Kommunikologie: Unterschied zwischen den Versionen

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==Kommunikologie als Lehre von der menschli&shy;chen Kommu&shy;nika&shy;tion==
Der Begriff der Kommunikologie geht auf Vilém Flusser zurück.(1) Flusser bezeichnet die Lehre von der menschlichen Kommunikation als Kommunikologie. Menschliche Kommunikation ist ihm ein kultureller Vorgang, der sich auf die Erfindung von zu Codes organisierten Symbolen gründet. Diese Codes verhüllen die Natur, und diese Hülle ist für Flusser die Kultur. Und da die Welt der Symbole gedeutet und nicht erklärt werden muss, sie also interpretativ anzugehen ist, verortet er die menschliche Kommunikation in den Bereich der Geisteswissenschaft und verzichtet darauf, „in der Symbolisierung ein ‚biologisches‘ Phänomen zu sehen.“ (Flusser 2003: 74) Flusser beschaut und untersucht, wie über den kommunikativen Prozess Informationen gespeichert, verändert und weiterverteilt werden, und kommt darüber zu einer Sichtweise und Bewertung von (Medien)Technologie, durch die er einen Wandel im zwischenmenschlichen Verhältnis konstatiert. Die Codes, mit denen und durch die sich die Menschen verständigen und der Welt einen Sinn zu geben vermögen, wandeln sich. Er sieht sogar einen „Umsturz der Codes“ durch TV, Video und Computer, den er in seiner Heftigkeit mit der industriellen Revolution und ihrer Auswirkung auf die Arbeitswelt gleichsetzt. Ausgehend vom Menschen, seinen Codes, der Sprache, seinen Gesten, weitergehend in Richtung Bilder und Technobilder hin zu technischen Apparaturen wie TV, Video oder Computer wirft Flusser einen Blick auf die damit einhergehenden Veränderungen in der menschlichen Kommunikation und den Auswirkungen auf die Gesellschaft.
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Der Begriff der Kommu&shy;niko&shy;logie geht auf Vilém Flusser zurück.<ref>Die nach&shy;fol&shy;gen&shy;den Aus&shy;füh&shy;run&shy;gen leh&shy;nen sich grob an die ent&shy;spre&shy;chen&shy;den Ka&shy;pi&shy;tel von <bib id='Bidlo 2008a'>Bid&shy;lo 2008a</bib> an.</ref> Flusser bezeich&shy;net die Lehre von der menschli&shy;chen [[Interaktion und Kommunikation|Kommu&shy;nika&shy;tion]] als Kommu&shy;niko&shy;logie. Menschli&shy;che Kommu&shy;nika&shy;tion ist ihm zufol&shy;ge ein kultu&shy;reller Vorgang, der sich auf die Erfin&shy;dung von zu Codes orga&shy;nisier&shy;ten Symbo&shy;len gründet. Diese Codes verhül&shy;len die Natur, und diese Hülle ist für Flusser die Kultur. Und da die Welt der Symbo&shy;le gedeu&shy;tet und nicht erklärt werden muss, sie also inter&shy;preta&shy;tiv anzu&shy;gehen ist, veror&shy;tet er die menschli&shy;che Kommu&shy;nika&shy;tion in den Bereich der Geistes&shy;wissen&shy;schaft und verzich&shy;tet darauf, „in der Symbo&shy;lisie&shy;rung ein ''biolo&shy;gisches'' Phäno&shy;men zu sehen“ (<bib id='Flusser 2003a'></bib>: S. 74).
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Flusser untersucht, wie über den kommu&shy;nika&shy;tiven Prozess Infor&shy;mati&shy;onen gespei&shy;chert, verän&shy;dert und weiter&shy;verteilt werden. Auf diesem Wege kommt er zu einer Sichtwei&shy;se und Bewer&shy;tung von (Me&shy;dien)Tech&shy;nolo&shy;gie, durch die er einen Wandel im zwischen&shy;menschli&shy;chen Verhält&shy;nis konsta&shy;tiert. Die Codes, mit denen und durch die sich die Menschen verstän&shy;digen und der Welt einen Sinn zu geben vermö&shy;gen, wandeln sich. Flusser sieht sogar einen „Umsturz der Codes“ durch [[Fernsehen|TV]], [[Video|Video]] und Compu&shy;ter gegeben, den er in seiner Heftig&shy;keit mit der indus&shy;triel&shy;len Revo&shy;lution und ihrer Auswir&shy;kung auf die Arbeits&shy;welt gleichsetzt. Ausge&shy;hend vom Menschen, seinen Codes, der Sprache, seinen Gesten, weiter&shy;gehend in Richtung Bilder und [[technisches Bild|Techno&shy;bilder]] hin zu techni&shy;schen Appa&shy;ratu&shy;ren wie TV, Video oder Computer wirft Flusser einen Blick auf die damit einher&shy;gehen&shy;den Verän&shy;derun&shy;gen in der menschli&shy;chen Kommu&shy;nika&shy;tion und den Auswir&shy;kungen auf die Gesell&shy;schaft.
<!--Literaturverweise im laufenden Text <bib id='Jonas 61a'>Jonas 1961</bib> -->
 
