Kunstgeschichte als Bildgeschichte: Unterschied zwischen den Versionen
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Expliziter als Belting verbindet Freedberg seinen bildgeschichtlichen Vorstoß mit dem Appell, gängige Dichotomien aus der kunsthistorischen Forschung zu verbannen. Freedberg hält es für unangemessen, im Anschluss an tradierte Denk- und Analyseformen nur solchen Bildartefakten größere Aufmerksamkeit zu schenken, die gemeinhin als höhere bzw. gehobene Künste angesehen werden. Freedberg versucht diese Haltung durch den Nachweis zu begründen, dass die Hintergründe, die den produktiven und rezeptiven Umgang mit Bildwerken motivieren und leiten, durch eine alleinige Fokussierung auf die so genannten höheren Künste historisch nur lückenhaft rekonstruiert werden können. Um diesem Problem zu entgehen, schlägt er vor, traditionelle kunsthistorische Betrachtungsweisen durch eine im weitesten Sinne kulturanthropologisch-ethnografische Forschungshaltung zu ersetzen (vgl. <bib id='Freedberg 1991a'></bib>: S. 23). Eine derartige Haltung führt seines Erachtens zu der Einsicht, dass die historischen Voraussetzungen für den Umgang mit Werken der höheren Künste erst dann angemessen nachvollzogen werden können, wenn dieser mit Bildpraktiken in Beziehung gesetzt wird, die im Zuge eurozentristischer Vorurteile unberechtigterweise gemeinhin als ›einfach‹ oder ›primitiv‹ deklariert worden sind. Aus dieser Erweiterung des kunstwissenschaftlichen Horizonts leitet Freedberg die Hoffnung ab, die Kunstgeschichte in eine Bildgeschichte transformieren zu können. Der Bildgeschichte spricht er dabei einen vollkommen eigenständigen wissenschaftlichen Status zu, der im Vergleich zur klassischen Kunstgeschichte vor allem in anthropologischer Hinsicht von weitaus elementarerer Natur ist: „In order to understand our responses to ‚high’ art we need the general and specific evidence supplied by responses to ‚low’ images. The history of art is thus subsumed by the history of images. […] The history of images takes its own place as a central discipline in the study of men and women; the history of art stands, now a little forlornly, as a subdivision of the history of cultures.“ (<bib id='Freedberg 1991a'></bib>: ebd.) | Expliziter als Belting verbindet Freedberg seinen bildgeschichtlichen Vorstoß mit dem Appell, gängige Dichotomien aus der kunsthistorischen Forschung zu verbannen. Freedberg hält es für unangemessen, im Anschluss an tradierte Denk- und Analyseformen nur solchen Bildartefakten größere Aufmerksamkeit zu schenken, die gemeinhin als höhere bzw. gehobene Künste angesehen werden. Freedberg versucht diese Haltung durch den Nachweis zu begründen, dass die Hintergründe, die den produktiven und rezeptiven Umgang mit Bildwerken motivieren und leiten, durch eine alleinige Fokussierung auf die so genannten höheren Künste historisch nur lückenhaft rekonstruiert werden können. Um diesem Problem zu entgehen, schlägt er vor, traditionelle kunsthistorische Betrachtungsweisen durch eine im weitesten Sinne kulturanthropologisch-ethnografische Forschungshaltung zu ersetzen (vgl. <bib id='Freedberg 1991a'></bib>: S. 23). Eine derartige Haltung führt seines Erachtens zu der Einsicht, dass die historischen Voraussetzungen für den Umgang mit Werken der höheren Künste erst dann angemessen nachvollzogen werden können, wenn dieser mit Bildpraktiken in Beziehung gesetzt wird, die im Zuge eurozentristischer Vorurteile unberechtigterweise gemeinhin als ›einfach‹ oder ›primitiv‹ deklariert worden sind. Aus dieser Erweiterung des kunstwissenschaftlichen Horizonts leitet Freedberg die Hoffnung ab, die Kunstgeschichte in eine Bildgeschichte transformieren zu können. Der Bildgeschichte spricht er dabei einen vollkommen eigenständigen wissenschaftlichen Status zu, der im Vergleich zur klassischen Kunstgeschichte vor allem in anthropologischer Hinsicht von weitaus elementarerer Natur ist: „In order to understand our responses to ‚high’ art we need the general and specific evidence supplied by responses to ‚low’ images. The history of art is thus subsumed by the history of images. […] The history of images takes its own place as a central discipline in the study of men and women; the history of art stands, now a little forlornly, as a subdivision of the history of cultures.“ (<bib id='Freedberg 1991a'></bib>: ebd.) | ||
