Exkurs:Handlungen: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Die Verwendung des weit gefassten Handlungsbegriffs ermöglicht es, auch die nicht von den Handlungsträgern | + | Die Verwendung des weit gefassten Handlungsbegriffs ermöglicht es, auch die nicht von den Handlungsträgern bewusst zum Zeck der Kommunikation eingesetzten kommunikativen Interaktionen als Kommunikationen im vollen Sinn zu betrachten. Das gilt etwa für Signale bei Tieren. Legt man nur den engen Handlungsbegriff zugrunde, werden alle Kommunikationen notwendig zu Zeichenhandlungen, denn diese sind ja eben durch den bewussten Einsatz zum Zweck der Kommunikation bestimmt, der dem engen Handlungsbegriff eignet. |
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Version vom 2. Juli 2013, 11:29 Uhr
Exkurs zu: Bildrezeption als Kommunikationsprozess, Interaktion und Kommunikation
Verschieden weit gefasste HandlungsbegriffeHandlungen werden in der Regel bloßem Verhalten gegenübergestellt, wobei der Unterschied zu letzterem in dem dabei bewusst verfolgten Ziel, dem vom Handelnden selbst erkannten Zweck der Handlung liegt (vgl. etwa [Weber 2005a]Weber, Max (2005).Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Frankfurt/M.: Zweitausendeins, (Orig.: 1921/22). Eintrag in Sammlung zeigen).[1] Für einige Fragestellungen sollte diesem engen Handlungsbegriff allerdings eine weiter gefasste Konzeption zur Seite gestellt werden. Setzt der Handlungsbegriff nämlich das bewusste Setzten von Zielen und damit Selbstbewusstsein voraus, so müssen handlungstheoretische Versuche der begrifflichen Erklärung von Selbstbewusstsein zirkulär werden. Kommt hingegen nicht allen Handlungen bereits Selbstbewusstsein zu, ergeben sich Möglichkeiten, bestimmte Konstellationen von Handlungen im weiteren Sinn als Basis für Handlungen im engen Sinn und damit für die Einführung des Begriffs »Selbstbewusstsein« zu nutzen.[2] Verhalten überhaupt und auch die beiden Handlungsbegriffe zeichnen sich durch das Vorhandensein eines Aktivitätsträgers aus. Eine besondere Form des Verhaltens ist das von biologischen Aktivitätsträgern (vgl. Abb. 1). Während dem Verhalten unbelebter Aktivitätsträger, beispielsweise artikuliert mit einem Satz wie ‘der Stein rollt ins Tal’, keine durch evolutionäre Prozesse etablierten Zwecke zugeschrieben werden, trifft das für das Verhalten im engeren Sinne, nämlich von Lebewesen, durchaus zu, auch wenn deren Aktivitätsträger weit davon entfernt sind, diese Zwecke selbst bewusst zu verfolgen: etwa ‘eine Pflanze blüht’ zum Zwecke der Fortpflanzung.[3] Handlungen im weiten Sinn stehen zwischen solchem Verhalten (im engeren Sinn) und Handlungen im engen Sinn: Dem biologischen Aktivitätsträger soll, wenn schon kein Selbstbewusstsein, so doch Bewusstsein – insbesondere einfache Formen von Kognitionen und Intentionen – zugeschrieben werden können.[4] Ein Beobachter verschränkt dabei die gegenwärtig beobachtbare Aktivität des Aktivitätsträgers mit vorausgegangenen (vor allem bei Kognitionen) und zukünftigen (vor allem bei Intentionen) Aktivitäten, die dabei von ihm als eine Einheit verstanden werden. Eine Handlung im weiten Sinn zu erkennen beinhaltet daher, einen Handlungskomplex der folgenden Form bei einem Aktivitätsträger zu erkennen: ‹etwas jetzt tun, weil der Aktivitätsträger früher etwas damit in Zusammenhang Stehendes getan hat und später etwas tun möchte, was auch mit der aktuellen Tätigkeit zusammenhängt›.