Medialität: Unterschied zwischen den Versionen
(→Perspektiven) |
(→Perspektiven) |
||
Zeile 38: | Zeile 38: | ||
=====Perspektiven===== | =====Perspektiven===== | ||
− | Medialität wird neben ihrer technischen und gesellschaftlichen Bedingtheit auch unter anderen Gesichtspunkten betrachtet. Verschiedene Beiträge befassen sich etwa mit ihren Relationen zu Realität (vgl. <bib id='Fromme et al. 2011a'>Fromme et al. 2011a</bib>) und Performativität (vgl. <bib id='Kleiner & Wilke 2013a'>Kleiner & Wilke 2013a</bib>, bib id='Krämer 2004c'>Krämer 2004c</bib>), nehmen eine dezidiert ästhetische Perspektive ein (vgl. Matzker 2008) oder untersuchen die Art, wie menschliches Sein im Allgemeinen durch sie ausgestaltet wird (vgl. Pietraß & Funiok 2010). Überschneidungen sind dabei unvermeidlich, dennoch kann jeder der genannten Ansätze dem unscharfen Bild der Medialität weitere Details hinzufügen. Definitionen haben demgemäß immer nur temporäre Gültigkeit und sind als Annäherungsversuche anzusehen. Einer dieser Versuche fasst Medialität als | + | Medialität wird neben ihrer technischen und gesellschaftlichen Bedingtheit auch unter anderen Gesichtspunkten betrachtet. Verschiedene Beiträge befassen sich etwa mit ihren Relationen zu Realität (vgl. <bib id='Fromme et al. 2011a'>Fromme et al. 2011a</bib>) und Performativität (vgl. <bib id='Kleiner & Wilke 2013a'>Kleiner & Wilke 2013a</bib>, <bib id='Krämer 2004c'>Krämer 2004c</bib>), nehmen eine dezidiert ästhetische Perspektive ein (vgl. Matzker 2008) oder untersuchen die Art, wie menschliches Sein im Allgemeinen durch sie ausgestaltet wird (vgl. Pietraß & Funiok 2010). Überschneidungen sind dabei unvermeidlich, dennoch kann jeder der genannten Ansätze dem unscharfen Bild der Medialität weitere Details hinzufügen. Definitionen haben demgemäß immer nur temporäre Gültigkeit und sind als Annäherungsversuche anzusehen. Einer dieser Versuche fasst Medialität als |
: | : | ||
„die jedem Medium zugrunde liegenden Dispositive, Performanzen, Materialitäten, symbolischen Ordnungen, Imaginationen, Diskurse, Archive, Techniken, Disziplinen usw., die mediale Prozesse begleiten, rahmen und in sie eingehen, ohne sich direkt mitzuteilen“ (Zahn 2011: 60) | „die jedem Medium zugrunde liegenden Dispositive, Performanzen, Materialitäten, symbolischen Ordnungen, Imaginationen, Diskurse, Archive, Techniken, Disziplinen usw., die mediale Prozesse begleiten, rahmen und in sie eingehen, ohne sich direkt mitzuteilen“ (Zahn 2011: 60) |
Version vom 21. Juni 2013, 15:11 Uhr
Unterpunkt zu: Medientheorien: Übersicht
Ausgangspunkte„Medialität“ ist keineswegs erst mit den Entwicklungen moderner Medientechnik eine für entsprechende Diskurse grundlegende Begrifflichkeit geworden. Bereits seit der Antike wird sie als essenzielles Element des menschlichen Weltverhältnisses ebenso intensiv reflektiert, wie auch diskutiert. Paradigmatisch in dieser Hinsicht sind die Auffassungen von Platon und Aristoteles über Bilder und die Art, wie diese mit der Wirklichkeit verbunden sind. Für Aristoteles besteht die Medialität eines Bildes in einem Darstellen, einem Vermitteln einer als solchen gegeben Wirklichkeit. Bilder erinnern also im eigentlichen Sinn an sie, funktionieren anamnetisch. Für Platon hingegen sind Bilder mimetisch. Sie ahmen eine Wirklichkeit nach, die jedoch nicht für sich selbst steht, sondern selbst ein Bild, eine Nachahmung ideeller Urformen ist. Medialität ist nach diesen Überlegungen keine direkte Erinnerung an Wirklichkeit wie bei Aristoteles, sondern eine Art metaphysische Rückbesinnung auf die sogenannte Ideenschau, die nach dem platonischen Modell präexistent erfahren wird. Dies wird von Platon aber keineswegs positiv bewertet. Künstler als Hersteller von Bildern und anderen Kunstformen haben für ihn keinen Zugang zu den Ideen. In der von Bildern verkörperten Nachahmung einer Nachahmung, ihrer Reproduktion von Scheinbildern, ist ihre in dieser Hinsicht ontologische Medialität negativ konnotiert. Aristoteles beginnt demgegenüber, Medialität von einer ontologischen Vereinnahmung zu lösen und sieht sie stattdessen als Manifestation menschlicher Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten. (Vgl. [Matzker 2008a]Matzker, Reiner (2008).