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+ | ======Von der Bildgeschichte zur Bildanthropologie====== | ||
+ | Die anthropologischen Konsequenzen, die sich aus einer bildgeschichtlichen Forschungsperspektive ergeben, sind von Belting stärker als von Freedberg herausgearbeitet worden. In seinem Buch ''Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft'' unternimmt er den Versuch, über eine anthropologische Zuspitzung des bildgeschichtlichen Ansatzes einen systematischen Beitrag zur allgemeinen Bildtheorie beizusteuern. Dieser Beitrag äußert er sich zunächst in der im vorangegangenen Text bereits geschilderten Überzeugung, „daß sich das Bild nur auf Wegen erschließen läßt, die interdisziplinär gegangen werden und auch vor einem interkulturellen Horizont nicht zurückschrecken“ (<bib id='Belting 2001a'></bib>: S. 8). Bildwissenschaft im Sinne von ''Bildtheorie'' [[Bildwissenschaft vs. Bildtheorie]] ließe sich dieser Position zufolge nur dann erfolgreich betreiben, wenn sich von einem Bildbegriff gelöst wird, der im Wesentlichen auf die abendländische Kultursphäre zugeschnitten ist. Eine von aller Empirie getrennte Analyse des Bildbegriffs, wie Lambert Wiesing sie beispielsweise für eine philosophische Bildtheorie fordert, wäre demnach von vornherein zum Scheitern verurteilt und damit zwecklos. | ||
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+ | So kommt es, dass in Beltings Studien – ähnlich wie bei Freedberg in ''The Power of Images'' – neben archäologischen Fundstücken auch fernöstliche Bildwerke oder indigene Körperbemalungen Berücksichtigung finden. Das in ''Bild und Kult'' skizzierte Projekt einer Bildgeschichte mündet dabei insofern in eine Bildanthropologie, als sich die Geschichte des Bildes aus Sicht von Belting immer auch zugleich als eine Geschichte des Menschen erweist. Eine historisch offene (d.h. nicht auf die Geschichte der Kunst beschränkte) und interkulturelle Perspektive macht nach seinem Dafürhalten ein anthropologisches Faktum kenntlich, demzufolge der Mensch als „natürlicher Ort der Bilder“ (vgl. <bib id='Belting 2001a'></bib>: S. 57) anzusehen ist. Diese These besitzt zwei Komponenten: Auf der einen Seite deutet sie auf die (freilich triviale) Tatsache hin, dass „[t]rotz aller Apparate, mit denen wir heute Bilder aussenden und speichern, […] allein der Mensch der Ort [ist], an dem Bilder in einem lebendigen Sinne […] empfangen und gedeutet werden“ (<bib id='Belting 2001a'></bib>: ebd.); auf der anderen Seite resultiert sie aus der Beobachtung, dass der Mensch selbst mitsamt seines Körpers „gleichsam ein lebendes Organ für Bilder“ (<bib id='Belting 2001a'></bib>: ebd.) darstellt. Der Mensch gestaltet und reflektiert das Verhältnis zu sich und der Welt nicht nur mithilfe des Bildes; auch nutzt er seinen eigenen Körper als den wohl ersten und damit ursprünglichsten Bildträger.<ref> Belting verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die bildhafte Manipulation von Totenschädeln, die um 7.000 v.Chr. im Nahen Osten offenbar getätigt wurden, um Verstorbene im Medium des Bildes symbolisch präsent zu machen bzw. symbolisch am Leben zu erhalten (vgl. <bib id='Belting 2001a'></bib>: 146ff.).</ref> | ||
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Version vom 21. Juni 2011, 15:04 Uhr
Unterpunkt zu: Bildphilosophische Abgrenzungen
Darstellung des gr. ZusammenhangsDie Kunstgeschichte gilt gemeinhin als eine der ältesten und versiertesten bildwissenschaftlichen Disziplinen. Eine intensive Auseinandersetzung mit Bildwerken verschiedenster Art gehört für sie zum Tagesgeschäft. Seit ihrer akademischen Etablierung im 19. Jahrhundert hat sie dabei eine Reihe von Methoden entwickelt, die die wissenschaftliche Beschäftigung mit etwaigen Bildwerken unter systematischen Gesichtspunkten anleiten. Viele davon haben in der internationalen kunsthistorischen Forschung weite Verbreitung gefunden (Ikonografie, Ikonologie, Ikonik). Wie sich seit Ende der 1980er Jahre herausstellt, sind zahlreiche dieser Methoden hingegen nicht mehr unumstritten. Obwohl die Arbeiten von Autoren wie Erwin Panofsky (1892-1968), Ernst Gombrich (1909-2001) oder Heinrich Wölfflin (1864-1945) nach wie vor als Klassiker der Kunstgeschichte zählen, machen sich etliche einflussreiche kunsthistorische Stimmen für eine Reformation der Kunstgeschichte stark.
