Kippbild: Unterschied zwischen den Versionen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
Wechseln zu: Navigation, Suche
K (Zwischenresümee)
 
(91 dazwischenliegende Versionen von 3 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 9: Zeile 9:
 
{{GlossarBoxMain}}
 
{{GlossarBoxMain}}
 
<!--Ende header-->
 
<!--Ende header-->
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt; Überschriften gegebenenfalls anpassen-->
+
<!--Ab hier: eigentlicher Inhalt-->
:::''If meanings are hypotheses, ambiguities are alternative hypotheses.'' Richard Gregory<ref><bib id='Gregory 2000a'></bib>, S. 1140.</ref>
+
:::''If meanings are hypotheses, ambi&shy;guities are alter&shy;native hypothe&shy;ses.'' (<bib id='Gregory 2000a'>Grego&shy;ry 2000a</bib>: S. 1140)
  
  
Die Ausdrücke ‘Kippbild’ oder ‘Kippfigur’ stehen für Vorlagen, die einen (reversiblen) abrupten Wechsel des Wahrgenommenen ermöglichen, während das Bild/Objekt unverändert bleibt. Man spricht auch von mehrfachstabilen Wahrnehmungsprozessen (also etwa von bi-, tri- oder multistabiler Wahrnehmung). Aus verschiedenen Kulturen überlieferte Artefakte (Wandgemälde, Reliefs, Mosaike, Dekore auf Keramiken und Textilien) deuten darauf hin, dass der Reiz solcher Bilder weithin und auch schon lange bekannt ist (<bib id='Gregory 2000a'></bib>; <bib id='Metzger 2008a'></bib>; <bib id='Mitchell 1994a'></bib>; <bib id='Zimmer 1995a'></bib>; <bib id='Piccolino & Wade 2006a'></bib>; <bib id='Piccolino & Wade 2006b'></bib>).
+
Die Ausdrücke ‘Kippbild’ oder ‘Kipp&shy;figur’ stehen für Vorla&shy;gen, die einen (rever&shy;siblen) abrup&shy;ten Wechsel des Wahrge&shy;nomme&shy;nen ermög&shy;lichen, während das Bild/Objekt unver&shy;ändert bleibt. Man spricht auch von mehrfach&shy;stabi&shy;len Wahrneh&shy;mungspro&shy;zessen (also etwa von bi-, tri- oder multi&shy;stabi&shy;ler Wahrneh&shy;mung). Aus verschie&shy;denen Kultu&shy;ren über&shy;liefer&shy;te Arte&shy;fakte (Wandge&shy;mälde, Reliefs, Mosa&shy;ike, Deko&shy;re auf Kera&shy;miken und Texti&shy;lien) deuten darauf hin, dass der Reiz solcher Bilder weithin und auch schon lange bekannt ist (<bib id='Gregory 2000a'>Grego&shy;ry 2000a</bib>; <bib id='Metzger 2008a'></bib>; <bib id='Mitchell 1994a'></bib>; <bib id='Zimmer 1995a'></bib>; <bib id='Piccolino & Wade 2006a'>Picco&shy;lino & Wade 2006a</bib>; <bib id='Piccolino & Wade 2006b'>Picco&shy;lino & Wade 2006b</bib>).
 
:
 
:
In Situationen des praktischen Lebens ist derartige Instabilität des Wahrnehmens selten. Das schließt nicht aus, dass Momente der umweltbezogenen Wahrnehmung zumindest teils Ausgangspunkt für entsprechende bildnerische Spiele waren und sind.
+
In Situationen des praktischen Lebens ist derar&shy;tige Insta&shy;bili&shy;tät des Wahrneh&shy;mens selten. Das schließt nicht aus, dass Momen&shy;te der umwelt&shy;bezo&shy;genen Wahrneh&shy;mung zumin&shy;dest teils Ausgangs&shy;punkt für entspre&shy;chende bildne&shy;rische Spiele waren und sind.<ref>Rai&shy;ner Schön&shy;ham&shy;mer hat die von ihm 2011 ver&shy;fass&shy;ten Ab&shy;schnit&shy;te die&shy;ses Stich&shy;worts (Ein&shy;lei&shy;tung, «Phä&shy;no&shy;me&shy;no&shy;lo&shy;gie (Ein&shy;gren&shy;zung und Va&shy;ri&shy;an&shy;ten)» und «Psy&shy;cho&shy;lo&shy;gi&shy;sche und neu&shy;ro&shy;wis&shy;sen&shy;schaft&shy;li&shy;che Dis&shy;kus&shy;si&shy;on») pa&shy;ral&shy;lel im Mai 2011 auf der Web&shy;site von [http://psydok.sulb.uni-saarland.de/frontdoor.php?source_opus=2756&la=de «Psy&shy;Dok»] (Voll&shy;text&shy;ser&shy;ver der Vir&shy;tu&shy;el&shy;len Fach&shy;bib&shy;li&shy;o&shy;thek Psy&shy;cho&shy;lo&shy;gie) pub&shy;li&shy;ziert, um sie als Stel&shy;lung&shy;nah&shy;me zu fi&shy;xie&shy;ren: Ei&shy;ni&shy;ge Pas&shy;sa&shy;gen in die&shy;sem Glos&shy;sar&shy;ein&shy;trag hat er aus&shy;drück&shy;lich als Zi&shy;ta&shy;te der ge&shy;nann&shy;ten Pu&shy;bli&shy;ka&shy;ti&shy;on ge&shy;kenn&shy;zeich&shy;net (<bib id='Schönhammer 2011a'>Schön&shy;ham&shy;mer 2011a</bib>).</ref>
  
  
=====Phänomenologie (Eingrenzung und Varianten)<ref>Rainer Schönhammer hat die von ihm 2011 verfassten Abschnitte dieses Stichworts (Einleitung, „Phänomenologie (Eingrenzung und Varianten)“ und „Psychologische und neurowissenschaftliche Diskussion“) parallel im Mai 2011 auf der Website von PsyDok (Volltextserver der Virtuellen Fachbibliothek Psychologie) publiziert
+
==Phänomenologie (Eingren&shy;zung und Vari&shy;anten)==
(http://psydok.sulb.uni-saarland.de/frontdoor.php?source_opus=2756&la=de), um sie als Stellungnahme zu fixieren: einige Passagen im Glossareintrag hat er ausdrücklich als Zitate der genannten Publikation gekennzeichnet (Schönhammer, 2011).</ref> =====
 
Oft werden Kippbilder in drei Typen unterteilt<ref>So bei <bib id='Rock 1985a'></bib>, an dem sich viele Autoren orientieren <bib id='Nänni 2008a'></bib>.</ref>: 1) Umspringen von „Figur und Grund“, 2) Ambivalenz von „Bedeutung“ und 3) Mehrdeutigkeit perspektivischer Darstellungen. Diese Typologie ist zwar nicht umfassend und in gewisser Weise sogar irreführend, aber gleichwohl ein brauchbarer erster Zugang.
 
  
[[Datei:Rubin-1.png|thumb|Abbildung 1]]
+
Oft werden Kippbilder in drei Typen unter&shy;teilt:<ref>So bei <bib id='Rock 1985a'></bib>, an dem sich vie&shy;le Au&shy;to&shy;ren ori&shy;en&shy;tie&shy;ren (<bib id='Nänni 2008a'>Nän&shy;ni 2008a</bib>).</ref> 1) Umsprin&shy;gen von [[Figur/Grund-Differenzierung|''Figur'' und ''Grund'']], 2) Ambi&shy;valenz von [[Semantik|''Bedeu&shy;tung'']] und 3) Mehrdeu&shy;tigkeit [[Perspektive und Projektion|perspek&shy;tivi&shy;scher]] Darstel&shy;lungen. Diese Typo&shy;logie ist zwar nicht umfas&shy;send und in gewis&shy;ser Weise sogar irre&shy;führend, aber gleichwohl ein brauchba&shy;rer erster Zugang.
<br>
 
1) Umspringen von „Figur und Grund“. Berühmtestes Beispiel ist der Kelch, dessen Umrisse als zwei einander zugewandte menschliche Profile gesehen werden können. Unter Psychologen ist dieses Kippbild als „Rubinscher Becher“ oder „Rubinsche Vase“ geläufig; der dänische Psychologe Edgar Rubin hatte dieses Motiv, das zuvor schon in der graphischen Kunst benutzt worden war<ref><bib id='Hofmann 2000a'></bib>, <bib id='Piccolino & Wade 2006a'></bib> sowie <bib id='Sander 1962a'></bib> nennen Beispiele aus dem späten 18. und dem frühen 19. Jh.</ref>, zu Beginn des 20. Jh. aufgegriffen<ref>in Studien, die er zwischen 1912 und 1914 bei G. E. Müller in Göttingen durchführte und 1915 in Buchform publizierte  (2. Aufl.1921)</ref> (vgl. Abb. 1). Von Kippen kann man hier sprechen, weil die Konturlinie entweder den Profilen zugehört oder dem Kelch: Sieht man die Profile, hat sich die weiße Fläche in Hintergrund verwandelt; nimmt man den Kelch wahr, sieht man keine Schattenrisse von menschlichen Gesichtern, sondern nur dunklen Hintergrund, der sich hinter dem verschnörkelten Gefäß fortsetzt.  
 
  
[[Datei:Rubin-2.png|thumb|Abbildung 2]]
+
===Umspringen von »Figur« und »Grund«===
Figur/Objekt und (Hinter-)Grund können auch bei eher sinnfreien Linien/Flächengrenzen ineinander umschlagen. Derartige Beispiele standen im Mittelpunkt von Rubins Untersuchungen (Abb. 2).  
+
[[Datei:Rubin-1.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 1]]
 +
Be&shy;rühm&shy;tes&shy;tes Bei&shy;spiel für die&shy;sen Ty&shy;pus ist der Kelch, des&shy;sen Um&shy;ris&shy;se als zwei ein&shy;an&shy;der zu&shy;ge&shy;wand&shy;te mensch&shy;li&shy;che Pro&shy;fi&shy;le ge&shy;se&shy;hen wer&shy;den kön&shy;nen. Un&shy;ter Psy&shy;cho&shy;lo&shy;gen ist die&shy;ses Kipp&shy;bild als ‘Ru&shy;bin&shy;scher Be&shy;cher’ oder ‘Ru&shy;bin&shy;sche Va&shy;se’ ge&shy;läu&shy;fig; der dä&shy;ni&shy;sche Psy&shy;cho&shy;lo&shy;ge Ed&shy;gar Ru&shy;bin hat&shy;te die&shy;ses Mo&shy;tiv, das zu&shy;vor schon in der gra&shy;phi&shy;schen Kunst be&shy;nutzt wor&shy;den war,<ref><bib id='Hofmann 2000a'>Hof&shy;mann 2000a</bib>, <bib id='Piccolino & Wade 2006a'>Pic&shy;co&shy;li&shy;no & Wa&shy;de 2006a</bib> so&shy;wie <bib id='Sander 1962a'>San&shy;der 1962a</bib> nen&shy;nen Bei&shy;spie&shy;le aus dem spä&shy;ten 18. und dem frü&shy;hen 19. Jh.</ref> zu Beginn des 20. Jh. aufge&shy;griffen<ref>in Stu&shy;dien, die er zwi&shy;schen 1912 und 1914 bei G. E. Mül&shy;ler in Göt&shy;tin&shy;gen durch&shy;führ&shy;te und 1915 in Buch&shy;form pu&shy;bli&shy;zier&shy;te (2. Aufl. 1921)</ref> (vgl. Abb. 1). Von ‘Kippen’ kann man hier sprechen, weil die Kontur&shy;linie entwe&shy;der den Profi&shy;len zuge&shy;hört oder dem Kelch: Sieht man die Profi&shy;le, hat sich die weiße Fläche in Hinter&shy;grund verwan&shy;delt; nimmt man den Kelch wahr, sieht man keine Schatten&shy;risse von menschli&shy;chen Gesich&shy;tern, sondern nur dunklen Hinter&shy;grund, der sich hinter dem verschnör&shy;kelten Gefäß fortsetzt.
 +
:
 +
[[Datei:Rubin-2.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 2]]
 +
Fi&shy;gur/Ob&shy;jekt und (Hin&shy;ter-)&#8203;Grund kön&shy;nen auch bei eher sinn&shy;frei&shy;en Li&shy;ni&shy;en/Flä&shy;chen&shy;gren&shy;zen in&shy;ein&shy;an&shy;der um&shy;schla&shy;gen. Der&shy;ar&shy;ti&shy;ge Bei&shy;spie&shy;le stan&shy;den im Mit&shy;tel&shy;punkt von Ru&shy;bins Un&shy;ter&shy;su&shy;chun&shy;gen (Abb. 2).  
 +
:
 +
[[Datei:3.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 3]]
 +
Die Un&shy;ter&shy;schei&shy;dung von »Fi&shy;gur« und »Grund«, die man als Be&shy;trach&shy;ter von nicht&shy;per&shy;spek&shy;ti&shy;vi&shy;schen zwei&shy;di&shy;men&shy;si&shy;o&shy;na&shy;len Dar&shy;stel&shy;lun&shy;gen vor&shy;nimmt, de&shy;mons&shy;triert, wie stark man da&shy;zu neigt, drei&shy;di&shy;men&shy;si&shy;o&shy;na&shy;le Ver&shy;hält&shy;nis&shy;se (»vor«
 +
vs.
 +
»hin&shy;ter«) in Bil&shy;der hi&shy;nein&shy;zu&shy;se&shy;hen. Bereits da, wo nur eine schlichte Linie eine Fläche teilt (Abb. 3), sehen wir leicht eine der beiden Teilflä&shy;chen vor der ande&shy;ren.<ref>Oder – als drit&shy;te Mög&shy;lich&shy;keit – die Li&shy;nie als Kör&shy;per (oder kör&shy;per&shy;li&shy;che Leer&shy;stel&shy;le); al&shy;so et&shy;wa ei&shy;nen Fa&shy;den/&#8203;ei&shy;ne Schlan&shy;ge auf/&#8203;vor dem Grund bzw. ei&shy;ne Rit&shy;ze in ei&shy;ner Flä&shy;che.</ref>
 +
:
 +
[[Datei:4.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 4: Ru&shy;bins Ab&shy;bil&shy;dung von (1921) be&shy;schnit&shy;ten]]
 +
[[Datei:5.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 5: Ru&shy;bins Ab&shy;bil&shy;dung von (1921) mo&shy;di&shy;fi&shy;ziert]]
 +
[[Gestalt|Ge&shy;stalt]]psy&shy;cho&shy;lo&shy;gen ha&shy;ben sich ein&shy;ge&shy;hend mit der Fra&shy;ge be&shy;schäf&shy;tigt, wel&shy;che ab&shy;strak&shy;ten Qua&shy;li&shy;tä&shy;ten von Li&shy;ni&shy;en/&#8203;Flä&shy;chen das Sehen als Fi&shy;gur na&shy;he le&shy;gen (<bib id='Metzger 2008a'>Metz&shy;ger 2008a</bib>). Man&shy;che der zahl&shy;rei&shy;chen Va&shy;ri&shy;a&shy;ti&shy;o&shy;nen der Dar&shy;stel&shy;lung von Ru&shy;bins Be&shy;cher ma&shy;chen Fak&shy;to&shy;ren der Fi&shy;gur&shy;bil&shy;dung deut&shy;lich; schnei&shy;det man bei&shy;spiels&shy;wei&shy;se Ru&shy;bins Ori&shy;gi&shy;nal an der obe&shy;ren und un&shy;te&shy;ren Kan&shy;te des Kelchs ho&shy;ri&shy;zon&shy;tal ab, so sprin&shy;gen die Pro&shy;fi&shy;le leich&shy;ter ins Au&shy;ge als in der ur&shy;sprüng&shy;li&shy;chen Kon&shy;stel&shy;la&shy;ti&shy;on (um&shy;schlie&shy;ßen&shy;de Flä&shy;chen wer&shy;den eher als Grund ge&shy;se&shy;hen, Abb. 4), ein Tausch von hell und dun&shy;kel wirkt die&shy;ser Ten&shy;denz wie&shy;de&shy;rum ent&shy;ge&shy;gen (dunk&shy;le&shy;re Flä&shy;chen sieht man be&shy;vor&shy;zugt als Fi&shy;gur, Abb. 5).
 +
:
 +
[[Datei:6.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 6]]
  
[[Datei:3.png|thumb|Abbildung 3]]
+
:
Die Unterscheidung von „Figur“ und „Grund“, die man als Betrachter von nichtperspektivischen zweidimensionalen Darstellungen vornimmt, demonstriert, wie stark man dazu neigt, dreidimensionale Verhältnisse („vor“ vs. „hinter“) in Bilder hineinzusehen. Bereits da, wo nur eine schlichte Linie eine Fläche teilt (Abb. 3), sehen wir leicht eine der beiden Teilflächen vor der anderen<ref>Oder – als dritte Möglichkeit – die Linie als Körper (oder körperliche Leerstelle); also etwa einen Faden/eine Schlage auf/vor dem Grund bzw. eine Ritze in einer Fläche</ref>.  
+
:''Das eben&shy;falls re&shy;la&shy;tiv be&shy;kann&shy;te Bild ei&shy;ner Land&shy;schaft, in der sich die Um&shy;ris&shy;se ''Na&shy;po&shy;le&shy;ons''/&#8203;''ei&shy;nes  Ka&shy;pi&shy;täns'' – vom cha&shy;rak&shy;te&shy;ris&shy;ti&shy;schen Hut bis zu den Fü&shy;ßen – ver&shy;ste&shy;cken (z.B. in <bib id='Gregory 2000a'>Gre&shy;go&shy;ry 2000a</bib>, Abb. 6), funk&shy;ti&shy;o&shy;niert nur be&shy;dingt als Kipp&shy;fi&shy;gur. Hat man die Um&shy;ris&shy;se, die für den Mann ste&shy;hen, erst ein&shy;mal ent&shy;deckt, ist ein Um&shy;schla&shy;gen von Fi&shy;gur und Grund zwar in&shy;so&shy;fern nicht aus&shy;ge&shy;schlos&shy;sen, als man ab&shy;wech&shy;selnd die Sil&shy;hou&shy;et&shy;te des Man&shy;nes vor ei&shy;nem di&shy;cken Baum oder aber Bäu&shy;me/&#8203;Baum&shy;strün&shy;ke und ei&shy;nen lee&shy;ren Zwi&shy;schen&shy;raum se&shy;hen kann. Aber nicht nur bei breit (auf die ''To&shy;ta&shy;le'') ein&shy;ge&shy;stell&shy;ter [[Aufmerksamkeit|Auf&shy;merk&shy;sam&shy;keit]] kann man Land&shy;schaft und Per&shy;son zu&shy;gleich se&shy;hen; es ist auch mög&shy;lich, si&shy;mul&shy;tan ge&shy;wun&shy;de&shy;ne dün&shy;ne Baum&shy;stäm&shy;me und die von ih&shy;ren Kon&shy;tu&shy;ren ge&shy;form&shy;te Sil&shy;hou&shy;et&shy;te zu se&shy;hen, al&shy;so zwei so&shy;zu&shy;sa&shy;gen sym&shy;bi&shy;o&shy;ti&shy;sche Fi&shy;gu&shy;ren. Die&shy;ses ''[[Vexierbild|Ve&shy;xier&shy;bild]]'' funk&shy;ti&shy;o&shy;niert – wie viele ande&shy;re auch deshalb gut als ''Bilder&shy;rätsel'', weil es in die rela&shy;tiv detail&shy;reiche Darstel&shy;lung einer realis&shy;tischen Szene&shy;rie in unwahr&shy;scheinli&shy;cher Weise Anzei&shy;chen eines bedeut&shy;samen Objek&shy;tes (meist eines Menschen oder ande&shy;ren Lebe&shy;wesens) konstru&shy;iert. Ist der Betrach&shy;ter erst einmal über diese Andeu&shy;tungen gestol&shy;pert, springt aus dem Hinter&shy;grund der ursprüng&shy;lichen Figur (hier: Baumgrup&shy;pe in Land&shy;schaft) ein Objekt in die Szene, ohne diese dabei auszu&shy;löschen. Das Konstruk&shy;tionsprin&shy;zip solcher Vexier- oder Rätsel&shy;bilder sorgt eher für einma&shy;lige Über&shy;raschung als fortge&shy;setztes Kippen.'' (<bib id='Schönhammer 2011a'>Schön&shy;hammer 2011a</bib>: S. 4)
  
