Fotografie: Unterschied zwischen den Versionen
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Für die bildwissenschaftliche Reflexion auf das Bild, die Bilder und die Bildmedien stellt die Auseinandersetzung mit der Fotografie ein bevorzugtes Arbeitsgebiet dar. Wiewohl auch der Bildbegriff der Fotografie umstritten, die Konturen seines Terrains unscharf und die medialen Definitionen von Fotografie vielfältig sind, spitzen sich in den bildwissenschaftlichen Überlegungen zur Fotografie grundsätzliche Fragestellungen der Bildwissenschaft prägnant zu. Historisch auf die Zeit nach 1830 datierbar, technisch mit einem apparativen Dispositiv verbunden, zeichentheoretisch als Index bestimmt, kulturwissenschaftlich als Massenmedium beschreibbar und mit der Idee der Reproduzierbarkeit eng verknüpft, legitimiert die Fotografie dabei nur auf den ersten Blick die vereinfachende Gleichsetzung von Bild/Abbild und damit ein vermeintlich übersichtliches Abstecken bildwissenschaftlicher Arbeitsfelder. Auf den zweiten Blick zeigt sich auch und gerade anlässlich der Fotografie, dass Bildlichkeit immer nur in der ''twofoldness''<ref> Vgl. zur Übernahme dieses Begriffs von Richard Wollheim <bib id='Schürmann 2008a'></bib>: S. 120.</ref> von Transparenz und Opazität, von einem Sehen des Dargestellten wie des Mediums der Darstellung, d.h. im Blick auf [[Zeigen und Sich-Zeigen|das Gezeigte wie auf das Zeigende]], zu fassen ist. | Für die bildwissenschaftliche Reflexion auf das Bild, die Bilder und die Bildmedien stellt die Auseinandersetzung mit der Fotografie ein bevorzugtes Arbeitsgebiet dar. Wiewohl auch der Bildbegriff der Fotografie umstritten, die Konturen seines Terrains unscharf und die medialen Definitionen von Fotografie vielfältig sind, spitzen sich in den bildwissenschaftlichen Überlegungen zur Fotografie grundsätzliche Fragestellungen der Bildwissenschaft prägnant zu. Historisch auf die Zeit nach 1830 datierbar, technisch mit einem apparativen Dispositiv verbunden, zeichentheoretisch als Index bestimmt, kulturwissenschaftlich als Massenmedium beschreibbar und mit der Idee der Reproduzierbarkeit eng verknüpft, legitimiert die Fotografie dabei nur auf den ersten Blick die vereinfachende Gleichsetzung von Bild/Abbild und damit ein vermeintlich übersichtliches Abstecken bildwissenschaftlicher Arbeitsfelder. Auf den zweiten Blick zeigt sich auch und gerade anlässlich der Fotografie, dass Bildlichkeit immer nur in der ''twofoldness''<ref> Vgl. zur Übernahme dieses Begriffs von Richard Wollheim <bib id='Schürmann 2008a'></bib>: S. 120.</ref> von Transparenz und Opazität, von einem Sehen des Dargestellten wie des Mediums der Darstellung, d.h. im Blick auf [[Zeigen und Sich-Zeigen|das Gezeigte wie auf das Zeigende]], zu fassen ist. | ||
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− | Erste medienästhetisch akzentuierte Bestimmungen der Fotografie als Bild wurden im Kontext der Neuen Sachlichkeit erprobt. Während das fotografische Bild zuvor mit an der Kunst, insbesondere an der [[Malerei|Malerei]], gewonnenen Kriterien von Bildlichkeit gemessen wurde, fragten Fotografen und Fotografietheoretiker wie Albert Renger-Patzsch (<bib id='Renger-Patzsch 2010a'></bib>), László Moholy-Nagy (<bib id='Moholy-Nagy 1986a'></bib>)<ref> Verstreut publizierte Texte Moholy-Nagys finden sind wiederabgedruckt in <bib id='Passuth | + | Erste medienästhetisch akzentuierte Bestimmungen der Fotografie als Bild wurden im Kontext der Neuen Sachlichkeit erprobt. Während das fotografische Bild zuvor mit an der Kunst, insbesondere an der [[Malerei|Malerei]], gewonnenen Kriterien von Bildlichkeit gemessen wurde, fragten Fotografen und Fotografietheoretiker wie Albert Renger-Patzsch (<bib id='Renger-Patzsch 2010a'></bib>), László Moholy-Nagy (<bib id='Moholy-Nagy 1986a'></bib>)<ref> Verstreut publizierte Texte Moholy-Nagys finden sind wiederabgedruckt in <bib id='Passuth 1987a'></bib>.