Sinn und Deutung in der bildenden Kunst (Meaning in the Visual Arts). Köln: Dumont. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 36-67), wird verworfen und durch die Überzeugung ersetzt, dass selbst die genaueste hermeneutische und semiotische Bildanalyse weder dem Wesen noch der tatsächlichen Wirkung von Bildwerken angemessen Rechnung tragen könne.[1]
Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 77), d.h. ein Diktat, demzufolge nur solche Bildwerke von kunsthistorischem Wert und Interesse sind, die einem klassischen, durch Antike und Renaissance geprägten Kunst- und Ästhetikverständnis entgegenkommen. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, dass die Tragweite des menschlichen Bildschaffens durch eine derartige Forschungsprogrammatik in keiner Weise eingefangen werden kann. Wie unter anderem James Elkins demonstriert, übersteigt das Reich der Bilder das der Kunst in beträchtlichem Maße (vgl. [Elkins 1999a]Elkins, James (1999). The Domain of Images. London: Cornell University Press. Eintrag in Sammlung zeigen). Nicht alles, was ein Bild ist, ist zugleich auch Kunst.
The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response (1989). Chicago/London: The University of Chicago Press. Eintrag in Sammlung zeigen, [Belting 2004a]Belting, Hans (2004). Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen). Gegenstand kunsthistorischer bzw. bildgeschichtlicher Forschung wären demnach sämtliche Bilderzeugnisse, darunter gerade solche Bildwerke, die von der traditionellen Kunstgeschichte ignoriert oder vernachlässigt worden sind. Leitend ist in solchen Forschungen nicht eine spezifische Idee von Kunst, sondern das Phänomen des Bildes in dessen gesamten Facettenreichtum. Zu erwähnen ist, dass dieses Forschungsinteresse von den Intentionen philosophischer Bildtheorien meist verschieden ist. Während philosophische Bildtheorien in der Regel den Begriff des Bildes untersuchen, befassen sich kunsthistorische wie bildgeschichtliche Studien häufig in erster Linie auf einem empirischen, historischen und/oder kulturwissenschaftlichen Wege mit speziellen Bildphänomenen (Bildwissenschaft vs. Bildtheorie). Der Möglichkeit, über die Analyse konkreter Bildwerke hinaus ebenfalls zu allgemeinen Einsichten über die Besonderheit bildlicher Darstellungen zu gelangen, steht diese Betrachtungsweise allerdings keineswegs prinzipiell entgegen.
