Notation

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
Version vom 7. November 2013, 10:55 Uhr von Klaus Sachs-Hombach (Diskussion | Beiträge) (Notation im formalen Sinn und im substantiellen Sinn)
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Unterpunkt zu: Zeichentheorien: Übersicht


Notation und die primäre Funktion einer Partitur
Die Theorie der Notation wurde von Nelson Goodman ([Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: Kap. 4) im Zusammenhang mit der Frage nach den Identitätskriterien für Kunstwerke entwickelt. Eine Notation ist ein Zeichensystem, das ein syntaktisches oder semantisches Kriterium dafür ermöglicht, welche Gegenstände oder Ereignisse Einzelfälle eines bestimmten Werks sind. Ein solches Kriterium ist dann notwendig, wenn Werke mehrere Einzelfälle zulassen, deren Identität nicht durch ihre Entstehungsgeschichte bestimmt ist. Da dies in paradigmatischer Weise in der Musik der Fall ist, führe ich den Begriff der Notation für die Musik ein, ehe ich mich kurz der Literatur und ausführlicher den bildenden Künsten zuwende. Die resultierenden Identitätskriterien sollen auch für Musik, Texte und Bilder ohne Kunstwerkstatus gelten, auch wenn wir hier in der Regel nicht von Werken sprechen. Ein musikalisches Werk kann mehrmals aufgeführt werden; und ob eine Aufführung ein Einzelfall des Werks ist, hängt nicht davon ab, wer sie wann wo aufgeführt hat. Zudem können sich verschiedene Aufführungen eines Werks beträchtlich unterscheiden. Die Partitur legt fest, in welchen Hinsichten sie übereinstimmen müssen. Genau diejenigen Aufführungen, die dieselbe Partitur erfüllen, sind Einzelfälle desselben Werks. Die Partitur liefert damit ein semantisches Kriterium der Werkidentität. Ihre primäre Funktion besteht nach Goodman ([Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: 128f.) in der definitiven Identifikation eines Werks von Aufführung zu Aufführung.[1] Dafür muss sie aber nicht nur die Klasse der Aufführungen des Werks eindeutig festlegen; sie muss als Klasse von Inskriptionen auch selbst durch eine Aufführung eindeutig festgelegt werden, wenn das Notationssystem gegeben ist. Nur so bleiben die Werk- und die Partituridentität in jeder Folge von Schritten erhalten, von denen jeder entweder von einer Aufführung zu einer Partiturinskription oder von dieser zu einer Aufführung oder zu einer weiteren Inskription der Partitur führt.


Notation im formalen Sinn und im substantiellen Sinn
Eine Partitur kann ihre primäre Funktion nur erfüllen, wenn das Zeichensystem, in dem sie verfasst ist, bestimmten syntaktischen und semantischen Anforderungen genügt (vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: 130–154; [Elgin 1983]Elgin, Catherine Z. (1983).
With Reference to Reference. Indianapolis: Hackett.

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: 97–104; [Elgin 1992]Elgin, Catherine Z. (1992).
Notation.
In A Companion to Aesthetics, 307-309.

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). Eine Notation muss syntaktisch disjunkt und differenziert sein, da eine Partitur ein Werk nur dann von Aufführung zu Aufführung identifizieren kann, wenn es bestimmt und entscheidbar ist, ob verschiedene Inskriptionen solche derselben Partitur sind. Ein Zeichensystem besteht aus einem Zeichenschema, das mit einem Bereich korreliert ist. Das Zeichenschema, das Charakteren und ihre Marken enthält, ist syntaktisch disjunkt, wenn keine Marke zu mehr als einem Charakter gehört. Die syntaktische Disjunktheit stellt sicher, dass alle Marken, die zum selben Charakter gehören, ohne syntaktische Auswirkungen durcheinander ersetzbar sind. Ein Zeichenschema ist syntaktisch differenziert, wenn es für jede seiner Marken möglich ist festzulegen, zu welchem Charakter des Schemas sie gehört. Die syntaktische Differenziertheit stellt sicher, dass wir entscheiden können, ob zwei Marken zum selben Charakter gehören. Ein Zeichenschema ist dagegen syntaktisch dicht, wenn es unendlich viele Charaktere vorsieht, die so geordnet sind, dass zwischen jeweils zweien immer ein dritter liegt. Die syntaktische Dichte verunmöglicht es, den Charakter zu identifizieren, zu dem eine Marke gehört, weil es immer konkurrierende Kandidaten und keine Grundlage gibt, um zwischen ihnen zu entscheiden.