<!--  ... id im Literaturverzeichnis nachsehen, gegebenenfalls neu einfügen -->
 
<!--  ... (siehe Link "Sammlung" in Bibliographie-Box -->
 
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=====Engere Begriffsbestimmung=====
 
Flusser unterscheidet in seinem Buch „Kommunikologie“ zwei unterschiedliche Formen der Kommunikation, den Dialog und den Diskurs, die er später an Medien knüpft und die Medien dahingehend in dialogische und diskursive Medien einteilt. (Flussers Unterscheidung von Dialog und Diskurs ist stark von Martin Bubers Ich-Du und Ich-Es Unterscheidung geprägt).
 
 
 
Dialog und Diskurs
 
Flusser versteht den Dialog als einen Prozess, „bei dem auf verschiedene Gedächtnisse aufgeteilte Informationen zu einer neuen Information synthetisiert werden“. (Flusser 2003: 286) Dialogische Medien sind dann Medien, die den Dialog in seiner Entfaltung unterstützen, die die Neuschöpfung von Informationen ermöglichen. Der Diskurs verteilt dagegen vorhandene Informationen. Beide Formen, Dialog und Diskurs, benötigen einander; der Dialog benötigt Informationen, die zuvor von den Beteiligten durch Diskurse angesammelt wurden. Der Diskurs wiederum entsteht erst aus der Verteilung von Informationen, die zuvor in einem Dialog neu synthetisiert wurden. Solcherart gibt es keine Präzedenz, denn jedes dialogische Medium kann zu einem diskursiven und umgekehrt werden.
 
Flusser synthestisiert aus zwei Dialogarten, die er unterscheidet, eine neue Form des Dialogs. Zum einen nennt Flusser den griechischen (kreisförmigen) Dialog, so wie er von Sokrates praktiziert wurde. Hier steht der Logos im Mittelpunkt und der Erkenntnisgewinn. Wissen soll durch den Dialog gewonnen (oder validiert) werden. Davon abzugrenzen ist nun eine jüdisch-christliche Dialogvorstellung, die Flusser als Netzdialog fasst und die bisher noch nicht oder nur wenig in den Blick der westlichen Denktradition gekommen ist.
 
 
 
„Hingegen gibt es eine implizite Analyse des Dialogs in der jüdisch-christlichen Tradition, welche in Bubers ‚Dialogischem Leben‘ ganz explizit wird und in überraschender Weise das dem Netzdialog inhärente existentielle Problem beleuchtet.“ (Flusser 2003: 293)
 
 
 
Der Netzdialog ist vom Kreisdialog durch seine Offenheit zu unterscheiden und fußt auf eine andere, eben jüdische Ontologie. In der griechischen Ontologie wird der Mensch zur Welt in einem Subjekt-Objekt-Verhältnis gesehen, ist der Mensch als „Ich“ der Welt als „Es“ gegenübergestellt. Im Judentum dagegen steigt das „Ich“ aus dem Angesprochenwerden des „Du Gottes“ empor. Es ist ein partnerschaftliches „Du“, das den Griechen fremd ist.
 