Darstellung des engeren ZusammenhangsKunstgeschichte als BildgeschichteDie vielleicht einflussreichsten Anregungen, kunstgeschichtliche Forschung im Sinne einer Bildgeschichte zu betreiben, finden sich in den Schriften Hans Beltings. In seinem Buch Das Ende der Kunstgeschichte – ein Werk, das bei seiner Erstveröffentlichung noch ein Fragezeichen im Titel trug (vgl. [Belting 1983a]Belting, Hans (1983).Das Ende der Kunstgeschichte?. München: Deutscher Kunstverlag. Eintrag in Sammlung zeigen)[3] – regt er die gegenwärtige Kunstgeschichte zu einer „Denkpause“ ([Belting 2002a]Belting, Hans (2002). Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 22) an und fragt, „ob die Kunst und die Erzählung von Kunst noch so, wie man es gewohnt war, zueinander paß[en]“ ([Belting 2002a]Belting, Hans (2002). Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.). Wie im weiteren Verlauf des Textes deutlich wird, verneint Belting diese Frage. Allerdings betont er, dass die Notwendigkeit einer Kunstgeschichte damit unter keinen Umständen hinfällig geworden sei. Vielmehr hätten sich, angestoßen etwa durch die avantgardistische Kunstpraxis des 20. Jahrhunderts, etablierte klassische Analysemethoden und Denkweisen mit der Zeit abgenutzt, sodass nunmehr die Dringlichkeit nach einer erneuerten Form kunsthistorischen Forschens und Erzählens offenkundig geworden sei: „Das Ende der Kunstgeschichte bedeutet nicht, daß die Kunst oder die Kunstwissenschaft an ihrem Ende angelangt wären, sondern registriert die Tatsache, daß sich in der Kunst wie in den Denkbildern der Kunstgeschichte das Ende einer Tradition abzeichnet, einer Tradition, die seit der Moderne in der uns vertrauten Gestalt zum Kanon geworden war“ ([Belting 2002a]Belting, Hans (2002). Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.).
Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen).
Vor einem Bild. München/Wien: Carl Hanser Verlag, aus dem Französischen von Reinold Werner. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 147) klassischer kunstwissenschaftlicher Methoden zu lösen, um auf diese Weise einen Zugang zu der sinnlichen Wirkungsmacht von Bildern zu gewinnen, wie sie nach Ansicht von Didi-Huberman durch eine rein hermeneutische oder semiotische Betrachtungsweise niemals registriert werden könne. Bilder sind dieser Position zufolge nicht als Wissensobjekte von Interesse, die hinsichtlich ihrer semiologischen Bedeutungen und Rätsel prinzipiell entschlüsselbar sind, sofern nur das ›richtige‹ ikonologische Instrumentarium verwendet wird. Vielmehr treten sie als besondere Sichtbarkeitsgebilde in den Blick, die, von der intellektualistisch-positivistischen „Rhetorik der Gewißheit“ ([Didi-Huberman 2000a]Didi-Huberman, Georges (2000). Vor einem Bild. München/Wien: Carl Hanser Verlag, aus dem Französischen von Reinold Werner. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 11) sowie der „Tyrannei des Lesbaren“ ([Didi-Huberman 2000a]Didi-Huberman, Georges (2000). Vor einem Bild. München/Wien: Carl Hanser Verlag, aus dem Französischen von Reinold Werner. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 16; Hervorhebungen im Original) befreit, in ihrer unbegrifflichen Phänomenalität und der damit einhergehenden hermeneutisch wie semiotisch undurchdringlichen Rätselhaftigkeit anerkannt und akzeptiert werden. Hinter diesem Vorstoß steht die in vielen gegenwärtigen bildtheoretischen Studien geteilte Überzeugung, „daß Bilder ihre Wirksamkeit nicht ausschließlich der Vermittlung eines – sichtbaren, lesbaren oder unsichtbaren – Wissens verdanken, sondern daß im Gegenteil ihre Wirksamkeit im Geflecht, wenn nicht im Wirrwarr von übermitteltem und zerlegtem Wissen, von erzeugtem und umgewandeltem Nicht-Wissen zum Zuge kommt“ ([Didi-Huberman 2000a]Didi-Huberman, Georges (2000). Vor einem Bild. München/Wien: Carl Hanser Verlag, aus dem Französischen von Reinold Werner. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 23).[5]
Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 38) sowie anderen vergangenen Kunstepochen im Zentrum gestanden hätten. Dazu notiert Belting: „Damit wird ein Widerspruch in der Grundlegung der Kunstwissenschaft offenbar, der weitreichende Folgen gehabt hat. Sie entstand zwar in der Moderne, suchte aber ihren Gegenstand in der alten Kunst und fand dort ihre wissenschaftlichen Regeln, mit Kunst schlechthin umzugehen.“ ([Belting 2002a]Belting, Hans (2002). Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.)[6]
Ästhetik des Performativen. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen). Nicht das Verstehen von Kunst ist hier von Relevanz, sondern die Erfahrung des Ereignischarakters von Kunst (vgl. [Mersch 2002b]Mersch, Dieter (2002). Ereignis und Aura. Untersuchungen zu einer performativen Ästhetik. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen). Phänomene wie diese lassen sich mit traditionellen Analyseinstrumenten in der Tat nicht angemessen beschreiben und erklären. Ein revidiertes Analyseinstrumentarium erscheint daher als ebenso unerlässlich wie ein erweitertes Kunst- und Ästhetikverständnis.
