Kino: Unterschied zwischen den Versionen

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(Kinematographisches Dispositiv)
(Projektion und Bewegung)
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Zwei Elemente sind in der Technikgeschichte des Films als zentrale und analoge Bezugsgrößen zu bestimmen: Projektion und Bewegung. Die Projektionskunst, die auf die Camera obscura (Projektion und Aufzeichnung) und später die Laterna magica (reine Projektionskunst) zurückgeht, basiert auf der Belichtung eines Gegenstandes oder Bildes und der Projektion auf eine dafür vorgesehene Fläche. Generell ist das projizierte Motiv bzw. der aufgezeichnete Gegenstand statisch organisiert, so dass durch die Projektion ebenfalls ein statisches Bild wiedergegeben wird. Die spezifische Bewegung strukturiert sich nicht durch eine alleinige Bewegungsdarstellung innerhalb des statischen Motivs, dies ließe sich sehr gut als Darstellung von Bewegung klassifizieren, sondern vielmehr durch die apparative Möglichkeit, eine Serie statischer Bilder in Bewegung zu versetzen. Um eine Serie statische Bilder sinnvoll in Bewegung zu versetzen müssen zwei notwendige Bedingungen erfüllt sein: Einerseits muss das Motiv der Bildserie eine figurale Differenz (vgl. <bib id='Paech 2006'></bib>: S. 99) zu den vorangehenden Bildern aufweisen (z.B. eine Fotoserie eines gehenden Menschen muss einzelne Bewegungsfolgen darstellen bzw. zeigen), und andererseits muss die Apparatur in der Lage sein, die serielle Bildfolge hintereinander und zeitlich strukturiert (bei gleichbleibender und wahrnehmungsauffälliger Geschwindigkeit) über ein Sichtfeld oder eine Blende freizugeben, damit die Verbindung von Stroboskop- und Nachbildeffekt (vgl. [[Film]]) zum Rezeptionseffekt der Bewegung führen kann.  
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Zwei Elemente sind in der Technikgeschichte des Films als zentrale und analoge Bezugsgrößen zu bestimmen: Projektion und Bewegung. Die Projektionskunst, die auf die Camera obscura (Projektion und Aufzeichnung) und später die Laterna magica (reine Projektionskunst) zurückgeht, basiert auf der Belichtung eines Gegenstandes oder Bildes und der Projektion auf eine dafür vorgesehene Fläche. Generell ist das projizierte Motiv bzw. der aufgezeichnete Gegenstand statisch organisiert, so dass durch die Projektion ebenfalls ein statisches Bild wiedergegeben wird. Die spezifische Bewegung strukturiert sich nicht durch eine alleinige Bewegungsdarstellung innerhalb des statischen Motivs, dies ließe sich sehr gut als Darstellung von Bewegung klassifizieren, sondern vielmehr durch die apparative Möglichkeit, eine Serie statischer Bilder in Bewegung zu versetzen. Um eine Serie statische Bilder sinnvoll in Bewegung zu versetzen müssen zwei notwendige Bedingungen erfüllt sein: Einerseits muss das Motiv der Bildserie eine figurale Differenz (vgl. <bib id='Paech 2006a'></bib>: S. 99) zu den vorangehenden Bildern aufweisen (z.B. eine Fotoserie eines gehenden Menschen muss einzelne Bewegungsfolgen darstellen bzw. zeigen), und andererseits muss die Apparatur in der Lage sein, die serielle Bildfolge hintereinander und zeitlich strukturiert (bei gleichbleibender und wahrnehmungsauffälliger Geschwindigkeit) über ein Sichtfeld oder eine Blende freizugeben, damit die Verbindung von Stroboskop- und Nachbildeffekt (vgl. [[Film]]) zum Rezeptionseffekt der Bewegung führen kann.  
  