Während die Form des griechischen Dialogs auf die Bildung neuer Informationen aus ist, betont der jüdische Dialog das Antworten auf das Angesprochenwerden und die daraus erwachsende Verantwortung für das Du. Aus diesen beiden Dialogformen synthetisiert Flusser seine Dialogform, die zum einen die Erzeugung von Informationen als Kennzeichen des griechischen Dialogs beinhaltet. Zum anderen kommt damit der Aspekt des Antwortens und Verantwortens als existenzieller Aspekt des jüdischen Dialogs hinzu. Die Einschränkungen des Kreisdialogs führen Flusser zur Präferenz einer Netzstruktur als das Muster, welches die Bedingungen – Informationsgenerierung und Ausbil­dung zwischenmenschlicher Beziehung als existentielle Erfül­lung des Menschen – am besten erfüllen und sich zugleich den sich ausbreitenden Diskursen entgegenstellen kann. Kommunikation kann nach Flusser nur dann ihren Zweck erfüllen, nämlich die Einsamkeit und Sinnlosigkeit zu überwinden, „wenn sich Diskurs und Dialog das Gleichgewicht halten.“ (Flusser 2003: 17) Dieses Gleichgewicht sieht Flusser aber durch eine übermäßige Ausbreitung und der Vorherrschaft des Diskurses gestört, und damit die Gefahr der aufsteigenden Einsamkeit und Sinnlosigkeit.
 
Durch die Unterscheidung der beiden Kommunikationsformen „Dialog“ und „Diskurs“ kommt Flusser zu einer Einteilung der Medien, die sich in diskursive und dialogische Medien einteilen lassen und in denen besonders die elektronischen Medien zur Geltung kommen. Denn gerade das Fernsehen ist ein Beispiel für eine Besiedlung des Lebensraumes der Menschen mit einer Diskursform, die keine Antwort- und Reaktionsmöglichkeit mehr gestattet. Und ein weiterer wichtiger Punkt tritt in diesem Zusammenhang auf, der über die strukturellen Aspekte hinaus geht. Denn z.B. mit dem Fernseher ist eine besondere Plattform für die Technobilder geboten; und diese stellen einen völlig anderen Code dar, der ein anderes Grundverständnis als der alte alphanumerische Code und das traditionelle Bild als Code erfordern (vgl. Technobilder). Der Code der technischen Bilder, der nun Einzug in die Wohnzimmer erhält, ist als ein Wechsel in der Kodierung anzusehen. Und die Codes sind es, die uns programmieren.
 
Die menschliche Kommunikation, so wie sie Flusser in seiner Kommunikologie fasst, dient dazu  Informationen zu speichern, zu prozessieren und zugleich weiterzugeben. Und die Kultur ist entsprechend eine menschliche Vorrichtung, um Informationen zu speichern und weiterzugeben.Die Menschen versuchen durch Kommunikation zugleich sich selbst zu transzendieren, indem sie neue Informationen prozessieren, um so der Entropie des Universums zu entkommen. Der Mensch kommuniziert dergestalt, um den Tod und die Einsamkeit zu überwinden.
 
  
Literatur:
 
  
Flusser, Vilém (2003): Kommunikologie. Fischer Verlag, Frankfurt/Main
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==Kommunikologie als Dialog und Diskurs==
 
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Flusser unterscheidet in seinem Buch «Kommu&shy;niko&shy;logie» zwei unter&shy;schiedli&shy;che Formen der Kommu&shy;nika&shy;tion, den Dialog und den Diskurs, die er später an Medien knüpft, welche er dahin&shy;gehend in dialo&shy;gische und diskur&shy;sive Medien einteilt.<ref>Flus&shy;sers Un&shy;ter&shy;schei&shy;dung von Di&shy;a&shy;log und Dis&shy;kurs ist stark von Mar&shy;tin Bu&shy;bers Ich-Du- und Ich-Es-Un&shy;ter&shy;schei&shy;dung ge&shy;prägt (vgl. <bib id='Buber 1995a'>Bu&shy;ber 1995a</bib>, <bib id='Bidlo 2006a'>Bid&shy;lo 2006a</bib>).</ref>  
1 Die nachfolgenden Ausführungen lehnen sich grob an die entsprechenden Kapitel von [Bidlo 2008a] an. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
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<!--===Dialog und Diskurs===-->
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Flusser versteht den Dia&shy;log als einen Prozess, „bei dem auf verschie&shy;dene Gedächt&shy;nisse aufge&shy;teilte Infor&shy;matio&shy;nen zu einer neuen Infor&shy;mation synthe&shy;tisiert werden“ (<bib id='Flusser 2003a'></bib>: S. 286). Dialo&shy;gische Medien sind dann Medien, die den Dialog in seiner Entfal&shy;tung unter&shy;stützen und die Neuschöp&shy;fung von Infor&shy;matio&shy;nen ermög&shy;lichen. Der Diskurs verteilt dage&shy;gen vorhan&shy;dene Infor&shy;matio&shy;nen. Beide Formen, Dialog und Diskurs, benö&shy;tigen einan&shy;der; der Dialog benö&shy;tigt Infor&shy;matio&shy;nen, die zuvor von den Betei&shy;ligten durch Diskur&shy;se ange&shy;sammelt wurden. Der Diskurs wiede&shy;rum entsteht erst aus der Vertei&shy;lung von Infor&shy;matio&shy;nen, die zuvor in einem Dialog neu synthe&shy;tisiert wurden. Solcher&shy;art gibt es keine Präze&shy;denz, denn jedes dialo&shy;gische Medium kann zu einem diskur&shy;siven und umge&shy;kehrt werden.
 