Das Erbe der Bilder. Kunst und moderne Medien in den Kulturen der Welt. München: C.H. Beck. Eintrag in Sammlung zeigen, [Belting 2001a]Belting, Hans (2001). Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München: Wilhelm Fink Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen).
Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen). Schon der Untertitel dieser Arbeit – Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst – signalisiert eine am Bild, nicht an der Kunst, orientierte Untersuchungsperspektive, aus der sich eine tiefgreifende Verschiebung der wissenschaftlichen Fragestellung ergibt. Entscheidend ist für Belting nicht, was ein konkretes Bild bedeutet, wie es zwecks einer gelungenen Interpretation ›gelesen‹ werden muss oder inwieweit es mit einem kanonisierten Kunst- oder Werkbegriff korrespondiert. Stattdessen ist von Interesse, in welcher Form Menschen zu Zeiten, in denen ein elaborierter Kunstbegriff noch nicht existiert hat,[7] in gewissen politischen, religiösen und vor allem kultischen Kontexten von Bildwerken Gebrauch machten. Ob es sich in den betreffenden Bildverwendungskontexten im traditionellen Sinne um Kunstwerke handelte, ist aus dieser dezidiert bildgeschichtlichen Perspektive irrelevant.
Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 9)
The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response (1989). Chicago/London: The University of Chicago Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. XIX) Auch bei Freedberg findet sich der Impuls, eine als verkrustet empfundene Kunstgeschichte durch die Einführung anderer Forschungsperspektiven und -direktiven zu erneuern, die vorwiegend auf das Bild als Gegenstand des Erkenntnisinteresses bezogen sind und die Frage nach dem künstlerischen Wert eines Bildwerkes bewusst unberücksichtigt lassen.
The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response (1989). Chicago/London: The University of Chicago Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 23). Eine derartige Haltung führt seines Erachtens zu der Einsicht, dass die historischen Voraussetzungen für den Umgang mit Werken der höheren Künste erst dann angemessen nachvollzogen werden können, wenn dieser mit Bildpraktiken in Beziehung gesetzt wird, die im Zuge eurozentristischer Vorurteile unberechtigterweise gemeinhin als ›einfach‹ oder ›primitiv‹ deklariert worden sind. Aus dieser Erweiterung des kunstwissenschaftlichen Horizonts leitet Freedberg die Hoffnung ab, die Kunstgeschichte in eine Bildgeschichte transformieren zu können. Der Bildgeschichte spricht er dabei einen vollkommen eigenständigen wissenschaftlichen Status zu, der im Vergleich zur klassischen Kunstgeschichte vor allem in anthropologischer Hinsicht von weitaus elementarerer Natur ist: „In order to understand our responses to ‚high’ art we need the general and specific evidence supplied by responses to ‚low’ images. The history of art is thus subsumed by the history of images. […] The history of images takes its own place as a central discipline in the study of men and women; the history of art stands, now a little forlornly, as a subdivision of the history of cultures.“ ([Freedberg 1991a]Freedberg, David (1991). The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response (1989). Chicago/London: The University of Chicago Press. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.)
Von der Bildgeschichte zur BildanthropologieDie anthropologischen Konsequenzen, die sich aus einer bildgeschichtlichen Forschungsperspektive ergeben, sind von Belting stärker als von Freedberg herausgearbeitet worden. In seinem Buch Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft unternimmt er den Versuch, über eine anthropologische Zuspitzung des bildgeschichtlichen Ansatzes einen systematischen Beitrag zur allgemeinen Bildtheorie beizusteuern. Dieser Beitrag äußert er sich zunächst in der im vorangegangenen Text bereits geschilderten Überzeugung, „daß sich das Bild nur auf Wegen erschließen läßt, die interdisziplinär gegangen werden und auch vor einem interkulturellen Horizont nicht zurückschrecken“ ([Belting 2001a]Belting, Hans (2001).Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München: Wilhelm Fink Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 8). Bildwissenschaft im Sinne von Bildtheorie Bildwissenschaft vs. Bildtheorie ließe sich dieser Position zufolge nur dann erfolgreich betreiben, wenn sich von einem Bildbegriff gelöst wird, der im Wesentlichen auf die abendländische Kultursphäre zugeschnitten ist. Eine von aller Empirie getrennte Analyse des Bildbegriffs, wie Lambert Wiesing sie beispielsweise für eine philosophische Bildtheorie fordert, wäre demnach von vornherein zum Scheitern verurteilt und damit zwecklos.
Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München: Wilhelm Fink Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 57) anzusehen ist. Diese These besitzt zwei Komponenten: Auf der einen Seite deutet sie auf die (freilich triviale) Tatsache hin, dass „[t]rotz aller Apparate, mit denen wir heute Bilder aussenden und speichern, […] allein der Mensch der Ort [ist], an dem Bilder in einem lebendigen Sinne […] empfangen und gedeutet werden“ ([Belting 2001a]Belting, Hans (2001). Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München: Wilhelm Fink Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.); auf der anderen Seite resultiert sie aus der Beobachtung, dass der Mensch selbst mitsamt seines Körpers „gleichsam ein lebendes Organ für Bilder“ ([Belting 2001a]Belting, Hans (2001). Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München: Wilhelm Fink Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.) darstellt. Der Mensch gestaltet und reflektiert das Verhältnis zu sich und der Welt nicht nur mithilfe des Bildes; auch nutzt er seinen eigenen Körper als den wohl ersten und damit ursprünglichsten Bildträger.[10]
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Anmerkungen
[Belting & Haustein 1998a]: Belting, Hans & Haustein, Lydia (1998). Das Erbe der Bilder. Kunst und moderne Medien in den Kulturen der Welt. München: C.H. Beck.
[Belting 1983a]: Belting, Hans (1983). Das Ende der Kunstgeschichte?. München: Deutscher Kunstverlag. [Belting 2001a]: Belting, Hans (2001). Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München: Wilhelm Fink Verlag. [Belting 2002a]: Belting, Hans (2002). Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. [Belting 2004a]: Belting, Hans (2004). Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. [Boehm 2007a]: Boehm, Gottfried (2007). Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. Berlin: Berlin University Press. [Didi-Huberman 2000a]: Didi-Huberman, Georges (2000). Vor einem Bild. München/Wien: Carl Hanser Verlag, aus dem Französischen von Reinold Werner. [Elkins 1999a]: Elkins, James (1999). The Domain of Images. London: Cornell University Press. [Fischer-Lichte 2004a]: Fischer-Lichte, Erika (2004). Ästhetik des Performativen. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag. [Freedberg 1991a]: Freedberg, David (1991). The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response (1989). Chicago/London: The University of Chicago Press. [Kris & Kurz 1995a]: Kris, Ernst & Kurz, Otto (1995). Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag, mit einem Vorwort von Ernst H. Gombrich. [Lippold 1993a]: Lippold, Lutz (1993). Macht des Bildes - Bild der Macht: Kunst zwischen Verehrung und Zerstörung bis zum ausgehenden Mittelalter. Leipzig: Edition Leipzig. [Mersch 2002a]: Mersch, Dieter (2002). Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis. München: Wilhelm Fink Verlag. [Mersch 2002b]: Mersch, Dieter (2002). Ereignis und Aura. Untersuchungen zu einer performativen Ästhetik. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag. [Mitchell 1986a]: Mitchell, William J. T. (1986). Iconology. Image, Text, Ideology. Chicago, London: The University of Chicago Press. [Mitchell 2008b]: Mitchell, W.J.T. (2008). Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: Verlag C.H. Beck, mit einem Vorwort von Hans Belting, aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa. [Panofsky 2002a]: Panofsky, Erwin (2002). Sinn und Deutung in der bildenden Kunst (Meaning in the Visual Arts). Köln: Dumont. [Warnke 1993a]: Warnke, Martin (Hg.) (1993). Bildersturm. Die Zerstörung des Kunstwerks. Frankfurt/M.: S. Fischer Verlag. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Mark A. Halawa [75], Joerg R.J. Schirra [31] und Franziska Kurz [1] — (Hinweis) |