Bevor die moderne Kinematographie in der Lage war, das ideale Verhältnis von Projektion und Bewegung für die technischen Apparaturen nutzbar zu machen, gab es eine Vielzahl an Apparaturen, die allgemein als technische Vorgänger der modernen Kinematographie gelten, z.B. Phenakistiskop, Zoetrop, Praxinoskop, Zoepraxiskop, Elektrotachyskop, Kinetograph und Kinetoskop. Augrund der anfänglich noch unausgereiften Apparatur war die Kinematographie noch in ihren Anfängen im wahrsten Sinne ein „Kurbelbetrieb; Kurbeln an der Kamera und am Projektor dirigieren die Aufnahme und die Wiedergabe des aufgenommenen Materials“ (<bib id='Kreimeier 2012'></bib>: S. 155). Vor allem die Elektrifizierung ermöglichte dann die Perfektionierung der technischen Wiedergabe, und Elektromotoren revolutionierten die Kinematographie: „Bald werden Elektromotoren in den neuen Maschinen der puppenhaften Ungelenkigkeit dessen, was auf der Leinwand zu sehen ist, ein Ende bereiten. Die Geschichte der Kinematographie wird von nun an einen anderen Verlauf nehmen und zur Filmgeschichte werden“ (<bib id='Kreimeier 2012'></bib>: S. 155).
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Bevor die moderne Kinematographie in der Lage war, das ideale Verhältnis von Projektion und Bewegung für die technischen Apparaturen nutzbar zu machen, gab es eine Vielzahl an Apparaturen, die allgemein als technische Vorgänger der modernen Kinematographie gelten, z.B. Phenakistiskop, Zoetrop, Praxinoskop, Zoepraxiskop, Elektrotachyskop, Kinetograph und Kinetoskop. Augrund der anfänglich noch unausgereiften Apparatur war die Kinematographie noch in ihren Anfängen im wahrsten Sinne ein „Kurbelbetrieb; Kurbeln an der Kamera und am Projektor dirigieren die Aufnahme und die Wiedergabe des aufgenommenen Materials“ (<bib id='Kreimeier 2012a'></bib>: S. 155). Vor allem die Elektrifizierung ermöglichte dann die Perfektionierung der technischen Wiedergabe, und Elektromotoren revolutionierten die Kinematographie: „Bald werden Elektromotoren in den neuen Maschinen der puppenhaften Ungelenkigkeit dessen, was auf der Leinwand zu sehen ist, ein Ende bereiten. Die Geschichte der Kinematographie wird von nun an einen anderen Verlauf nehmen und zur Filmgeschichte werden“ (<bib id='Kreimeier 2012a'></bib>: S. 155).
  
 
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Version vom 3. Januar 2013, 10:58 Uhr


Unterpunkt zu: Bildverwendungstypen


Etymologie und Wortbedeutung
Der Begriff "Kino" ist eine verkürzte Form von "Kinematograph" bzw. "Kinematographie". Der altgriechische Ursprung des Begriffs bezieht sich auf die Verbindung der Wörter "κίνημα", einer Kurzform von "κίνηθμός" (kinema, kinetmos: Bewegung, Kriegestanz, Erschütterung, Unruhe, Aufstand, Veränderung) und "γράφειν" (graphein: zeichnen) (vgl. [Gemoll & Vretska 2006a]Gemoll, Wilhelm & Vretska, Karl (2006a).
Gemoll. Griechisch-​deutsches Schulwör­terbuch und Handwör­terbuch. München: Olden­bourg Schul­buch­verlag.

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: S. 187-464).

Der Kinematograph (cinématographe) wurde 1895 von den Brüdern Louis und Auguste Lumière erfunden und diente als Aufnahmegerät zur Belichtung von Filmmaterial, als Projektor und als Kopiergerät. Die Projektion des kinematographischen Filmmaterials ermöglichte die Darstellung von Bewegung und konstituierte das spezifische Bewegungs-Bild des Films.

Der Begriff "Kino" dient heutzutage weitestgehend der apparativen Charakterisierung speziell ausgestatteter Orte (Leinwand, Sitzreihen etc.), an denen Filmvorführungen einem zahlenden Publikum öffentlich zugänglich gemacht werden.


