Exkurs:Arten von Propositionen
Exkurs zu: Proposition
Sachbezüge von Äußerungen können auf vielfältige Weise unterschieden und klassifiziert werden. Besonders relevant sind die folgenden drei Aspekte: einfache vs. komplexe Propositionen, singuläre vs. generelle Propositionen und konkrete vs. abstrakte Propositionen mit dem Sonderfall der Begriffsbestimmungen.
Einfache und komplexe PropositionenEine komplexe Proposition setzt sich aus mehreren Propositionen zusammen. Operatoren, die mehrere Propositionen zu einer komplexen Proposition zusammenbinden, sind insbesondere die in der Aussagenlogik untersuchten Junktoren ‘und’ und ‘oder’, sowie die aussagenlogische (externe) Negation:[1]
Eine einfache Proposition läßt sich hingegen nicht – auf offensichtliche Weise – in Teilpropositionen zerlegen.[2] Komplex ist eine Proposition allerdings auch, wenn ein zusammengesetztes Prädikat verwendet wird:
Singuläre und generelle PropositionenVon einer singulären Proposition spricht man, wenn sich alle den Sachbezug charakterisierenden Nominationen auf einzelne Gegenstände beziehen: ‘dass Paul hinkt’ oder ‘dass dieser dicke Mann der ausgesprochen intelligente Cousin dritten Grades von der Schwester Deines Freundes ist’. Dabei muß jeweils der Kontext, auf den sich die Nominationen beziehen – und damit die gemeinten Gegenstände – den Gesprächspartnern klar sein, da sonst keine bestimmte Proposition, sondern nur ein propositionales Schema gebildet würde.[3] Von einer generellen Proposition ist die Rede, wenn mindestens eine der die Proposition konstituierenden Nominationen durch eine Quantifikation mit einem All- oder Existenzquantor an eine Menge von Gegenständen gebunden wird: ‘dass an diesem Baum einige der Äpfel einen Monillabefall aufweisen’ oder ‘dass – hier und heute – einige der blonden Besucher alle Gebetsmühlen im Tempel gedreht haben’. Deutlich zu erkennen ist der notwendige Kontextbezug der Quantifikation, durch den die Menge der quantifizierten Gegenstände festgelegt ist und ohne den es sich auch im Falle der generellen Propositionen nur um propositionale Schemata handeln würde.[4]
Konkrete und abstrakte PropositionenEine Proposition ist konkret, wenn alle beteiligten Nominationen auf konkrete – raumzeitlich verortete – Gegenstände verweisen und alle vorkommenden Quantifikationen ihre Gegenstandsvariablen an endliche Mengen konkreter Gegenstände binden: alle weiter oben genannten Beispiele gehören dazu. Eine Proposition ist abstrakt, wenn mindestens eine ihrer Nominationen auf einen abstrakten Gegenstand verweist, oder mindestens einer ihrer Quantoren nicht an einen endlichen Gegenstandsbereich gebunden ist. Im Gegensatz zu den konkreten Gegenständen sind abstrakte Gegenstände nicht raumzeitlich verortet, denn sie können sich in prinzipiell unendlich vielen verschiedenen konkreten Gegenständen realisieren. Der Unterschied spielt vor allem eine Rolle für das verwendete Verfahren zur Überprüfung der Geltung der betrachteten Proposition (⊳ Exkurs:Verifikationsverfahren). Abstrakte Gegenstände werden in der Regel mithilfe spezieller sprachlicher Operatoren, den Abstraktoren, aus konkreten Gegenständen abgeleitet. Dabei lassen sich drei Unterfälle unterscheiden, die zu entsprechenden Arten von Propositionen führen: In extensionalen Propositionen werden Abstraktoren verwendet, durch die endliche Gruppen oder Klassen konkreter Gegenstände angesprochen werden: ‘alle Bäume in diesem Park’, ‘die Gruppe der Sechs- bis Achtjährigen in unserer Studie’, usw. Ihre Geltung kann überprüft werden, indem jedes einzelne konkrete Element der Abstraktionsklasse betrachtet wird: ‘Dieser Baum, und dieser Baum, und dieser Baum’ bzw. ‘diese Sechsjährige, und dieser Achtjährige, und diese Siebenjährige, ...’ . Offensichtlich sind generelle Propositionen (in der Regel) extensionale abstrakte Propositionen.[5] Bei intensionalen Propositionen ist der Abstraktor eine prinzipiell auf unendlich viele konkrete Gegenstände anwendbare Regel: ‘alle Bäume überhaupt’ im Sinne von ‘Wenn etwas ein Baum ist, dann ...’; ‘sechs- bis achtjährige Kinder an sich’ im Sinne von ‘wenn etwas ein Kind und sechs- bis acht Jahre alt ist, dann ...’. Diese Regeln sollen, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird, in jedem beliebigen Kontext gelten (siehe auch Modalität). Entsprechend kann die Überprüfung der Geltung solcher Äußerungen auch nicht durch Verifikation der Einzelfälle erfolgen. Vielmehr wäre zu zeigen, dass die Regel auf korrekte Weise gebildet, konstruiert wurde. Begriffliche Propositionen sind ein Sonderfall der intensionalen Propositionen: Die Abstraktion bezieht sich hierbei nicht direkt auf Aspekte der Gegenstände, sondern auf die Kriterien der Zeichenhandelnden selbst, Gegenstände dieser bestimmten Art zu unterscheiden: ‘der Begriff des Baums’, ‘der Begriff des sechs- bis achtjährigen Kindes’.[6] Sie beziehen sich also nicht auf die Gegenstandsebene sondern die Beobachterebene. Zugleich wird dabei mit den Prädikationen ein tentativ normativer Anspruch erhoben.[7] |
Anmerkungen
[Wittgenstein 1922a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Wittgenstein 1971a]: Wittgenstein, Ludwig (1971). Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [28] und Klaus Sachs-Hombach [4] — (Hinweis) |