Ein Charakter ist mehrdeutig, wenn eine seiner Inskriptionen mehr als eine Erfüllungsklasse hat oder nicht alle seiner Inskriptionen dieselbe Erfüllungsklasse haben. Wäre eine Partitur mehrdeutig, würde sie von Aufführungen unterschiedlicher Werke erfüllt. Damit die Partitur ihre primäre Funktion erfüllen kann, muss die Notation frei von Mehrdeutigkeit sein. Das stellt sicher, dass zwei Aufführungen, die dieselbe Partitur erfüllen, Einzelfälle desselben Werks sind. Eine Notation muss zudem semantisch disjunkt und differenziert sein, da eine Partitur ein Werk nur dann von Aufführung zu Aufführung identifizieren kann, wenn es bestimmt und entscheidbar ist, ob verschiedene Aufführungen dieselbe Partitur erfüllen und damit Einzelfälle desselben Werks sind. Ein Zeichensystem ist semantisch disjunkt, wenn sich seine Erfüllungsklassen nicht überschneiden. Die semantische Disjunktheit stellt sicher, dass keine Aufführung nicht-koextensive Partituren erfüllt und ein Einzelfall von mehr als einem Werk ist. Aber sie schließt nicht aus, dass eine Aufführung verschiedene koextensive Partituren erfüllt und das System also redundant ist. Redundanzen gefährden zwar nicht die Werk-, aber die Partituridentität, da nicht alle Partituren eines Werks Einzelfälle desselben Charakters sind. Sie können ausgeschlossen werden, wenn man für die semantische Disjunktivität fordert, dass keine zwei Charaktere einen Erfüllungsgegenstand gemeinsam haben. Die Erfüllungsklassen eines Zeichensystems sind semantisch differenziert, wenn es für jeden Charakter des Systems möglich ist festzulegen, welche Gegenstände ihn erfüllen. Die semantische Differenziertheit stellt sicher, dass wir für jede Aufführung entscheiden können, welche Partitur sie erfüllt. Ein Zeichensystem ist semantisch dicht, wenn die Erfüllungsklassen so geordnet sind, dass zwischen jeweils zweien eine dritte liegt. Wären Partituren Charaktere in dichten Systemen, wäre es unmöglich, die Partitur einer Aufführung zu identifizieren, weil es immer konkurrierende Kandidaten und keine Grundlage gäbe, um zwischen ihnen zu entscheiden.

Ein Zeichenschema, das die syntaktischen Anforderungen erfüllt, ist ein Notationsschema im formalen Sinn; ein Notationssystem im formalen Sinn erfüllt auch die semantischen Anforderungen und ist also syntaktisch und semantisch disjunkt und differenziert sowie frei von Mehrdeutigkeit.[2] Eine Notation im substantiellen Sinn ist ein Notationssystem im formalen Sinn, das ein Kriterium der Werkidentität liefert, welches zwei Bedingungen erfüllt. Es muss erstens die Identität von Werken unabhängig von ihrer Entstehungsgeschichte festlegen und zweitens hinreichend mit unserer bestehenden Praxis der Identifikation von Werken übereinstimmen (vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: 195f.). Die unqualifizierten Ausdrücke ‘Notation’ und ‘Notationssystem’ verwende ich im Folgenden für Notationen im substantiellen Sinn.


Musik, Literatur, bildende Künste
Goodman und Elgin argumentieren dafür, dass eine Partitur in der musikalischen Standardnotation als Charakter in einem Notationssystem zu rekonstruieren ist (vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: 117f.; 179–187). Die Standardnotation erfüllt die syntaktischen und semantischen Anforderungen, wenn man von Redundanzen absieht, Instrumentspezifikationen als Teil der Notation und sprachliche Ergänzungen wie Tempoangaben als bloße Empfehlungen dafür interpretiert, wie ein Werk aufzuführen ist. Sie ermöglicht ein semantisches Kriterium der Werkidentität und ein syntaktisches Kriterium der Partituridentität: Eine Aufführung ist genau dann ein Einzelfall eines bestimmten Werks, wenn sie die Partitur des Werks erfüllt; und zwei Inskriptionen sind genau dann solche derselben Partitur, wenn sie gleich buchstabiert, d.h. aus denselben Elementen in derselben Anordnung zusammengesetzt sind. Das Kriterium der Partiturerfüllung legt die Identität eines musikalischen Werks unabhängig von seiner Entstehungsgeschichte fest. Nach Goodman stimmt es zudem hinreichend mit unserer Praxis der Identifikation von Werken überein, die in Standardnotation kodifiziert sind. Dagegen wurde erstens eingewendet, dass nach ihm eine Aufführung mit einer einzigen falschen Note kein Einzelfall des fraglichen Werks ist, was unserer bestehenden Klassifikationspraxis widerspreche (vgl. [Hernadi 1991]Hernadi, Paul (1991).
Reconceiving Notation and Performance. In Journal of Aesthetic Education, 25, 1, 47-56.