[[Datei:4.png|thumb|Abbildung 4: Rubins Abbildung von (1921) beschnitten]]  
+
===Ambivalenz von Bedeu&shy;tungen (seman&shy;tisch ambi&shy;valen&shy;te Bilder)===
[[Datei:5.png|thumb|Abbildung 5: Rubins Abbildung von (1921) modifiziert]] Gestaltpsychologen haben sich eingehend mit der Frage beschäftigt, welche abstrakten Qualitäten von Linien/Flächen das Sehen als Figur nahe legen (<bib id='Metzger 2008a'></bib>). Manche der zahlreichen Variationen der Darstellung von Rubins Becher machen Faktoren der Figurbildung deutlich; schneidet man beispielsweise Rubins Original an der oberen und unteren Kante des Kelchs horizontal ab, so springen die Profile leichter ins Auge als in der ursprünglichen Konstellation (umschließende Flächen werden eher als Grund gesehen, Abb. 4), ein Tausch von hell und dunkel wirkt dieser Tendenz wiederum entgegen (dunklere Flächen sieht man bevorzugt als Figur, Abb. 5).
+
Diese nicht sehr glückliche Kate&shy;gori&shy;sierung – um unter&shy;schiedli&shy;che Bedeu&shy;tungen handelt es sich bei zwei- oder mehrdeu&shy;tigen Bildern immer – bezieht sich auf Vorla&shy;gen, bei denen man abwech&shy;selnd die Darstel&shy;lung verschie&shy;dener Objek&shy;te sehen kann, ohne dass dabei unbe&shy;dingt ein Figur-Grund-Wechsel betei&shy;ligt wäre. Man könnte also vielleicht besser von ‘Gesich&shy;terwech&shy;sel der Figur’ sprechen. Die Rede vom Gesich&shy;terwech&shy;sel charak&shy;teri&shy;siert diesen Unter&shy;typus von Kippbil&shy;dern nicht nur im über&shy;trage&shy;nen Sinn – die nämli&shy;che Figur (im Sinne der gestalt&shy;psycho&shy;logi&shy;schen Unter&shy;scheidung von »Figur« und
 +
»Grund«) evo&shy;ziert unter&shy;schiedli&shy;che Objek&shy;te – sondern auch inso&shy;fern, als es hier in der Regel um Bilder geht, bei denen tatsäch&shy;lich oft abwech&shy;selnd unter&shy;schiedli&shy;che Gesich&shy;ter (und/&#8203;oder Körper) von Menschen oder ande&shy;ren Tieren aus einer Figur hervor&shy;treten (manchmal sind das Gesich&shy;ter/&#8203;Körper der nämli&shy;chen Gattung, manchmal wechselt die Gattung; auch Darstel&shy;lungen menschli&shy;cher Toten&shy;köpfe sind verbrei&shy;tet)<ref>Nur aus&shy;nahms&shy;wei&shy;se wird das in der For&shy;schungs&shy;li&shy;te&shy;ra&shy;tur re&shy;flek&shy;tiert (wie bei <bib id='Stoesz 2008a'></bib>, die Kipp&shy;fi&shy;gu&shy;ren im Hin&shy;blick auf die Be&shy;son&shy;der&shy;hei&shy;ten der Ge&shy;sichts&shy;wahr&shy;neh&shy;mung bei au&shy;tis&shy;ti&shy;schen Kin&shy;dern un&shy;ter&shy;suchte).</ref>. (<bib id='Schönhammer 2011a'>Schön&shy;hammer 2011a</bib>: S. 4f)
 +
:
 +
[[Datei:7.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 7]]
 +
Be&shy;rühm&shy;te Bei&shy;spie&shy;le für Ge&shy;sich&shy;ter-Kipp&shy;bil&shy;der tauch&shy;ten zu&shy;nächst im 19. und frü&shy;hen 20. Jh. in hu&shy;mo&shy;ris&shy;ti&shy;schen Pu&shy;b&shy;li&shy;ka&shy;ti&shy;o&shy;nen auf und ha&shy;ben heu&shy;te ei&shy;nen fes&shy;ten Platz in psy&shy;cho&shy;lo&shy;gi&shy;schen Lehr&shy;bü&shy;chern und po&shy;pu&shy;lär&shy;wis&shy;sen&shy;schaft&shy;li&shy;chen Dar&shy;stel&shy;lun&shy;gen spek&shy;ta&shy;ku&shy;lä&shy;rer Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;phä&shy;no&shy;me&shy;ne. Be&shy;son&shy;ders pro&shy;mi&shy;nent ist je&shy;ner Kopf, der auf den ers&shy;ten Blick meist als der einer En&shy;te ge&shy;se&shy;hen wird, aber auch in den ei&shy;nes Ha&shy;sen um&shy;schla&shy;gen kann (Abb. 7).<ref>Zah&shy;len zur Iden&shy;ti&shy;fi&shy;ka&shy;ti&shy;on auf den ers&shy;ten Blick bei <bib id='Brugger & Brugger 1993a'>Brug&shy;ger & Brug&shy;ger 1993a</bib>; <bib id='Brugger 1999a'>Brug&shy;ger 1999a</bib> hat wei&shy;ter Pro&shy;ban&shy;den bei 12 im Um&shy;lauf be&shy;find&shy;li&shy;chen Va&shy;ri&shy;an&shy;ten des Bil&shy;des auf ei&shy;ner Ska&shy;la ein&shy;schät&shy;zen las&shy;sen, wie leicht sie En&shy;te (bzw. ei&shy;nen Vo&shy;gel) oder Ha&shy;sen se&shy;hen kön&shy;nen.</ref> Der in Harvard lehren&shy;de Psycho&shy;loge Jastrow hatte den Enten-Hasen-Kopf am Über&shy;gang zum 20. Jh. in die wissen&shy;schaftli&shy;che Diskus&shy;sion einge&shy;bracht (<bib id='Brugger 1999a'></bib>). Eini&shy;ge Bemer&shy;kungen im Spätwerk Ludwig Wittgen&shy;steins (siehe [[#Philosophische Diskussion|unten]]) haben diese Gesich&shy;terkipp&shy;figur gewis&shy;serma&shy;ßen philo&shy;sophisch geadelt.
 +
:
 +
[[Datei:8.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 8]]
 +
Ein wei&shy;te&shy;res so&shy;zu&shy;sa&shy;gen klas&shy;si&shy;sches Kipp&shy;bild ver&shy;eint die An&shy;sicht ei&shy;ner al&shy;ten Frau (im ganz leicht dem Be&shy;trach&shy;ter zu&shy;ge&shy;wand&shy;ten Pro&shy;fil) mit der [[Gesichtsdarstellung|Dar&shy;stel&shy;lung des Ge&shy;sichts]] ei&shy;ner jun&shy;gen Frau, das vom Be&shy;trach&shy;ter drei&shy;vier&shy;tel ab&shy;ge&shy;wandt ist (Abb. 8);<ref>Ur&shy;sprüng&shy;lich ein&shy;ge&shy;führt als «my wife and my mother in law»; die&shy;se Kon&shy;struk&shy;ti&shy;on wur&shy;de auch mit männ&shy;li&shy;chen Zü&shy;gen/&#8203;At&shy;tri&shy;bu&shy;ten re&shy;a&shy;li&shy;siert.</ref> wie beim En&shy;ten- vs. Ha&shy;sen&shy;kopf schlie&shy;ßen sich bei&shy;de Sicht&shy;wei&shy;sen aus.
 +
:
 +
[[Datei:9.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 9]]
 +
Manch&shy;mal ist ein par&shy;ti&shy;el&shy;ler Fi&shy;gur-Grund-Wech&shy;sel in die Me&shy;ta&shy;mor&shy;pho&shy;se der Fi&shy;gur ein&shy;be&shy;zo&shy;gen. So er&shy;scheint im Kipp&shy;bild «Rat&shy;te vs. Mann mit Bril&shy;le» (Abb. 9) ein Be&shy;reich ein&shy;mal als Grund zwi&shy;schen Kör&shy;per und Schwanz der Rat&shy;te und wird mit dem Um&shy;schla&shy;gen zur Wan&shy;ge des Man&shy;nes.
 +
:
 +
[[Datei:10.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 10]]
 +
:
 +
:''Ähn&shy;lich ver&shy;hält es sich bei der Gra&shy;fik «Sa&shy;ra Na&shy;der» (Abb. 10) aus der Fe&shy;der des ame&shy;ri&shy;ka&shy;ni&shy;schen Psy&shy;cho&shy;lo&shy;gen Ro&shy;ger N. She&shy;pard (<bib id='Shepard 1990a'>She&shy;pard 1990a</bib>: S. 76).<ref>Va&shy;ri&shy;an&shy;ten u.a. mit Um&shy;kehr von hell und dun&shy;kel fin&shy;den sich dort auf den Sei&shy;ten 140f.</ref> Al&shy;ler&shy;dings kann man bei die&shy;sem Bild bei&shy;de Seh&shy;wei&shy;sen – Sa&shy;xo&shy;phon&shy;spie&shy;ler und en face Por&shy;trät einer Frau – gleich&shy;zei&shy;tig wahr&shy;neh&shy;men, was wohl da&shy;her rührt, dass je&shy;ne Flä&shy;chen, die ei&shy;nes der bei&shy;den Au&shy;gen, den Mund und den Na&shy;sen&shy;flü&shy;gel des weib&shy;li&shy;chen Ge&shy;sichts an&shy;zei&shy;gen, ent&shy;we&shy;der iso&shy;liert vom Schat&shy;ten&shy;riss des Sa&shy;xo&shy;phon&shy;spie&shy;lers sind (Au&shy;ge) oder sich nicht zwin&shy;gend in die Ein&shy;heit von Mann und In&shy;stru&shy;ment fü&shy;gen (Mund, Na&shy;sen&shy;flü&shy;gel). Man kann so&shy;gar auch noch gleich&shy;zei&shy;tig ge&shy;wah&shy;ren, dass das so&shy;zu&shy;sa&shy;gen frei&shy;schwe&shy;ben&shy;de Au&shy;ge ei&shy;nen Vo&shy;gel dar&shy;stellt. So&shy;fern die Auf&shy;merk&shy;sam&shy;keit nicht zu sehr auf ei&shy;nes der drei “Ge&shy;sich&shy;ter” (Mann, Frau, Vo&shy;gel) fo&shy;kus&shy;siert, ma&shy;chen die&shy;se sich den Platz im Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;akt nicht strei&shy;tig.'' (<bib id='Schönhammer 2011a'>Schön&shy;hammer 2011a</bib>: S. 6)
 +
:
 +
:''&shy;''Gesichter-Kippbilder'' sind also von Bildern zu unter&shy;scheiden, die Darste&shy;llungen mehre&shy;rer Gesich&shy;ter bzw. Körper bergen, welche zwar womög&shy;lich – im Sinne eines Bilder&shy;rätsels – nicht alle sofort gese&shy;hen werden und auch dann, wenn sie einmal entdeckt wurden, abwech&shy;selnd ins Zentrum der Aufmerk&shy;samkeit treten können, deren gleichzei&shy;tige Wahrneh&shy;mung aber nicht ausge&shy;schlossen ist. Nur dann, wenn die wesent&shy;lichen Anzei&shy;chen für die konkur&shy;rieren&shy;den Gesich&shy;ter in der jewei&shy;ligen Alter&shy;native einen sinnvol&shy;len Platz finden, schlägt die Wahrneh&shy;mung um. Ansons&shy;ten kann man eben zwei oder mehre&shy;re Gesich&shy;ter/Kör&shy;per zugleich sehen, ob sie nun mehr oder weni&shy;ger gleichbe&shy;rechtigt neben&shy;einan&shy;der stehen oder in eine hierar&shy;chische Bezie&shy;hung zuein&shy;ander gesetzt sind (wie beispiels&shy;weise da, wo kleine Darstel&shy;lungen von Menschen nach Art der Jahres&shy;zeiten-Gemäl&shy;de von Arcim&shy;boldo Partien eines Porträts bilden).<ref>Bei&shy;spie&shy;le et&shy;wa bei <bib id='Haken 1995a'>Ha&shy;ken 1995a</bib>: S. 40; <bib id='Ditzinger 2006a'>Dit&shy;zin&shy;ger 2006a</bib>: S. 92; und – oft oh&shy;ne Quel&shy;len&shy;an&shy;ga&shy;ben – bei Hob&shy;by&shy;samm&shy;lern im In&shy;ter&shy;net.</ref>'' (<bib id='Schönhammer 2011a'>Schön&shy;hammer 2011a</bib>: S. 6)
 +
:
 +
Bilder, die in Arcimboldos Manier Gesichter und Körper zu einem über&shy;geord&shy;neten Gesicht (oder eben Toten&shy;kopf) zusam&shy;menstel&shy;len, legen einen Wechsel der Fokus&shy;sierung nahe, ohne im strengen Sinn Kippbil&shy;der zu sein.<ref>Zum si&shy;mul&shy;ta&shy;nen Se&shy;hen von Ele&shy;men&shy;ten und Por&shy;trait bei Ar&shy;cim&shy;bol&shy;do vgl. <bib id='Niederée & Heyer 2003a'>Nie&shy;de&shy;rée & Hey&shy;er 2003a</bib>: S. 98)</ref> Diese Verschie&shy;bung von Akzen&shy;ten der Betrach&shy;tung ist einem Wechsel der Aufmerk&shy;samkeit vergleich&shy;bar, wie man ihn vornimmt, wenn man sich auf Details eines Bildes konzen&shy;triert oder gar die Pinsel&shy;striche (allge&shy;mein: Merkma&shy;le der Darstel&shy;lungswei&shy;se) fokus&shy;siert. Selbst wenn man bei der Unter&shy;suchung der Ober&shy;fläche eines Bildes für Momen&shy;te das Darge&shy;stellte völlig ausklam&shy;mert, fehlt hier – wie auch beim Fokus&shy;wechsel bei Bilder&shy;rätseln – das typi&shy;sche Erleb&shy;nis verblüf&shy;fenden Hin-und-her-Kippens (⊳ [[Bild in reflexiver Verwendung|Bild in refle&shy;xiver Verwen&shy;dung]]).
 +
:
 +
:''Wenn Ernst Gombrich den Übergang von Sehen des [[Bildinhalt|Bildin&shy;halts]] zu einem radi&shy;kal auf die Malwei&shy;se gerich&shy;teten kunstwis&shy;senschaft&shy;lichen Blick mit dem Kippbild&shy;erleb&shy;nis gleichsetzt (<bib id='Gombrich 2002a'></bib>), was der Kunsttheo&shy;retiker Richard Wollheim aus verschie&shy;denen Gründen in Frage stellte (siehe [[#Psychologische und neurowissenschaftliche Diskussion|unten]]), wird er u. a. der Tatsa&shy;che nicht gerecht, dass das Kippen zwar auch durch Konzen&shy;tration aktiv beein&shy;flusst werden kann, aber – anders als eine ausblen&shy;dende Vertie&shy;fung in die Darstel&shy;lungswei&shy;se – immer als Wider&shy;fahrnis erlebt wird (dieser jeder&shy;zeit indi&shy;vidu&shy;elle über&shy;prüfba&shy;re Befund wird auch durch Ergeb&shy;nisse der expe&shy;rimen&shy;tellen Forschung bestä&shy;tigt; siehe [[#Ergebnisse|unten]]). Frei nach Lichten&shy;berg: Kippbil&shy;der vermit&shy;teln das Erleb&shy;nis ‘Es sieht!’.'' (<bib id='Schönhammer 2011a'>Schönham&shy;mer 2011a</bib>: S. 7)
  
[[Datei:6.png|thumb|Abbildung 6]]
+
===Perspektivische Mehrdeutig&shy;keit===
 +
Zweidimensionale [[Perspektive und Projektion|Projektionen]] drei&shy;dimen&shy;siona&shy;ler Körper, also beispiels&shy;weise perspek&shy;tivi&shy;sche Darstel&shy;lung von Kristal&shy;len, sind objek&shy;tiv vieldeu&shy;tig. Grundsätz&shy;lich kann ja schon jede auf ein Blatt gezeich&shy;nete Linie für zahllo&shy;se Neigun&shy;gen eines Stabes (oder eben einer Kante) in die Tiefe des Raumes stehen. Die verschie&shy;densten Körper führen also zur nämli&shy;chen Projek&shy;tion. Unge&shy;achtet der unend&shy;lich vielen mögli&shy;chen drei&shy;dimen&shy;siona&shy;len Konstel&shy;latio&shy;nen, die hinter einem solchen Bild stehen können, drängen sich dem Wahrneh&shy;men nur weni&shy;ge auf. Das ist per se bemer&shy;kenswert. Zu den „Lebens&shy;gewohn&shy;heiten des Gesichts&shy;sinnes“ (<bib id='Mach 1987a'>Mach 1987a</bib>: S. 147) gehört es offen&shy;bar, dass uns die Mehrzahl der mögli&shy;chen 3D-Sicht&shy;weisen von Zeichnun&shy;gen nicht in den Sinn kommen.
 +
:
 +
[[Datei:11.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 11]]
 +
Ei&shy;ne Zeich&shy;nung (Abb. 11), in der wir spon&shy;tan die Pro&shy;jek&shy;ti&shy;on ei&shy;nes Git&shy;ter-Wür&shy;fels aus&shy;ma&shy;chen (mö&shy;gen auch an&shy;de&shy;re Kör&shy;per zum näm&shy;li&shy;chen Bild füh&shy;ren), bleibt al&shy;ler&shy;dings auch im Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;akt mehr&shy;deu&shy;tig: In der Re&shy;gel kippt die An&shy;sicht der un&shy;ver&shy;än&shy;der&shy;ten Vor&shy;la&shy;ge zwi&shy;schen zwei un&shy;ter&shy;schied&shy;lich im Raum ge&shy;la&shy;ger&shy;ten Wür&shy;feln hin und her, sieht man, an&shy;ders ge&shy;sagt, Ecken vor- bzw. zu&shy;rück&shy;sprin&shy;gen. Die&shy;se Kipp&shy;fi&shy;gur ist un&shy;ter der Be&shy;zeich&shy;nung ‘Ne&shy;cker-Wür&shy;fel’ ge&shy;läu&shy;fig; be&shy;nannt nach je&shy;nem Schwei&shy;zer Geo&shy;lo&shy;gen und Kris&shy;tal&shy;lo&shy;gra&shy;phen, der das Kip&shy;pen beim Be&shy;trach&shy;ten von durch&shy;sich&shy;ti&shy;gen Kan&shy;ten&shy;dar&shy;stel&shy;lun&shy;gen von Kris&shy;tall&shy;for&shy;men im Jahr 1832 schrift&shy;lich fest&shy;ge&shy;hal&shy;ten hat&shy;te (vgl. <bib id='Wade et al. 2010a'></bib>).
 +
:
 +
[[Datei:12.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 12]]
 +
[[Datei:13.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 13]]
 +
[[Datei:14.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 14]]
 +
Als ‘Machs Buch’ (Abb. 12) wird die Ver&shy;bin&shy;dung zwei&shy;er Pa&shy;ral&shy;le&shy;lo&shy;gram&shy;me be&shy;zeich&shy;net, die in der Re&shy;gel zu&shy;nächst als ge&shy;öff&shy;ne&shy;tes “Buch” (bzw. “ge&shy;knick&shy;te Kar&shy;te”) ge&shy;se&shy;hen wird,<ref>Un&shy;ge&shy;ach&shy;tet der Tat&shy;sa&shy;che, dass die Pa&shy;ral&shy;le&shy;li&shy;tät der per&shy;spek&shy;ti&shy;vi&shy;schen Ver&shy;zer&shy;rung, die bei ei&shy;nem in die Tie&shy;fe ge&shy;neig&shy;ten Recht&shy;eck auf&shy;trä&shy;te, wi&shy;der&shy;spricht.</ref> das (die) dem Be&shy;trach&shy;ter den Rü&shy;cken zu&shy;wen&shy;det. Al&shy;ter&shy;na&shy;tiv blickt man in das auf&shy;ge&shy;schla&shy;ge&shy;ne Buch hin&shy;ein (<bib id='Mach 1987a'>Mach 1987a</bib>).
 +
:
 +
Ei&shy;ne Rei&shy;he von schräg an&shy;ge&shy;ord&shy;ne&shy;ten Knick&shy;fi&shy;gu&shy;ren er&shy;gibt die ''Schrö&shy;der&shy;sche Trep&shy;pe'' (Abb. 13), bei der Un&shy;ter&shy;sicht und Auf&shy;sicht in&shy;ein&shy;an&shy;der um&shy;schla&shy;gen kön&shy;nen. Netz&shy;wer&shy;ke von Pa&shy;ral&shy;le&shy;lo&shy;gram&shy;men (Abb. 14) er&shy;schei&shy;nen als Tex&shy;tu&shy;ren von Qua&shy;dern/&#8203;Wür&shy;feln, deren Ecken man mal nach in&shy;nen, mal au&shy;ßen sprin&shy;gen sieht – ein Mo&shy;tiv, das sich in grie&shy;chi&shy;schen und rö&shy;mi&shy;schen Mo&shy;sa&shy;i&shy;ken fin&shy;det und auch bei Mö&shy;bel&shy;fur&shy;nie&shy;ren vor&shy;kommt (<bib id='Gregory 2000a'>Gre&shy;go&shy;ry 2000a</bib>).
 +
:
 +
Per&shy;spek&shy;ti&shy;vi&shy;sche Mehr&shy;deu&shy;tig&shy;keit hat Kon&shy;se&shy;quen&shy;zen für die Wahr&shy;neh&shy;mung von Be&shy;we&shy;gung: Bei ein&shy;äu&shy;gi&shy;ger Be&shy;trach&shy;tung tritt die plötz&shy;li&shy;che Um&shy;stül&shy;pung auch bei ei&shy;nem Draht&shy;wür&shy;fel auf;<ref>Wenn man den Blick ins Un&shy;end&shy;li&shy;che rich&shy;tet, al&shy;so durch die Draht&shy;plas&shy;tik hin&shy;durch&shy;starrt, führt auch das Se&shy;hen mit bei&shy;den Au&shy;gen re&shy;la&shy;tiv si&shy;cher zum Er&shy;folg.</ref> dreht sich das Ge&shy;bil&shy;de, so kehrt sich mit dem Um&shy;sprin&shy;gen die wahr&shy;ge&shy;nom&shy;me&shy;ne Dreh&shy;rich&shy;tung um.<ref>Be&shy;wegt sich um&shy;ge&shy;kehrt der Be&shy;trach&shy;ter ge&shy;gen&shy;über dem un&shy;be&shy;weg&shy;ten Wür&shy;fel, so scheint die Plas&shy;tik wäh&shy;rend der il&shy;lu&shy;so&shy;ri&shy;schen Sicht&shy;wei&shy;se – ma&shy;gisch – der Be&shy;we&shy;gung des Be&shy;trach&shy;ters zu fol&shy;gen.</ref> Das ge&shy;schieht auch, wenn man die Pro&shy;jek&shy;ti&shy;on ei&shy;nes ro&shy;tie&shy;ren&shy;den Draht&shy;wür&shy;fels be&shy;trach&shy;tet. Ein Bei&shy;spiel für ei&shy;ne na&shy;tür&shy;li&shy;che Si&shy;tu&shy;a&shy;ti&shy;on, bei der die Bewe&shy;gungsrich&shy;tung in den Augen des Betrach&shy;ters umschla&shy;gen kann, nennt Otto Klemm: „Die Windmüh&shy;le, die man als dunklen Schatten&shy;riß am Hori&shy;zont schräg von der Seite sieht, dreht sich je nach perspek&shy;tivi&shy;scher Vorstel&shy;lung in verschie&shy;dener Richtung.“ (<bib id='Klemm 1919a'>Klemm 1919a</bib>: S. 54) Die Compu&shy;terani&shy;mation [http://en.wikipedia.org/wiki/The_Spinning_Dancer «spinning dancer»] spielt ebenfalls mit einer (weitge&shy;henden) perspek&shy;tivi&shy;schen Äqui&shy;valenz entge&shy;genge&shy;setzter Tiefen&shy;ausrich&shy;tungen von Körpern, von denen man ledig&shy;lich die Silhou&shy;ette sieht.<ref>Wi&shy;der&shy;sprüch&shy;li&shy;che Tie&shy;fen-/&#8203;Rich&shy;tungs&shy;hin&shy;wei&shy;se in der [[Animation|Ani&shy;ma&shy;ti&shy;on]] be&shy;nen&shy;nen <bib id='Troje & McAdam 2010a'>Tro&shy;je & McAdam 2010a</bib>.</ref>
 +
:
  
„Das ebenfalls relativ bekannte Bild einer Landschaft, in der sich die Umrisse „Napoleons“/„eines  Kapitäns“ vom charakteristischen Hut bis zu den Füßen verstecken (z.B. in <bib id='Gregory 2000a'></bib>, Abb. 6), funktioniert nur bedingt als Kippfigur. Hat man die Umrisse, die für den Mann stehen, erst einmal entdeckt, ist ein Umschlagen von Figur und Grund zwar insofern nicht ausgeschlossen, als man abwechselnd die Silhouette des Mannes vor einem dickem Baum oder aber Bäume/Baumstrünke und einen leeren Zwischenraum sehen kann. Aber nicht nur bei breit (auf die „Totale“) eingestellter Aufmerksamkeit kann man Landschaft und Person zugleich sehen; es ist auch möglich, simultan gewundene dünne Baumstämme und die von ihren Konturen geformte Silhouette zu sehen, also zwei sozusagen symbiotische Figuren. Dieses „Vexierbild“ funktioniert – wie viele andere auch – deshalb gut als ''Bilderrätsel'', weil es in die relativ detailreiche Darstellung einer realistischen Szenerie in unwahrscheinlicher Weise Anzeichen eines bedeutsamen Objektes (meist eines Menschen oder anderen Lebewesens) konstruiert. Ist der Betrachter erst einmal über diese Andeutungen gestolpert, springt aus dem Hintergrund der ursprünglichen „Figur“ (hier: Baumgruppe in Landschaft) ein Objekt in die Szene, ohne diese dabei auszulöschen. Das Konstruktionsprinzip solcher Vexier- oder Rätselbilder sorgt eher für einmalige Überraschung als fortgesetztes Kippen.“ (<bib id='Schönhammer 2011'></bib>: S. 4)
+
===Zwischenresümee===
<br>
+
''Räumliche Mehrdeutigkeit'' von Bildern spielt nicht nur da eine Rolle, wo man zwischen Sichtwei&shy;sen perspek&shy;tivi&shy;scher Darstel&shy;lungen springt. Beim Kippen von Figur und Grund wechselt eben&shy;falls die wahrge&shy;nomme&shy;ne räumli&shy;che Posi&shy;tion (vorne/&#8203;hinten). Ohne ein Spiel mit räumli&shy;cher Mehrdeu&shy;tigkeit kommt schließlich auch das ''seman&shy;tische Kippen'' zwischen dem Sehen der jungen vs. alten Frau nicht aus.''<ref>In na&shy;tür&shy;li&shy;chen Si&shy;tu&shy;a&shy;ti&shy;o&shy;nen tre&shy;ten ver&shy;gleich&shy;ba&shy;re Mehr&shy;deu&shy;tig&shy;kei&shy;ten nur un&shy;ter ein&shy;ge&shy;schränk&shy;ten Sicht&shy;be&shy;din&shy;gun&shy;gen auf: et&shy;wa bei der Be&shy;trach&shy;tung weit ent&shy;fern&shy;ter Ob&shy;jek&shy;te/&#8203;Sze&shy;nen. Aus der Nä&shy;he sor&shy;gen in al&shy;ler Re&shy;gel Tie&shy;fen&shy;in&shy;for&shy;ma&shy;ti&shy;o&shy;nen ob sie sich nun dem beid&shy;äu&shy;gi&shy;gen Se&shy;hen oder klei&shy;nen Po&shy;si&shy;ti&shy;ons&shy;wech&shy;seln des Be&shy;trach&shy;ters ver&shy;dan&shy;ken für Ein&shy;deu&shy;tig&shy;keit.</ref>
 +
:
 +
:''Neben räumlicher Mehrdeutigkeit ist offenbar die menschli&shy;che Neigung, bereits in weni&shy;gen Andeu&shy;tungen ein ''Gesicht'' (allge&shy;meiner: die Gestalt eines vertrau&shy;ten ''Lebe&shy;wesens'') auszu&shy;machen (<bib id='Schönhammer 2009a'>Schönham&shy;mer 2009a</bib>), ein Unsi&shy;cherheits- und damit Kippfak&shy;tor. Dieser kann in Verbin&shy;dung mit einer Ambi&shy;valenz von Figur-Grund (Rubins Becher) oder einer der Perspek&shy;tive (junge/&#8203;alte Frau) zum Tragen kommen. Manchmal, wie im Fall des Enten-Hasen-Kopfes, ist er aber offen&shy;bar eigen&shy;ständig wirksam (also auch ange&shy;sichts einer mit beiden Augen aus der Nähe betrach&shy;teten Plastik).<ref>Das gilt für den iso&shy;lier&shy;ten Kopf. Um&shy;fasst die Plas&shy;tik auch ei&shy;nen Kör&shy;per, kann die&shy;ser die Dop&shy;pel&shy;deu&shy;tig&shy;keit un&shy;ter&shy;stüt&shy;zen oder ihr ent&shy;ge&shy;gen ge&shy;rich&shy;tet sein; bei der Klein&shy;plas&shy;tik, die in <bib id='Gregory 1997a'>Gre&shy;go&shy;ry 1997a</bib> ab&shy;ge&shy;bil&shy;det ist, kann un&shy;ter&shy;schied&shy;li&shy;che Auf&shy;stel&shy;lung das Se&shy;hen als ''Ha&shy;se'' oder ''En&shy;te'' for&shy;cie&shy;ren, weil der Kör&shy;per je nach Auf&shy;stel&shy;lung ein&shy;deu&shy;tig zur je&shy;wei&shy;li&shy;gen Aus&shy;rich&shy;tung des Kop&shy;fes passt.</ref>'' (<bib id='Schönhammer 2011a'>Schön&shy;hammer 2011a</bib>: S. 9)
 +
:
  