Ästhetik der Medialität. Zur Vermittlung von künstlerischen Welten und ästhetischen Theorien. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt. Eintrag in Sammlung zeigen: 11ff.) Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur. Hamburg: Meiner. Eintrag in Sammlung zeigen: 221) fasst das Mediale der Kunst in ähnlicher Weise als „Intensivierung von Wirklichkeit“ und sieht sie als „kontinuierlichen Konkretionsprozeß“. John Dewey ([Dewey 2006a]Dewey, John (2006). Kunst als Erfahrung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: 97) verortet sie in seiner Ästhetik sowohl als Zeichen als auch als konstitutives Element „für ein vereintes Kollektivleben“. Medialität oszilliert gemäß dieser Vorstellungen zwischen einer Bestimmung als Realisierungsoption und als (technischer) Möglichkeitsraum (vgl. [Hubig 2006]Hubig, Christoph (2006). Technikphilosophie als Reflexion der Medialität. Bielefeld: Transcript. Eintrag in Sammlung zeigen:148f.). GegenwartDie Medialität eines Mediums wird nach Knut Hickethier (vgl. [Hickethier 2010a]Hickethier, Knut (2010).Einführung in die Medienwissenschaft. Stuttgart: Metzler. Eintrag in Sammlung zeigen: 25) vor allem durch drei miteinander zusammenhängende Aspekte bestimmt:
Understanding Media. The Extensions of Man. Cambridge, Mass.: MIT Press. Eintrag in Sammlung zeigen: 22) in den sechziger Jahren das Fernsehen als „kaltes Medium“, also als eines, das eine hohe ergänzend-interpretative Beteiligung des Nutzers erfordert, um es überhaupt verstehen zu können. Diese Einschätzung beruht im Wesentlichen auf dem damaligen Entwicklungsstand des Fernsehens, dessen auf der Kathodenstrahlröhre präsentiertes Bild relativ detailarm und oft noch schwarz-weiß war. Angesichts der anhaltenden Tendenz zu immer besseren Aufnahme- und Wiedergabetechniken wäre Fernsehen, wenn man McLuhans Unterscheidung folgt, mittlerweile vielmehr als sehr detailreiches, „heißes Medium“ zu betrachten. Einführung in die Medienwissenschaft. Stuttgart: Metzler. Eintrag in Sammlung zeigen: 27) Einführung in die Medienwissenschaft. Stuttgart: Metzler. Eintrag in Sammlung zeigen: 28ff.) PerspektivenMedialität wird neben ihrer technischen und gesellschaftlichen Bedingtheit auch unter anderen Gesichtspunkten betrachtet. Verschiedene Beiträge befassen sich etwa mit ihren Relationen zu Realität (vgl. [Fromme et al. 2011a]Fromme, Johannes; Iske, Stefan & Marotzki, Winfried (2011).Medialität und Realität. Zur konstitutiven Kraft der Medien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / Springer Fachmedien. Eintrag in Sammlung zeigen) und Performativität (vgl. [Kleiner & Wilke 2013a]Kleiner, Marcus S. & Wilke, Thomas (2013). Performativität und Medialität Populärer Kulturen. Theorien, Ästhetiken, Praktiken. Wiesbaden: Springer VS.. Eintrag in Sammlung zeigen, [Krämer 2004c]Krämer, Sybille (2004). Performativität und Medialität. München: Fink. Eintrag in Sammlung zeigen), nehmen eine dezidiert ästhetische Perspektive ein (vgl. Matzker 2008) oder untersuchen die Art, wie menschliches Sein im Allgemeinen durch sie ausgestaltet wird (vgl. Pietraß & Funiok 2010). Überschneidungen sind dabei unvermeidlich, dennoch kann jeder der genannten Ansätze dem unscharfen Bild der Medialität weitere Details hinzufügen. Definitionen haben demgemäß immer nur temporäre Gültigkeit und sind als Annäherungsversuche anzusehen. Einer dieser Versuche fasst Medialität als „die jedem Medium zugrunde liegenden Dispositive, Performanzen, Materialitäten, symbolischen Ordnungen, Imaginationen, Diskurse, Archive, Techniken, Disziplinen usw., die mediale Prozesse begleiten, rahmen und in sie eingehen, ohne