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; für eine Antwort vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: 186f.; [Elgin 1983]Elgin, Catherine Z. (1983).
With Reference to Reference. Indianapolis: Hackett.

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: 110). Zweitens wurde moniert, der Vorschlag übersehe die historisch und kontextuell gebundene Natur musikalischer Werke (vgl. [Wollheim 1978]Wollheim, Richard (1978).
Are the Criteria of Identity that Hold für a Work of Art in the Different Arts Aesthetically Relevant?. In Ratio, 20, 29-48.

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; [Levinson 1990a]Levinson, Jerrold (1990).
What a Musical Work is.
In Music, Art, and Metaphysics, 63-88.

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; [Predelli 1999]Predelli, Stefano (1999).
Goodman and the Score. In British Journal of Aesthetics, 39, 138-147.

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). Nach diesem grundsätzlicheren Einwand stimmt das Kriterium gerade deshalb nicht mit unserer Klassifikationspraxis überein, weil es die Identität eines musikalischen Werks unabhängig von seiner Entstehungsgeschichte festlegt.


Ein Text ist ein Charakter in einem Notationsschema, nicht aber in einem Notationssystem. Verbale Sprachen erfüllen die syntaktischen Anforderungen an eine Notation: Jede Inskription gehört zu höchstens einem Charakter und es ist im Prinzip auch entscheidbar, zu welchem Charakter. Aber sie verletzen die semantischen Anforderungen: Sie enthalten mehrdeutige Ausdrücke, ihre Erfüllungsklassen stehen in Inklusions- und Überlappungsbeziehungen und sind zudem semantisch dicht. Damit ist ein syntaktisches Kriterium der Werkidentität verfügbar: Eine Inskription ist genau dann ein Einzelfall eines Texts, wenn sie gleich buchstabiert ist wie ein echter Einzelfall des Texts (vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: S. 115f.; 207–210). Es legt die Identität eines Texts unabhängig von seiner Entstehungsgeschichte fest. Dass es auch hinreichend mit unserer Klassifikationspraxis übereinstimmt, wurde wiederum mit dem Hinweis bestritten, dass nach ihm eine Kopie eines Textes, die nur einen Druck- oder Schreibfehler enthält, kein Einzelfall des Textes ist. Zudem wurde auch gegen diesen Vorschlag eingewendet, dass er die Gebundenheit insbesondere literarischer Werke an einen historischen Kontext und einen Autor übersehe (vgl. [Davies 1991]Davies, David (1991).
Works, Texts, and Contexts. Goodman on the Literary Artwork. In Canadian Journal of Philosophy, 21, 331-346.

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; [Steinbrenner 1996]Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
: S. 90–118).


Die Skizze eines Malers kann wie die Partitur eines Komponisten als Arbeitsanleitung gebraucht werden, hat aber einen ganz anderen Status. Sie ist weder ein Charakter in einem Notationssystem noch ein Charakter in einem Notationsschema, da das bildliche Zeichensystem, zu dem sie gehört, weder die semantischen noch die syntaktischen Anforderungen erfüllt. Die semantischen Anforderungen verletzt es, weil es mehrdeutige Bilder enthält, seine Erfüllungsklassen sich in vielfacher Weise überschneiden und überlappen und zudem dicht sind. Die syntaktischen Anforderungen verletzt es, weil seine Marken aufgrund ihrer vielen pikturalen Eigenschaften Inskriptionen mehrerer Charaktere sein können und weil seine Charaktere bezüglich manchen Hinsichten (wie der Größe, der Gestalt, der Position, sowie mehrerer farblicher Aspekte) dicht sind (vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: S. 225–228; [Scholz 2004]Scholz, Oliver R. (2004).
Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl..

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: Kap. 4).[3] Die Skizze liefert damit kein Kriterium für die Werkidentität; sie ist vielmehr selbst ein Werk.

Dass Bilder als Zeichen in syntaktisch und semantisch dichten und nicht-disjunkten Systemen funktionieren, schliesst an sich die Möglichkeit einer Notation nicht aus. Auch musikalische Aufführungen funktionieren als expressive Zeichen in syntaktisch und semantisch dichten und nicht-disjunkten Systemen; dennoch lassen sie eine Notation zu. Die Frage nach der Möglichkeit einer Notation für eine Kunst muss von der Frage unterschieden werden, welche syntaktischen und semantischen Eigenschaften die Systeme haben, in denen ihre Werke als Zeichen funktionieren. Das wird oft übersehen, weil Goodmans Notationstheorie zugleich ein Instrumentarium für eine vergleichende Untersuchung verschiedener Zeichensysteme liefert.[4] Die erste Frage steht im Kontext der Frage nach dem Kriterium der Werkidentität, die zweite im Kontext der Frage, wie die Werke als Zeichen funktionieren.