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Flusser synthestisiert aus zwei Dialog&shy;arten, die er unter&shy;scheidet, eine neue Form des Dialogs. Zum einen nennt Flusser den griechi&shy;schen (kreisför&shy;migen) Dialog, so wie er von Sokra&shy;tes prakti&shy;ziert wurde. Hier steht der Logos im Mittel&shy;punkt und der Erkennt&shy;nisge&shy;winn. Wissen soll durch den Dialog gewon&shy;nen (oder vali&shy;diert) werden. Davon abzu&shy;grenzen ist nun eine jüdisch-christli&shy;che Dialog&shy;vorstel&shy;lung, die Flusser als Netzdia&shy;log fasst und die bisher noch nicht oder nur wenig in den Blick der westli&shy;chen Denktra&shy;dition gekom&shy;men ist.
 
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:''Hingegen gibt es eine impli&shy;zite Ana&shy;lyse des Dialogs in der jüdisch-christli&shy;chen Tradi&shy;tion, welche in Bubers «Dialo&shy;gischem Leben» ganz expli&shy;zit wird und in über&shy;raschen&shy;der Weise das dem Netzdia&shy;log inhä&shy;rente exis&shy;tentiel&shy;le Problem beleuch&shy;tet.'' (<bib id='Flusser 2003a'></bib>: S. 293)
 
