkenntnistheoretischem Interesse potentieller Wissensgenerierung qua Analogie. Das Gleichnis, so sagt Harsdörffer, sei die Quelle der inventio und es sein „nichts in der gantzen Welt zu finden / welches nicht durch die Gleichnis belanget werden könnte“23.


(Schluss: zum Ende der Emblematik)

Optionale Beispiele
Auswirkungen auf andere Begriffe



Anmerkungen
  1. Zu Schönes Erklärung dieser Doppelfunktion vgl. S. 21–24. Kritik bereits bei [Miedema 1968a]Miedema, Hessel (1968).
    The Term ‘Emble­ma’ in Alci­ati. In Journal of the Warburg and Courtauld Insti­tutes, 31, . 234–250.

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    , [Sulzer 1992a]Sulzer, Dieter (1992).
    Trakta­te zur Emble­matik. Studien zu einer Ge­schich­te der Emblem­theorien. St. Ingbert: W. J. Röhrig.

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    : S. 32–40 und zuletzt ausführlich [Scholz 2002a]Scholz, Bernhard F. (2002).
    Emblem und Em­blem­poetik. Histo­rische und syste­mati­sche Studien. Berlin: Erich Schmidt.

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    : S. 18–22 u. ö.
Literatur                             [Sammlung]

[Heckscher & Wirth]:
Literaturangabe fehlt.
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- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Miedema 1968a]: Miedema, Hessel (1968). The Term ‘Emble­ma’ in Alci­ati. Journal of the Warburg and Courtauld Insti­tutes, Band: 31, S. . 234–250.

[Scholz 2002a]: Scholz, Bernhard F. (2002). Emblem und Em­blem­poetik. Histo­rische und syste­mati­sche Studien. Berlin: Erich Schmidt. [Sulzer 1992a]: Sulzer, Dieter (1992). Trakta­te zur Emble­matik. Studien zu einer Ge­schich­te der Emblem­theorien. St. Ingbert: W. J. Röhrig.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Manns, Stefan

Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [145], Joerg R.J. Schirra [63] und Stefan Manns [2] — (Hinweis)