Ein bibliotheksartiges Dezimalsystem, das jedem Bild nach Maler, Entstehungszeit und -ort eine Ziffer zuordnet und ein System, das Bilder nach ihren Kosten klassifiziert, erfüllen die syntaktischen und semantischen Anforderungen an eine Notation (vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: S. 194f.). Das erste dieser Systeme liefert zudem ein Kriterium der Werkidentität, das hinreichend mit unserer Klassifikationspraxis übereinstimmt, aber es identifiziert Bilder nicht unabhängig von ihrer Entstehungsgeschichte. Das zweite System liefert zwar ein Kriterium der Werkidentität, das Bilder unabhängig von ihrer Entstehungsgeschichte identifiziert, aber es weicht zu stark von unserer Klassifikationspraxis ab. Wir betrachten zwei Bilder mit demselben Preis nicht als Einzelfälle desselben Werks. Es scheint keine Notation für Bilder zu geben, die ein Identitätskriterium liefert, das sowohl hinreichend mit unserer Klassifikationspraxis übereinstimmt als auch unabhängig von der Entstehungsgeschichte der Bilder ist. Analoges gilt für Werke anderer bildender Künste (wie z.B. Skulpturen). Etwas komplizierter ist die Situation in der Architektur (vgl. [Baumberger 2010]Literaturangabe fehlt.
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- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
: Kap. 6). Das Kriterium der Werkidentität für bildende Künste ist damit weder semantischer noch syntaktischer, sondern historischer Art: Ein Gegenstand ist genau dann ein bestimmtes Werk oder ein Einzelfall eines bestimmten Werks, wenn er die angemessene Entstehungsgeschichte hat. Das Kriterium dafür, dass wir die Mona Lisa vor Augen haben, besteht darin, dass das Bild tatsächlich von Leonardo da Vinci zwischen 1503 und 1505 gemalt wurde. Während die Malerei eine singuläre Kunst ist, ist die Druckkunst wie die Musik und die Literatur multipel. Ihre Werke lassen mehrere Einzelfälle zu. Das Kriterium dafür, dass wir einen Einzelfall eines bestimmten Werks vor Augen haben, besteht darin, dass der Druck von der Platte des Künstlers stammt ([Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: S. 116–118; 192–194).


Notation und die Unmöglichkeit der Fälschung
Die Verfügbarkeit einer Notation schliesst Fälschungen von bestehenden Werken oder Einzelfällen solcher (im Gegensatz zu Fälschungen von Werken ohne Original und bestimmten Einzelfällen) aus. In den bildenden Künsten sind solche Fälschungen möglich; sie geben fälschlicherweise vor, eine Entstehungsgeschichte zu besitzen, die für das oder ein Original unerlässlich ist. In der Musik und der Literatur sind sie ausgeschlossen, da die Notation ein semantisches respektive syntaktisches Identitätskriterium liefert, das die Werke unabhängig von ihrer Entstehungsgeschichte identifiziert. Werke, die solche Fälschungen zulassen, bezeichnet Goodman als ‘autographisch’; Werke, die sie ausschließen, als ‘allographisch’ (vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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: S. 113–122). Bezieht man die obigen Überlegungen ein, gilt: Ein Werk ist genau dann autographisch, wenn seine Identität durch seine Entstehungsgeschichte bestimmt ist; es ist genau dann allographisch, wenn seine Identität syntaktisch oder semantisch bestimmt ist (vgl. [Goodman & Elgin 1988]Goodman, Nelson & Elgin, Catherine Z. (1988).
Reconceptions in Philosophy and Other Arts and Sciences. Indianapolis: Hackett, Deutsch: Revisionen. Philosophie und andere Künste und Wissenschaften. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1993.

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: 116–118; 65; für eine kritische Diskussion der Unterscheidung vgl. [Levinson 1990b]Levinson, Jerrold (1990).
Autographic and Allographic Art Revisited.
In Music, Art, and Metaphysics, 89-106.

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; [Pillow 2003]Pillow, Kirk (2003).
Did Goodman's Distinction Survive LeWitt?. In Journal of Aesthetics and Art Criticism, 61, 365-380.