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Der Netzdialog ist vom Kreisdia&shy;log durch seine Offen&shy;heit zu unter&shy;scheiden und fußt auf eine ande&shy;re, eben jüdi&shy;sche Onto&shy;logie. In der griechi&shy;schen Onto&shy;logie wird der Mensch zur Welt in einem Subjekt-Objekt-Verhält&shy;nis gese&shy;hen: Der Mensch ist als »Ich« der Welt als »Es« gegen&shy;über&shy;gestellt. Im Juden&shy;tum dage&shy;gen steigt das »Ich« aus dem Ange&shy;sprochen&shy;werden des »Du Gottes« empor. Es ist ein partner&shy;schaftli&shy;ches „»Du«“, das den Griechen fremd ist.
=====Auswirkungen auf andere Begriffe=====
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Während die Form des griechi&shy;schen Dialogs auf die Bildung neuer Infor&shy;matio&shy;nen aus ist, betont der jüdi&shy;sche Dialog das Antwor&shy;ten auf das Ange&shy;sprochen&shy;werden und die daraus erwach&shy;sende Verant&shy;wortung für das Du. Aus diesen beiden Dialog&shy;formen synthe&shy;tisiert Flusser seine Dialog&shy;form, die zum einen die Erzeu&shy;gung von Infor&shy;matio&shy;nen als Kennzei&shy;chen des griechi&shy;schen Dialogs be&shy;inhal&shy;tet. Zum ande&shy;ren kommt damit der Aspekt des Antwor&shy;tens und Verant&shy;wortens als exis&shy;tenziel&shy;ler Aspekt des jüdi&shy;schen Dialogs hinzu. Die Einschrän&shy;kungen des Kreisdia&shy;logs führen Flusser zur Präfe&shy;renz einer Netzstruk&shy;tur als das Muster, welches die Bedin&shy;gungen – Infor&shy;mations&shy;gene&shy;rierung und ''Ausbil&shy;dung'' zwischen&shy;menschli&shy;cher Bezie&shy;hung als exis&shy;tentiel&shy;le ''Erfül&shy;lung'' des Menschen – am besten erfül&shy;len und sich zugleich den sich ausbrei&shy;tenden Diskur&shy;sen entge&shy;genstel&shy;len kann. Kommu&shy;nika&shy;tion kann nach Flusser nur dann ihren Zweck erfül&shy;len, nämlich die Einsam&shy;keit und Sinnlo&shy;sigkeit zu über&shy;winden, „wenn sich Diskurs und Dialog das Gleichge&shy;wicht halten“ (<bib id='Flusser 2003a'></bib>: S. 17). Dieses Gleichge&shy;wicht sieht Flusser aber durch eine über&shy;mäßi&shy;ge Ausbrei&shy;tung und der Vorherr&shy;schaft des Diskur&shy;ses gestört, und damit die Gefahr der aufstei&shy;genden Einsam&shy;keit und Sinnlo&shy;sigkeit.
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Durch die Unterscheidung der beiden Kommu&shy;nika&shy;tionsfor&shy;men »Dialog« und »Diskurs« kommt Flusser zu einer Eintei&shy;lung der Medien, die sich in diskur&shy;sive und dialo&shy;gische Medien eintei&shy;len lassen und in denen beson&shy;ders die elek&shy;troni&shy;schen Medien zur Geltung kommen. Denn gerade das [[Fernsehen|Fernse&shy;hen]] ist ein Beispiel für eine Besied&shy;lung des Lebens&shy;raumes der Menschen mit einer Diskurs&shy;form, die keine Antwort- und Reakti&shy;onsmög&shy;lichkeit mehr gestat&shy;tet. Und ein weite&shy;rer wichti&shy;ger Punkt tritt in diesem Zusam&shy;menhang auf, der über die struktu&shy;rellen Aspek&shy;te hinaus geht. Denn z.B. mit dem Fernse&shy;her ist eine beson&shy;dere Plattform für die [[technisches Bild|Techno&shy;bilder]] geboten: diese stellen einen völlig ande&shy;ren Code dar, der ein ande&shy;res Grundver&shy;ständnis als der alte alpha&shy;nume&shy;rische Code und das tradi&shy;tionel&shy;le Bild als Code erfor&shy;dern. Der Code der techni&shy;schen Bilder, der nun Einzug in die Wohnzim&shy;mer hält, ist als ein Wechsel in der Kodie&shy;rung anzu&shy;sehen. Und die Codes sind es, die uns program&shy;mieren.
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Die menschliche Kommu&shy;nika&shy;tion, so wie sie Flusser in seiner Kommu&shy;niko&shy;logie fasst, dient dazu,  Infor&shy;matio&shy;nen zu speichern, zu prozes&shy;sieren und zugleich weiter&shy;zuge&shy;ben. Entspre&shy;chend ist Kultur eine menschli&shy;che Vorrich&shy;tung, um Infor&shy;matio&shy;nen zu speichern und weiter&shy;zuge&shy;ben. Die Menschen versu&shy;chen durch Kommu&shy;nika&shy;tion zugleich sich selbst zu transzen&shy;dieren, indem sie neue Infor&shy;matio&shy;nen prozes&shy;sieren, um so der Entro&shy;pie des Uni&shy;versums zu entkom&shy;men. Der Mensch kommu&shy;niziert derge&shy;stalt, um den Tod und die Einsam&shy;keit zu über&shy;winden.
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 16:44 Uhr

Unterpunkt zu: Bildtheoretische Ansätze


Kommunikologie als Lehre von der menschli­chen Kommu­nika­tion

Der Begriff der Kommu­niko­logie geht auf Vilém Flusser zurück.[1] Flusser bezeich­net die Lehre von der menschli­chen Kommu­nika­tion als Kommu­niko­logie. Menschli­che Kommu­nika­tion ist ihm zufol­ge ein kultu­reller Vorgang, der sich auf die Erfin­dung von zu Codes orga­nisier­ten Symbo­len gründet. Diese Codes verhül­len die Natur, und diese Hülle ist für Flusser die Kultur. Und da die Welt der Symbo­le gedeu­tet und nicht erklärt werden muss, sie also inter­preta­tiv anzu­gehen ist, veror­tet er die menschli­che Kommu­nika­tion in den Bereich der Geistes­wissen­schaft und verzich­tet darauf, „in der Symbo­lisie­rung ein biolo­gisches Phäno­men zu sehen“ ([Flusser 2003a]: S. 74).