2) Ambivalenz von „Bedeutungen“ („semantisch ambivalente Bilder“). „Diese nicht sehr glückliche Kategorisierung – um unterschiedliche Bedeutungen handelt es sich bei zwei- oder mehrdeutigen Bildern immer – bezieht sich auf Vorlagen, bei denen man abwechselnd die Darstellung verschiedener Objekte sehen kann, ohne dass dabei unbedingt ein Figur-Grund-Wechsel beteiligt wäre. Man könnte also vielleicht besser von „Gesichterwechsel der Figur“ sprechen. Die Rede vom Gesichterwechsel charakterisiert diesem Untertypus von Kippbildern nicht nur im übertragenen Sinn – die nämliche „Figur“ (im Sinne der gestaltpsychologischen Unterscheidung von Figur und Grund) evoziert unterschiedliche Objekte – sondern auch insofern, als es hier in der Regel um Bilder geht, bei denen tatsächlich oft abwechselnd unterschiedliche Gesichter (und/oder Körper) von Menschen oder anderen Tieren aus einer Figur hervortreten (manchmal sind das Gesichter/Körper der nämlichen Gattung, manchmal wechselt die Gattung; auch Darstellungen menschlicher Totenköpfe sind verbreitet)<ref>Nur ausnahmsweise wird das in der Forschungsliteratur reflektiert (wie bei <bib id='Stoesz 2008a'></bib>, die Kippfiguren im Hinblick auf die Besonderheiten der Gesichtswahrnehmung bei autistischen Kindern untersuchte).</ref>.“ (<bib id='Schönhammer 2011'></bib>: S. 4f)
+
===Weitere Typen von Kippfi&shy;guren===
 
+
[[Datei:15.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 15]]  
[[Datei:7.png|thumb|Abbildung 7]]
+
Ein wei&shy;te&shy;rer Ty&shy;pus von Kipp&shy;bil&shy;dern, bei dem es um räum&shy;li&shy;che Tie&shy;fe geht, sind Bil&shy;der mit Schat&shy;ten&shy;in&shy;di&shy;ka&shy;to&shy;ren, die so&shy;wohl auf kon&shy;ve&shy;xe als auch auf kon&shy;ka&shy;ve Wöl&shy;bun&shy;gen hin&shy;wei&shy;sen kön&shy;nen (Abb. 15); in Lehr&shy;bü&shy;chern wird die&shy;ser As&shy;pekt von Schat&shy;tie&shy;rungs&shy;wahr&shy;neh&shy;mung meist zu&shy;guns&shy;ten ver&shy;meint&shy;lich ein&shy;deu&shy;ti&shy;ger Wöl&shy;bungs&shy;wahr&shy;neh&shy;mung in Ab&shy;hän&shy;gig&shy;keit von der im&shy;pli&shy;zi&shy;ten La&shy;ge der Licht&shy;quel&shy;le (‘Licht von oben’ vs. ‘von un&shy;ten’) ver&shy;nach&shy;läs&shy;sigt (de&shy;mon&shy;striert durch Dre&shy;hung des Bil&shy;des um 180°); bereits die oben bzw. un&shy;ten an&shy;ge&shy;deu&shy;te&shy;ten Schat&shy;ten schlie&shy;ßen in&shy;des&shy;sen ein Kip&shy;pen zwi&shy;schen konve&shy;xem und konka&shy;vem Eindruck nicht aus, dreht man die Demon&shy;strations&shy;beispie&shy;le um 90°, verla&shy;gert also das Hellig&shy;keitsge&shy;fälle auf eines zwischen rechter und linker Seite, so erleich&shy;tert dies die Fluktu&shy;ation der Sichtwei&shy;sen. Unter natür&shy;lichen Umstän&shy;den tritt Wölbungs&shy;ambi&shy;valenz beispiels&shy;weise im Hinblick auf die Segel entfern&shy;ter Schiffe auf.<ref><bib id='Wade et al. 2010a'></bib> wei&shy;sen auf ei&shy;ne ent&shy;spre&shy;chen&shy;de Be&shy;ob&shy;ach&shy;tung von Pto&shy;le&shy;mäus hin.</ref>
Berühmte Beispiele für Gesichter-Kippbilder tauchten zunächst im 19. und frühen 20. Jh. in humoristischen Publikationen auf und haben heute einen festen Platz in psychologischen Lehrbüchern und populärwissenschaftlichen Darstellungen spektakulärer Wahrnehmungsphänomene. Besonders prominent ist jener Kopf, der auf den ersten Blick meist als der einer Ente gesehen wird, aber auch in den eines Hasen umschlagen kann (Abb. 7).<ref>Zahlen zur Identifikation auf den ersten Blick bei <bib id='Brugger & Brugger 1993a'></bib>; <bib id='Brugger 1999a'></bib> hat weiter Probanden bei 12 im Umlauf befindlichen Varianten des Bildes auf einer Skala einschätzen lassen, wie leicht sie Ente (bzw. einen Vogel) oder Hasen sehen können.</ref>Der in Harvard lehrende Psychologe Jastrow hatte den Enten-Hasen-Kopf am Übergang zum 20. Jh. in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht <bib id='Brugger 1999a'></bib>. Einige Bemerkungen im Spätwerk Ludwig Wittgensteins (siehe unten) haben diese Gesichterkippfigur gewissermaßen philosophisch geadelt.
+
:
 
+
Die Scheinbewegung, die man durch benach&shy;barte, in schneller Abfol&shy;ge aufleuch&shy;tende bzw. verlö&shy;schende Lämpchen erzeu&shy;gen kann, ist bei geeig&shy;neter Anord&shy;nung etwa bei acht in gleichem Abstand auf einer Kreisli&shy;nie ange&shy;ordne&shy;ten Lämpchen, von denen jeweils 4 im schnellen Wechsel aufleuch&shy;ten ambi&shy;valent hinsicht&shy;lich der Richtung.
[[Datei:8.png|thumb|Abbildung 8]]
+
:
Ein weiteres sozusagen klassisches Kippbild vereint die Ansicht einer alten Frau (im ganz leicht dem Betrachter zugewandten Profil) mit der Darstellung des Gesichts einer jungen Frau, das vom Betrachter dreiviertel abgewandt ist (Abb. 8);<ref>Ursprünglich eingeführt als „my wife and my mother in law“; diese Konstruktion wurde auch mit männlichen Zügen/Attributen realisiert.</ref> wie beim Enten- vs. Hasenkopf schließen sich beide Sichtweisen aus.
+
Bei statischen Bildern mit zweidi&shy;mensio&shy;nalen geomet&shy;rischen Figu&shy;ren kann ein Umsprin&shy;gen der wahrge&shy;nomme&shy;nen Ausrich&shy;tung eintre&shy;ten. Die drei Richtun&shy;gen etwa, auf welche die Spitzen eines gleichsei&shy;tigen Dreiecks zeigen, kann man nicht zugleich sehen (bei hori&shy;zonta&shy;ler oder verti&shy;kaler Ausrich&shy;tung einer der Seiten tendiert man spontan dazu, die dieser jeweils gegen&shy;über&shy;liegen&shy;de Spitze als richtungs&shy;weisend wahrzu&shy;nehmen; vgl. <bib id='Attneave 1971a'>Att&shy;neave 1971a</bib> und <bib id='Wittgenstein 1990a'>Wittgen&shy;stein 1990a</bib>).
 
+
:
[[Datei:9.png|thumb|Abbildung 9]]
+
[[Datei:16.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 16]]
Manchmal ist ein partieller Figur-Grund-Wechsel in die Metamorphose der Figur einbezogen. So erscheint im Kippbild „Ratte vs. Mann mit Brille“ (Abb. 9) ein Bereich einmal als Grund zwischen Körper und Schwanz der Ratte und wird mit dem Umschlagen zur Wange des Mannes.
+
Schließ&shy;lich ord&shy;nen sich Mus&shy;ter beim Be&shy;trach&shy;ten in un&shy;ste&shy;ter Wei&shy;se (Abb. 16, <bib id='Metzger 2008a'>Metz&shy;ger 2008a</bib> & <bib id='Stadler & Kruse 1995a'>Stad&shy;ler & Kru&shy;se 1995a</bib>); auch hier ge&shy;hen meist Wech&shy;sel der wahr&shy;ge&shy;nom&shy;me&shy;nen Grup&shy;pie&shy;rung mit sol&shy;chen der wahr&shy;ge&shy;nom&shy;me&shy;nen Aus&shy;rich&shy;tung von Ele&shy;men&shy;ten des Mus&shy;ters Hand in Hand.
 
 
[[Datei:10.png|thumb|Abbildung 10]]
 
„Ähnlich verhält es sich bei der Grafik „Sara Nader“ (Abb. 10) aus der Feder des amerikanischen Psychologen Roger N. Shepard (<bib id='Shepard 1990a'></bib>: S. 76)<ref>Varianten u. a. mit Umkehr von hell und dunkel finden sich dort auf den Seiten 140f.</ref>. Allerdings kann man bei diesem Bild beide Sehweisen – Saxophonspieler und en face Porträt einer Frau – gleichzeitig wahrnehmen, was wohl daher rührt, dass jene Flächen, die eines der beiden Augen, den Mund und den Nasenflügel des weiblichen Gesichts anzeigen, entweder isoliert vom Schattenriss des Saxophonspielers sind (Auge) oder sich nicht zwingend in die Einheit von Mann und Instrument fügen (Mund, Nasenflügel). Man kann sogar auch noch gleichzeitig gewahren, dass das sozusagen freischwebende Auge einen Vogel darstellt. Sofern die Aufmerksamkeit nicht zu sehr auf eines der drei „Gesichter“ (Mann, Frau, Vogel) fokussiert, machen diese sich den Platz im Wahrnehmungsakt nicht streitig.“ (<bib id='Schönhammer 2011'></bib>: S. 6)
 
 
 
„‚Gesichter-Kippbilder‘ sind also von Bildern zu unterscheiden, die Darstellungen mehrerer Gesichter bzw. Körper bergen, welche zwar womöglich – im Sinne eines Bilderrätsels – nicht alle sofort gesehen werden und auch dann, wenn sie einmal entdeckt wurden, abwechselnd ins Zentrum der Aufmerksamkeit treten können, deren gleichzeitige Wahrnehmung aber nicht ausgeschlossen ist. Nur dann, wenn die wesentlichen Anzeichen für die konkurrierenden Gesichter in der jeweiligen Alternative einen sinnvollen Platz finden, schlägt die Wahrnehmung um. Ansonsten kann man eben zwei oder mehrere Gesichter/Körper zugleich sehen, ob sie nun mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander stehen oder in eine hierarchische Beziehung zueinander gesetzt sind (wie beispielsweise da, wo kleine Darstellungen von Menschen nach Art der Jahreszeiten-Gemälde von Arcimboldo Partien eines Porträts bilden)<ref>Beispiele etwa bei <bib id='Haken 1995'></bib>: S. 40; <bib id='Ditzinger 2006a'></bib>: S. 92; und – oft ohne Quellenangaben – bei Hobbysammlern im Internet.</ref>.“ (<bib id='Schönhammer 2011'></bib>: S. 6)
 
 
 
„Bilder, die in Arcimboldos Manier Gesichter und Körper zu einem übergeordneten Gesicht (oder eben Totenkopf) zusammenstellen, legen einen Wechsel der Fokussierung nahe, ohne im strengen Sinn Kippbilder zu sein.<ref>Zum simultanen Sehen von Elementen und Portrait bei Arcimboldo vgl. <bib id='Niederée & Heyer 2003a'></bib>: S. 98)</ref> Diese Verschiebung von Akzenten der Betrachtung ist einem Wechsel der Aufmerksamkeit vergleichbar, wie man ihn vornimmt, wenn man sich auf Details eines Bildes konzentriert oder gar die Pinselstriche (allgemein: Merkmale der Darstellungsweise) fokussiert. Selbst wenn man bei der Untersuchung der Oberfläche eines Bildes für Momente das Dargestellte völlig ausklammert, fehlt hier wie auch beim Fokuswechsel bei Bilderrätseln das typische Erlebnis verblüffenden Hin-und-her-Kippens.
 
 
 
Wenn Ernst Gombrich den Übergang von Sehen des Bildinhalts zu einem radikal auf die Malweise gerichteten kunstwissenschaftlichen Blick mit dem Kippbilderlebnis gleichsetzt (<bib id='Gombrich 2002a'></bib>), was der Kunsttheoretiker Richard Wollheim aus verschiedenen Gründen in Frage stellte (siehe unten), wird er u. a. der Tatsache nicht gerecht, dass das Kippen zwar auch durch Konzentration aktiv beeinflusst werden kann, aber – anders als eine ausblendende Vertiefung in die Darstellungsweise – immer als Widerfahrnis erlebt wird (dieser jederzeit individuelle überprüfbare Befund wird auch durch Ergebnisse der experimentellen Forschung bestätigt; siehe unten). Frei nach Lichtenberg: Kippbilder vermitteln das Erlebnis ‚Es sieht!‘.“ (<bib id='Schönhammer 2011'></bib>: S. 7)
 
 
 
 
 
3) Perspektivische Mehrdeutigkeit. Zweidimensionale Projektionen dreidimensionaler Körper, also beispielsweise perspektivische Darstellung von Kristallen, sind objektiv vieldeutig. Grundsätzlich kann ja schon jede auf ein Blatt gezeichnete Linie für zahllose Neigungen eines Stabes (oder eben einer Kante) in die Tiefe des Raumes stehen. Die verschiedensten Körper führen also zur nämlichen Projektion. Ungeachtet der unendlich vielen möglichen dreidimensionalen Konstellationen, die hinter einem solchen Bild stehen können, drängen sich dem Wahrnehmen nur wenige auf. Das ist per se bemerkenswert. Zu den „Lebensgewohnheiten des Gesichtssinnes“ (<bib id='Mach 1987a'></bib>) gehört es offenbar, dass uns die Mehrzahl der möglichen 3D-Sichtweisen von Zeichnungen nicht in den Sinn kommen.
 
 
 
[[Datei:11.png|thumb|Abbildung 11]]
 
Eine Zeichnung (Abb. 11), in der wir spontan die Projektion eines Gitter-Würfels ausmachen (mögen auch andere Körper zum nämlichen Bild führen), bleibt allerdings auch im Wahrnehmungsakt mehrdeutig: in der Regel kippt die Ansicht der unveränderten Vorlage zwischen zwei unterschiedlich im Raum gelagerten Würfeln hin und her, sieht man, anders gesagt, Ecken vor- bzw. zurückspringen. Diese Kippfigur ist unter der Bezeichnung Necker-Würfel geläufig; genannt nach jenem Schweizer Geologen und Kristallographen, der das Kippen beim Betrachten von durchsichtigen Kantendarstellungen von Kristallformen im Jahr 1832 schriftlich festgehalten hatte (vgl. <bib id='Wade et al. 2010a'></bib>).
 
 
 
[[Datei:12.png|thumb|Abbildung 12]] [[Datei:13.png|thumb|Abbildung 13]]
 
Als „Machs Buch“ (Abb. 13) wird die Verbindung zweier Parallelogramme bezeichnet, die in der Regel zunächst als geöffnetes „Buch“ (bzw. geknickte Karte) gesehen wird<ref>Ungeachtet der Tatsache, dass die Parallelität der perspektivischen Verzerrung, die bei einem in die Tiefe geneigten Rechteck aufträte, widerspricht.</ref>, das (die) dem Betrachter den Rücken zuwendet. Alternativ blickt man in das aufgeschlagene Buch hinein (<bib id='Mach 1987a'></bib>).
 
 
 
[[Datei:14.png|thumb|Abbildung 14]]
 
Eine Reihe von schräg angeordneten „Knickfiguren“ ergibt die „Schrödersche Treppe“ (Abb. 14), bei der Untersicht und Aufsicht ineinander umschlagen können. Netzwerke von Parallelogrammen erscheinen als Texturen von Quadern/Würfeln, deren Ecken man mal nach innen, mal außen springen sieht – ein Motiv das sich in griechischen und römischen Mosaiken findet und auch bei Möbelfurnieren vorkommt (<bib id='Gregory 2000a'></bib>).
 
 
 
Perspektivische Mehrdeutigkeit hat Konsequenzen für die Wahrnehmung von Bewegung: Bei einäugiger Betrachtung tritt die plötzliche Umstülpung auch bei einem Drahtwürfelwürfel auf;<ref>Wenn man den Blick ins Unendliche richtet, also durch die Drahtplastik hindurchstarrt, führt auch das Sehen mit beiden Augen relativ sicher zum Erfolg.</ref> dreht sich das Gebilde, so kehrt sich mit dem Umspringen die wahrgenommene Drehrichtung um.<ref>Bewegt sich umgekehrt der Betrachter gegenüber dem unbewegten Würfel, so scheint die Plastik während der illusorischen Sichtweise – magisch – der Bewegung des Betrachters zu folgen.</ref> Das geschieht auch, wenn man die Projektion eines rotierenden Drahtwürfels betrachtet. Ein Beispiel für eine natürliche Situation, bei der die Bewegungsrichtung in den Augen des Betrachters umschlagen kann, nennt Otto Klemm: „Die Windmühle, die man als dunklen Schattenriß am Horizont schräg von der Seite sieht, dreht sich je nach perspektivischer Vorstellung in verschiedener Richtung." Die Computeranimation [http://en.wikipedia.org/wiki/The_Spinning_Dancer „spinning dancer“] spielt ebenfalls mit einer (weitgehenden) perspektivischen Äquivalenz entgegengesetzter Tiefenausrichtungen von Körpern, von denen man lediglich die Silhouette sieht. <ref>Widersprüchliche Tiefen-/Richtungshinweise in der Animation benennen <bib id='Troje & McAdam 2010a'></bib>.</ref>
 
<br>
 
 
<br>
 
<br>
 +
:
  
======Zwischenresümee======
+
==Psychologische und  neurowissen&shy;schaftli&shy;che Diskus&shy;sion==
* „'''Räumliche Mehrdeutigkeit''' von Bildern spielt nicht nur da eine Rolle, wo man zwischen Sichtweisen perspektivischer Darstellungen springt. Beim Kippen von Figur und Grund wechselt ebenfalls die wahrgenommene räumliche Position (vorne/hinten). Ohne ein Spiel mit räumlicher Mehrdeutigkeit kommt schließlich auch das „semantische Kippen“ zwischen dem Sehen der jungen vs. alten Frau nicht aus.<ref>In natürlichen Situationen treten vergleichbare Mehrdeutigkeiten nur unter eingeschränkten Sichtbedingungen auf: etwa bei der Betrachtung weit entfernter Objekte/Szenen. Aus der Nähe sorgen in aller Regel Tiefeninformationen – ob sie sich nun dem beidäugigen Sehen oder kleinen Positionswechseln des Betrachters verdanken – für Eindeutigkeit.</ref>
+
:::''It is especially phenomena of ambi&shy;guity that make us think of percep&shy;tion as ac&shy;tively cre&shy;ative.'' (<bib id='Gregory 2000a'>Gre&shy;gory 2000a</bib>: S. 1141)
  
* Neben räumlicher Mehrdeutigkeit ist offenbar die menschliche Neigung, bereits in wenigen Andeutungen ein '''Gesicht''' (allgemeiner: Die Gestalt eines vertrauten '''Lebewesens''') auszumachen (<bib id='Schönhammer 2009a'></bib>), ein Unsicherheits- und damit Kippfaktor. Dieser kann in Verbindung mit einer Ambivalenz von Figur-Grund (Rubins Becher) oder einer der Perspektive (junge/alte Frau) zum Tragen kommen. Manchmal, wie im Fall des Enten-Hasen-Kopfes, ist er aber offenbar eigenständig wirksam (also auch angesichts einer mit beiden Augen aus der Nähe betrachteten Plastik).<ref>Das gilt für den isolierten Kopf. Umfasst die Plastik auch einen Körper, kann dieser die Doppeldeutigkeit unterstützen oder ihr entgegen gerichtet sein; bei der Kleinplastik, die in <bib id='Gregory 1997a'></bib> abgebildet ist, kann unterschiedliche Aufstellung das Sehen als Hase oder Ente forcieren, weil der Körper je nach Aufstellung eindeutig zur jeweiligen Ausrichtung des Kopfes passt.</ref>“ (<bib id='Schönhammer 2011'></bib>: S. 9)
+
Für Psychologen sind Kippfiguren – ebenso wie [[Wahrnehmungsillusion|Wahrneh&shy;mungstäu&shy;schungen]] – ein belieb&shy;tes Mittel, um zu demon&shy;strieren, dass Wahrneh&shy;men nicht (vollends) von den äuße&shy;ren Gege&shy;benhei&shy;ten, die auf die Sinnes&shy;orga&shy;ne einwir&shy;ken, bestimmt ist. Wie die Subjek&shy;tivi&shy;tät im Fall der Kippfi&shy;guren bei unver&shy;änder&shy;ten Gege&shy;benhei&shy;ten zu verschie&shy;denen Ein&shy;drücken kommt ist indes&shy;sen bis heute unge&shy;klärt.
<br>
+
:
 +
Nicht einmal die Frage, ob es überhaupt sinn&shy;voll ist, sich mit dem Phäno&shy;men zu beschäf&shy;tigen, ist unstrit&shy;tig: Neben dem Hauptstrom der Forschung, in dem das Thema stets gegen&shy;wärtig blieb, hielten Anhän&shy;ger einer “öko&shy;logisch” – sprich: an den natür&shy;lichen Umstän&shy;den des Wahrneh&shy;mens – orien&shy;tierten Forschung Distanz: Man habe es hier nicht mit poten&shy;tiell beson&shy;ders erhel&shy;lenden Grenzfäl&shy;len des Wahrneh&shy;mens zu tun – wie bis heute von jenen, die Kippfi&shy;guren unter&shy;suchen, meist mehr oder minder aus&shy;drücklich argu&shy;mentiert wird –, sondern mit dena&shy;turier&shy;ten Vorga&shy;ben einer lebens&shy;fernen Labor&shy;forschung.<ref>Sie&shy;he die Kri&shy;tik von <bib id='Kanizsa & Luccio 1995a'>Ka&shy;niz&shy;sa & Luc&shy;cio 1995a</bib> so&shy;wie <bib id='Kruse et al. 1995a'>Kru&shy;se et al. 1995a</bib> an der Po&shy;si&shy;ti&shy;on von <bib id='Gibson 1982a'>Gib&shy;son 1982a</bib>.</ref> Zu beto&shy;nen, dass die meisten natür&shy;lichen [[Kontext|Wahrneh&shy;mungssi&shy;tuati&shy;onen]] sich vom Betrach&shy;ten von Kippbil&shy;dern unter&shy;scheiden, schließt indes&shy;sen nicht aus, dass solche Bilder – ex nega&shy;tivo – Prinzi&shy;pien der Öko&shy;logie des Wahrneh&shy;mens verdeut&shy;lichen können. Entspre&shy;chend kann eine Forschungs&shy;perspek&shy;tive, die auf den Umwelt- und Handlungs&shy;bezug des Wahrneh&shy;mens orien&shy;tiert ist, ihrer&shy;seits das Verständ&shy;nis von Kippbil&shy;dern beför&shy;dern (<bib id='Leopold & Logothetis 1999a'>Leopold & Logo&shy;thetis 1999a</bib>).
 +
:
 +
Seit langem wird diskutiert, ob das Umschla&shy;gen der Wahrneh&shy;mung von einer Art Ermü&shy;dung (“Sätti&shy;gung”) in Nerven&shy;netzen rühren könnte; da diesbe&shy;züglich meist rela&shy;tiv frühe Stufen der Reizver&shy;arbei&shy;tung unter Verdacht stehen, gilt die Sätti&shy;gungsthe&shy;orie auch als ''Bottom-up-Hypo&shy;these''. Dem steht die Vermu&shy;tung gegen&shy;über, dass nicht zuletzt Wissen und Aufmerk&shy;samkeit, also (eher bewuss&shy;te) menta&shy;le Prozes&shy;se, die den “Auto&shy;matis&shy;men” grundle&shy;gender Modu&shy;le des visu&shy;ellen Systems nachge&shy;lagert bzw. über&shy;geord&shy;net sind, eine wesent&shy;liche Rolle spielen (''Top-down-Hypo&shy;thesen''). Die im Laufe der Zeit ange&shy;häuften empi&shy;rischen Befun&shy;de deuten, das sei einem Ausblick auf Metho&shy;den und Ergeb&shy;nisse der expe&shy;rimen&shy;tellen Erfor&shy;schung von Kipp&shy;phäno&shy;menen voraus&shy;geschickt, darauf hin, dass die Wahrheit jenseits dieser plaka&shy;tiven (und zugleich unschar&shy;fen) Entge&shy;genset&shy;zung liegt.
 +
:
 +
Für den Gestaltpsychologen Wolfgang Köhler war die Ermü&shy;dungser&shy;klärung Bestand&shy;teil der These, Wahrneh&shy;men über&shy;haupt basie&shy;re – ana&shy;log zu in der Physik unter&shy;suchten Erschei&shy;nungen – auf anta&shy;gonis&shy;tischen Prozes&shy;sen neuro&shy;naler Selbst&shy;orga&shy;nisa&shy;tion. Das Kippen gilt hier ganz ausdrück&shy;lich als gene&shy;relles Funktions&shy;prinzip des Gehirns, welches bei stabi&shy;len Wahrneh&shy;mungen nur nicht zu Bewusst&shy;sein komme. Diese Behaup&shy;tung mag den Reiz eines Para&shy;doxes haben, ist aber hinsicht&shy;lich des namhaft gemach&shy;ten allge&shy;meinen Funktions&shy;prinzips nicht mehr als eine meta&shy;phorisch formu&shy;lierte Vermu&shy;tung; und ande&shy;rerseits erscheint diese These nicht gera&shy;de darauf ange&shy;legt, die Besond&shy;erheit von Wahrneh&shy;mungspro&shy;zessen, bei denen es zum Kippen kommt, zu erklä&shy;ren. In diese Tradi&shy;tion stellen sich neue&shy;re Bemü&shy;hungen multi&shy;stabi&shy;les Wahrneh&shy;men im Rahmen des system&shy;theore&shy;tischen Zugangs der ''Syner&shy;getik'' <bib id='Kruse & Stadler 1995a'></bib> als Schlüssel zum Verständ&shy;nis des Wahrneh&shy;mens zu nutzen. Wenn in diesem Sinn das Kippen als „heraus&shy;ragen&shy;des metho&shy;dolo&shy;gisches Fenster für das Messen der Dyna&shy;mik des visu&shy;ellen Systems“ (<bib id='Kruse et al. 1995a'></bib>: S. 71, Übersetzung: R. Schönhammer) ange&shy;sprochen wird, bleibt es nicht aus, dass u.a. Ana&shy;logien von Kippfi&shy;guren und mathe&shy;matischen Model&shy;lierun&shy;gen der Quanten&shy;mecha&shy;nik ins Feld geführt werden (<bib id='Caglioti 1995a'>Cagli&shy;oti 1995a</bib>). 
  