</ref>, Alexander Rodtschenko oder Ernst Kallai in den 1920/30er Jahren<ref>Vgl. im Überblick Band 2 der Edition ''Theorie der Fotografie'' (<bib id='Kemp 1979a'></bib>).</ref> erstmals nach dem spezifisch bildlichen Aussagepotential des ‚neuen Mediums‘. Der Fotografie wurde dabei ein besonderer Realitätsgehalt zugesprochen, der das [[Technisches Bild|technisch-apparative]], sogenannte [[Bild in der Wissenschaft|objektive Gemachtsein]] des fotografischen Bildes betonte und klassisch-ästhetischen Bestimmungen von Bildlichkeit, etwa der Idee von [[Gleichheit, Ähnlichkeit und Identität|Ähnlichkeit]]/[[Mimesis|Mimesis]], eine neue Ausrichtung gab (vgl. <bib id='Moholy-Nagy 1986a'></bib>: S. 342-344). |
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Der Diskurs um die Medienspezifik der Fotografie (wie der Diskurs um die Medienspezifik anderer Medien gleichermaßen) konnte eine essenzialistische, zuweilen emphatisch vorgetragene Perspektive nicht verleugnen, die zahlreiche Kritiker auf den Plan rief. Spätestens seit den 1960er/70er Jahren wurde im Zuge des Strukturalismus und des Poststrukturalismus verstärkt der Konstruktivität des Realen in der Fotografie bzw. der Konstruktivität des Medialen im fotografischen Bild nachgegangen. Statt von „der Fotografie“ ist seitdem gerne vom „Fotografischen“ (vgl. <bib id='Krauss 1998a'></bib>) die Rede, womit deutlich werden soll, dass der „Status der Fotografie nicht aus bestimmten Eigenschaften fotografischer Bilder“ (<bib id='Geimer 2009a'></bib>: S. 12) hergeleitet wird, sondern aus den Funktionen bzw. den Handlungskontexten der Fotografie qua medialer Produktion, Distribution und Rezeption. | Der Diskurs um die Medienspezifik der Fotografie (wie der Diskurs um die Medienspezifik anderer Medien gleichermaßen) konnte eine essenzialistische, zuweilen emphatisch vorgetragene Perspektive nicht verleugnen, die zahlreiche Kritiker auf den Plan rief. Spätestens seit den 1960er/70er Jahren wurde im Zuge des Strukturalismus und des Poststrukturalismus verstärkt der Konstruktivität des Realen in der Fotografie bzw. der Konstruktivität des Medialen im fotografischen Bild nachgegangen. Statt von „der Fotografie“ ist seitdem gerne vom „Fotografischen“ (vgl. <bib id='Krauss 1998a'></bib>) die Rede, womit deutlich werden soll, dass der „Status der Fotografie nicht aus bestimmten Eigenschaften fotografischer Bilder“ (<bib id='Geimer 2009a'></bib>: S. 12) hergeleitet wird, sondern aus den Funktionen bzw. den Handlungskontexten der Fotografie qua medialer Produktion, Distribution und Rezeption. |
Version vom 6. November 2012, 11:00 Uhr
Unterpunkt zu: Bildmedien
Bildwissenschaftliche Fragen an das Medium FotografieFür die bildwissenschaftliche Reflexion auf das Bild, die Bilder und die Bildmedien stellt die Auseinandersetzung mit der Fotografie ein bevorzugtes Arbeitsgebiet dar. Wiewohl auch der Bildbegriff der Fotografie umstritten, die Konturen seines Terrains unscharf und die medialen Definitionen von Fotografie vielfältig sind, spitzen sich in den bildwissenschaftlichen Überlegungen zur Fotografie grundsätzliche Fragestellungen der Bildwissenschaft prägnant zu. Historisch auf die Zeit nach 1830 datierbar, technisch mit einem apparativen Dispositiv verbunden, zeichentheoretisch als Index bestimmt, kulturwissenschaftlich als Massenmedium beschreibbar und mit der Idee der Reproduzierbarkeit eng verknüpft, legitimiert die Fotografie dabei nur auf den ersten Blick die vereinfachende Gleichsetzung von Bild/Abbild und damit ein vermeintlich übersichtliches Abstecken bildwissenschaftlicher Arbeitsfelder. Auf