[5] Dieser Zusammenhang ist allerdings dem Aktivitätsträger nicht selbst bewusst. Wir als Beobachter können zwar einem Hund, den wir gerade auf seinen Futternapf zurennen sehen, zuschreiben, dass er den Napf gesehen hat und weiß, dass er dort meist Futter findet (Kognition, Verbindung zu vergangenen Aktivitäten) und zudem gleich fressen möchte (Intention, zukünftige Aktivität). Doch findet diese Verbindung zwischen den Aktivitäten verschiedener Zeiten noch ganz auf der Beobachterebene statt; der Hund ist zwar bei Bewusstsein, doch befindet er sich dabei jeweils ganz im Hier und Jetzt. Erst wenn der Beobachter dem Aktivitätsträger zugesteht, dass dieser sich selbst relativ zu den kognitiven und intentionalen Aspekten eigener Handlungen (zunächst im weiten, dann auch im engen Sinn) verhalten kann, kann von Selbstbewusstsein und damit von Handlungen im engen Sinn die Rede sein. Denn letztlich können wir als Selbstbewusstsein zuschreibende Beobachter diese Zuschreibung nur anhand von entsprechendem Verhalten und entsprechenden Handlungen des betrachteten Aktivitätsträgers rechtfertigen. Allerdings hängt nun – im Gegensatz zu den Handlungen im weiten Sinn – die Zuschreibung auch davon ab, dass sich der betrachtete Aktivitätsträger dem Beobachter gegenüber selbst darstellt als einer der sich selbst bestimmte Kognitionen und Intentionen zuschreibt und also selbst die entsprechenden Beziehungen zu den über die aktuelle Tätigkeit hinausgehenden (Teil-)Handlungen berücksichtigt. Aktivitätsträger dieses Typs unterscheiden sich also deutlich von denen, die bei Handlungen im weiten Sinn (bzw. gar bei Verhalten) angesetzt werden. Materie und Geist. Eine philosophische Untersuchung. Paderborn: Mentis. Eintrag in Sammlung zeigen: Kap. IV, V und VI). Die umgangssprachliche Unterteilung der Begriffe für biologische Aktivitätsträger in Pflanzen (und pflanzenartigen niederen Tieren), (höheren) Tieren (und sich nicht wie Personen gebenden Menschen) und schließlich Personen wird hier durch eine entsprechende Steigerung der beobachtbaren Komplexität des Verhaltens entsprechender Aktivitätsträger (inklusive potentieller Selbstdarstellungen) unterfüttert.[6] Schema und AktualisierungVerhalten und Handlungen – jeweils im engen wie im weiten Sinn – können in zwei wichtigen, aufeinander bezogenen Formen thematisiert werden: als einzelner Handlungsvollzug, d.h. als Instanz, und als allgemeines Handlungsschema, d.h. als Typus. Ein konkreter Handlungsvollzug – etwa die Handlung des Lesens dieses Satzes zu genau diesem Zeitpunkt an genau diesem Ort von diesem individuellen Handlungsträger – passiert und ist dann unwiederholbar vorbei und endgültig Vergangenheit. Ein abstraktes Handlungsschema hingegen, beispielsweise die Handlung »Lesen«, ist nicht raumzeitlich situiert und kann daher auch nicht vergehen. Auch kann sie beliebig oft wieder (jeweils als Instanz) vollzogen werden. Mit einem Handlungsausdruck kann je nach Kontext jeder der beiden Perspektiven zum Ausdruck gebracht werden. Als Typ verweist der Handlungsausdruck dann auf all das, was allen Handlungsvollzügen dieses Typs gemein ist – auf die entsprechende Unterscheidungsgewohnheit bzw. den zugehörigen Begriff. In der Tat können wir uns einer Handlungsinstanz auch immer nur als Instanz eines Handlungstyps zuwenden.[7] Medienphilosophie der Kommunikation. In Systematische Medienphilosophie, 83-98. Eintrag in Sammlung zeigen). Komponenten von HandlungsschemataHandlungsschemata bestimmen allgemein die Elemente, die bei allen entsprechenden Handlungsvollzügen vorkommen. Dazu gehören, wie bei einem Theaterstück, zum einen die Rollen: die handelnden Personen bzw. Handlungssubjekte, aber auch die “Requisiten” – alle ebenfalls jeweils als Typ charakterisiert – gewissermaßen als Variablennamen für entsprechende mögliche konkrete Belegungen.[8] Erst im konkreten Handlungsvollzug, analog zu einer konkreten Aufführung des Theaterstücks, werden diese Rollenvariablen mit konkreten Instanzen des passenden Gegenstandstyps belegt. Zum anderen gehört das zeitlich (mehr oder weniger) geordnete System der Teilhandlungen zum Handlungsschema. Auch hier bieten die Teilhandlungen, die die Handlung eines Theaterstücks determinieren, ein gutes, wenn auch komplexes Beispiel. Zwischen dem Begriff der Teilhandlung und dem der Handlungsintention besteht zudem ein enger Zusammenhang.