======Weitere Typen von Kippfiguren======
+
===Untersuchungsmethoden===
[[Datei:15.png|thumb|Abbildung 15]]
+
Bei experimentellen Untersuchungen zur Wahrneh&shy;mung von Kippbil&shy;dern wird in der Regel von den Versuchs&shy;perso&shy;nen verlangt, durch Drücken verschie&shy;dener Knöpfe anzu&shy;zeigen, welche Lesart der Vorla&shy;ge ihnen momen&shy;tan ins Auge springt. Auf diese Weise lassen sich der primä&shy;re Eindruck sowie der Wechsel im weite&shy;ren Verlauf (Fluktu&shy;ation, jewei&shy;lige Verweil&shy;dauer) feststel&shy;len. Dieses Verfah&shy;ren setzt voraus, dass die Proban&shy;den über das poten&shy;tielle Kippen bzw. die mögli&shy;chen Sichtwei&shy;sen vorweg aufge&shy;klärt wurden; sie sind also nicht völlig unbe&shy;fangen. Entspre&shy;chend vorin&shy;formiert sind auch Versuchs&shy;perso&shy;nen, die auf einer Skala einschät&shy;zen sollen, wie leicht ihnen diese oder jene Sichtwei&shy;se fällt. Will man eine derar&shy;tige Vorein&shy;stellung vermei&shy;den, ist man auf mündli&shy;che Berich&shy;te („Sagen Sie, was Sie sehen.“) ange&shy;wiesen, die nicht so leicht statis&shy;tisch ausge&shy;wertet werden können. 
Ein weiterer Typus von Kippbildern, bei dem es um räumliche Tiefe geht, sind Bilder mit Schattenindikatoren, die sowohl auf konvexe als auch auf konkave Wölbungen hinweisen können (Abb.); in Lehrbüchern wird dieser Aspekt von Schattierungswahrnehmung meist zugunsten vermeintlich eindeutiger Wölbungswahrnehmung in Abhängigkeit von der impliziten Lage der Lichtquelle („Licht von oben“ vs. „von unten“) vernachlässigt (demonstriert durch Drehung des Bildes um 180°); bereits die oben bzw. unten angedeuteten Schatten schließen indessen ein Kippen zwischen konvexem und konkavem Eindruck nicht aus, dreht man die Demonstrationsbeispiele um 90°, verlagert also das Helligkeitsgefälle auf eines zwischen rechter und linker Seite, so erleichtert dies die Fluktuation der Sichtweisen. Unter natürlichen Umständen tritt Wölbungsambivalenz beispielsweise im Hinblick auf die Segel entfernter Schiffe auf.<ref><bib id='Wade et al. 2010a'></bib> weisen auf eine entsprechende Beobachtung von Ptolemäus hin.</ref>
+
:
 +
Je nach spezifischer Frage&shy;stellung sind die Versuchs&shy;perso&shy;nen frei, die jewei&shy;ligen Vorla&shy;gen ohne weite&shy;ren Vorsatz auf sich wirken zu lassen, oder werden aufge&shy;fordert, Sichtwei&shy;sen möglichst zu halten oder im Gegen&shy;teil möglichst oft wechseln zu lassen.  
 +
:
 +
Das Betrachten erfolgt manchmal nur mit einem Auge, manchmal mit fixier&shy;tem Kopf (z.B. Kinnauf&shy;lage). Der Blick darf schweifen oder soll auf eine Markie&shy;rung im Bild fixiert werden (wie eine Fixie&shy;rung wirkt es auch, wenn die Bilder dem Tanz der freien Augen&shy;bewe&shy;gung nachge&shy;führt werden oder wenn man das Kippen anhand von Nachbil&shy;dern einer blitzlicht&shy;arti&shy;gen Präsen&shy;tation auf der Netzhaut – Nachbil&shy;der bewe&shy;gen mit dem Auge mit – unter&shy;sucht.)
 +
:
 +
Die Vorlagen werden ununter&shy;brochen oder in verschie&shy;denen Inter&shy;vallen präsen&shy;tiert.
 +
:
 +
Manchmal stehen die Bilder auf dem Kopf (etwa um zu prüfen, welche Rolle das Erken&shy;nen von ''Bedeu&shy;tung''/&#8203;Lebe&shy;wesen für die Zuord&shy;nung einer Kontur spielt).  
 +
:
 +
Manchmal spielen eindeutig gemachte (disam&shy;biguier&shy;te) Vari&shy;anten von Kippbil&shy;dern eine Rolle.
 +
:
 +
Das, was Versuchspersonen im Zusammen&shy;hang des jewei&shy;ligen Versuchs&shy;aufbaus bewusst mittei&shy;len (meist per Knopfdruck), wird in aufwen&shy;dige&shy;ren Studien mit Messun&shy;gen von Augen&shy;bewe&shy;gungen (teils auch des even&shy;tuell abge&shy;deckten Auges) und Akkom&shy;moda&shy;tion, der Hirnströ&shy;me (sogenannter ERPs: ereig&shy;niskor&shy;relier&shy;ter Poten&shy;tiale) oder loka&shy;ler Durchblu&shy;tungsdif&shy;feren&shy;zen abge&shy;glichen.
 +
:
 +
Anhaltspunkte für die Erklärung (bzw. die neuro&shy;nale Basis) multi&shy;stabi&shy;ler Wahrneh&shy;mung erge&shy;ben sich auch aus gewis&shy;sen Paral&shy;lelen zur bin&shy;oku&shy;lären Riva&shy;lität (bietet man beiden Augen Ansich&shy;ten, die nicht zur Deckung zu bringen sind, springt das Wahrneh&shy;men zwischen beiden Sichten), deren neuro&shy;nale Korre&shy;late mit Elek&shy;troden im Gehirn von Affen unter&shy;sucht werden können.
  
Die Scheinbewegung, die man durch benachbarte, in schneller Abfolge aufleuchtende bzw. verlöschende Lämpchen erzeugen kann, ist bei geeigneter Anordnung – etwa bei acht in gleichem Abstand auf einer Kreislinie angeordneten Lämpchen, von denen jeweils 4 im schnellen Wechsel aufleuchten – ambivalent hinsichtlich der Richtung.
+
===Ergebnisse===
 +
[[Datei:17.png|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 17]]
 +
Ein be&shy;reits äl&shy;te&shy;rer For&shy;schungs&shy;be&shy;fund mach&shy;te die Sät&shy;ti&shy;gungs&shy;the&shy;o&shy;rie zwei&shy;fel&shy;haft: Zeigt man Ver&shy;suchs&shy;per&shy;so&shy;nen, be&shy;vor man ih&shy;nen das Kipp&shy;bild mit der jun&shy;gen und der al&shy;ten Frau prä&shy;sen&shy;tiert, ei&shy;ne ein&shy;deu&shy;tig ge&shy;mach&shy;te Va&shy;ri&shy;an&shy;te, die ent&shy;we&shy;der die “Ehe&shy;frau” oder die “Schwie&shy;ger&shy;mut&shy;ter” er&shy;ken&shy;nen lässt (Abb. 17), se&shy;hen sie dann das Kipp&shy;bild eher ent&shy;spre&shy;chend der je&shy;wei&shy;li&shy;gen Prä&shy;gung (nach <bib id='Attneave 1971a'>Att&shy;neave 1971a</bib> und <bib id='Hochberg 1977a'>Hoch&shy;berg 1977a</bib>). Nach der Sätti&shy;gungstheo&shy;rie wäre das Gegen&shy;teil zu erwar&shy;ten. Dem steht u. a. der neue&shy;re Befund gegen&shy;über, dass im Falle eines rotie&shy;renden Necker&shy;würfels die Vorer&shy;fahrung mit eindeu&shy;tig gemach&shy;ter Drehrich&shy;tung nur dann auf die Auffas&shy;sung der mehrdeu&shy;tigen Vorla&shy;ge durchschlägt, wenn das ''Priming'', wie dieses Versuchs&shy;design genannt wird, kurz gehal&shy;ten war, während eine länge&shy;re Vorweg&shy;konfron&shy;tation die gegen&shy;teili&shy;ge Wahrneh&shy;mung beför&shy;dert (<bib id='Pitts et al. 2008a'></bib>).
 +
:
 +
Was empirische Bestätigungen von ''Top-down-Prozes&shy;sen'' angeht, ist vielfach belegt, dass sich das Kippen zwar willkür&shy;lich beein&shy;flussen, indes&shy;sen nicht völlig inten&shy;tional kontrol&shy;lieren lässt.
 +
:
 +
Die Wahrnehmung von Kippbildern, die Gesich&shy;ter enthal&shy;ten (beispiels&shy;weise der Hasen-Enten-Kopf), ist leichter beein&shy;flussbar – im Sinne von verzö&shy;gertem oder beschleu&shy;nigtem Wechsel – als die von Bildern mit doppel&shy;deuti&shy;ger Perspek&shy;tive (z.B. der Necker-Würfel; <bib id='Stüber & Stadler 1999a'></bib>).
 +
:
 +
Hirnstrommessungen lieferten in jünge&shy;rer Zeit Indi&shy;zien dafür, dass frühe Prozes&shy;se im Hinter&shy;hauptslap&shy;pen des Gehirns durch Akti&shy;vierun&shy;gen in fronta&shy;len und tempo&shy;ralen Berei&shy;chen des Gehirns, die mit Aufmerk&shy;samkeit resp. Objekt&shy;wissen in Verbin&shy;dung gebracht werden, mitbe&shy;stimmt werden (beispiels&shy;weise <bib id='Pitts et al. 2008a'></bib>).
 +
:
 +
Messungen im Affenhirn (<bib id='Logothetis 1998a'>Logo&shy;thetis 1998a</bib>) und EEG-Befun&shy;de beim Menschen zeigen (<bib id='Britz et al. 2010a'></bib>), dass bei bin&shy;oku&shy;lärer Riva&shy;lität “späte” Modu&shy;le (im Scheitel&shy;lappen), die mit der räumli&shy;chen Auswer&shy;tung visu&shy;eller Reize in Verbin&shy;dung gebracht werden, eine heraus&shy;geho&shy;bene Rolle spielen; entspre&shy;chende Akti&shy;vierun&shy;gen finden sich auch bei Kippfi&shy;guren (<bib id='Britz et al. 2009a'></bib>: S. 55–65).
 +
:
 +
Vergleicht man das EEG, das sich zeigt, wenn man vor den Augen der Versuchs&shy;perso&shy;nen den Wechsel zwischen eindeu&shy;tig gemach&shy;ten Vari&shy;anten eines Bildes vollzieht, mit jenem, das mit echtem Kippen bei unver&shy;änder&shy;ter mehrdeu&shy;tiger Vorla&shy;ge einher&shy;geht, so fehlt beim echten Kippen eine Kompo&shy;nente, die als „Erlan&shy;gen von Gewiss&shy;heit“ inter&shy;pretier&shy;bar ist; gleichwohl scheint man das Kippen immer wieder als neue Gewiss&shy;heit zu erle&shy;ben, sich also nicht dessen bewusst zu sein, was das EEG bezeugt: dass man auf dem Sprung bleibt (<bib id='Kornmeier & Bach 2009a'>Korn&shy;meier & Bach 2009a</bib>).
 +
:
 +
Zusammenhänge von Kippen und Augen&shy;bewe&shy;gungen sind eben&shy;so nachge&shy;wiesen, wie der Umstand, dass es zum Kippen auch dann kommt, wenn das Auge nicht über das Bild wandert.
 +
:
 +
Von Augenbewegung unabhängige Verla&shy;gerun&shy;gen der Aufmerk&shy;samkeit (sog. ‘ver&shy;deckte Aufmerk&shy;samkeit’) modi&shy;fizie&shy;ren das Kippen. Der Zusam&shy;menhang von Kippen mit inten&shy;tiona&shy;lem Suchver&shy;halten mit und ohne Augen&shy;bewe&shy;gungen ist ein Indiz dafür, dass das Kippen auch jenseits bewuss&shy;ter Absicht, als Art von Suchver&shy;halten unter erschwer&shy;ten Wahrneh&shy;mungsbe&shy;dingun&shy;gen verstan&shy;den werden kann (zusam&shy;menfas&shy;send <bib id='Leopold & Logothetis 1999a'>Leopold & Logo&shy;thetis 1999a</bib>).
 +
:
 +
Springt beim einäugigen Betrachten eines Necker&shy;würfels die Sichtwei&shy;se um, ändert sich die Stellung des ver&shy;deckten Auges, so wie das bei beid&shy;äugi&shy;gem Sehen gesche&shy;hen würde, um bei einem tatsäch&shy;lichen räumli&shy;chen Gebil&shy;de das Sehen von Doppel&shy;bildern zu vermei&shy;den (Vergenz&shy;bewe&shy;gung; <bib id='Enright 1987a'></bib>).
 +
:
 +
Kurze Unterbrechungen der Reizpräsen&shy;tation (bis zu 400 ms) fördern ein Kippen, länge&shy;re Pausen redu&shy;zieren es drastisch; welche der beiden konkur&shy;rieren&shy;den Deutun&shy;gen dadurch gestützt wird ist strittig (<bib id='Kornmeier et al. 2009a'>Korn&shy;meier et al. 2009a</bib>).
 +
:
 +
Ungeachtet der offenen Fragen ange&shy;sichts der hier schlaglicht&shy;artig ange&shy;deute&shy;ten komple&shy;xen Befund&shy;lage kann man festhal&shy;ten, dass Kippbil&shy;der wohl eher durch Deutun&shy;gen zu erhel&shy;len sind, welche beden&shy;ken, wie sich diese Situ&shy;atio&shy;nen zum prinzi&shy;piellen Handlungs- bzw. Umwelt&shy;bezug des Wahrneh&shy;mens verhal&shy;ten, als durch losge&shy;löste Model&shy;le der Selbst&shy;orga&shy;nisa&shy;tion bzw. Ana&shy;logien zu physi&shy;kali&shy;schen Phäno&shy;menen.
  
Bei statischen Bildern mit zweidimensionalen geometrischen Figuren kann ein Umspringen der wahrgenommenen Ausrichtung eintreten. Die drei Richtungen etwa, auf welche die Spitzen eines gleichseitigen Dreiecks zeigen, kann man nicht zugleich sehen (bei horizontaler oder vertikaler Ausrichtung einer der Seiten tendiert man spontan dazu, die dieser jeweils gegenüberliegende Spitze als richtungsweisend wahrzunehmen; <bib id='Attneave 1971a'></bib> und <bib id='Wittgenstein 1990a'></bib>).
 
  
[[Datei:16.png|thumb|Abbildung 16]]
+
==Philosophische Diskussion==
Schließlich ordnen sich Muster beim Betrachten in unsteter Weise (Abb. 16, <bib id='Metzger 2008a'></bib>&<bib id='Stadler & Kruse 1995a'></bib>); auch hier gehen meist Wechsel der wahrgenommenen Gruppierung mit solchen der wahrgenommenen Ausrichtung von Elementen des Musters Hand in Hand.
+
Spätestens mit Wittgensteins Beispiel des Hasen-Enten-Kopfs (H-E-Kopf) hat das Kippbild Eingang in den philo&shy;sophi&shy;schen Diskurs gefun&shy;den (vgl. nochmals Abb. 7 oben). Wittgenstein Interesse für das Kippbild rührt aus seiner Frage&shy;stellung zur unter&shy;schiedli&shy;chen Verwen&shy;dungswei&shy;sen des Ausdrucks ‘[[Sehen|sehen]]’ her (vgl. <bib id='Glock 2000a'></bib> und <bib id='Rager 1997a'></bib>). So unter&shy;scheiden wir das gewöhn&shy;liche »Sehen-von« vom »Sehen-als«. Beispiels&shy;weise lässt sich das gewöhn&shy;liche Sehen einer Wolke vom Sehen einer Wolke als Schaf unter&shy;scheiden. Eine andere Art von Unter&shy;scheidung liegt im Falle des H-E-Kopfes vor, wenn man ihn entwe&shy;der als Hasen&shy;bild oder als Enten&shy;bild sieht. Wittgen&shy;stein spricht in diesem Fall von ‘Aspekt&shy;sehen’ oder ‘Aspekt&shy;wechsel’. Die Frage, die ihn dabei u.a. inte&shy;ressiert, lautet, ob der Aspekt&shy;wechsel jeweils mit einem Wechsel eines Wahrneh&shy;mungser&shy;lebnis&shy;ses einher&shy;geht und dieser Wahrneh&shy;mungser&shy;lebnis&shy;wechsel erklä&shy;ren kann, warum wir eben das eine mal einen Hasen und das ander&shy;mal eine Ente sehen. Klar scheint ja erst einmal zu sein, dass wir beim Betrach&shy;ten des H-E-Kopfs in gewis&shy;ser Hinsicht jedes Mal ''das Gleiche'' wahrneh&shy;men oder sehen, egal ob uns entwe&shy;der gera&shy;de der Aspekt des Hasen- oder des Enten&shy;vkopfs “aufleuch&shy;tet”.
 
+
:
=====Psychologische und  neurowissenschaftliche Diskussion=====
+
Nach Wittgen&shy;stein kann uns hier die Gestalt&shy;theorie nicht weiter helfen, der zufol&shy;ge wir beim Sehen des Hasen- bzw. des Enten&shy;kopfes jeweils unter&shy;schiedli&shy;che [[Gestalt|Gestal&shy;ten]] wahrneh&shy;men würden (vgl. <bib id='Glock 2000a'></bib>: S. 43 und <bib id='Krkac 2010a'></bib>). Denn die Gestalt ist jedes Mal diesel&shy;be, der Unter&shy;schied liegt allein in unse&shy;rem Seher&shy;lebnis, das das eine Mal im Sehen eines Hasen&shy;bildes und das andere Mal im Sehen eines Enten&shy;bildes besteht. Vor ähnli&shy;chen Proble&shy;men wie der Gestalt&shy;theore&shy;tiker steht der Reprä&shy;senta&shy;tiona&shy;list, der behaup&shy;tet, dass unse&shy;re Wahrneh&shy;mung in einem [[Bildvorstellungen|inne&shy;ren Bild]] des wahrge&shy;nomme&shy;nen Gegen&shy;standes besteht. Auch für ihn gilt, dass er nur schwerlich leugnen kann, dass das Hasen- oder Enten&shy;bild - also der jewei&shy;lige Aspekt, den der Betrach&shy;ter wahrnimmt - erst einmal auf der gleichen Reprä&shy;senta&shy;tion beru&shy;hen muss (nämlich in beiden Fällen auf einer, die auf der Umriss&shy;form des H-E-Kopfes beruht). Wie aber kann der Reprä&shy;senta&shy;tiona&shy;list die unter&shy;schiedli&shy;chen Wahrneh&shy;mungser&shy;lebnis&shy;se erklä&shy;ren?
:::“It is especially phenomena of ambiguity that make us think of perception as actively creative.“ Richard Gregory<ref><bib id='Gregory 2000a'></bib>: S. 1141</ref>
+
:
 
+
Der Repräsentationalist wird auf diese Frage ohne Zusatz&shy;annah&shy;men keine befrie&shy;digen&shy;de Antwort geben können (vgl. <bib id='Macpherson 1996a'>Mac&shy;pherson 1996a</bib>).<ref>Sie&shy;he auch [[#Psychologische und neurowissen&shy;schaftli&shy;che Diskus&shy;sion|oben]] ''Bot&shy;tom-up''- und ''Top-down''-Hy&shy;po&shy;the&shy;sen.</ref> Nach Wittgen&shy;stein kann weder die Gestalt&shy;theorie noch der Reprä&shy;senta&shy;tiona&shy;lismus eine Erklä&shy;rung für das Aspekt&shy;sehen anbie&shy;ten. Wittgen&shy;steins eige&shy;ne Lösung besteht darin, das »Sehen-als« nicht als eine reine Form der Wahrneh&shy;mung zu betrach&shy;ten (<bib id='Wittgenstein 1971a'>Wittgen&shy;stein 1971a</bib>: S. 524):
 
+
:
Für Psychologen sind Kippfiguren – ebenso wie Wahrnehmungstäuschungen – ein beliebtes Mittel, um zu demonstrieren, dass Wahrnehmen nicht (vollends) von den äußeren Gegebenheiten, die auf die Sinnesorgane einwirken, bestimmt ist. Wie die Subjektivität im Fall der Kippfiguren bei unveränderten Gegebenheiten zu verschiedenen Eindrücken kommt, ist indessen bis heute ungeklärt.
+
:''Das ‘Sehen-als …’ gehört nicht zur Wahrneh&shy;mung. Und darum ist es wie ein Sehen und wieder nicht ein Sehen.''
 