Technisch-apparative Systematik
Spricht man über das Kino, so ist damit stets zweierlei gemeint, einerseits die komplexe technische Apparatur, andererseits der spezifische Ort, an dem sich diese Apparatur befindet. Die kinematographische Bildlichkeit ist in erster Linie abhängig von der technischen Apparatur, welche eine triadische Einheit aus Film (35mm, CinemaScope, Cinerama, IMAX etc.), Projektionsvorgang und Projektionsfläche bildet (vgl. [Paech 2006a]Paech, Joachim (2006a).
Was ist ein kine­mato­graphi­sches Bewe­gungs­bild?.
In Bildthe­orie und Film, 92-​108.

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: S. 92). Dieser triadisch-apparative Systemzusammenhang ist die Grundbedingung für das kinematographische Bewegungsbild (siehe auch Film) und dessen Dimensionierung von Bewegung, Räumlichkeit und Zeitlichkeit. Der Ort der Kinovorstellung hingegen (mit spezifischem Eventcharakter) ist abhängig von der Größe der Projektionsfläche (Leinwand), von der Anzahl und Anordnung der Sitzflächen, von der jeweils individuell verschiedenen Entfernung zur Leinwand, der Anordnung bzw. Positionierung des Blickwinkels (Zuschauer-Perspektive) und der damit abhängigen Idealentfaltung des kinematographischen Tonsystems (Ton-Normierung nach DTS, SDDS, Dolby Digital, THX etc.).
Kinematographisches Dispositiv

Der komplexe Systemzusammenhang aus technischer Apparatur und Strukturierung des Kino-Raums (der Ort, an dem Vorführungen stattfinden) konstituiert die Gesamtheit des kinematographischen Dispositivs: Hier zeigt sich das Kino grundsätzlich in einer apparativen sowie rezeptiven Dimension.

Das kinematographische Bewegungsbild zeigt sich explizit verschieden von den digitalen und informationell elektronischen Bewegungsbildern wie sie beispielsweise durch den Fernseher oder den Computermonitor konstituiert werden (vgl. [Paech 2006a]Paech, Joachim (2006a).
Was ist ein kine­mato­graphi­sches Bewe­gungs­bild?.
In Bildthe­orie und Film, 92-​108.

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: S. 105). Das kinematographische Bewegungsbild konstituiert sich analog und grundsätzlich in Abhängigkeit von den technischen Elementen der präkinematographischen und kinematographischen Apparaturen. Die historische Entwicklung des kinematographischen Bewegungsbildes offeriert eine implizite Technikgeschichte des Films. Diese beginnt bei statischen Bildern die mittels spezifischer Apparaturen in Bewegung versetzt wurden (z.B. Thaumatrop oder Zoopraxiskop). Hier zeigt sich das Bewegungsbild noch statisch und artifiziell, da stets noch das statische Bildmoment zur Anschauung kommt, und endet dann schließlich bei der 24 bis 25 Bilder pro Sekunde projizierenden Apparatur, die in der Lage ist, einen dynamischen Wirklichkeitseindruck zu realisieren. Die neueren Entwicklungen im Bereich des stereoskopen Bewegungsbildes (3D-Technik) oder der Fulldome-Technologie zeigen zudem deutlich eine Weiterentwicklung kinematographischer Projektionsverfahren, wobei die 3D-Technik als Streben des Bildes in den Raum der leiblichen Anwesenheit zu beschreiben ist.
Projektion und Bewegung
Zwei Elemente sind in der Technikgeschichte des Films als zentrale und analoge Bezugsgrößen zu bestimmen: Projektion und Bewegung. Die Projektionskunst, die auf die Camera obscura (Projektion und Aufzeichnung) und später die Laterna magica (reine Projektionskunst) zurückgeht, basiert auf der Belichtung eines Gegenstandes oder Bildes und der Projektion auf eine dafür vorgesehene Fläche. Generell ist das projizierte Motiv bzw. der aufgezeichnete Gegenstand statisch organisiert, so dass durch die Projektion ebenfalls ein statisches Bild wiedergegeben wird. Die spezifische Bewegung strukturiert sich nicht durch eine alleinige Bewegungsdarstellung innerhalb des statischen Motivs, dies ließe sich sehr gut als Darstellung von Bewegung klassifizieren, sondern vielmehr durch die apparative Möglichkeit, eine Serie statischer Bilder in Bewegung zu versetzen. Um eine Serie statische Bilder sinnvoll in Bewegung zu versetzen müssen zwei notwendige Bedingungen erfüllt sein: Einerseits muss das Motiv der Bildserie eine figurale Differenz (vgl. [Paech 2006a]Paech, Joachim (2006a).
Was ist ein kine­mato­graphi­sches Bewe­gungs­bild?.
In Bildthe­orie und Film, 92-​108.