Flusser untersucht, wie über den kommu­nika­tiven Prozess Infor­mati­onen gespei­chert, verän­dert und weiter­verteilt werden. Auf diesem Wege kommt er zu einer Sichtwei­se und Bewer­tung von (Me­dien)Tech­nolo­gie, durch die er einen Wandel im zwischen­menschli­chen Verhält­nis konsta­tiert. Die Codes, mit denen und durch die sich die Menschen verstän­digen und der Welt einen Sinn zu geben vermö­gen, wandeln sich. Flusser sieht sogar einen „Umsturz der Codes“ durch TV, Video und Compu­ter gegeben, den er in seiner Heftig­keit mit der indus­triel­len Revo­lution und ihrer Auswir­kung auf die Arbeits­welt gleichsetzt. Ausge­hend vom Menschen, seinen Codes, der Sprache, seinen Gesten, weiter­gehend in Richtung Bilder und Techno­bilder hin zu techni­schen Appa­ratu­ren wie TV, Video oder Computer wirft Flusser einen Blick auf die damit einher­gehen­den Verän­derun­gen in der menschli­chen Kommu­nika­tion und den Auswir­kungen auf die Gesell­schaft.


Kommunikologie als Dialog und Diskurs

Flusser unterscheidet in seinem Buch «Kommu­niko­logie» zwei unter­schiedli­che Formen der Kommu­nika­tion, den Dialog und den Diskurs, die er später an Medien knüpft, welche er dahin­gehend in dialo­gische und diskur­sive Medien einteilt.[2]

Flusser versteht den Dia­log als einen Prozess, „bei dem auf verschie­dene Gedächt­nisse aufge­teilte Infor­matio­nen zu einer neuen Infor­mation synthe­tisiert werden“ ([Flusser 2003a]: S. 286). Dialo­gische Medien sind dann Medien, die den Dialog in seiner Entfal­tung unter­stützen und die Neuschöp­fung von Infor­matio­nen ermög­lichen. Der Diskurs verteilt dage­gen vorhan­dene Infor­matio­nen. Beide Formen, Dialog und Diskurs, benö­tigen einan­der; der Dialog benö­tigt Infor­matio­nen, die zuvor von den Betei­ligten durch Diskur­se ange­sammelt wurden. Der Diskurs wiede­rum entsteht erst aus der Vertei­lung von Infor­matio­nen, die zuvor in einem Dialog neu synthe­tisiert wurden. Solcher­art gibt es keine Präze­denz, denn jedes dialo­gische Medium kann zu einem diskur­siven und umge­kehrt werden.

Flusser synthestisiert aus zwei Dialog­arten, die er unter­scheidet, eine neue Form des Dialogs. Zum einen nennt Flusser den griechi­schen (kreisför­migen) Dialog, so wie er von Sokra­tes prakti­ziert wurde. Hier steht der Logos im Mittel­punkt und der Erkennt­nisge­winn. Wissen soll durch den Dialog gewon­nen (oder vali­diert) werden. Davon abzu­grenzen ist nun eine jüdisch-christli­che Dialog­vorstel­lung, die Flusser als Netzdia­log fasst und die bisher noch nicht oder nur wenig in den Blick der westli­chen Denktra­dition gekom­men ist.

Hingegen gibt es eine impli­zite Ana­lyse des Dialogs in der jüdisch-christli­chen Tradi­tion, welche in Bubers «Dialo­gischem Leben» ganz expli­zit wird und in über­raschen­der Weise das dem Netzdia­log inhä­rente exis­tentiel­le Problem beleuch­tet. ([Flusser 2003a]: S. 293)

Der Netzdialog ist vom Kreisdia­log durch seine Offen­heit zu unter­scheiden und fußt auf eine ande­re, eben jüdi­sche Onto­logie. In der griechi­schen Onto­logie wird der Mensch zur Welt in einem Subjekt-Objekt-Verhält­nis gese­hen: Der Mensch ist als »Ich« der Welt als »Es« gegen­über­gestellt. Im Juden­tum dage­gen steigt das »Ich« aus dem Ange­sprochen­werden des »Du Gottes« empor. Es ist ein partner­schaftli­ches „»Du«“, das den Griechen fremd ist.