+
:
Nicht einmal die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, sich mit dem Phänomen zu beschäftigen, ist unstrittig: Neben dem Hauptstrom der Forschung, in dem das Thema stets gegenwärtig blieb, hielten Anhänger einer „ökologisch“ – sprich: an den natürlichen Umständen des Wahrnehmens – orientierten Forschung Distanz: Man habe es hier nicht mit potentiell besonders erhellenden Grenzfällen des Wahrnehmens zu tun – wie bis heute von jenen, die Kippfiguren untersuchen, meist mehr oder minder ausdrücklich argumentiert wird –, sondern mit denaturierten Vorgaben einer lebensfernen Laborforschung.<ref>Siehe die Kritik von <bib id='Kanizsa & Luccio 1995a'></bib> sowie <bib id='Kruse et al. 1995a'></bib> an der Position von <bib id='Gibson 1982a'></bib>.</ref> Zu betonen, dass die meisten natürlichen Wahrnehmungssituationen sich vom Betrachten von Kippbildern unterscheiden, schließt indessen nicht aus, dass solche Bilder – ex negativo – Prinzipien der Ökologie des Wahrnehmens verdeutlichen können. Entsprechend kann eine Forschungsperspektive, die auf den Umwelt- und Handlungsbezug des Wahrnehmens orientiert ist, ihrerseits das Verständnis von Kippbildern befördern (<bib id='Leopold & Logothetis 1999a'></bib>).
+
Das Aufleuchten des Aspekts ist nach Wittgen&shy;stein „halb Seher&shy;lebnis, halb ein Denken“ (ebd. S. 524). Zum Aspekt&shy;sehen muss also eine kogni&shy;tive Leistung treten, die über eine bloße Wahrneh&shy;mungsleis&shy;tung hinaus&shy;geht (vgl. <bib id='Glock 2000a'></bib>: S. 44f.). Aspekt&shy;sehen ist für Wittgen&shy;stein demnach eine kogni&shy;tive Fähig&shy;keit und das Fehlen dieser Fähig&shy;keit, die Aspekt&shy;blindheit, ist für ihn vergleich&shy;bar mit der Farben&shy;blindheit oder „dem Mangel des musi&shy;kali&shy;schen Gehörs“ (<bib id='Wittgenstein 1971a'>Wittgen&shy;stein 1971a</bib>: S. 552). Die Aspekt&shy;blindheit zeigt sich nicht in dem Fehlen bestimm&shy;ter Wahrneh&shy;mungen, sondern in der Unfä&shy;higkeit, kogni&shy;tiv auf bestimm&shy;te Fragen zu reagie&shy;ren. Anders gesagt: die Fähig&shy;keit, Aspek&shy;te zu sehen, zeigt sich in bestimm&shy;ten sprachli&shy;chen Reakti&shy;onen, etwa ‘jetzt sehe ich’s’. Dieser Ausdruck, mit dem ich mein Erleb&shy;nis des Aspekt&shy;wechsles mittei&shy;le, ist zumin&shy;dest in einer Hinsicht vergleich&shy;bar mit dem Schrei, der meinen Schmerz anzeigt. Beide bezie&shy;hen sich nicht auf menta&shy;le Gegen&shy;stände (“inne&shy;re Bilder”), sondern sind Ausdruck eines Erleb&shy;nisses.
 
+
:
Seit langem wird diskutiert, ob das Umschlagen der Wahrnehmung von einer Art Ermüdung („Sättigung“) in Nervennetzen rühren könnte; da diesbezüglich meist relativ frühe Stufen der Reizverarbeitung unter Verdacht stehen, gilt die Sättigungstheorie auch als „Bottom-up-Hypothese“. Dem steht die Vermutung gegenüber, dass nicht zuletzt Wissen und Aufmerksamkeit, also (eher bewusste) mentale Prozesse, die den „Automatismen“ grundlegender Module des visuellen Systems nachgelagert bzw. übergeordnet sind, eine wesentliche Rolle spielen („Top-down-Hypothesen“). Die im Laufe der Zeit angehäuften empirischen Befunde deuten, das sei einem Ausblick auf Methoden und Ergebnisse der experimentellen Erforschung von Kippphänomenen vorausgeschickt, darauf hin, dass die Wahrheit jenseits dieser plakativen (und zugleich unscharfen) Entgegensetzung liegt.
+
Innerhalb der Bildwissenschaften hat sich an prominen&shy;ter Stelle Ernst Gombrich auf Wittgen&shy;steins Über&shy;legun&shy;gen bezo&shy;gen (<bib id='Gombrich 1977a'></bib>: S. 21). Für Gombrich ist Wittgen&shy;steins Ausein&shy;ander&shy;setzung mit Kippbil&shy;dern deshalb von Bedeu&shy;tung, weil nach Gombrich auch beim Betrach&shy;ten von Bildern eine Art von Aspekt&shy;wechsel stattfin&shy;det, wenn wir nämlich zwischen der Illu&shy;sion des Sehens des [[Theorien des Bildraums|Bildraums]] oder des Bild&shy;sujets und dem bloßen Sehens des [[Bildträger|Bildträ&shy;gers]] hin- und herwech&shy;seln. So wüssten wir zwar, dass wir in Wirklich&shy;keit einen zweidi&shy;mensio&shy;nalen Gegen&shy;stand sehen, auch wenn wir die Illu&shy;sion haben, einen dreidi&shy;mensio&shy;nalen zu sehen. Gombrich vergleicht dieses Phäno&shy;men mit dem Aspekt&shy;wechsel beim Hasen-Enten-Kopf.  
 
+
:
Für den Gestaltpsychologen Wolfgang Köhler war die Ermüdungserklärung Bestandteil der These, Wahrnehmen überhaupt basiere – analog zu in der Physik untersuchten Erscheinungen – auf antagonistischen Prozessen neuronaler Selbstorganisation. Das Kippen gilt hier ganz ausdrücklich als generelles Funktionsprinzip des Gehirns, welches bei stabilen Wahrnehmungen nur nicht zu Bewusstsein komme. Diese Behauptung mag den Reiz eines Paradoxes haben, ist aber hinsichtlich des namhaft gemachten allgemeinen Funktionsprinzips nicht mehr als eine metaphorisch formulierte Vermutung; und anderseits erscheint diese These nicht gerade darauf angelegt, die Besonderheit von Wahrnehmungsprozessen, bei denen es zum Kippen kommt, zu erklären. In diese Tradition stellen sich neuere Bemühungen multistabiles Wahrnehmen im Rahmen des systemtheoretischen Zugangs der „Synergetik“ <bib id='Kruse & Stadler 1995a'></bib> als Schlüssel zum Verständnis des Wahrnehmens zu nutzen. Wenn in diesem Sinn das Kippen als „herausragendes methodologisches Fenster für das Messen der Dynamik des visuellen Systems“ <bib id='Kruse et al. 1995a'></bib> angesprochen wird, bleibt es nicht aus, dass u. a. Analogien von Kippfiguren und mathematischen Modellierungen der Quantenmechanik ins Feld geführt werden (<bib id='Caglioti 1995a'></bib>).
+
Richard Wollheim weist in diesem Zusammen&shy;hang zu Recht darauf hin, dass dieser Vergleich fehlge&shy;leitet ist: Beim H-E-Kopf wechseln wir nicht zwischen dem Sehen des H-E-Kopfs und dem Bildträ&shy;ger, sondern zwischen zwei [[Bildinhalt|Bildin&shy;halten]] (<bib id='Wollheim 1982a'></bib>: S. 199). Wollheims Kritik weist darauf hin, dass wir zwei Fälle bei Bildern unter&shy;scheiden sollten. Auf der einen Seite können wir zwischen dem Bildin&shy;halt und dem Bildträ&shy;ger unter&shy;scheiden und auf der anderen Seite zwischen zwei Bildin&shy;halten eines Bildträ&shy;gers. Nur im letzten Fall liegt nach Wollheim ein echter Aspekt&shy;wechsel vor. Dies wird auch darin deutlich, dass wir bei echten Aspekt&shy;wechsel nicht gleichzei&shy;tig beide Aspek&shy;te wahrneh&shy;men können, während dies bei Bildern kein Problem und nach Wollheim sogar die Voraus&shy;setzung für das Sehen von Bildern ist. Bei Bildern müssen wir nach Wollheim gleichzei&shy;tig Bildträ&shy;ger und Bildin&shy;halt wahrneh&shy;men („twofold&shy;ness“). Wollheim unter&shy;scheidet in dieser Hinsicht das »Sehen-in« (hier liegt ein zweiheit&shy;liches Sehen vor) vom »Sehen-als« (einer Art des Aspekt&shy;sehens). Wichtig in diesem Zusammen&shy;hang ist für Wollheim die Loka&shy;litäts&shy;bedin&shy;gung: beim »Sehen-als« können wir immer auf die Stelle hinwei&shy;sen, die Ursa&shy;che für die beiden Aspekte ist (z.B. beim H-E-Kopf die Löffel bzw. der Schnabel). Gleiches ist beim »Sehen-in« nicht notwen&shy;diger&shy;weise möglich.  
 
+
:
======Untersuchungsmethoden:======
+
Wollheims Auffassung wird u.a. von Dominic Lopes kriti&shy;siert. Seine Gegen&shy;beispie&shy;le sind ''Trompe l'œil''-Bilder, bei denen es uns zuwei&shy;len nicht möglich ist, den Bildträ&shy;ger zu sehen, und [[Semantik ungegenständlicher Bilder|gegen&shy;standslo&shy;se Bilder]], die keinen Bildin&shy;halt besit&shy;zen (<bib id='Lopes 1996a'></bib>: § 2.3). Gegen Lopes lässt sich einwen&shy;den, dass eine Person, der es im Fall eines ''Trompe l'œils''-Gemäl&shy;des nicht gelingt, den Bildträ&shy;ger zu sehen, eben nicht das Gemäl&shy;de als Bild sieht, sondern nur vermeint&shy;lich den darge&shy;stellten Gegen&shy;stand (⊳ [[Dezeptiver und immersiver Modus|Dezep&shy;tiver und immer&shy;siver Modus]]). Dies trifft auch für den Fall zu, dass die Person selbst weiß, dass sie nicht den Gegen&shy;stand selbst sieht. Es handelt sich in diesem Fall also um eine opti&shy;sche Täuschung vergleich&shy;bar mit der Müller-Lyer-Täuschung, bei der die Linien auch dann dem Betrachter unter&shy;schiedlich lang erschei&shy;nen können, wenn er weiß, dass sie gleich lang sind. Eine Illu&shy;sion dieser Art liegt aber beim Sehen von Bildern nicht vor. Vielmehr gehört es zum Sehen von Bildern dazu (twofold&shy;ness!), dass wir gleichzei&shy;tig den Bildträ&shy;ger und das Bildsujet sehen. Im Fall von gegen&shy;standslo&shy;sen Bildern kann auf Lopes entgeg&shy;net werden, dass auch bei diesen ein zweiheit&shy;liches Sehen vorliegt, nämlich zum einen das Sehen des zweidi&shy;mensio&shy;nalen Bildträ&shy;gers und des vermeint&shy;lichen dreidi&shy;mensio&shy;nalen Bildraums.
* Bei experimentellen Untersuchungen zur Wahrnehmung von Kippbildern wird in der Regel von den Versuchspersonen verlangt, durch Drücken verschiedener Knöpfe anzuzeigen, welche Lesart der Vorlage ihnen momentan ins Auge springt. Auf diese Weise lassen sich der primäre Eindruck sowie der Wechsel im weiteren Verlauf (Fluktuation, jeweilige Verweildauer) feststellen. Dieses Verfahren setzt voraus, dass die Probanden über das potentielle Kippen bzw. die möglichen Sichtweisen vorweg aufgeklärt wurden; sie sind also nicht völlig unbefangen. Entsprechend vorinformiert sind auch Versuchspersonen, die auf einer Skala einschätzen sollen, wie leicht ihnen diese oder jene Sichtweise fällt. Will man eine derartige Voreinstellung vermeiden, ist man auf mündliche Berichte („Sagen Sie, was Sie sehen.“) angewiesen, die nicht so leicht statistisch ausgewertet werden können.
 
 
 
* Je nach spezifischer Fragestellung sind die Versuchspersonen frei, die jeweiligen Vorlagen ohne weiteren Vorsatz auf sich wirken zu lassen, oder werden aufgefordert, Sichtweisen möglichst zu halten oder im Gegenteil möglichst oft wechseln zu lassen.
 
 
 
* Das Betrachten erfolgt manchmal nur mit einem Auge, manchmal mit fixiertem Kopf (z.B. Kinnauflage). Der Blick darf schweifen oder soll auf eine Markierung im Bild fixiert werden (wie eine Fixierung wirkt es auch, wenn die Bilder dem Tanz der freien Augenbewegung nachgeführt werden oder wenn man das Kippen anhand von Nachbildern einer blitzlichtartigen Präsentation auf der Netzhaut – Nachbilder bewegen mit dem Auge mit – untersucht.)  
 
 
 
* Die Vorlagen werden ununterbrochen oder in verschiedenen Intervallen präsentiert.  
 
 
 
* Manchmal stehen die Bilder auf dem Kopf (etwa um zu prüfen, welche Rolle das Erkennen von „Bedeutung“/Lebewesen für die Zuordnung einer Kontur spielt).
 
 
 
* Manchmal spielen eindeutig gemachte („disambiguierte“) Varianten von Kippbildern eine Rolle.
 
 
 
* Das, was Versuchspersonen im Zusammenhang des jeweiligen Versuchsaufbaus bewusst mitteilen (meist per Knopfdruck), wird in aufwendigeren Studien mit Messungen von Augenbewegungen (teils auch des eventuell abgedeckten Auges) und Akkommodation, der Hirnströme (sogenannter ERPs: ereigniskorrelierter Potentiale) oder lokaler Durchblutungsdifferenzen abgeglichen.
 
 
 
* Anhaltspunkte für die Erklärung (bzw. die neuronale Basis) multistabiler Wahrnehmung ergeben sich auch aus gewissen Parallelen zur binokulären Rivalität (bietet man beiden Augen Ansichten, die nicht zur Deckung zu bringen sind, springt das Wahrnehmen zwischen beiden Sichten), deren neuronale Korrelate mit Elektroden im Gehirn von Affen untersucht werden können.
 
 
 
======Ergebnisse======
 
[[Datei:17.png|thumb|Abbildung 17]]
 
* Ein bereits älterer Forschungsbefund machte die Sättigungstheorie zweifelhaft: Zeigt man Versuchspersonen, bevor man ihnen das Kippbild mit der jungen und der alten Frau präsentiert, eine eindeutig gemachte Variante, die entweder die „Ehefrau“ oder die „Schwiegermutter“ erkennen lässt (Abb. 17), sehen sie dann das Kippbild eher entsprechend der jeweiligen Prägung (nach <bib id='Attneave 1971a'></bib> und <bib id='Hochberg 1977a'></bib>). Nach der Sättigungstheorie wäre das Gegenteil zu erwarten. Dem steht u. a. der neuere Befund gegenüber, dass im Falle eines rotierenden Neckerwürfels die Vorerfahrung mit eindeutig gemachter Drehrichtung nur dann auf die Auffassung der mehrdeutigen Vorlage durchschlägt, wenn das „Priming“, wie dieses Versuchsdesign genannt wird, kurz gehalten war, während eine längere Vorwegkonfrontation die gegenteilige Wahrnehmung befördert (<bib id='Pitts et al. 2008a'></bib>)
 
 
 
* Was empirische Bestätigungen von „Top-down-Prozessen“ angeht, ist vielfach belegt, dass sich das Kippen zwar willkürlich beeinflussen, indessen nicht völlig intentional kontrollieren lässt.
 
 
 
* Die Wahrnehmung von Kippbildern, die Gesichter enthalten (beispielsweise der Hasen-Enten-Kopf), ist leichter beeinflussbar – im Sinne von verzögertem oder beschleunigtem Wechsel – als die von Bildern mit doppeldeutiger Perspektive (z. B. der Necker-Würfel; <bib id='Stüber & Stadler 1999a'></bib>).
 
 
 
* Hirnstrommessungen lieferten in jüngerer Zeit Indizien dafür, dass frühe Prozesse im Hinterhauptslappen des Gehirns durch Aktivierungen in frontalen und temporalen Bereichen des Gehirns, die mit Aufmerksamkeit resp. Objektwissen in Verbindung gebracht werden, mitbestimmt werden (beispielsweise <bib id='Pitts et al. 2008a'></bib>).
 
 
 
* Messungen im Affenhirn (<bib id='Logothetis 1998a'></bib>) und EEG-Befunde beim Menschen zeigen (<bib id='Britz et al. 2010a'></bib>), dass bei binokulärer Rivalität „späte“ Module (im Scheitellappen), die mit der räumlichen Auswertung visueller Reize in Verbindung gebracht werden , eine herausgehobene Rolle spielen; entsprechende Aktivierungen finden sich auch bei Kippfiguren (<bib id='Britz et al. 2009a'></bib>: S. 55–65).
 
 
 
* Vergleicht man das EEG, das sich zeigt, wenn man vor den Augen der Versuchspersonen den Wechsel zwischen eindeutig gemachten Varianten eines Bildes vollzieht, mit jenem, das mit echtem Kippen bei unveränderter mehrdeutiger Vorlage einhergeht, so fehlt beim echten Kippen eine Komponente, die als „Erlangen von Gewissheit“ interpretierbar ist; gleichwohl scheint man das Kippen immer wieder als neue Gewissheit zu erleben, sich also nicht dessen bewusst zu sein, was das EEG bezeugt: dass man auf dem Sprung bleibt (<bib id='Kornmeier & Bach 2009a'></bib>).
 
 
 
* Zusammenhänge von Kippen und Augenbewegungen sind ebenso nachgewiesen, wie der Umstand, dass es zum Kippen auch dann kommt, wenn das Auge nicht über das Bild wandert.
 
 
 
* Von Augenbewegung unabhängige Verlagerungen der Aufmerksamkeit (sog. „verdeckte Aufmerksamkeit“) modifizieren das Kippen. Der Zusammenhang von Kippen mit intentionalem Suchverhalten mit und ohne Augenbewegungen ist ein Indiz dafür, dass das Kippen auch jenseits bewusster Absicht, als Art von Suchverhalten unter erschwerten Wahrnehmungsbedingungen verstanden werden kann (zusammenfassend <bib id='Leopold & Logothetis 1999a'></bib>).
 
 
 
* Springt beim einäugigen Betrachten eines Neckerwürfels die Sichtweise um, ändert sich die Stellung des verdeckten Auges, so wie das bei beidäugigem Sehen geschehen würde, um bei einem tatsächlichen räumlichen Gebilde das Sehen von Doppelbildern zu vermeiden (Vergenzbewegung) (<bib id='Enright 1987a'></bib>).
 
 
 
* Kurze Unterbrechungen der Reizpräsentation (bis zu 400 ms) fördern ein Kippen, längere Pausen reduzieren es drastisch; welche der beiden konkurrierenden Deutungen dadurch gestützt wird, ist strittig (<bib id='Kornmeier et al. 2009a'></bib>).  
 
 
 
Ungeachtet der offenen Fragen angesichts der hier schlaglichtartig angedeuteten komplexen Befundlage kann man festhalten, dass Kippbilder wohl eher durch Deutungen zu erhellen sind, welche bedenken, wie sich diese Situationen zum prinzipiellen Handlungs- bzw. Umweltbezug des Wahrnehmens verhalten, als durch losgelöste Modelle der Selbstorganisation bzw. Analogien zu physikalischen Phänomenen.
 
 
 
=====Philosophische Diskussion=====
 
Spätestens mit Wittgensteins Beispiel des Hasen-Enten-Kopfs (H-E-Kopf) hat das Kippbild Eingang in den philosophischen Diskurs gefunden (vgl. nochmals Abb. 7 oben).
 
 
 
Wittgenstein Interesse für das Kippbild rührt aus seiner Fragestellung zur unterschiedlichen Verwendungsweisen des Ausdrucks „[[Sehen|sehen]]“ her (vgl. <bib id='Glock 2000a'></bib> und <bib id='Rager 1997a'></bib>). So unterscheiden wir das gewöhnliche Sehen-von vom Sehen-als. Beispielsweise lässt sich das gewöhnliche Sehen einer Wolke vom Sehen einer Wolke als Schaf unterscheiden. Eine andere Art von Unterscheidung liegt im Falle des H-E-Kopfes vor, wenn man ihn entweder als Hasenbild oder als Entenbild sieht. Wittgenstein spricht in diesem Fall von Aspektsehen oder Aspektwechsel. Die Frage, die ihn dabei u.a. interessiert, lautet, ob der Aspektwechsel jeweils mit einem Wechsel eines Wahrnehmungserlebnisses einhergeht und dieser Wahrnehmungserlebniswechsel erklären kann, warum wir eben das eine mal einen Hasen und das andermal eine Ente sehen. Klar scheint ja erst einmal zu sein, dass wir beim Betrachten des H-E-Kopfs in gewisser Hinsicht jedes Mal das gleiche wahrnehmen oder sehen, egal ob wir entweder gerade der Aspekt des Hasen- oder des Entenkopfs aufleuchtet. Nach Wittgenstein kann uns hier die Gestalttheorie nicht weiter helfen, der zufolge wir beim Sehen des Hasen- bzw. des Entenkopfes jeweils unterschiedliche Gestalten wahrnehmen würden (vgl. <bib id='Glock 2000a'></bib>: S. 43 und <bib id='Krkac 2010a'></bib>). Die Gestalt ist ja jedes Mal dieselbe, der Unterschied liegt alleine in unserem Seherlebnis, dass das eine Mal im Sehen eines Hasenbildes und das andere Mal im Sehen eines Entenbildes besteht. Vor ähnlichen Problemen wie der Gestalttheoretiker steht der Repräsentationalist, der behauptet, dass unsere Wahrnehmung in einem inneren Bild des wahrgenommen Gegenstandes besteht. Auch für ihn gilt, dass er nur schwerlich leugnen kann, dass das Hasen- oder Entenbild also der jeweilige Aspekt, den der Betrachter wahrnimmt, erst einmal auf der gleichen Repräsentation beruhen muss (nämlich in beiden Fällen auf einer, die auf der Umrissform des H-E-Kopfes beruht). Wie aber kann der Repräsentationalist die unterschiedlichen Wahrnehmungserlebnisse erklären? <br/>
 
 
 
Der Repräsentationalist wird auf diese Frage ohne Zusatzannahmen keine befriedigende Antwort geben können (vgl. <bib id='Macpherson 1996a'></bib>).<ref>Siehe auch oben Bottom-up und Top-down Hypothesen.</ref> Nach Wittgenstein kann weder die Gestalttheorie noch der Repräsentationalismus eine Erklärung für das Aspektsehen anbieten. Wittgensteins eigene Lösung besteht dagegen darin, dass Sehen-als nicht als eine reine Form der Wahrnehmung zu betrachten (<bib id='Wittgenstein 1971a'></bib>: S. 524): „Das ‚Sehen-als …‘ gehört nicht zur Wahrnehmung. Und darum ist es wie ein Sehen und wieder nicht ein Sehen.“ Das Aufleuchten des Aspekts ist nach Wittgenstein „halb Seherlebnis, halb ein Denken“ (ebd. S. 524). Zum Aspektsehen muss also eine kognitive Leistung hinzukommen, die über eine bloße Wahrnehmung hinausgeht (vgl. <bib id='Glock 2000a'></bib>: S. 44 f.). Aspektsehen ist für Wittgenstein eine kognitive Fähigkeit und das Fehlen dieser Fähigkeit, die Aspektblindheit, ist für ihn vergleichbar mit Farbenblindheit oder „dem Mangel des musikalischen Gehörs‘“ (ebd. 552). Die Aspektblindheit zeigt sich aber nicht in dem Fehlen bestimmter Wahrnehmungen, sondern in der Unfähigkeit kognitiv auf bestimmte Fragen zu reagieren. Anders gesagt, die Fähigkeit den Aspekt zu sehen, zeigt sich in bestimmten sprachlichen Reaktionen, etwa „jetzt sehe ich’s“. Dieser Ausdruck, mit dem ich mein Erlebnis des Aspektwechsles mitteile, ist zumindest in einer Hinsicht vergleichbar mit dem Schrei, der meinen Schmerz anzeigt. Beide beziehen sich nicht auf mentale Gegenstände (innere Bilder) sondern sind Ausdruck eines Erlebnisses.<br/>
 
 
 
