Hebräisch: 'päsäl', 'säläm' und 'demut'
Unterpunkt zu: Bildtermini anderer Sprachen
Im Hebräischen des «Alten Testaments» finden sich mehr als zehn verschiedene Ausdrücke für Bilder, und es gibt zwei Kontexte, in denen sie nachdrücklich Aufmerksamkeit beansprucht haben, nämlich im Zusammenhang mit dem Bilderverbot (⊳ Idolatrie und Ikonoklasmus) und mit der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen (vgl. [Dohmen 1985a]: S. 41-63 und [Dohmen 1994a]). Für die im Kontext des Bilderverbots verwendeten Ausdrücke gilt, dass sie auf handwerkliche Tätigkeiten und die dabei verwendeten Materialien zurückverweisen. Sie bezeichnen (Kult-)Bilder, die in Stein gehauen, aus Holz geschnitzt, aus Metall gegossen oder mit Goldschmiedearbeit verziert sind. Mit am häufigsten wird hier der Ausdruck ‘päsäl’ (‘פַּסָּל’) gebraucht, so auch im vierten Gebot: „Du sollst Dir kein Bildnis machen!“ (Ex 20,4). Gegenüber dem heutigen Verständnis von »Bild« sind dabei vor allem zwei Unterschiede festzuhalten. Erstens sind die hier gemeinten Bilder dreidimensionale Plastiken und Skulpturen und nicht – woran wir bei ‘Bild’ eher denken würden – flächige Gemälde oder Zeichnungen. Und zweitens bezeichnen die betreffenden Ausdrücke darüber hinaus weder mentale noch verbale Bilder. Etwas komplizierter liegen die Dinge im Umfeld der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, derzufolge der Mensch ein Bild ist, das Gott gleicht. Die entscheidenden Ausdrücke ‘säläm’ (‘צֶלֶם’) und ‘demut’ (‘דְּמוּת’), werden in der Übersetzung von Gen 1,26f. in der Regel mit ‘Bild’ und ‘Gleichnis’ (oder auch ‘Ähnlichkeit’) wiedergegeben. Was lässt sich über die tatsächliche Bedeutung dieser beiden Ausdrücke sagen? ‘Säläm’ bezeichnet ein dreidimensionales Abbild, ‘demut’ hingegen Gleichheit oder Form und Äußeres, und in der Kombination sind die beiden annähernd bedeutungsgleich (vgl. [Jervell 1980a] S. 491f). Kontrovers diskutiert worden ist deshalb hier nicht nur die Frage, was den Menschen bildhaft mache, sondern auch, ob mit der Verwendung der beiden Substantive tatsächlich Unterschiedliches benannt werden oder schlicht eine stilistische Variation geboten werden solle (vgl. [Scholz 2000a]: S. 634). Eindeutig ist jedoch der Befund, der sich aus dem Abgleich der beiden Kontexte ergibt: Im Kontext von Gottesebenbildlichkeit einerseits und Bilderverbot andererseits werden im Hebräischen je verschiedene Ausdrücke verwendet, und von einem Kontext wird nicht direkt auf den anderen verwiesen (vgl. [Dohmen 1985a]: S. 281f.). Der Gedanke an eine Konkurrenz zwischen Gott und Menschen drängt sich daher beim ursprünglichen Text und seinem Vokabular nicht (oder zumindest nicht stark) auf; hingegen liegt mit einer nivellierenden Übersetzung der hebräischen Ausdrücke – beispielsweise durch das griechische [[‘eikon’ oder das deutsche ‘Bild’ – oder auch im Arabischen die Spekulation schon weitaus näher, dass der Mensch, der Bilder produziert, Gott ein Prärogativ streitig machen könnte.[1] |
Anmerkungen
[Boehm 1994a]: Boehm, Gottfried (1994). Die Wiederkehr der Bilder. In: Boehm, G. (Hg.): Was ist ein Bild?. München: Fink, S. 11-38.
[Debray 1999a]: Debray, Régis (1999). Für eine Mediologie. In: Pias, C. et al. (Hg.): Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, S. 67-75. [Dohmen 1985a]: Dohmen, Christoph (1985). Das Bilderverbot. Seine Entstehung und seine Entwicklung im Alten Testament. Königstein/T.: Peter Hanstein. [Dohmen 1994a]: Dohmen, Christoph (1994). Bild, Bilderverehrung, Bilderverbot, Bilderstreit I – II. In: Kasper, W. (Hg.): Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 2. Barclay – Damodos. Freiburg, Basel, Rom, Wien: Herder, S. 440-443, dritte Auflage. [Jervell 1980a]: Jervell, Jacob (1980). Bild Gottes I. Biblische, Frühjüdische und gnostische Auffassungen. In: Krause, G. & Müller, G. (Hg.): Theologische Realenzyklopädie. Bd. 6. Bibel – Böhmen und Mähren. Berlin: de Gruyter, S. 491-498. [Scholz 2000a]: Scholz, Oliver R. (2000). Bild. In: Barck, K. & Fontius, M. et al. (Hg.): Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Bd. 1. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler, S. 618-669. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [19], Dimitri Liebsch [9] und Franziska Kurz [2] — (Hinweis) Zitierhinweis: [Liebsch 2013g-c]
Liebsch, Dimitri (2013). Hebräisch: 'päsäl', 'säläm' und 'demut'. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024). |