Kunstgeschichte als Bildgeschichte
Unterpunkt zu: Bildphilosophische Abgrenzungen
Darstellung des gr. ZusammenhangsDie Kunstgeschichte gilt gemeinhin als eine der ältesten und versiertesten bildwissenschaftlichen Disziplinen. Eine intensive Auseinandersetzung mit Bildwerken verschiedenster Art gehört für sie zum Tagesgeschäft. Seit ihrer akademischen Etablierung im 19. Jahrhundert hat sie dabei eine Reihe von Methoden entwickelt, die die wissenschaftliche Beschäftigung mit etwaigen Bildwerken unter systematischen Gesichtspunkten anleiten. Viele davon haben in der internationalen kunsthistorischen Forschung weite Verbreitung gefunden (Ikonografie, Ikonologie, Ikonik). Wie sich seit Ende der 1980er Jahre herausstellt, sind zahlreiche dieser Methoden hingegen nicht mehr unumstritten. Obwohl die Arbeiten von Autoren wie Erwin Panofsky (1892-1968), Ernst Gombrich (1909-2001) oder Heinrich Wölfflin (1864-1945) nach wie vor als Klassiker der Kunstgeschichte zählen, machen sich etliche einflussreiche kunsthistorische Stimmen für eine Reformation der Kunstgeschichte stark.
Sinn und Deutung in der bildenden Kunst (Meaning in the Visual Arts). Köln: Dumont. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 36-67), wird verworfen und durch die Überzeugung ersetzt, dass selbst die genaueste hermeneutische und semiotische Bildanalyse weder dem Wesen noch der tatsächlichen Wirkung von Bildwerken angemessen Rechnung tragen könne.[1]
Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 77), d.h. ein Diktat, demzufolge nur solche Bildwerke von kunsthistorischem Wert und Interesse sind, die einem klassischen, durch Antike und Renaissance geprägten Kunst- und Ästhetikverständnis entgegenkommen. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, dass die Tragweite des menschlichen Bildschaffens durch eine derartige Forschungsprogrammatik in keiner Weise eingefangen werden kann. Wie unter anderem James Elkins demonstriert, übersteigt das Reich der Bilder das der Kunst in beträchtlichem Maße (vgl. [Elkins 1999a]Elkins, James (1999). The Domain of Images. Ithaca, London: Cornell University Press. Eintrag in Sammlung zeigen). Nicht alles, was ein Bild ist, ist zugleich auch Kunst.
The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response (1989). Chicago, London: University of Chicago Press. Eintrag in Sammlung zeigen, [Belting 2004a]Belting, Hans (2004). Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen). Gegenstand kunsthistorischer Forschung wären demnach sämtliche Bilderzeugnisse, darunter gerade solche Bildwerke, die von der traditionellen Kunstgeschichte ignoriert oder vernachlässigt worden sind. Leitend ist in solchen Forschungen nicht eine spezifische Idee von Kunst, sondern das Phänomen des Bildes in dessen gesamten Facettenreichtum. Zu erwähnen ist, dass dieses Forschungsinteresse von den Intentionen philosophischer Bildtheorien zumeist verschieden ist. Während philosophische Bildtheorien in der Regel den Begriff des Bildes untersuchen, befassen sich kunsthistorische Studien häufig in erster Linie auf einem empirischen, historischen und/oder kulturwissenschaftlichen Wege mit speziellen Bildphänomenen (Bildwissenschaft vs. Bildtheorie). Der Möglichkeit, über die Analyse konkreter Bildwerke hinaus zugleich zu allgemeinen Einsichten über die Besonderheit bildlicher Darstellungen zu gelangen, steht diese Betrachtungsweise allerdings nicht prinzipiell entgegen. |
Inhaltsverzeichnis
Anmerkungen
[Belting 2002a]: Belting, Hans (2002). Das Ende der Kunstgeschichte. Eine Revision nach zehn Jahren. München: Verlag C.H. Beck, 2., erweiterte Auflage.
[Belting 2004a]: Belting, Hans (2004). Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage. [Didi-Huberman 2000a]: Didi-Huberman, Georges (2000). Vor einem Bild. München/Wien: Carl Hanser. [Elkins 1999a]: Elkins, James (1999). The Domain of Images. Ithaca, London: Cornell University Press. [Freedberg 1991a]: Freedberg, David (1991). The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response (1989). Chicago, London: University of Chicago Press. [Mitchell 1986a]: Mitchell, William J.T. (1986). Iconology. Image, Text, Ideology. Chicago, London: University of Chicago Press. [Panofsky 2002a]: Panofsky, Erwin (2002). Sinn und Deutung in der bildenden Kunst (Meaning in the Visual Arts). Köln: Dumont. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Mark A. Halawa [75], Joerg R.J. Schirra [31] und Franziska Kurz [1] — (Hinweis) |