Englisch: 'image' und 'picture'

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Herkunft von ‘image’ und ‘picture’

Das moderne Englisch verfügt im Wesentlichen über zwei stilistisch neutrale Lexeme (Wörter) für das Konzept ‚Bild’: ‘image’ und ‘picture’. Deren Bedeutungsspektren sind sehr ähnlich, wenn auch der Gebrauch der Wörter subtile Unterschiede kennt. Etymologisch betrachtet muss ‘image’ als das ältere Wort gelten; es beginnt sich ab 1225 im Englischen zu verbreiten. ‘Picture’ hingegen ist jünger; es wird erst um 1531 erstmals im Englischen registriert. Auch die Herkunft der beiden Lexeme ist verschieden. ‘Image’ gelangt über das Anglonormannische und Altfranzösische in das Mittelenglische und hat dort zunächst die Bedeutung ‚künstliches Abbild/Nachbildung eines externen Objekts’. Ursprünglich geht das Wort auf das Klassische Latein zurück, wo es in verschiedenen Bedeutungen Verwendung findet, im Wesentlichen aber im Sinne von ‚Nachbildung’/‚Abbild’. ‘Picture’ kommt direkt aus dem Lateinischen und bezeichnet zunächst und primär das materielle, durch Malen oder Zeichnen hergestellte Bild-Objekt bzw. die Handlung und Praxis des Bilder-Machens.

In dieser unterschiedlichen Etymologie ist ein im gegenwärtigen Gebrauch der beiden Wörter immer noch spürbarer Bedeutungsunterschied festzumachen. Während ‚picture’ auf den Gegenstand Bild fokussiert, lässt sich ‚image’ vor allem auf den Bildinhalt und dort auf eine Vielfalt der Bezüge zwischen Abgebildetem und Abbild (Kopie, Spiegelung, Ähnlichkeit etc.) sowie auf nicht-materielle Bilder (z.B. Vorstellungen, Erinnerungen, Erscheinungen) beziehen. Diese semantische Divergenz zeigt sich auch in der Häufigkeit der Bedeutungen im heutigen Englischen: ‘picture’ kommt am häufigsten in den Bedeutungen ‚Zeichnung’, ‚Gemälde’, ‚Foto’ (auch Film/TV) vor; ‘image’ dagegen ist in der Bedeutung ‚Vorstellung’ und ‚Erscheinung’ am meisten gebraucht ([CCALED] (2003).
Collins Cobuild Advanced Learner’s English Dictionary. Glasgow: Collins, 4th edition.

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Bedeutungsvarianten

Die Polysemie der beiden Wörter ist stark ausgeprägt: sie verfügen jeweils über eine Vielzahl von Bedeutungen oder Sinne, von denen die meisten zwischen ‘image’ und ‘picture’ ganz oder teilweise überlappen. Die historische Ausbildung dieser Bedeutungen verläuft jedoch verschieden. ‘Image’ kann die folgenden Bedeutungsvarianten (‘senses’) haben – hier aufgeführt von der ältesten zur jüngsten: 1) künstliches Abbild (1225), 2) Erscheinung/Ähnlichkeit (1340), 3) Widerspiegelung durch Licht (1350), 4) Kopie/Gleichheit (1384), 5) mentales Bild aus Vorstellung oder Erinnerung oder durch Sinneswahrnehmung (1425), 6) sprachliches Bild/bildhafte Darstellung durch Sprache (1522) und 7) Symbol/Emblem für Abstraktes (1551). Hinzu kommen noch einige technische Bedeutungen: in der Elektronik (1848), Mathematik (1888), Radiotechnik (1928) und Computertechnologie (1982). Im Vergleich dazu verfügt ‘Picture’ über die folgenden Wortsinne: 1) Darstellung auf Oberfläche (1425), 2) Kunst/Technik/Prozess des Abbildens (1439), 3) Ähnlichkeit von Personen (1475; im Gegenwartsenglischen ist diese Bedeutung als archaisch markiert), 4) bildhafte sprachliche Darstellung (1531), 5) Idee/Endruck (1538), 6) Beispiel/Modell für Abstraktes (1553), 7) Situation/Zustand (1661), 8) Bilder aus optischen und elektronischen Verfahren bzw. Geräten (1668).