Innerhalb der Bildwissenschaften hat sich an prominenter Stelle Ernst Gombrich auf Wittgensteins Überlegungen bezogen (<bib id='Gombrich 1977a'></bib>: S. 21). Für Gombrich ist Wittgensteins Auseinandersetzung mit Kippbildern deshalb von Bedeutung, weil nach Gombrich auch beim Betrachten von Bildern eine Art von Aspektwechsel stattfindet, nämlich wenn wir zwischen der Illusion des Sehens des Bildraums oder des Bildsujets und dem bloßen Sehens des Bildträgers hin- und herwechseln. So wüssten wir zwar, dass wir in Wirklichkeit einen zweidimensionalen Gegenstand sehen, auch wenn wir die Illusion haben, einen dreidimensionalen zu sehen. Gombrich vergleicht dieses Phänomen mit dem Aspektwechsel beim Hasen-Enten-Kopf. <br/>
 
 
 
Richard Wollheim weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass dieser Vergleich fehlgeleitet ist: Beim H-E-Kopf wechseln wir nicht zwischen dem Sehen des H-E-Kopfs und dem Bildträger, sondern zwischen zwei Bildinhalten (<bib id='Wollheim 1982a'></bib>: S. 199). Wollheims Kritik weist daraufhin, dass wir zwei Fälle bei Bildern unterscheiden sollten. Auf der einen Seite können wir zwischen dem Bildinhalt und dem Bildträger unterscheiden und auf der anderen Seite zwischen zwei Bildinhalten eines Bildträgers. Nur im letzten Fall liegt nach Wollheim ein echter Aspektwechsel vor. Dies wird auch darin deutlich, dass wir bei echten Aspektwechsel nicht gleichzeitig beide Aspekte wahrnehmen können, während dies bei Bildern kein Problem und nach Wollheim sogar die Voraussetzung für das Sehen von Bildern ist. Bei Bildern müssen wir nach Wollheim gleichzeitig Bildträger und Bildinhalt wahrnehmen („twofoldness“). Wollheim unterscheidet in dieser Hinsicht das Sehen-in (hier liegt ein zweiheitliches Sehen vor) vom Sehen-als (einer Art des Aspektsehens). Wichtig in diesem Zusammenhang ist für Wollheim die Lokalitätsbedingung: beim Sehen-als können wir immer auf die Stelle hinweisen, die Ursache für die beiden Aspekte ist (z.B. beim H-E-Kopf die Löffel bzw. der Schnabel). Gleiches ist bei Sehen-in nicht notwendigerweise möglich. <br/>
 
 
 
Wollheims Auffassung wird u.a. von Dominic Lopes kritisiert. Seine Gegenbeispiele sind Trompe l'œil Bilder, bei denen es uns zuweilen nicht möglich ist, den Bildträger zu sehen und gegenstandslose Bilder, die keinen Bildinhalt besitzen (<bib id='Lopes 1996a'></bib>: § 2.3). Gegen Lopes lässt sich einwenden, dass eine Person, der es im Fall eines Trompe l'œils Gemälde nicht gelingt, den Bildträger zu sehen, eben nicht das Gemälde als Bild sieht, sondern nur vermeintlich den dargestellten Gegenstand. Dies trifft auch für den Fall zu, dass die Person selbst weiß, dass sie nicht den Gegenstand selbst sieht. Es handelt sich in diesem Fall also um eine optische Täuschung vergleichbar mit der Müller-Lyer-Täuschung, bei der die Linien auch dann dem Betrachter unterschiedlich lang erscheinen können, wenn er weiß, dass sie gleich lang sind. Eine Illusion dieser Art liegt aber beim Sehen von Bildern nicht vor. Vielmehr gehört es zum Sehen von Bildern dazu (twofoldness!), dass wir gleichzeitig den Bildträger und das Bildsujet sehen. Im Fall von gegenstandslosen Bildern kann auf Lopes entgegnet werden, dass auch bei diesen ein zweiheitliches Sehen vorliegt, nämlich zum einen das Sehen des zweidimensionalen Bildträgers und des vermeintlichen dreidimensionalen Bildraums.
 
  
 
{{GlossarSiehe}}
 
{{GlossarSiehe}}
  
*
+
* [[Animation]]
 +
* [[Aufmerksamkeit]]
 +
* [[Bild in reflexiver Verwendung]]
 +
* [[Bildinhalt]]
 +
* [[Bildträger]]
 +
* [[Bildvorstellungen]]
 +
* [[Dezeptiver und immersiver Modus]]
 +
* [[Figur/Grund-Differenzierung]]
 +
* [[Gesichtsdarstellung]]
 +
* [[Gestalt]]
 +
* [[Kontext]]
 +
* [[Perspektive und Projektion]]
 +
* [[Sehen]]
 +
* [[Semantik]]
 +
* [[Semantik ungegenständlicher Bilder]]
 +
* [[Theorien des Bildraums]]
 +
* [[Vexierbild]]
 +
* [[Wahrnehmungsillusion]]
  
 
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern-->
 
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern-->
Zeile 169: Zeile 198:
 
{{GlosTab2}}
 
{{GlosTab2}}
 
{{GlosTab3}}
 
{{GlosTab3}}
 +
''Ausgabe 1: 2013''
 +
{{GlosTab4}}
 
''Verantwortlich:''  
 
''Verantwortlich:''  
  
 
* [[Benutzer:Rainer Schönhammer|Schönhammer, Rainer]]
 
* [[Benutzer:Rainer Schönhammer|Schönhammer, Rainer]]
* [[Benutzer:Jakob_Steinbrenner|Steinbrenner, Jakob]]  
+
* [[Benutzer:Jakob_Steinbrenner|Steinbrenner, Jakob]]
 +
 
 +
{{GlosTab4}}
 +
''Lektorat:''
 +
* [[Benutzer:Klaus Sachs-Hombach|Sachs-Hombach, Klaus]]
 +
* [[Benutzer:Joerg R.J. Schirra|Schirra, Jörg R.J.]]
 +
{{GlosTab5}}
 +
<bib id='Schönhammer & Steinbrenner 2013g-a'></bib>
 
<!--den Schluß nicht verändern-->
 
<!--den Schluß nicht verändern-->
{{GlosEnd}}
+
{{GlosEndB}}
 
<!--Das war's-->
 
<!--Das war's-->

Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 16:43 Uhr

Unterpunkt zu: Bildwahrnehmung


If meanings are hypotheses, ambi­guities are alter­native hypothe­ses. ([Grego­ry 2000a]: S. 1140)


Die Ausdrücke ‘Kippbild’ oder ‘Kipp­figur’ stehen für Vorla­gen, die einen (rever­siblen) abrup­ten Wechsel des Wahrge­nomme­nen ermög­lichen, während das Bild/Objekt unver­ändert bleibt. Man spricht auch von mehrfach­stabi­len Wahrneh­mungspro­zessen (also etwa von bi-, tri- oder multi­stabi­ler Wahrneh­mung). Aus verschie­denen Kultu­ren über­liefer­te Arte­fakte (Wandge­mälde, Reliefs, Mosa­ike, Deko­re auf Kera­miken und Texti­lien) deuten darauf hin, dass der Reiz solcher Bilder weithin und auch schon lange bekannt ist ([Grego­ry 2000a]; [Metzger 2008a]; [Mitchell 1994a]; [Zimmer 1995a]; [Picco­lino & Wade 2006a]; [Picco­lino & Wade 2006b]).

In Situationen des praktischen Lebens ist derar­tige Insta­bili­tät des Wahrneh­mens selten. Das schließt nicht aus, dass Momen­te der umwelt­bezo­genen Wahrneh­mung zumin­dest teils Ausgangs­punkt für entspre­chende bildne­rische Spiele waren und sind.[1]


Phänomenologie (Eingren­zung und Vari­anten)

Oft werden Kippbilder in drei Typen unter­teilt:[2] 1) Umsprin­gen von Figur und Grund, 2) Ambi­valenz von Bedeu­tung und 3) Mehrdeu­tigkeit perspek­tivi­scher Darstel­lungen. Diese Typo­logie ist zwar nicht umfas­send und in gewis­ser Weise sogar irre­führend, aber gleichwohl ein brauchba­rer erster Zugang.

Umspringen von »Figur« und »Grund«

Ab­bil­dung 1

Be­rühm­tes­tes Bei­spiel für die­sen Ty­pus ist der Kelch, des­sen Um­ris­se als zwei ein­an­der zu­ge­wand­te mensch­li­che Pro­fi­le ge­se­hen wer­den kön­nen. Un­ter Psy­cho­lo­gen ist die­ses Kipp­bild als ‘Ru­bin­scher Be­cher’ oder ‘Ru­bin­sche Va­se’ ge­läu­fig; der dä­ni­sche Psy­cho­lo­ge Ed­gar Ru­bin hat­te die­ses Mo­tiv, das zu­vor schon in der gra­phi­schen Kunst be­nutzt wor­den war,[3] zu Beginn des 20. Jh. aufge­griffen[4] (vgl. Abb. 1). Von ‘Kippen’ kann man hier sprechen, weil die Kontur­linie entwe­der den Profi­len zuge­hört oder dem Kelch: Sieht man die Profi­le, hat sich die weiße Fläche in Hinter­grund verwan­delt; nimmt man den Kelch wahr, sieht man keine Schatten­risse von menschli­chen Gesich­tern, sondern nur dunklen Hinter­grund, der sich hinter dem verschnör­kelten Gefäß fortsetzt.

Ab­bil­dung 2

Fi­gur/Ob­jekt und (Hin­ter-)​Grund kön­nen auch bei eher sinn­frei­en Li­ni­en/Flä­chen­gren­zen in­ein­an­der um­schla­gen. Der­ar­ti­ge Bei­spie­le stan­den im Mit­tel­punkt von Ru­bins Un­ter­su­chun­gen (Abb. 2).

Ab­bil­dung 3

Die Un­ter­schei­dung von »Fi­gur« und »Grund«, die man als Be­trach­ter von nicht­per­spek­ti­vi­schen zwei­di­men­si­o­na­len Dar­stel­lun­gen vor­nimmt, de­mons­triert, wie stark man da­zu neigt, drei­di­men­si­o­na­le Ver­hält­nis­se (»vor«  vs. »hin­ter«) in Bil­der hi­nein­zu­se­hen. Bereits da, wo nur eine schlichte Linie eine Fläche teilt (Abb. 3), sehen wir leicht eine der beiden Teilflä­chen vor der ande­ren.[5]

Ab­bil­dung 4: Ru­bins Ab­bil­dung von (1921) be­schnit­ten
Ab­bil­dung 5: Ru­bins Ab­bil­dung von (1921) mo­di­fi­ziert

Ge­staltpsy­cho­lo­gen ha­ben sich ein­ge­hend mit der Fra­ge be­schäf­tigt, wel­che ab­strak­ten Qua­li­tä­ten von Li­ni­en/​Flä­chen das Sehen als Fi­gur na­he le­gen ([Metz­ger 2008a]). Man­che der zahl­rei­chen Va­ri­a­ti­o­nen der Dar­stel­lung von Ru­bins Be­cher ma­chen Fak­to­ren der Fi­gur­bil­dung deut­lich; schnei­det man bei­spiels­wei­se Ru­bins Ori­gi­nal an der obe­ren und un­te­ren Kan­te des Kelchs ho­ri­zon­tal ab, so sprin­gen die Pro­fi­le leich­ter ins Au­ge als in der ur­sprüng­li­chen Kon­stel­la­ti­on (um­schlie­ßen­de Flä­chen wer­den eher als Grund ge­se­hen, Abb. 4), ein Tausch von hell und dun­kel wirkt die­ser Ten­denz wie­de­rum ent­ge­gen (dunk­le­re Flä­chen sieht man be­vor­zugt als Fi­gur, Abb. 5).

Ab­bil­dung 6
Das eben­falls re­la­tiv be­kann­te Bild ei­ner Land­schaft, in der sich die Um­ris­se Na­po­le­ons/​ei­nes Ka­pi­täns – vom cha­rak­te­ris­ti­schen Hut bis zu den Fü­ßen – ver­ste­cken (z.B. in [Gre­go­ry 2000a], Abb. 6), funk­ti­o­niert nur be­dingt als Kipp­fi­gur. Hat man die Um­ris­se, die für den Mann ste­hen, erst ein­mal ent­deckt, ist ein Um­schla­gen von Fi­gur und Grund zwar in­so­fern nicht aus­ge­schlos­sen, als man ab­wech­selnd die Sil­hou­et­te des Man­nes vor ei­nem di­cken Baum oder aber Bäu­me/​Baum­strün­ke und ei­nen lee­ren Zwi­schen­raum se­hen kann. Aber nicht nur bei breit (auf die To­ta­le) ein­ge­stell­ter Auf­merk­sam­keit kann man Land­schaft und Per­son zu­gleich se­hen; es ist auch mög­lich, si­mul­tan ge­wun­de­ne dün­ne Baum­stäm­me und die von ih­ren Kon­tu­ren ge­form­te Sil­hou­et­te zu se­hen, al­so zwei so­zu­sa­gen sym­bi­o­ti­sche Fi­gu­ren. Die­ses Ve­xier­bild funk­ti­o­niert – wie viele ande­re auch – deshalb gut als Bilder­rätsel, weil es in die rela­tiv detail­reiche Darstel­lung einer realis­tischen Szene­rie in unwahr­scheinli­cher Weise Anzei­chen eines bedeut­samen Objek­tes (meist eines Menschen oder ande­ren Lebe­wesens) konstru­iert. Ist der Betrach­ter erst einmal über diese Andeu­tungen gestol­pert, springt aus dem Hinter­grund der ursprüng­lichen Figur (hier: Baumgrup­pe in Land­schaft) ein Objekt in die Szene, ohne diese dabei auszu­löschen. Das Konstruk­tionsprin­zip solcher Vexier- oder Rätsel­bilder sorgt eher für einma­lige Über­raschung als fortge­setztes Kippen. ([Schön­hammer 2011a]: S. 4)

Ambivalenz von Bedeu­tungen (seman­tisch ambi­valen­te Bilder)

Diese nicht sehr glückliche Kate­gori­sierung – um unter­schiedli­che Bedeu­tungen handelt es sich bei zwei- oder mehrdeu­tigen Bildern immer – bezieht sich auf Vorla­gen, bei denen man abwech­selnd die Darstel­lung verschie­dener Objek­te sehen kann, ohne dass dabei unbe­dingt ein Figur-Grund-Wechsel betei­ligt wäre. Man könnte also vielleicht besser von ‘Gesich­terwech­sel der Figur’ sprechen. Die Rede vom Gesich­terwech­sel charak­teri­siert diesen Unter­typus von Kippbil­dern nicht nur im über­trage­nen Sinn – die nämli­che Figur (im Sinne der gestalt­psycho­logi­schen Unter­scheidung von »Figur« und »Grund«) evo­ziert unter­schiedli­che Objek­te – sondern auch inso­fern, als es hier in der Regel um Bilder geht, bei denen tatsäch­lich oft abwech­selnd unter­schiedli­che Gesich­ter (und/​oder Körper) von Menschen oder ande­ren Tieren aus einer Figur hervor­treten (manchmal sind das Gesich­ter/​Körper der nämli­chen Gattung, manchmal wechselt die Gattung; auch Darstel­lungen menschli­cher Toten­köpfe sind verbrei­tet)[6]. ([Schön­hammer 2011a]: S. 4f)

Ab­bil­dung 7

Be­rühm­te Bei­spie­le für Ge­sich­ter-Kipp­bil­der tauch­ten zu­nächst im 19. und frü­hen 20. Jh. in hu­mo­ris­ti­schen Pu­b­li­ka­ti­o­nen auf und ha­ben heu­te ei­nen fes­ten Platz in psy­cho­lo­gi­schen Lehr­bü­chern und po­pu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Dar­stel­lun­gen spek­ta­ku­lä­rer Wahr­neh­mungs­phä­no­me­ne. Be­son­ders pro­mi­nent ist je­ner Kopf, der auf den ers­ten Blick meist als der einer En­te ge­se­hen wird, aber auch in den ei­nes Ha­sen um­schla­gen kann (Abb. 7).[7] Der in Harvard lehren­de Psycho­loge Jastrow hatte den Enten-Hasen-Kopf am Über­gang zum 20. Jh. in die wissen­schaftli­che Diskus­sion einge­bracht ([Brugger 1999a]). Eini­ge Bemer­kungen im Spätwerk Ludwig Wittgen­steins (siehe unten) haben diese Gesich­terkipp­figur gewis­serma­ßen philo­sophisch geadelt.

Ab­bil­dung 8

Ein wei­te­res so­zu­sa­gen klas­si­sches Kipp­bild ver­eint die An­sicht ei­ner al­ten Frau (im ganz leicht dem Be­trach­ter zu­ge­wand­ten Pro­fil) mit der Dar­stel­lung des Ge­sichts ei­ner jun­gen Frau, das vom Be­trach­ter drei­vier­tel ab­ge­wandt ist (Abb. 8);[8] wie beim En­ten- vs. Ha­sen­kopf schlie­ßen sich bei­de Sicht­wei­sen aus.

Ab­bil­dung 9

Manch­mal ist ein par­ti­el­ler Fi­gur-Grund-Wech­sel in die Me­ta­mor­pho­se der Fi­gur ein­be­zo­gen. So er­scheint im Kipp­bild «Rat­te vs. Mann mit Bril­le» (Abb. 9) ein Be­reich ein­mal als Grund zwi­schen Kör­per und Schwanz der Rat­te und wird mit dem Um­schla­gen zur Wan­ge des Man­nes.

Ab­bil­dung 10
Ähn­lich ver­hält es sich bei der Gra­fik «Sa­ra Na­der» (Abb. 10) aus der Fe­der des ame­ri­ka­ni­schen Psy­cho­lo­gen Ro­ger N. She­pard ([She­pard 1990a]: S. 76).[9] Al­ler­dings kann man bei die­sem Bild bei­de Seh­wei­sen – Sa­xo­phon­spie­ler und en face Por­trät einer Frau – gleich­zei­tig wahr­neh­men, was wohl da­her rührt, dass je­ne Flä­chen, die ei­nes der bei­den Au­gen, den Mund und den Na­sen­flü­gel des weib­li­chen Ge­sichts an­zei­gen, ent­we­der iso­liert vom Schat­ten­riss des Sa­xo­phon­spie­lers sind (Au­ge) oder sich nicht zwin­gend in die Ein­heit von Mann und In­stru­ment fü­gen (Mund, Na­sen­flü­gel). Man kann so­gar auch noch gleich­zei­tig ge­wah­ren, dass das so­zu­sa­gen frei­schwe­ben­de Au­ge ei­nen Vo­gel dar­stellt. So­fern die Auf­merk­sam­keit nicht zu sehr auf ei­nes der drei “Ge­sich­ter” (Mann, Frau, Vo­gel) fo­kus­siert, ma­chen die­se sich den Platz im Wahr­neh­mungs­akt nicht strei­tig. ([Schön­hammer 2011a]: S. 6)
­Gesichter-Kippbilder sind also von Bildern zu unter­scheiden, die Darste­llungen mehre­rer Gesich­ter bzw. Körper bergen, welche zwar womög­lich – im Sinne eines Bilder­rätsels – nicht alle sofort gese­hen werden und auch dann, wenn sie einmal entdeckt wurden, abwech­selnd ins Zentrum der Aufmerk­samkeit treten können, deren gleichzei­tige Wahrneh­mung aber nicht ausge­schlossen ist. Nur dann, wenn die wesent­lichen Anzei­chen für die konkur­rieren­den Gesich­ter in der jewei­ligen Alter­native einen sinnvol­len Platz finden, schlägt die Wahrneh­mung um. Ansons­ten kann man eben zwei oder mehre­re Gesich­ter/Kör­per zugleich sehen, ob sie nun mehr oder weni­ger gleichbe­rechtigt neben­einan­der stehen oder in eine hierar­chische Bezie­hung zuein­ander gesetzt sind (wie beispiels­weise da, wo kleine Darstel­lungen von Menschen nach Art der Jahres­zeiten-Gemäl­de von Arcim­boldo Partien eines Porträts bilden).[10] ([Schön­hammer 2011a]: S. 6)

Bilder, die in Arcimboldos Manier Gesichter und Körper zu einem über­geord­neten Gesicht (oder eben Toten­kopf) zusam­menstel­len, legen einen Wechsel der Fokus­sierung nahe, ohne im strengen Sinn Kippbil­der zu sein.[11] Diese Verschie­bung von Akzen­ten der Betrach­tung ist einem Wechsel der Aufmerk­samkeit vergleich­bar, wie man ihn vornimmt, wenn man sich auf Details eines Bildes konzen­triert oder gar die Pinsel­striche (allge­mein: Merkma­le der Darstel­lungswei­se) fokus­siert. Selbst wenn man bei der Unter­suchung der Ober­fläche eines Bildes für Momen­te das Darge­stellte völlig ausklam­mert, fehlt hier – wie auch beim Fokus­wechsel bei Bilder­rätseln – das typi­sche Erleb­nis verblüf­fenden Hin-und-her-Kippens (⊳ Bild in refle­xiver Verwen­dung).

Wenn Ernst Gombrich den Übergang von Sehen des Bildin­halts zu einem radi­kal auf die Malwei­se gerich­teten kunstwis­senschaft­lichen Blick mit dem Kippbild­erleb­nis gleichsetzt ([Gombrich 2002a]), was der Kunsttheo­retiker Richard Wollheim aus verschie­denen Gründen in Frage stellte (siehe unten), wird er u. a. der Tatsa­che nicht gerecht, dass das Kippen zwar auch durch Konzen­tration aktiv beein­flusst werden kann, aber – anders als eine ausblen­dende Vertie­fung in die Darstel­lungswei­se – immer als Wider­fahrnis erlebt wird (dieser jeder­zeit indi­vidu­elle über­prüfba­re Befund wird auch durch Ergeb­nisse der expe­rimen­tellen Forschung bestä­tigt; siehe unten). Frei nach Lichten­berg: Kippbil­der vermit­teln das Erleb­nis ‘Es sieht!’. ([Schönham­mer 2011a]: S. 7)

Perspektivische Mehrdeutig­keit

Zweidimensionale Projektionen drei­dimen­siona­ler Körper, also beispiels­weise perspek­tivi­sche Darstel­lung von Kristal­len, sind objek­tiv vieldeu­tig. Grundsätz­lich kann ja schon jede auf ein Blatt gezeich­nete Linie für zahllo­se Neigun­gen eines Stabes (oder eben einer Kante) in die Tiefe des Raumes stehen. Die verschie­densten Körper führen also zur nämli­chen Projek­tion. Unge­achtet der unend­lich vielen mögli­chen drei­dimen­siona­len Konstel­latio­nen, die hinter einem solchen Bild stehen können, drängen sich dem Wahrneh­men nur weni­ge auf. Das ist per se bemer­kenswert. Zu den „Lebens­gewohn­heiten des Gesichts­sinnes“ ([Mach 1987a]: S. 147) gehört es offen­bar, dass uns die Mehrzahl der mögli­chen 3D-Sicht­weisen von Zeichnun­gen nicht in den Sinn kommen.

Ab­bil­dung 11

Ei­ne Zeich­nung (Abb. 11), in der wir spon­tan die Pro­jek­ti­on ei­nes Git­ter-Wür­fels aus­ma­chen (mö­gen auch an­de­re Kör­per zum näm­li­chen Bild füh­ren), bleibt al­ler­dings auch im Wahr­neh­mungs­akt mehr­deu­tig: In der Re­gel kippt die An­sicht der un­ver­än­der­ten Vor­la­ge zwi­schen zwei un­ter­schied­lich im Raum ge­la­ger­ten Wür­feln hin und her, sieht man, an­ders ge­sagt, Ecken vor- bzw. zu­rück­sprin­gen. Die­se Kipp­fi­gur ist un­ter der Be­zeich­nung ‘Ne­cker-Wür­fel’ ge­läu­fig; be­nannt nach je­nem Schwei­zer Geo­lo­gen und Kris­tal­lo­gra­phen, der das Kip­pen beim Be­trach­ten von durch­sich­ti­gen Kan­ten­dar­stel­lun­gen von Kris­tall­for­men im Jahr 1832 schrift­lich fest­ge­hal­ten hat­te (vgl. [Wade et al. 2010a]).

Ab­bil­dung 12
Ab­bil­dung 13
Ab­bil­dung 14

Als ‘Machs Buch’ (Abb. 12) wird die Ver­bin­dung zwei­er Pa­ral­le­lo­gram­me be­zeich­net, die in der Re­gel zu­nächst als ge­öff­ne­tes “Buch” (bzw. “ge­knick­te Kar­te”) ge­se­hen wird,[12] das (die) dem Be­trach­ter den Rü­cken zu­wen­det. Al­ter­na­tiv blickt man in das auf­ge­schla­ge­ne Buch hin­ein ([Mach 1987a]).