den zweiten Blick zeigt sich auch und gerade anlässlich der Fotografie, dass Bildlichkeit immer nur in der twofoldness[1] von Transparenz und Opazität, von einem Sehen des Dargestellten wie des Mediums der Darstellung, d.h. im Blick auf das Gezeigte wie auf das Zeigende, zu fassen ist. Erste medienästhetisch akzentuierte Bestimmungen der Fotografie als Bild wurden im Kontext der Neuen Sachlichkeit erprobt. Während das fotografische Bild zuvor mit an der Kunst, insbesondere an der Malerei, gewonnenen Kriterien von Bildlichkeit gemessen wurde, fragten Fotografen und Fotografietheoretiker wie Albert Renger-Patzsch ([Renger-Patzsch 2010a]Literaturangabe fehlt. Der Diskurs um die Medienspezifik der Fotografie (wie der Diskurs um die Medienspezifik anderer Medien gleichermaßen) konnte eine essenzialistische, zuweilen emphatisch vorgetragene Perspektive nicht verleugnen, die zahlreiche Kritiker auf den Plan rief. Spätestens seit den 1960er/70er Jahren wurde im Zuge des Strukturalismus und des Poststrukturalismus verstärkt der Konstruktivität des Realen in der Fotografie bzw. der Konstruktivität des Medialen im fotografischen Bild nachgegangen. Statt von „der Fotografie“ ist seitdem gerne vom „Fotografischen“ (vgl. [Krauss 1998a]Literaturangabe fehlt. Eine (notwendigerweise unvollständige) Übersicht über die unterschiedlichen bildwissenschaftlichen Fragen an das Medium Fotografie kann vier Bereiche unterscheiden: Semiotische AnsätzeDie prominentesten Positionen der philosophischen Bildwissenschaft der Fotografie argumentieren zeichentheoretisch, indem sie sich auf Charles Sanders Peirce berufen und die Fotografie als Index (d.h. über eine Kausalrelation zwischen Zeichen und Objekt) bestimmen. Hatte Peirce die Fotografie nur als ein Beispiel für den indexikalischen Zeichentypus unter anderen erwähnt und darüber hinaus auch die Ähnlichkeitsrelation zwischen Zeichen und Objekt in der Fotografie reflektiert (Fotografie als Ikon) (vgl. ([Geimer 2009a]Literaturangabe fehlt. Wahrnehmungstheoretische AnsätzeEine eher wahrnehmungstheoretisch fokussierte Bildwissenschaft hat ihr Interesse vor allem auf das technische Dispositiv der Fotografie und von hier aus auf den Zusammenhang von Wahrnehmung und Bild gerichtet. Im Rückgriff auf den Vergleich von Kamera und camera obscura genauso wie auf den Vergleich von Kamera/camera obscura und Auge gilt ihr die Fotografie bzw. das Fotografische als Ausgangspunkt für eine Rekapitulation verschiedener Modi des Sehens und Modelle von Sichtbarkeit. Eine kulturhistorische Grundlegung für solche Überlegungen hatte Jonathan Crary 1990 erarbeitet, dessen an Foucault anschließende, diskursanalytische Studie Techniques of the Observer. On Vision and Modernity in the Nineteenth Century (vgl. [Crary 1990a]Literaturangabe fehlt. Wissenschaftshistorische AnsätzeWeniger als Instrumentarium des Sehens denn als Instrumentarium des vermeintlich objektiven Aufzeichnens figuriert der Fotoapparat im Kontext einer (Stil-)Geschichte wissenschaftlicher Bilder, seien dies die Bilder der Natur- und Technikwissenschaften, der Medizin oder der Kunstwissenschaften.[4] Das Bild/die Fotografie wird hier unter wissenschaftshistorischen Vorzeichen befragt. Für Lorraine Daston und Peter Galison (vgl. [Daston & Galison 1992a]Literaturangabe fehlt.Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ; [Daston & Galison 2007a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) stellt sich die Fotografie in den Wissenschaften des 19. Jahrhunderts als Medium einer (moralisierenden) Objektivitäts-Konstruktion dar. Wissenschaftler, so ihre These, „entdeckten das mechanische Bild als einen ethisch-epistemischen Ausweg aus ihrer ständigen Sorge, der eigenen Subjektivität zu erliegen“ ([Daston & Galison 2007a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 145). Durch die Analyse wissenschaftlicher Objektivitätsfiktionen gewinnt die wissenschaftshistorisch geprägte Bildwissenschaft zugleich Erkenntnisse über die verschiedenen Modi des Zeigens, die dem Bild bzw. der Fotografie (und den anderen Aufzeichnungsmedien) zugesprochen wurden. In vergleichbarer Absicht werden am [für Kulturtechnik in Berlin] technische Bilder (denen in der Regel das Fotografische im Sinne des Indexikalischen zugrunde liegt) „nicht als illustrierende Repräsentationen, sondern in ihrer produktiven Kraft als eigenständiges, mehrschichtiges Element des Erkenntnisgewinns“ ([Bredekamp et al. 2008a]Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit; Dünkel, Vera (2008). Das Technische Bild. Kompendium für eine Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 8) untersucht. Kunsthistorische AnsätzeObwohl die Kunstgeschichte angesichts der Omnipräsenz des Fotografischen in der Bildkultur der Moderne ihre Zuständigkeit für die bildwissenschaftliche Analyse aller Bilder (künstlerischer und nicht-künstlerischer Art) wiederholt betont hat und als Bildwissenschaft avant la lettre verstanden werden möchte[5], bleibt zu konstatieren, dass auch eine klassischer dimensionierte Kunstgeschichte in ihrem kunsthistorischen Umgang mit der Fotografie (als Kunst) bildwissenschaftlich relevante Fragestellungen verfolgt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil gerade im Bereich der künstlerischen Fotografie die Verhältnisbestimmung von Bild und Abbild oft besonders prägnant zugespitzt wurde, sodass die Fotografie als Bildmedium damit dezidiert selbst zur Diskussion gestellt wird. In bildphilosophischer bzw. bildwissenschaftlicher Hinsicht ist jedenfalls bezeichnend, dass das Paradigma des Fotografischen zunächst für den Kontext der Kunst formuliert wurde, bevor es zur Chiffre für das Indexikalische wurde.[6] Da insbesondere der Fotokonzeptualismus im Medium der Fotografie die Fotografie als Bildmedium reflektiert, finden sich gerade in diesem Bereich Bilder, die, soweit dieses Vermögen Bildern überhaupt zugesprochen wird, selbst Bildbegriffe entwickeln und dementsprechend kunsthistorisch bzw. bildwissenschaftlich zu befragen sind. Als Beispiele für einen solchen selbstreflexiven Gebrauch des Mediums Fotografie im Fotokonzeptualismus können frühe Fotopositionen von Joseph Kosuth („One and three photographs“, 1965) oder von Jan Dibbets („Perspective Correction: My Studio I,I: Square on Wall“, 1969) genannt werden (vgl. dazu [Dobbe 2010a]Literaturangabe fehlt. Ähnlich wie der Minimalismus der 1960er Jahre operieren konzeptualistische und postkonzeptualistische Positionen dabei freilich in einer „Crux“ (vgl. [Foster 1995a]Literaturangabe fehlt. Vielleicht kann man die Widersprüchlichkeit der beiden genannten Auffassungen aber auch dadurch relativieren, dass man betont, dass bei Wall ausdrücklich vom Foto-Konzeptualismus die Rede ist. Gerade der Foto-Konzeptualismus, so wäre zu folgern, lebt aus jenem Spannungsverhältnis von Abbild und Bild, welches für die genauere Bestimmung des Bildmediums Fotografie – wie hier im Glossar Bildphilosophie – eine bleibende Herausforderung ist. |
Anmerkungen
[Alberro 2006a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Barthes 1989a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bredekamp 2003b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bredekamp et al. 2008a]: Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit; Dünkel, Vera (2008). Das Technische Bild. Kompendium für eine Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie. [Caraffa 2009a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [26], Mark A. Halawa [15] und Martina Dobbe [7] — (Hinweis) |