Während die Form des griechi­schen Dialogs auf die Bildung neuer Infor­matio­nen aus ist, betont der jüdi­sche Dialog das Antwor­ten auf das Ange­sprochen­werden und die daraus erwach­sende Verant­wortung für das Du. Aus diesen beiden Dialog­formen synthe­tisiert Flusser seine Dialog­form, die zum einen die Erzeu­gung von Infor­matio­nen als Kennzei­chen des griechi­schen Dialogs be­inhal­tet. Zum ande­ren kommt damit der Aspekt des Antwor­tens und Verant­wortens als exis­tenziel­ler Aspekt des jüdi­schen Dialogs hinzu. Die Einschrän­kungen des Kreisdia­logs führen Flusser zur Präfe­renz einer Netzstruk­tur als das Muster, welches die Bedin­gungen – Infor­mations­gene­rierung und Ausbil­dung zwischen­menschli­cher Bezie­hung als exis­tentiel­le Erfül­lung des Menschen – am besten erfül­len und sich zugleich den sich ausbrei­tenden Diskur­sen entge­genstel­len kann. Kommu­nika­tion kann nach Flusser nur dann ihren Zweck erfül­len, nämlich die Einsam­keit und Sinnlo­sigkeit zu über­winden, „wenn sich Diskurs und Dialog das Gleichge­wicht halten“ ([Flusser 2003a]: S. 17). Dieses Gleichge­wicht sieht Flusser aber durch eine über­mäßi­ge Ausbrei­tung und der Vorherr­schaft des Diskur­ses gestört, und damit die Gefahr der aufstei­genden Einsam­keit und Sinnlo­sigkeit.

Durch die Unterscheidung der beiden Kommu­nika­tionsfor­men »Dialog« und »Diskurs« kommt Flusser zu einer Eintei­lung der Medien, die sich in diskur­sive und dialo­gische Medien eintei­len lassen und in denen beson­ders die elek­troni­schen Medien zur Geltung kommen. Denn gerade das Fernse­hen ist ein Beispiel für eine Besied­lung des Lebens­raumes der Menschen mit einer Diskurs­form, die keine Antwort- und Reakti­onsmög­lichkeit mehr gestat­tet. Und ein weite­rer wichti­ger Punkt tritt in diesem Zusam­menhang auf, der über die struktu­rellen Aspek­te hinaus geht. Denn z.B. mit dem Fernse­her ist eine beson­dere Plattform für die Techno­bilder geboten: diese stellen einen völlig ande­ren Code dar, der ein ande­res Grundver­ständnis als der alte alpha­nume­rische Code und das tradi­tionel­le Bild als Code erfor­dern. Der Code der techni­schen Bilder, der nun Einzug in die Wohnzim­mer hält, ist als ein Wechsel in der Kodie­rung anzu­sehen. Und die Codes sind es, die uns program­mieren.

Die menschliche Kommu­nika­tion, so wie sie Flusser in seiner Kommu­niko­logie fasst, dient dazu, Infor­matio­nen zu speichern, zu prozes­sieren und zugleich weiter­zuge­ben. Entspre­chend ist Kultur eine menschli­che Vorrich­tung, um Infor­matio­nen zu speichern und weiter­zuge­ben. Die Menschen versu­chen durch Kommu­nika­tion zugleich sich selbst zu transzen­dieren, indem sie neue Infor­matio­nen prozes­sieren, um so der Entro­pie des Uni­versums zu entkom­men. Der Mensch kommu­niziert derge­stalt, um den Tod und die Einsam­keit zu über­winden.

Anmerkungen
  1. Die nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen leh­nen sich grob an die ent­spre­chen­den Ka­pi­tel von [Bid­lo 2008a] an.
  2. Flus­sers Un­ter­schei­dung von Di­a­log und Dis­kurs ist stark von Mar­tin Bu­bers Ich-Du- und Ich-Es-Un­ter­schei­dung ge­prägt (vgl. [Bu­ber 1995a], [Bid­lo 2006a]).
Literatur                             [Sammlung]

[Bid­lo 2006a]: Bidlo, Oliver (2002). Martin Buber. Ein verges­sener Klassi­ker der Kommu­nika­tionswis­senschaft? Dialog­philo­sophie in kommu­nika­tionswis­senschaft­licher Perspek­tive. Marburg: Tectum.

[Bid­lo 2008a]: Bidlo, Oliver (2008). Vilém Flusser. Ein­führung. Essen: Ol­dib. [Bu­ber 1995a]: Martin Buber (1995). Ich und Du. Stutt­gart: Reclam. [Flusser 2003a]: Flusser, Vilém (2003). Kommu­niko­logie. Frank­furt/M.: Fischer.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [12], Mark A. Halawa [3] und Oliver Bidlo [3] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Bidlo 2013g-a] Bidlo, Oliver (2013). Kommunikologie. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024).
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