Ei­ne Rei­he von schräg an­ge­ord­ne­ten Knick­fi­gu­ren er­gibt die Schrö­der­sche Trep­pe (Abb. 13), bei der Un­ter­sicht und Auf­sicht in­ein­an­der um­schla­gen kön­nen. Netz­wer­ke von Pa­ral­le­lo­gram­men (Abb. 14) er­schei­nen als Tex­tu­ren von Qua­dern/​Wür­feln, deren Ecken man mal nach in­nen, mal au­ßen sprin­gen sieht – ein Mo­tiv, das sich in grie­chi­schen und rö­mi­schen Mo­sa­i­ken fin­det und auch bei Mö­bel­fur­nie­ren vor­kommt ([Gre­go­ry 2000a]).

Per­spek­ti­vi­sche Mehr­deu­tig­keit hat Kon­se­quen­zen für die Wahr­neh­mung von Be­we­gung: Bei ein­äu­gi­ger Be­trach­tung tritt die plötz­li­che Um­stül­pung auch bei ei­nem Draht­wür­fel auf;[13] dreht sich das Ge­bil­de, so kehrt sich mit dem Um­sprin­gen die wahr­ge­nom­me­ne Dreh­rich­tung um.[14] Das ge­schieht auch, wenn man die Pro­jek­ti­on ei­nes ro­tie­ren­den Draht­wür­fels be­trach­tet. Ein Bei­spiel für ei­ne na­tür­li­che Si­tu­a­ti­on, bei der die Bewe­gungsrich­tung in den Augen des Betrach­ters umschla­gen kann, nennt Otto Klemm: „Die Windmüh­le, die man als dunklen Schatten­riß am Hori­zont schräg von der Seite sieht, dreht sich je nach perspek­tivi­scher Vorstel­lung in verschie­dener Richtung.“ ([Klemm 1919a]: S. 54) Die Compu­terani­mation «spinning dancer» spielt ebenfalls mit einer (weitge­henden) perspek­tivi­schen Äqui­valenz entge­genge­setzter Tiefen­ausrich­tungen von Körpern, von denen man ledig­lich die Silhou­ette sieht.[15]

Zwischenresümee

Räumliche Mehrdeutigkeit von Bildern spielt nicht nur da eine Rolle, wo man zwischen Sichtwei­sen perspek­tivi­scher Darstel­lungen springt. Beim Kippen von Figur und Grund wechselt eben­falls die wahrge­nomme­ne räumli­che Posi­tion (vorne/​hinten). Ohne ein Spiel mit räumli­cher Mehrdeu­tigkeit kommt schließlich auch das seman­tische Kippen zwischen dem Sehen der jungen vs. alten Frau nicht aus.[16]

Neben räumlicher Mehrdeutigkeit ist offenbar die menschli­che Neigung, bereits in weni­gen Andeu­tungen ein Gesicht (allge­meiner: die Gestalt eines vertrau­ten Lebe­wesens) auszu­machen ([Schönham­mer 2009a]), ein Unsi­cherheits- und damit Kippfak­tor. Dieser kann in Verbin­dung mit einer Ambi­valenz von Figur-Grund (Rubins Becher) oder einer der Perspek­tive (junge/​alte Frau) zum Tragen kommen. Manchmal, wie im Fall des Enten-Hasen-Kopfes, ist er aber offen­bar eigen­ständig wirksam (also auch ange­sichts einer mit beiden Augen aus der Nähe betrach­teten Plastik).[17] ([Schön­hammer 2011a]: S. 9)

Weitere Typen von Kippfi­guren

Ab­bil­dung 15

Ein wei­te­rer Ty­pus von Kipp­bil­dern, bei dem es um räum­li­che Tie­fe geht, sind Bil­der mit Schat­ten­in­di­ka­to­ren, die so­wohl auf kon­ve­xe als auch auf kon­ka­ve Wöl­bun­gen hin­wei­sen kön­nen (Abb. 15); in Lehr­bü­chern wird die­ser As­pekt von Schat­tie­rungs­wahr­neh­mung meist zu­guns­ten ver­meint­lich ein­deu­ti­ger Wöl­bungs­wahr­neh­mung in Ab­hän­gig­keit von der im­pli­zi­ten La­ge der Licht­quel­le (‘Licht von oben’ vs. ‘von un­ten’) ver­nach­läs­sigt (de­mon­striert durch Dre­hung des Bil­des um 180°); bereits die oben bzw. un­ten an­ge­deu­te­ten Schat­ten schlie­ßen in­des­sen ein Kip­pen zwi­schen konve­xem und konka­vem Eindruck nicht aus, dreht man die Demon­strations­beispie­le um 90°, verla­gert also das Hellig­keitsge­fälle auf eines zwischen rechter und linker Seite, so erleich­tert dies die Fluktu­ation der Sichtwei­sen. Unter natür­lichen Umstän­den tritt Wölbungs­ambi­valenz beispiels­weise im Hinblick auf die Segel entfern­ter Schiffe auf.[18]

Die Scheinbewegung, die man durch benach­barte, in schneller Abfol­ge aufleuch­tende bzw. verlö­schende Lämpchen erzeu­gen kann, ist bei geeig­neter Anord­nung – etwa bei acht in gleichem Abstand auf einer Kreisli­nie ange­ordne­ten Lämpchen, von denen jeweils 4 im schnellen Wechsel aufleuch­ten – ambi­valent hinsicht­lich der Richtung.

Bei statischen Bildern mit zweidi­mensio­nalen geomet­rischen Figu­ren kann ein Umsprin­gen der wahrge­nomme­nen Ausrich­tung eintre­ten. Die drei Richtun­gen etwa, auf welche die Spitzen eines gleichsei­tigen Dreiecks zeigen, kann man nicht zugleich sehen (bei hori­zonta­ler oder verti­kaler Ausrich­tung einer der Seiten tendiert man spontan dazu, die dieser jeweils gegen­über­liegen­de Spitze als richtungs­weisend wahrzu­nehmen; vgl. [Att­neave 1971a] und [Wittgen­stein 1990a]).

Ab­bil­dung 16

Schließ­lich ord­nen sich Mus­ter beim Be­trach­ten in un­ste­ter Wei­se (Abb. 16, [Metz­ger 2008a] & [Stad­ler & Kru­se 1995a]); auch hier ge­hen meist Wech­sel der wahr­ge­nom­me­nen Grup­pie­rung mit sol­chen der wahr­ge­nom­me­nen Aus­rich­tung von Ele­men­ten des Mus­ters Hand in Hand.

Psychologische und neurowissen­schaftli­che Diskus­sion

It is especially phenomena of ambi­guity that make us think of percep­tion as ac­tively cre­ative. ([Gre­gory 2000a]: S. 1141)

Für Psychologen sind Kippfiguren – ebenso wie Wahrneh­mungstäu­schungen – ein belieb­tes Mittel, um zu demon­strieren, dass Wahrneh­men nicht (vollends) von den äuße­ren Gege­benhei­ten, die auf die Sinnes­orga­ne einwir­ken, bestimmt ist. Wie die Subjek­tivi­tät im Fall der Kippfi­guren bei unver­änder­ten Gege­benhei­ten zu verschie­denen Ein­drücken kommt ist indes­sen bis heute unge­klärt.

Nicht einmal die Frage, ob es überhaupt sinn­voll ist, sich mit dem Phäno­men zu beschäf­tigen, ist unstrit­tig: Neben dem Hauptstrom der Forschung, in dem das Thema stets gegen­wärtig blieb, hielten Anhän­ger einer “öko­logisch” – sprich: an den natür­lichen Umstän­den des Wahrneh­mens – orien­tierten Forschung Distanz: Man habe es hier nicht mit poten­tiell beson­ders erhel­lenden Grenzfäl­len des Wahrneh­mens zu tun – wie bis heute von jenen, die Kippfi­guren unter­suchen, meist mehr oder minder aus­drücklich argu­mentiert wird –, sondern mit dena­turier­ten Vorga­ben einer lebens­fernen Labor­forschung.[19] Zu beto­nen, dass die meisten natür­lichen Wahrneh­mungssi­tuati­onen sich vom Betrach­ten von Kippbil­dern unter­scheiden, schließt indes­sen nicht aus, dass solche Bilder – ex nega­tivo – Prinzi­pien der Öko­logie des Wahrneh­mens verdeut­lichen können. Entspre­chend kann eine Forschungs­perspek­tive, die auf den Umwelt- und Handlungs­bezug des Wahrneh­mens orien­tiert ist, ihrer­seits das Verständ­nis von Kippbil­dern beför­dern ([Leopold & Logo­thetis 1999a]).

Seit langem wird diskutiert, ob das Umschla­gen der Wahrneh­mung von einer Art Ermü­dung (“Sätti­gung”) in Nerven­netzen rühren könnte; da diesbe­züglich meist rela­tiv frühe Stufen der Reizver­arbei­tung unter Verdacht stehen, gilt die Sätti­gungsthe­orie auch als Bottom-up-Hypo­these. Dem steht die Vermu­tung gegen­über, dass nicht zuletzt Wissen und Aufmerk­samkeit, also (eher bewuss­te) menta­le Prozes­se, die den “Auto­matis­men” grundle­gender Modu­le des visu­ellen Systems nachge­lagert bzw. über­geord­net sind, eine wesent­liche Rolle spielen (Top-down-Hypo­thesen). Die im Laufe der Zeit ange­häuften empi­rischen Befun­de deuten, das sei einem Ausblick auf Metho­den und Ergeb­nisse der expe­rimen­tellen Erfor­schung von Kipp­phäno­menen voraus­geschickt, darauf hin, dass die Wahrheit jenseits dieser plaka­tiven (und zugleich unschar­fen) Entge­genset­zung liegt.

Für den Gestaltpsychologen Wolfgang Köhler war die Ermü­dungser­klärung Bestand­teil der These, Wahrneh­men über­haupt basie­re – ana­log zu in der Physik unter­suchten Erschei­nungen – auf anta­gonis­tischen Prozes­sen neuro­naler Selbst­orga­nisa­tion. Das Kippen gilt hier ganz ausdrück­lich als gene­relles Funktions­prinzip des Gehirns, welches bei stabi­len Wahrneh­mungen nur nicht zu Bewusst­sein komme. Diese Behaup­tung mag den Reiz eines Para­doxes haben, ist aber hinsicht­lich des namhaft gemach­ten allge­meinen Funktions­prinzips nicht mehr als eine meta­phorisch formu­lierte Vermu­tung; und ande­rerseits erscheint diese These nicht gera­de darauf ange­legt, die Besond­erheit von Wahrneh­mungspro­zessen, bei denen es zum Kippen kommt, zu erklä­ren. In diese Tradi­tion stellen sich neue­re Bemü­hungen multi­stabi­les Wahrneh­men im Rahmen des system­theore­tischen Zugangs der Syner­getik [Kruse & Stadler 1995a] als Schlüssel zum Verständ­nis des Wahrneh­mens zu nutzen. Wenn in diesem Sinn das Kippen als „heraus­ragen­des metho­dolo­gisches Fenster für das Messen der Dyna­mik des visu­ellen Systems“ ([Kruse et al. 1995a]: S. 71, Übersetzung: R. Schönhammer) ange­sprochen wird, bleibt es nicht aus, dass u.a. Ana­logien von Kippfi­guren und mathe­matischen Model­lierun­gen der Quanten­mecha­nik ins Feld geführt werden ([Cagli­oti 1995a]).

Untersuchungsmethoden

Bei experimentellen Untersuchungen zur Wahrneh­mung von Kippbil­dern wird in der Regel von den Versuchs­perso­nen verlangt, durch Drücken verschie­dener Knöpfe anzu­zeigen, welche Lesart der Vorla­ge ihnen momen­tan ins Auge springt. Auf diese Weise lassen sich der primä­re Eindruck sowie der Wechsel im weite­ren Verlauf (Fluktu­ation, jewei­lige Verweil­dauer) feststel­len. Dieses Verfah­ren setzt voraus, dass die Proban­den über das poten­tielle Kippen bzw. die mögli­chen Sichtwei­sen vorweg aufge­klärt wurden; sie sind also nicht völlig unbe­fangen. Entspre­chend vorin­formiert sind auch Versuchs­perso­nen, die auf einer Skala einschät­zen sollen, wie leicht ihnen diese oder jene Sichtwei­se fällt. Will man eine derar­tige Vorein­stellung vermei­den, ist man auf mündli­che Berich­te („Sagen Sie, was Sie sehen.“) ange­wiesen, die nicht so leicht statis­tisch ausge­wertet werden können.

Je nach spezifischer Frage­stellung sind die Versuchs­perso­nen frei, die jewei­ligen Vorla­gen ohne weite­ren Vorsatz auf sich wirken zu lassen, oder werden aufge­fordert, Sichtwei­sen möglichst zu halten oder im Gegen­teil möglichst oft wechseln zu lassen.

Das Betrachten erfolgt manchmal nur mit einem Auge, manchmal mit fixier­tem Kopf (z.B. Kinnauf­lage). Der Blick darf schweifen oder soll auf eine Markie­rung im Bild fixiert werden (wie eine Fixie­rung wirkt es auch, wenn die Bilder dem Tanz der freien Augen­bewe­gung nachge­führt werden oder wenn man das Kippen anhand von Nachbil­dern einer blitzlicht­arti­gen Präsen­tation auf der Netzhaut – Nachbil­der bewe­gen mit dem Auge mit – unter­sucht.)

Die Vorlagen werden ununter­brochen oder in verschie­denen Inter­vallen präsen­tiert.

Manchmal stehen die Bilder auf dem Kopf (etwa um zu prüfen, welche Rolle das Erken­nen von Bedeu­tung/​Lebe­wesen für die Zuord­nung einer Kontur spielt).

Manchmal spielen eindeutig gemachte (disam­biguier­te) Vari­anten von Kippbil­dern eine Rolle.

Das, was Versuchspersonen im Zusammen­hang des jewei­ligen Versuchs­aufbaus bewusst mittei­len (meist per Knopfdruck), wird in aufwen­dige­ren Studien mit Messun­gen von Augen­bewe­gungen (teils auch des even­tuell abge­deckten Auges) und Akkom­moda­tion, der Hirnströ­me (sogenannter ERPs: ereig­niskor­relier­ter Poten­tiale) oder loka­ler Durchblu­tungsdif­feren­zen abge­glichen.

Anhaltspunkte für die Erklärung (bzw. die neuro­nale Basis) multi­stabi­ler Wahrneh­mung erge­ben sich auch aus gewis­sen Paral­lelen zur bin­oku­lären Riva­lität (bietet man beiden Augen Ansich­ten, die nicht zur Deckung zu bringen sind, springt das Wahrneh­men zwischen beiden Sichten), deren neuro­nale Korre­late mit Elek­troden im Gehirn von Affen unter­sucht werden können.

Ergebnisse

Ab­bil­dung 17

Ein be­reits äl­te­rer For­schungs­be­fund mach­te die Sät­ti­gungs­the­o­rie zwei­fel­haft: Zeigt man Ver­suchs­per­so­nen, be­vor man ih­nen das Kipp­bild mit der jun­gen und der al­ten Frau prä­sen­tiert, ei­ne ein­deu­tig ge­mach­te Va­ri­an­te, die ent­we­der die “Ehe­frau” oder die “Schwie­ger­mut­ter” er­ken­nen lässt (Abb. 17), se­hen sie dann das Kipp­bild eher ent­spre­chend der je­wei­li­gen Prä­gung (nach [Att­neave 1971a] und [Hoch­berg 1977a]). Nach der Sätti­gungstheo­rie wäre das Gegen­teil zu erwar­ten. Dem steht u. a. der neue­re Befund gegen­über, dass im Falle eines rotie­renden Necker­würfels die Vorer­fahrung mit eindeu­tig gemach­ter Drehrich­tung nur dann auf die Auffas­sung der mehrdeu­tigen Vorla­ge durchschlägt, wenn das Priming, wie dieses Versuchs­design genannt wird, kurz gehal­ten war, während eine länge­re Vorweg­konfron­tation die gegen­teili­ge Wahrneh­mung beför­dert ([Pitts et al. 2008a]).

Was empirische Bestätigungen von Top-down-Prozes­sen angeht, ist vielfach belegt, dass sich das Kippen zwar willkür­lich beein­flussen, indes­sen nicht völlig inten­tional kontrol­lieren lässt.

Die Wahrnehmung von Kippbildern, die Gesich­ter enthal­ten (beispiels­weise der Hasen-Enten-Kopf), ist leichter beein­flussbar – im Sinne von verzö­gertem oder beschleu­nigtem Wechsel – als die von Bildern mit doppel­deuti­ger Perspek­tive (z.B. der Necker-Würfel; [Stüber & Stadler 1999a]).

Hirnstrommessungen lieferten in jünge­rer Zeit Indi­zien dafür, dass frühe Prozes­se im Hinter­hauptslap­pen des Gehirns durch Akti­vierun­gen in fronta­len und tempo­ralen Berei­chen des Gehirns, die mit Aufmerk­samkeit resp. Objekt­wissen in Verbin­dung gebracht werden, mitbe­stimmt werden (beispiels­weise [Pitts et al. 2008a]).

Messungen im Affenhirn ([Logo­thetis 1998a]) und EEG-Befun­de beim Menschen zeigen ([Britz et al. 2010a]), dass bei bin­oku­lärer Riva­lität “späte” Modu­le (im Scheitel­lappen), die mit der räumli­chen Auswer­tung visu­eller Reize in Verbin­dung gebracht werden, eine heraus­geho­bene Rolle spielen; entspre­chende Akti­vierun­gen finden sich auch bei Kippfi­guren ([Britz et al. 2009a]: S. 55–65).

Vergleicht man das EEG, das sich zeigt, wenn man vor den Augen der Versuchs­perso­nen den Wechsel zwischen eindeu­tig gemach­ten Vari­anten eines Bildes vollzieht, mit jenem, das mit echtem Kippen bei unver­änder­ter mehrdeu­tiger Vorla­ge einher­geht, so fehlt beim echten Kippen eine Kompo­nente, die als „Erlan­gen von Gewiss­heit“ inter­pretier­bar ist; gleichwohl scheint man das Kippen immer wieder als neue Gewiss­heit zu erle­ben, sich also nicht dessen bewusst zu sein, was das EEG bezeugt: dass man auf dem Sprung bleibt ([Korn­meier & Bach 2009a]).

Zusammenhänge von Kippen und Augen­bewe­gungen sind eben­so nachge­wiesen, wie der Umstand, dass es zum Kippen auch dann kommt, wenn das Auge nicht über das Bild wandert.

Von Augenbewegung unabhängige Verla­gerun­gen der Aufmerk­samkeit (sog. ‘ver­deckte Aufmerk­samkeit’) modi­fizie­ren das Kippen. Der Zusam­menhang von Kippen mit inten­tiona­lem Suchver­halten mit und ohne Augen­bewe­gungen ist ein Indiz dafür, dass das Kippen auch jenseits bewuss­ter Absicht, als Art von Suchver­halten unter erschwer­ten Wahrneh­mungsbe­dingun­gen verstan­den werden kann (zusam­menfas­send [Leopold & Logo­thetis 1999a]).

Springt beim einäugigen Betrachten eines Necker­würfels die Sichtwei­se um, ändert sich die Stellung des ver­deckten Auges, so wie das bei beid­äugi­gem Sehen gesche­hen würde, um bei einem tatsäch­lichen räumli­chen Gebil­de das Sehen von Doppel­bildern zu vermei­den (Vergenz­bewe­gung; [Enright 1987a]).

Kurze Unterbrechungen der Reizpräsen­tation (bis zu 400 ms) fördern ein Kippen, länge­re Pausen redu­zieren es drastisch; welche der beiden konkur­rieren­den Deutun­gen dadurch gestützt wird ist strittig ([Korn­meier et al. 2009a]).

Ungeachtet der offenen Fragen ange­sichts der hier schlaglicht­artig ange­deute­ten komple­xen Befund­lage kann man festhal­ten, dass Kippbil­der wohl eher durch Deutun­gen zu erhel­len sind, welche beden­ken, wie sich diese Situ­atio­nen zum prinzi­piellen Handlungs- bzw. Umwelt­bezug des Wahrneh­mens verhal­ten, als durch losge­löste Model­le der Selbst­orga­nisa­tion bzw. Ana­logien zu physi­kali­schen Phäno­menen.


Philosophische Diskussion

Spätestens mit Wittgensteins Beispiel des Hasen-Enten-Kopfs (H-E-Kopf) hat das Kippbild Eingang in den philo­sophi­schen Diskurs gefun­den (vgl. nochmals Abb. 7 oben). Wittgenstein Interesse für das Kippbild rührt aus seiner Frage­stellung zur unter­schiedli­chen Verwen­dungswei­sen des Ausdrucks ‘sehen’ her (vgl. [Glock 2000a] und [Rager 1997a]). So unter­scheiden wir das gewöhn­liche »Sehen-von« vom »Sehen-als«. Beispiels­weise lässt sich das gewöhn­liche Sehen einer Wolke vom Sehen einer Wolke als Schaf unter­scheiden. Eine andere Art von Unter­scheidung liegt im Falle des H-E-Kopfes vor, wenn man ihn entwe­der als Hasen­bild oder als Enten­bild sieht. Wittgen­stein spricht in diesem Fall von ‘Aspekt­sehen’ oder ‘Aspekt­wechsel’. Die Frage, die ihn dabei u.a. inte­ressiert, lautet, ob der Aspekt­wechsel jeweils mit einem Wechsel eines Wahrneh­mungser­lebnis­ses einher­geht und dieser Wahrneh­mungser­lebnis­wechsel erklä­ren kann, warum wir eben das eine mal einen Hasen und das ander­mal eine Ente sehen. Klar scheint ja erst einmal zu sein, dass wir beim Betrach­ten des H-E-Kopfs in gewis­ser Hinsicht jedes Mal das Gleiche wahrneh­men oder sehen, egal ob uns entwe­der gera­de der Aspekt des Hasen- oder des Enten­vkopfs “aufleuch­tet”.

Nach Wittgen­stein kann uns hier die Gestalt­theorie nicht weiter helfen, der zufol­ge wir beim Sehen des Hasen- bzw. des Enten­kopfes jeweils unter­schiedli­che Gestal­ten wahrneh­men würden (vgl. [Glock 2000a]: S. 43 und [Krkac 2010a]). Denn die Gestalt ist jedes Mal diesel­be, der Unter­schied liegt allein in unse­rem Seher­lebnis, das das eine Mal im Sehen eines Hasen­bildes und das andere Mal im Sehen eines Enten­bildes besteht. Vor ähnli­chen Proble­men wie der Gestalt­theore­tiker steht der Reprä­senta­tiona­list, der behaup­tet, dass unse­re Wahrneh­mung in einem inne­ren Bild des wahrge­nomme­nen Gegen­standes besteht. Auch für ihn gilt, dass er nur schwerlich leugnen kann, dass das Hasen- oder Enten­bild - also der jewei­lige Aspekt, den der Betrach­ter wahrnimmt - erst einmal auf der gleichen Reprä­senta­tion beru­hen muss (nämlich in beiden Fällen auf einer, die auf der Umriss­form des H-E-Kopfes beruht). Wie aber kann der Reprä­senta­tiona­list die unter­schiedli­chen Wahrneh­mungser­lebnis­se erklä­ren?

Der Repräsentationalist wird auf diese Frage ohne Zusatz­annah­men keine befrie­digen­de Antwort geben können (vgl. [Mac­pherson 1996a]).[20] Nach Wittgen­stein kann weder die Gestalt­theorie noch der Reprä­senta­tiona­lismus eine Erklä­rung für das Aspekt­sehen anbie­ten. Wittgen­steins eige­ne Lösung besteht darin, das »Sehen-als« nicht als eine reine Form der Wahrneh­mung zu betrach­ten ([Wittgen­stein 1971a]: S. 524):

Das ‘Sehen-als …’ gehört nicht zur Wahrneh­mung. Und darum ist es wie ein Sehen und wieder nicht ein Sehen.