[9] Mißerfolg und Mißlingen von HandlungsaktualisierungenMit einer Handlungsaktualisierung kann das Handlungssubjekt das intendierte Handlungsziel erreichen oder auch nicht: Die Handlungs(aktualisierung) ist entsprechend erfolgreich oder nicht. Andererseits kann ein Aktualisierungsversuch gelingen oder misslingen. Im letzten Fall entspricht sie nicht dem durch das Schema gesetzten Standard. Gelingen und Erfolg sind also durchaus verschiedene Aspekte von Handlungsvollzügen, wie auch der bekannte ursprünglich medizinische Kommentar ‘Operation gelungen, Patient tot’ deutlich werden lässt, mit dem auch außerhalb der Medizin auf zwar das entsprechende Schema korrekt instanziierende Ausführungen einer Handlung referiert wird, die gleichwohl ihre eigentliche Intention verfehlt haben. Besondere Bedeutung kommt der Unterscheidung zwischen Gelingen und Erfolg bei Handlungen mit mehr als einem Handlungssubjekt zu, also insbesondere bei Interaktionen. Hier kann unterschieden werden zwischen solchen Handlungsschemata, die nur erfolgreich aktualisiert werden können, wenn mehrere Handlungsträger teilnehmen, und solchen, deren Aktualisierungen nur gelingen, wenn mehrere Handlungsträger teilnehmen. Im ersten Fall geht es um eine Handlung vom Typus der gemeinschaftlichen Handlungen, im zweiten Fall um so genannte Beteiligungshandlungen. Typisches Beispiel einer gemeinschaftlichen Handlung ist das Tragen eines Gegenstandes, wenn dieser so schwer ist, dass einer alleine es nicht schafft. Er mag sich noch so mühen und das Schema des Tragens von Gegenständen korrekt aktualisieren, der Gegenstand ist so nicht zu bewegen. Ein Beispiel für eine Beteiligungshandlung liefert ein Wettrennen: Hier gelingt es einem alleine nicht einmal, eine Aktualisierung des Schemas zu vollziehen, denn das Schema sieht hier unbedingt die Rolle eines Konkurrenten vom Gegenstandstyp »Handlungssubjekt« vor. Mit einem solchen mag dann das Schema korrekt aktualisiert werden und der erste Handlungsträger bei dem Rennen Erfolg haben, indem er es gewinnt. Auswirkungen auf Kommunikations- und Zeichen(handlungs)begriffeOffensichtlich sind alle Interaktionen Beteiligungshandlungen, da Interaktionsschemata nur korrekt instantiiert werden können, wenn mehrere Handlungsträgerrollen belegt sind. Als spezielle Form der Interaktionen gilt das auch für Kommunikations- und Zeichenhandlungen. Bei Zeichenhandlungen ist es allerdings durchaus legitim, dass diese beiden Rollen von derselben Person eingenommen werden – das ist eine Konsequenz aus der Bestimmung der Zeichenhandlungen als denjenigen Kommunikationsschemata, bei denen die Handlungsträger den Zweck der Handlung selbst bewusst verfolgen (und nicht bloß evolutionär etablierte oder individualgeschichtlich antrainierte Ausdrucksbewegungen absolvieren). Die Verwendung des weit gefassten Handlungsbegriffs ermöglicht es, auch die nicht von den Handlungsträgern bewusst zum Zeck der Kommunikation eingesetzten kommunikativen Interaktionen als Kommunikationen im vollen Sinn zu betrachten. Das gilt etwa für Signale bei Tieren. Legt man nur den engen Handlungsbegriff zugrunde, werden alle Kommunikationen notwendig zu Zeichenhandlungen, denn diese sind ja eben durch den bewussten Einsatz zum Zweck der Kommunikation bestimmt, der dem engen Handlungsbegriff eignet. |
Anmerkungen
[Janich 2005a]: Janich, Peter (2005). Medienphilosophie der Kommunikation. In: Sandbothe, M. & Nagel (Hg.): Systematische Medienphilosophie. Berlin: Akademie, S. 83-98.
[Plessner 1928a]: Plessner, Helmuth (1928). Die Stufen des Organischen und der Mensch. Berlin: W. de Gruyter, 31975. [Ros 1979a]: Ros, Arno (1979). Objektkonstitution und elementare Sprachhandlungsbegriffe. Königstein/Ts.: Hain. [Ros 1989/90a]: Ros, Arno (1989/90). Begründung und Begriff. Wandlungen des Verständnisses begrifflicher Argumentationen. Hamburg: Meiner, 3 Bände. [Ros 2005a]: Ros, Arno (2005). Materie und Geist. Eine philosophische Untersuchung. Paderborn: Mentis. [Weber 2005a]: Weber, Max (2005). Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Frankfurt/M.: Zweitausendeins, (Orig.: 1921/22). Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [26] und Klaus Sachs-Hombach [3] — (Hinweis) |