Im semantischen Vergleich können zusammenfassend einige Unterschiede in der Ausrichtung der Wortbedeutungen ausgemacht werden. Erstens scheint für ‘image’ das Konzept der Widerspiegelung und damit einer Ausdeutung des Bildlichen als Kopie oder Abbild von etwas grundlegend. Hingegen hat ‘picture’ einen Bedeutungsschwerpunkt bei der Materialität des Bildes und der konkreten Form, die es aufweist, ohne dabei auf Ähnlichkeit oder gar Identität abzuheben. Zweitens ist ‘image’ das bevorzugte Wort für die Bezeichnung mentaler/geistiger Bilder, die durch multisensorische Wahrnehmung und kognitive Operationen (Vorstellen/Erinnern) im Gehirn produziert werden. ‘Picture’ lässt diese Bedeutung zwar auch zu, dann aber mit einem Fokus auf der Illustration einer Idee oder dem generellen Eindruck einer Situation oder eines Zustands (s. Sinne 5, 6 und 7 oben).

Morphologisch kreativer, d.h. stärker in Prozesse der Wortbildung eingebunden, ist nach dem [OED] (2010).
Oxford English Dictionary. , 3rd edition.

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‘picture’ – es weist z.B. eine überaus lange Liste von Komposita auf (z.B. ‘picture book’, ‘picture rail’, ‘picture library’). Allerdings verfügt ‘image’ über mehr Derivationen (Ableitungen anderer Wortarten), z.B. ‘imaging’, ‘imaginative’, ‘imaginary’, ‘imagination’, ‘imaginable’). Im Gegenwartsenglisch scheint ‘image’ derzeit das modischere Wort zu sein, es findet – auch aufgrund seines häufigen Gebrauchs in technikbezogenen Zusammenhängen – oft auch in Kontexten Verwendung, wo ‘picture’ funktionieren würde. In der Bedeutung ‚Bild als materieller Gegenstand’ ist ‘image’ stilistisch als formell markiert mit ‘picture’ als neutrale Variante ([CCALED] (2003).
Collins Cobuild Advanced Learner’s English Dictionary. Glasgow: Collins, 4th edition.

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Semantisch/thematisch verwandte Wörter

Abschließend ein Blick auf semantisch/thematisch verwandte Wörter im heutigen Englischen: Hier reflektieren die abgeleiteten Verben zunächst die oben getroffene Feststellung: ‘to picture/be pictured’ bezieht sich primär auf das bildnerische Darstellen, während ‘to imagine’ drei Bedeutungen haben kann (nämlich: sich etwas vorstellen, glauben und einbilden), die alle in der Deutung von Bild als etwas Mentalem/Inneren wurzeln. Interessante, mit ‘picture’ und ‘image’ thesaurierende Wörter sind unter anderen: ‘depiction’ (Darstellung/Abbildung), ‘representation’ (Abbild/Darstellung), ‘likeness’ (Ähnlichkeit), ‘icon’ (Ikon, Bild, Sinnbild), ‘visualization’ (bildliche Darstellung, Visualisierung), ‘concept’/‘idea’ (Konzept, Gedanke, Begriff, Idee), ‘notion’ (Vorstellung, Idee, Annahme), ‘metaphor’ (Metapher), ‘imagery’ (Sprachbilder, Bildhaftes in Sprache, Vorstellungen, symbolische Bilder) und ‘copy’ (Kopie, Duplikat, Abbild). Sie gehören jeweils zu den oben aufgeführten Bedeutungsvarianten und stellen Synonyme dar. Die deutschen Äquivalente zeigen, dass die beiden Sprachen den Gegenstandsbereich verschieden aufteilen und strukturieren.


Anmerkungen
Literatur                             [Sammlung]

[CCALED]: (2003). Collins Cobuild Advanced Learner’s English Dictionary. Glasgow: Collins, 4th edition.

[OED]: (2010). Oxford English Dictionary. , 3rd edition.


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Verantwortlich:

Stöckl, Hartmut

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [20] und Mark A. Halawa [3] — (Hinweis)