Das Aufleuchten des Aspekts ist nach Wittgen­stein „halb Seher­lebnis, halb ein Denken“ (ebd. S. 524). Zum Aspekt­sehen muss also eine kogni­tive Leistung treten, die über eine bloße Wahrneh­mungsleis­tung hinaus­geht (vgl. [Glock 2000a]: S. 44f.). Aspekt­sehen ist für Wittgen­stein demnach eine kogni­tive Fähig­keit und das Fehlen dieser Fähig­keit, die Aspekt­blindheit, ist für ihn vergleich­bar mit der Farben­blindheit oder „dem Mangel des musi­kali­schen Gehörs“ ([Wittgen­stein 1971a]: S. 552). Die Aspekt­blindheit zeigt sich nicht in dem Fehlen bestimm­ter Wahrneh­mungen, sondern in der Unfä­higkeit, kogni­tiv auf bestimm­te Fragen zu reagie­ren. Anders gesagt: die Fähig­keit, Aspek­te zu sehen, zeigt sich in bestimm­ten sprachli­chen Reakti­onen, etwa ‘jetzt sehe ich’s’. Dieser Ausdruck, mit dem ich mein Erleb­nis des Aspekt­wechsles mittei­le, ist zumin­dest in einer Hinsicht vergleich­bar mit dem Schrei, der meinen Schmerz anzeigt. Beide bezie­hen sich nicht auf menta­le Gegen­stände (“inne­re Bilder”), sondern sind Ausdruck eines Erleb­nisses.

Innerhalb der Bildwissenschaften hat sich an prominen­ter Stelle Ernst Gombrich auf Wittgen­steins Über­legun­gen bezo­gen ([Gombrich 1977a]: S. 21). Für Gombrich ist Wittgen­steins Ausein­ander­setzung mit Kippbil­dern deshalb von Bedeu­tung, weil nach Gombrich auch beim Betrach­ten von Bildern eine Art von Aspekt­wechsel stattfin­det, wenn wir nämlich zwischen der Illu­sion des Sehens des Bildraums oder des Bild­sujets und dem bloßen Sehens des Bildträ­gers hin- und herwech­seln. So wüssten wir zwar, dass wir in Wirklich­keit einen zweidi­mensio­nalen Gegen­stand sehen, auch wenn wir die Illu­sion haben, einen dreidi­mensio­nalen zu sehen. Gombrich vergleicht dieses Phäno­men mit dem Aspekt­wechsel beim Hasen-Enten-Kopf.

Richard Wollheim weist in diesem Zusammen­hang zu Recht darauf hin, dass dieser Vergleich fehlge­leitet ist: Beim H-E-Kopf wechseln wir nicht zwischen dem Sehen des H-E-Kopfs und dem Bildträ­ger, sondern zwischen zwei Bildin­halten ([Wollheim 1982a]: S. 199). Wollheims Kritik weist darauf hin, dass wir zwei Fälle bei Bildern unter­scheiden sollten. Auf der einen Seite können wir zwischen dem Bildin­halt und dem Bildträ­ger unter­scheiden und auf der anderen Seite zwischen zwei Bildin­halten eines Bildträ­gers. Nur im letzten Fall liegt nach Wollheim ein echter Aspekt­wechsel vor. Dies wird auch darin deutlich, dass wir bei echten Aspekt­wechsel nicht gleichzei­tig beide Aspek­te wahrneh­men können, während dies bei Bildern kein Problem und nach Wollheim sogar die Voraus­setzung für das Sehen von Bildern ist. Bei Bildern müssen wir nach Wollheim gleichzei­tig Bildträ­ger und Bildin­halt wahrneh­men („twofold­ness“). Wollheim unter­scheidet in dieser Hinsicht das »Sehen-in« (hier liegt ein zweiheit­liches Sehen vor) vom »Sehen-als« (einer Art des Aspekt­sehens). Wichtig in diesem Zusammen­hang ist für Wollheim die Loka­litäts­bedin­gung: beim »Sehen-als« können wir immer auf die Stelle hinwei­sen, die Ursa­che für die beiden Aspekte ist (z.B. beim H-E-Kopf die Löffel bzw. der Schnabel). Gleiches ist beim »Sehen-in« nicht notwen­diger­weise möglich.

Wollheims Auffassung wird u.a. von Dominic Lopes kriti­siert. Seine Gegen­beispie­le sind Trompe l'œil-Bilder, bei denen es uns zuwei­len nicht möglich ist, den Bildträ­ger zu sehen, und gegen­standslo­se Bilder, die keinen Bildin­halt besit­zen ([Lopes 1996a]: § 2.3). Gegen Lopes lässt sich einwen­den, dass eine Person, der es im Fall eines Trompe l'œils-Gemäl­des nicht gelingt, den Bildträ­ger zu sehen, eben nicht das Gemäl­de als Bild sieht, sondern nur vermeint­lich den darge­stellten Gegen­stand (⊳ Dezep­tiver und immer­siver Modus). Dies trifft auch für den Fall zu, dass die Person selbst weiß, dass sie nicht den Gegen­stand selbst sieht. Es handelt sich in diesem Fall also um eine opti­sche Täuschung vergleich­bar mit der Müller-Lyer-Täuschung, bei der die Linien auch dann dem Betrachter unter­schiedlich lang erschei­nen können, wenn er weiß, dass sie gleich lang sind. Eine Illu­sion dieser Art liegt aber beim Sehen von Bildern nicht vor. Vielmehr gehört es zum Sehen von Bildern dazu (twofold­ness!), dass wir gleichzei­tig den Bildträ­ger und das Bildsujet sehen. Im Fall von gegen­standslo­sen Bildern kann auf Lopes entgeg­net werden, dass auch bei diesen ein zweiheit­liches Sehen vorliegt, nämlich zum einen das Sehen des zweidi­mensio­nalen Bildträ­gers und des vermeint­lichen dreidi­mensio­nalen Bildraums.

Anmerkungen
  1. Rai­ner Schön­ham­mer hat die von ihm 2011 ver­fass­ten Ab­schnit­te die­ses Stich­worts (Ein­lei­tung, «Phä­no­me­no­lo­gie (Ein­gren­zung und Va­ri­an­ten)» und «Psy­cho­lo­gi­sche und neu­ro­wis­sen­schaft­li­che Dis­kus­si­on») pa­ral­lel im Mai 2011 auf der Web­site von «Psy­Dok» (Voll­text­ser­ver der Vir­tu­el­len Fach­bib­li­o­thek Psy­cho­lo­gie) pub­li­ziert, um sie als Stel­lung­nah­me zu fi­xie­ren: Ei­ni­ge Pas­sa­gen in die­sem Glos­sar­ein­trag hat er aus­drück­lich als Zi­ta­te der ge­nann­ten Pu­bli­ka­ti­on ge­kenn­zeich­net ([Schön­ham­mer 2011a]).
  2. So bei [Rock 1985a], an dem sich vie­le Au­to­ren ori­en­tie­ren ([Nän­ni 2008a]).
  3. [Hof­mann 2000a], [Pic­co­li­no & Wa­de 2006a] so­wie [San­der 1962a] nen­nen Bei­spie­le aus dem spä­ten 18. und dem frü­hen 19. Jh.
  4. in Stu­dien, die er zwi­schen 1912 und 1914 bei G. E. Mül­ler in Göt­tin­gen durch­führ­te und 1915 in Buch­form pu­bli­zier­te (2. Aufl. 1921)
  5. Oder – als drit­te Mög­lich­keit – die Li­nie als Kör­per (oder kör­per­li­che Leer­stel­le); al­so et­wa ei­nen Fa­den/​ei­ne Schlan­ge auf/​vor dem Grund bzw. ei­ne Rit­ze in ei­ner Flä­che.
  6. Nur aus­nahms­wei­se wird das in der For­schungs­li­te­ra­tur re­flek­tiert (wie bei [Stoesz 2008a], die Kipp­fi­gu­ren im Hin­blick auf die Be­son­der­hei­ten der Ge­sichts­wahr­neh­mung bei au­tis­ti­schen Kin­dern un­ter­suchte).
  7. Zah­len zur Iden­ti­fi­ka­ti­on auf den ers­ten Blick bei [Brug­ger & Brug­ger 1993a]; [Brug­ger 1999a] hat wei­ter Pro­ban­den bei 12 im Um­lauf be­find­li­chen Va­ri­an­ten des Bil­des auf ei­ner Ska­la ein­schät­zen las­sen, wie leicht sie En­te (bzw. ei­nen Vo­gel) oder Ha­sen se­hen kön­nen.
  8. Ur­sprüng­lich ein­ge­führt als «my wife and my mother in law»; die­se Kon­struk­ti­on wur­de auch mit männ­li­chen Zü­gen/​At­tri­bu­ten re­a­li­siert.
  9. Va­ri­an­ten u.a. mit Um­kehr von hell und dun­kel fin­den sich dort auf den Sei­ten 140f.
  10. Bei­spie­le et­wa bei [Ha­ken 1995a]: S. 40; [Dit­zin­ger 2006a]: S. 92; und – oft oh­ne Quel­len­an­ga­ben – bei Hob­by­samm­lern im In­ter­net.
  11. Zum si­mul­ta­nen Se­hen von Ele­men­ten und Por­trait bei Ar­cim­bol­do vgl. [Nie­de­rée & Hey­er 2003a]: S. 98)
  12. Un­ge­ach­tet der Tat­sa­che, dass die Pa­ral­le­li­tät der per­spek­ti­vi­schen Ver­zer­rung, die bei ei­nem in die Tie­fe ge­neig­ten Recht­eck auf­trä­te, wi­der­spricht.
  13. Wenn man den Blick ins Un­end­li­che rich­tet, al­so durch die Draht­plas­tik hin­durch­starrt, führt auch das Se­hen mit bei­den Au­gen re­la­tiv si­cher zum Er­folg.
  14. Be­wegt sich um­ge­kehrt der Be­trach­ter ge­gen­über dem un­be­weg­ten Wür­fel, so scheint die Plas­tik wäh­rend der il­lu­so­ri­schen Sicht­wei­se – ma­gisch – der Be­we­gung des Be­trach­ters zu fol­gen.
  15. Wi­der­sprüch­li­che Tie­fen-/​Rich­tungs­hin­wei­se in der Ani­ma­ti­on be­nen­nen [Tro­je & McAdam 2010a].
  16. In na­tür­li­chen Si­tu­a­ti­o­nen tre­ten ver­gleich­ba­re Mehr­deu­tig­kei­ten nur un­ter ein­ge­schränk­ten Sicht­be­din­gun­gen auf: et­wa bei der Be­trach­tung weit ent­fern­ter Ob­jek­te/​Sze­nen. Aus der Nä­he sor­gen in al­ler Re­gel Tie­fen­in­for­ma­ti­o­nen – ob sie sich nun dem beid­äu­gi­gen Se­hen oder klei­nen Po­si­ti­ons­wech­seln des Be­trach­ters ver­dan­ken – für Ein­deu­tig­keit.
  17. Das gilt für den iso­lier­ten Kopf. Um­fasst die Plas­tik auch ei­nen Kör­per, kann die­ser die Dop­pel­deu­tig­keit un­ter­stüt­zen oder ihr ent­ge­gen ge­rich­tet sein; bei der Klein­plas­tik, die in [Gre­go­ry 1997a] ab­ge­bil­det ist, kann un­ter­schied­li­che Auf­stel­lung das Se­hen als Ha­se oder En­te for­cie­ren, weil der Kör­per je nach Auf­stel­lung ein­deu­tig zur je­wei­li­gen Aus­rich­tung des Kop­fes passt.
  18. [Wade et al. 2010a] wei­sen auf ei­ne ent­spre­chen­de Be­ob­ach­tung von Pto­le­mäus hin.
  19. Sie­he die Kri­tik von [Ka­niz­sa & Luc­cio 1995a] so­wie [Kru­se et al. 1995a] an der Po­si­ti­on von [Gib­son 1982a].
  20. Sie­he auch oben Bot­tom-up- und Top-down-Hy­po­the­sen.
Literatur                             [Sammlung]

[Att­neave 1971a]: Attneave, Fred (1971). Multi­stabil­ity in Percep­tion. Scien­tific Amer­ican, Band: 225, Nummer: 6, S. 62-71.

[Britz et al. 2009a]: Britz, Juliane; Landis, Theodor & Michel, Christoph M. (2009). Right Pari­etal Brain Activ­ity Pre­cedes Percep­tual Alter­nation of Bi­stable Stim­uli. Cereb. Cortex 19, Band: 19, Nummer: 1, S. 55-65. [Britz et al. 2010a]: Britz, Juliane; Pitts, Michael A. & Michel, Christoph M. (2010). Right Pari­etal Brain Activ­ity Pre­cedes Percep­tual Alter­nation During Binoc­ular Ri­valry. Hum. Brain Mapping, Band: 9, Nummer: 32, S. 1432-42. [Brug­ger & Brug­ger 1993a]: Brugger, Peter & Brugger, Susanne (1993). The Easter­bunny in Octo­ber: Is It Dis­guised as a Duck. Percep­tual and Motor Skills, Band: 2, Nummer: 76, S. 577–578. [Brug­ger 1999a]: Brugger, Peter (1999). One Hundred Years of an Am­bigu­ous Figure: Happy Birth­day, Duck/​Rabbit. Percep­tual and Motor Skills, Band: 3 Pt 1, Nummer: 89, S. 973–977. [Cagli­oti 1995a]: Caglioti, Giuseppe (1995). Percep­tion of Am­bigu­ous Fig­ures: A Quali­tative Model Based on Syner­getics and Quantum Mechan­ics. In: Kruse, P. & Stadler, M. (Hg.): Ambi­guity in Mind and Na­ture. Multi­stable Cogni­tive Phenom­ena. Berlin: Springer, S. 463–478.. [Dit­zin­ger 2006a]: Ditzinger, Thomas (2006). Il­lusio­nen des Sehens. Eine Reise in die Welt der visu­ellen Wahrneh­mung. München, Heidel­berg: Else­vier, Spek­trum, Akad. Verl.. [Enright 1987a]: Enright, Jim T. (1987). Perspec­tive Ver­gence: Oculo­motor Re­sponses to Line Drawings. Vision Research, Band: 27, S. 1513–1526. [Gib­son 1982a]: Gibson, James Jerome (1982). Wahr­nehmung und Umwelt. Der öko­logi­sche Ansatz in der visu­ellen Wahrneh­mung. München, Wien u.a: Urban & Schwarzen­berg. [Glock 2000a]: Glock, Hanjo (2000). Aspekt­wahr­neh­mung. In: Glock, H. (Hg.): Witt­gen­stein-Lexi­kon. Darm­stadt: WBG, S. 43. [Gombrich 1977a]: Gombrich, Ernst H. (1977). Kunst und Illu­sion. Zur Psycho­logie der bildli­chen Darstel­lung. Stutt­gart: Belser. [Gombrich 2002a]: Gombrich, Ernst H. (2002). Kunst und Illu­sion. Zur Psycho­logie der bildli­chen Darstel­lung. Berlin: Phaidon, 6. Aufla­ge. [Gre­go­ry 1997a]: Gregory, Richard L. (1997). Eye and Brain. The Psychol­ogy of See­ing. Prince­ton, N.J: Prince­ton Uni­ver­sity Press. [Gre­gory 2000a]: Gregory, Richard L. (2000). Ambi­guity of ‘Ambi­guity’. Percep­tion, Band: 29, S. 1139-1142. [Ha­ken 1995a]: Haken, Hermann (1995). Some Basic Concepts of Syner­getics with Respect of Multi­stabil­ity in Percep­tion, Phase Trans­missions and Forma­tion of Meaning. In: Kruse, P. & Stadler, M. (Hg.): Ambi­guity in Mind and Na­ture. Multi­stable Cogni­tive Phenom­ena. Berlin: Springer, S. 23–44. [Hoch­berg 1977a]: Hochberg, Julian E. (1977). Wahr­nehmung. Wies­baden: Aka­demi­sche Verlags­gesell­schaft. [Hof­mann 2000a]: Hoffman, Donald D. (2000). Visu­elle Intel­ligenz. Wie die Welt im Kopf ent­steht. Stutt­gart: Klett-Cotta. [Ka­niz­sa & Luc­cio 1995a]: Kanizsa, Gaetano & Luccio, Riccardo (1995). Multi­stabil­ity as a Research Tool in Exper­imen­tal Phe­nomenol­ogy. In: Kruse, P. & Stadler, M. (Hg.): Ambi­guity in Mind and Na­ture. Multi­stable Cogni­tive Phenom­ena. Berlin: Springer, S. 47–68. [Klemm 1919a]: Klemm, Otto (1919). Sinnes­täuschun­gen. Leipzig: Dürr’sche Buch­handlung. [Korn­meier & Bach 2009a]: Kornmeier, Jürgen & Bach, Michael (2009). Ob­ject Percep­tion: When Our Brain Is Im­pressed but We Do Not No­tice It. Journal of Vision, Band: 9, S. 7. [Korn­meier et al. 2009a]: Kornmeier, Jürgen; Hein, Christine Maira & Bach, Michael (2009). Multi­stable Percep­tion: When Bottom-up and Top-down Co­incide. Brain and Cogni­tion, Band: 69, S. 138–147. [Krkac 2010a]: Krkac, Kristijan (2010). Witt­gen­steins’s Dubbit III. Wittgen­stein-Studien, Band: 1, S. 121-149. [Kruse & Stadler 1995a]: Kruse, Peter & Stadler, Michael (Hg.) (1995). Ambi­guity in Mind and Na­ture. Multi­stable Cogni­tive Phenom­ena. Berlin: Springer. [Kru­se et al. 1995a]: Kruse, Peter; Strüber, Daniel & Stadler, Michael (1995). Signif­icance of Percep­tual Multi­stabil­ity for Research on Cogni­tive Self-orga­niza­tion. In: Kruse, P. & Stadler, M. (Hg.): Ambi­guity in Mind and Na­ture. Multi­stable Cogni­tive Phenom­ena. Berlin: Springer, S. 69–84. [Leopold & Logo­thetis 1999a]: Leopold, David A. & Logothetis, Nikos K. (1999). Multi­stable Phenom­ena: Changing Views in Percep­tion. Trends Cogn. Sci. (Regul. Ed.), Band: 3, S. 254–264. [Logo­thetis 1998a]: Logothetis, Nikos K. (1998). Single Units and Con­scious Vision. Philos. Trans. R. Soc. Lond., B, Biol. Sci., Band: 353, Nummer: 1377, S. 1801–1818. [Lopes 1996a]: Lopes, Dominic (1996). Under­stand­ing Pic­tures. Ox­ford: Clare­don Press. [Mach 1987a]: Mach, Ernst (1987). Die Ana­lyse der Empfin­dungen und das Verhält­nis des Physi­schen zum Psychi­schen. Darm­stadt: Wissen­schaftli­che Buchge­sellschaft. [Mac­pherson 1996a]: Macpherson, Fiona (1996). Ambi­guous Fig­ures and the Content of Expe­rience. Nous, Band: 40, Nummer: 1, S. 82-117, 2006. [Metz­ger 2008a]: Metzger, Wolfgang (2008). Geset­ze des Sehens. Taunus: Klotz. [Mitchell 1994a]: Mitchell, William J.T. (1994). Pic­ture Theory. Essays on Verbal and Visual Re­presen­tation. Chica­go: Uni­ver­sity of Chica­go Press. [Nie­de­rée & Hey­er 2003a]: Niederée, Reinhard & Heyer, Dieter (2003). The Dual Na­ture of Pic­ture Percep­tion: A Chal­lenge to Current Gen­eral Accounts of Visual Percep­tion. In: Hecht, H.; Schwartz, R. & Ather­ton, M. (Hg.): Looking into Pic­tures. An Inter­disci­plinary Approach to Picto­rial Space. Cam­bridge, Mass: MIT Press, S. 77–98. [Nän­ni 2008a]: Nänni, Jürg (2008). Visu­elle Wahr­nehmung. Sulgen: Niggli. [Pic­co­li­no & Wa­de 2006a]: Piccolino, Marco & Wade, Nicho­las J. (2006). Flag­ging Early Exam­ples of Ambi­guity (1). Percep­tion, Band: 35, Nummer: 7, S. 861–864. [Picco­lino & Wade 2006b]: Piccolino, Marco &. Wade, Nicho­las J. (2006). Flag­ging Early Exam­ples of Ambi­guity (2). Percep­tion, Band: 35, Nummer: 8, S. 1003–1006. [Pitts et al. 2008a]: Pitts, Michael A.; Gavin, William J. & Nerger, Janice L. (2008). Early Top-down Influ­ences on Bi­stable Percep­tion Re­vealed by Event-re­lated Poten­tials. Brain and Cogni­tion, Band: 67, Nummer: 1, S. 11–24. [Rager 1997a]: Rager, Dietmar (1997). Aspek­te Sehen. In: Stein­brenner, J. & Winko, U. (Hg.): Bilder in der Philo­sophie & in ande­ren Künsten & Wissen­schaf­ten. Pader­born: Schöningh, S. 113-130. [Rock 1985a]: Rock, Irvin (1985). Wahr­nehmung. Vom visu­ellen Reiz zum Sehen u. Erken­nen. Heidel­berg: Spektrum-der-Wissen­schaft-Verlag. [San­der 1962a]: Sander, Friedrich (1962). Expe­rimen­telle Ergeb­nisse der Gestalt­psycho­logie. In: Sander, F. & Volkelt, H. (Hg.): Ganz­heitspsy­cholo­gie. Grundla­gen, Ergeb­nisse, Anwen­dungen: Gesam­melte Abhand­lungen. München: C.H. Beck, S. 73–122. [Schönham­mer 2009a]: Schönhammer, Rainer (2009). Ein­führung in die Wahrneh­mungspsy­cholo­gie. Sinne, Körper, Bewe­gung. Wien: Facul­tas. [Schön­ham­mer 2011a]: Schönhammer, Rainer (2011). Stich­wort: Kipp­bilder.
PsyDok, Volltext­server der Virtu­ellen Fachbib­liothek Psycho­logie.
link: psydok.sulb.uni-saarland.de/frontdoor.php? source_opus=2756&la=de.
[She­pard 1990a]: Shepard, Roger N. (1990). Mind Sights. Origi­nal Illu­sions, Ambi­guities, and Other Anom­alies, with a Commen­tary on the Play of Mind in Percep­tion and Art. New York: W. H. Freeman. [Stad­ler & Kru­se 1995a]: Stadler, Michael & Kruse, Peter (1995). The Function of Meaning in Cogni­tive Order Forma­tion. In: Kruse, P. & Stadler, M. (Hg.): Ambi­guity in Mind and Na­ture. Multi­stable Cogni­tive Phenom­ena. Berlin: Springer, S. 5–21. [Stoesz 2008a]: Stoesz, Brenda Marie (2008). The Role of Selec­tive Atten­tion in Percep­tual Switching.
Depart­ment of Psycho­logy, Uni­versity of Mani­toba, Winni­peg, Mani­toba.
link: mspace.lib.umanitoba.ca/bitstream/1993/3083/1/BStoesz - MA thesis 2008 revisions.pdf.
[Stüber & Stadler 1999a]: Strüber, Daniel & Stadler, Michael (1999). Dif­ferences in Top-down Influ­ences on the Rever­sal Rate of Differ­ent Cate­gories of Rever­sible Fig­ures. Percep­tion, Band: 28, S. 1185–1196. [Tro­je & McAdam 2010a]: Troje, N. F. & McAdam, M. (2010). The Viewing-from-above Bias and the Silhou­ette Illu­sion. i-Percep­tion, Band: 1, Nummer: 3, S. 143–148. [Wade et al. 2010a]: Wade, Nicholas J.; Campbel, Robin N.; Ross, Helen E. & Lingel­bach, Bernd (2010). Necker in Scotch Perspec­tive. Percep­tion, Band: 39, S. 1–4. [Wittgen­stein 1971a]: Wittgen­stein, Ludwig (1971). Philo­sophi­sche Unter­suchun­gen. Frank­furt/M.: Suhr­kamp. [Wittgen­stein 1990a]: Wittgenstein, Ludwig (1990). Trac­tatus logi­co-philo­sophi­cus. Frank­furt/M.: Suhr­kamp. [Wollheim 1982a]: Wollheim, Richard (1982). Se­hen-als, sehen-in und bild­liche Darstel­lung. In: Woll­heim, R. (Hg.): Objek­te der Kunst. Frank­furt/M.: Suhr­kamp, S. 192-210. [Zimmer 1995a]: Zimmer, A. C. (1995). Multi­stabil­ity – More Than Just a Freak Phenom­enon. In: Kruse, P. & Stadler, M. (Hg.): Ambi­guity in Mind and Na­ture. Multi­stable Cogni­tive Phenom­ena. Berlin: Springer, S. 99–138.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [95], Klaus Sachs-Hombach [52], Franziska Kurz [21], Rainer Schönhammer [9], Eva Schürmann [1] und Jakob Steinbrenner [1] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Schönhammer & Steinbrenner 2013g-a] Schönhammer, Rainer & Steinbrenner, Jakob (2013). Kippbild. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024).
Permalink.