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). Der Begriff der Notation liegt Goodmans Unterscheidung zwischen autographischen und allographischen Werken zugrunde und ermöglicht eine Erklärung, weshalb manche Werke im relevanten Sinn gefälscht werden können und andere nicht.
Anmerkungen
  1. Natürlich erfüllt nicht alles, was wir ‘Partitur’ nennen, diese Funktion; zudem haben Partituren weitere Funktionen wie das Transponieren, das Verstehen und das Komponieren zu erleichtern.
  2. Eine praktikable Notation hat zudem technische Anforderungen zu erfüllen, die nichts mit der primären theoretischen Funktion zu tun haben, wie überschaubar kleine oder endliche Menge atomarer Charaktere, Deutlichkeit, Lesbarkeit, Dauerhaftigkeit, Handhabbarkeit, graphische Eingängigkeit, mnemotechnische Effizienz und bequeme Duplizierbarkeit ([Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
    Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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    : 154).
  3. Nach James Elkins sind schematische Bilder wie Karten, Pläne und genealogische Bäume annähernd notational (vgl. [Elkins 1999]Elkins, James (2003).
    Visual Studies. A Skeptical Introduction.. New York, London: Routledge.

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    : Kap. 5, 6, 13). Aber obwohl Elkins an Goodman anschließt, entspricht seine Verwendung von ‘notational’ eher Goodmans Verwendung von ‘diagrammatisch’. Diagramme unterscheiden sich nach Goodman von Bildern im eigentlichen Sinn dadurch, dass relativ wenige ihrer Merkmale konstitutiv dafür sind, zu welchem Charakter sie gehören (vgl. [Goodman 1968]Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976).
    Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998.

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    : S. 228–230).
  4. Notationssysteme dienen dabei als Vergleichs- und nicht als Wertmaßstab, dem sich alle Zeichensysteme annähern sollten. Dass bildliche Zeichensysteme alle syntaktischen und semantischen Anforderungen an eine Notation verletzen, impliziert deshalb keine Wertung ([Scholz 2004]Scholz, Oliver R. (2004).
    Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl..

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    : S. 124, Fn. 50).
Literatur                             [Sammlung]

[Baumberger 2010]:
Literaturangabe fehlt.
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- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Davies 1991]: Davies, David (1991). Works, Texts, and Contexts. Goodman on the Literary Artwork. Canadian Journal of Philosophy, Band: 21, S. 331-346.

[Elgin 1983]: Elgin, Catherine Z. (1983). With Reference to Reference. Indianapolis: Hackett. [Elgin 1992]: Elgin, Catherine Z. (1992). Notation. In: Cooper, David (Hg.): A Companion to Aesthetics. Oxford: Blackwell, S. 307-309. [Elkins 1999]: Elkins, James (2003). Visual Studies. A Skeptical Introduction.. New York, London: Routledge. [Goodman & Elgin 1988]: Goodman, Nelson & Elgin, Catherine Z. (1988). Reconceptions in Philosophy and Other Arts and Sciences. Indianapolis: Hackett, Deutsch: Revisionen. Philosophie und andere Künste und Wissenschaften. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1993. [Goodman 1968]: Goodman, Nelson (1968, 2. rev. Aufl. 1976). Languages of Art. Indianapolis: Hackett, dt.: Sprachen der Kunst. Suhrkamp 1998. [Hernadi 1991]: Hernadi, Paul (1991). Reconceiving Notation and Performance. Journal of Aesthetic Education, Band: 25, Nummer: 1, S. 47-56. [Levinson 1990a]: Levinson, Jerrold (1990). What a Musical Work is. In: Levinson, Jerrold (Hg.): Music, Art, and Metaphysics. Ithaca: Cornell University Press, S. 63-88. [Levinson 1990b]: Levinson, Jerrold (1990). Autographic and Allographic Art Revisited. In: Levinson, Jerrold (Hg.): Music, Art, and Metaphysics. Ithaca: Cornell University Press, S. 89-106. [Pillow 2003]: Pillow, Kirk (2003). Did Goodman's Distinction Survive LeWitt?. Journal of Aesthetics and Art Criticism, Band: 61, S. 365-380. [Predelli 1999]: Predelli, Stefano (1999). Goodman and the Score. British Journal of Aesthetics, Band: 39, S. 138-147. [Scholz 2004]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl.. [Steinbrenner 1996]:
Literaturangabe fehlt.
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- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Wollheim 1978]: Wollheim, Richard (1978). Are the Criteria of Identity that Hold für a Work of Art in the Different Arts Aesthetically Relevant?. Ratio, Band: 20, S. 29-48.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Baumberger, Christoph

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [28], Klaus Sachs-Hombach [10] und Christoph Baumberger [6] — (Hinweis)