sich direkt mitzuteilen“ (Zahn 2011: 60) und lässt erahnen, was Christoph Hubig (2010: 1517) meint, wenn er jegliches Denken als medial vollzogen beschreibt. Um zu einer klaren Vorstellung von Medialität zu gelangen, müsste eben diese Vorstellung demnach bereits Teil ihrer selbst sein. Die Realität des Medialen lässt sich danach als die einer „abwesenden Anwesenheit“ (Zahn 2011: 60) beschrieben: Anwesend, insofern sie menschliche Sinneseindrücke, Gedanken, Gefühle und Handlungen prägt; abwesend, insofern sie sich dabei einer direkten Bestimmung entzieht. Dieter Mersch (2009: 225ff.) schlägt daher vor, von einer medientheoretischen Erschließung zunächst abzusehen und stattdessen auf die Herangehensweise der Kunst zu setzen. Deren ästhetische Mittel können Medialität, sofern sie durch entsprechende Erfahrung auf ihre Bruchstellen abzielen, sicht- und begreifbar machen. Die „Vermittlung zwischen künstlerischen Welten und ästhetischen Theorien“ ist für Reiner Matzker (2008: 228) eine notwendige Bedingung des Versuchs einer ästhetischen Betrachtung der Medialität. Diese erkennt er als von den verwendeten Techniken, den symbolischen Modi und vom semantischen Inhalt geprägt. Eine als solche ernst zu nehmende Ästhetik der Medialität darf sich demnach nicht nur mit einem dieser Bereiche auseinandersetzen, sondern muss neben der Frage nach dem „womit“ auch die nach dem „wodurch“ und dem „worüber“ stellen. Eine Frage, die sich ebenfalls durch eine große Relevanz in Hinblick auf Medialität auszeichnet, ist die nach ihrer Performativität: Zum einen sind weite Teile menschlicher (Inter-)Aktionen medial geprägt und rücken sie damit in die Nähe des Performativitätskonzepts, zum anderen ermöglicht dieses Konzept auch den Blick auf das ebenso vielschichtige wie interdependente Spannungsfeld der „Performance in den Medien und der Performativität der Medien“ (Kleiner 2013: 21) selbst. Ein nicht zuletzt unter diesem Gesichtspunkt in den letzten Jahren immer stärker in die Aufmerksamkeit gerücktes Phänomen sind Computerspiele, deren Handlungsraum nicht nur eine performative, sondern auch eine ästhetische Dimension aufspannt (vgl. Wiesing 2004: 127). Es kommt also weniger auf den Vollzug einer Handlung an, als darauf, diesen Vollzug auch wahrzunehmen. Lambert Wiesing (2004: 127) hält diesbezüglich fest: „Wenn die medialen Möglichkeiten eines interaktiven Bildes um der Möglichkeiten willen verwirklicht werden, wird das Geschehen und Tun im virtuellen Raum zur Performance.“ Auswirkungen auf andere Begriffe |
Inhaltsverzeichnis
Anmerkungen
[Cassirer 1996a]: Cassirer, Ernst (1996). Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur. Hamburg: Meiner.
[Dewey 2006a]: Dewey, John (2006). Kunst als Erfahrung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. [Fromme et al. 2011a]: Fromme, Johannes; Iske, Stefan & Marotzki, Winfried (Hg.) (2011). Medialität und Realität. Zur konstitutiven Kraft der Medien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / Springer Fachmedien. [Hickethier 2010a]: Hickethier, Knut (2010). Einführung in die Medienwissenschaft. Stuttgart: Metzler. [Hubig 2006]: Hubig, Christoph (2006). Technikphilosophie als Reflexion der Medialität. Bielefeld: Transcript. [Kleiner & Wilke 2013a]: Kleiner, Marcus S. & Wilke, Thomas (Hg.) (2013). Performativität und Medialität Populärer Kulturen. Theorien, Ästhetiken, Praktiken. Wiesbaden: Springer VS.. [Krämer 2004c]: Krämer, Sybille (Hg.) (2004). Performativität und Medialität. München: Fink. [Matzker 2008a]: Matzker, Reiner (2008). Ästhetik der Medialität. Zur Vermittlung von künstlerischen Welten und ästhetischen Theorien. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt. [McLuhan 1998a]: McLuhan, Marshall (1998). Understanding Media. The Extensions of Man. Cambridge, Mass.: MIT Press. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Toni Eichler [105], Joerg R.J. Schirra [26] und Tobias Schöttler [1] — (Hinweis) |