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: S. 99) zu den vorangehenden Bildern aufweisen (z.B. eine Fotoserie eines gehenden Menschen muss einzelne Bewegungsfolgen darstellen bzw. zeigen), und andererseits muss die Apparatur in der Lage sein, die serielle Bildfolge hintereinander und zeitlich strukturiert (bei gleichbleibender und wahrnehmungsauffälliger Geschwindigkeit) über ein Sichtfeld oder eine Blende freizugeben, damit die Verbindung von Stroboskop- und Nachbildeffekt (vgl. Film) zum Rezeptionseffekt der Bewegung führen kann. Bevor die moderne Kinematographie in der Lage war, das ideale Verhältnis von Projektion und Bewegung für die technischen Apparaturen nutzbar zu machen, gab es eine Vielzahl an Apparaturen, die allgemein als technische Vorgänger der modernen Kinematographie gelten, z.B. Phenakistiskop, Zoetrop, Praxinoskop, Zoepraxiskop, Elektrotachyskop, Kinetograph und Kinetoskop. Augrund der anfänglich noch unausgereiften Apparatur war die Kinematographie noch in ihren Anfängen im wahrsten Sinne ein „Kurbelbetrieb; Kurbeln an der Kamera und am Projektor dirigieren die Aufnahme und die Wiedergabe des aufgenommenen Materials“ ([Kreimeier 2012a]Kreimeier, Klaus (2010a).
Die Poesie der Maschine. Gedankensplitter zu einer Theorie des frühen Kinos.
In Kritik des Ästhetischen - Ästhetik der Kritik, 153-159.

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: S. 155). Vor allem die Elektrifizierung ermöglichte dann die Perfektionierung der technischen Wiedergabe, und Elektromotoren revolutionierten die Kinematographie: „Bald werden Elektromotoren in den neuen Maschinen der puppenhaften Ungelenkigkeit dessen, was auf der Leinwand zu sehen ist, ein Ende bereiten. Die Geschichte der Kinematographie wird von nun an einen anderen Verlauf nehmen und zur Filmgeschichte werden“ ([Kreimeier 2012a]Kreimeier, Klaus (2010a).
Die Poesie der Maschine. Gedankensplitter zu einer Theorie des frühen Kinos.
In Kritik des Ästhetischen - Ästhetik der Kritik, 153-159.

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: S. 155).
Anmerkungen
Literatur                             [Sammlung]

[Gemoll & Vretska 2006a]: Gemoll, Wilhelm & Vretska, Karl (2006a). Gemoll. Griechisch-​deutsches Schulwör­terbuch und Handwör­terbuch. München: Olden­bourg Schul­buch­verlag.

[Kreimeier 2012a]: Kreimeier, Klaus (2010a). Die Poesie der Maschine. Gedankensplitter zu einer Theorie des frühen Kinos. In: Kirchner, A. & Pohl, A. & Riedel, P. (Hg.): Kritik des Ästhetischen - Ästhetik der Kritik. Marburg: Schüren, S. 153-159. [Paech 2006a]: Paech, Joachim (2006a). Was ist ein kine­mato­graphi­sches Bewe­gungs­bild?. In: Koebner, Th. & Meder, Th. (Hg.): Bildthe­orie und Film. München: Edi­tion Text + Kritik, S. 92-​108.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Seitenbearbeitungen durch: Lars Grabbe [31], Dimitri Liebsch [18], Joerg R.J. Schirra [12] und Patrick Kruse [7] — (Hinweis)