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Aktuelle Version vom 15. August 2023, 14:54 Uhr
Unterpunkt zu: Zeichentheorien: Übersicht
English Version: Proposition
Aussagen und SachbezügeWährend alle Zeichenhandlungen durch ihre illokutionäre Komponente einen Interaktionsbezug aufweisen, kommt nicht allen von ihnen auch ein Sachbezug zu: Die Äußerung ‘Hallo!’ etwa ist bereits durch die Beschreibung der Illokution und des Selbstbezugs hinreichend charakterisiert. Anders eine Äußerung des Typs Aussage (Behauptungsäußerung),[1] etwa ‘Dieser Apfel ist reif’ oder – deutlich komplexer – ‘Georg ist der Großvater mütterlicherseits von der Autorin des Buchs, das wir gestern gekauft haben’: Mithilfe von Aussagen und den von ihnen abgeleiteten Illokutionen[2] versuchen die Zeichenhandelnden, den Fokus ihrer gemeinsamen Aufmerksamkeit auf einen Sachverhalt zu richten, der – jeweils in einem bestimmten Zusammenhang – bestehen mag oder auch nicht. Es ist dieser Sachbezug, der wahr oder falsch sein kann.[3] Der Teilaspekt der Gesamtzeichenhandlung, der diesen Sachbezug vermittelt, wird Proposition genannt. Propositionen sind abstrakte Aspekte von Zeichenhandlungen, die an sich nie ohne dieses Umfeld auftreten und sich entsprechend nicht ohne Weiteres darstellen lassen. Allerdings gibt es sprachliche Ausdrucksformen, die spezifisch den Sachbezug einer Äußerung thematisieren und sich daher als eine linguistische Normalform zur Darstellung von Propositionen anbieten: nämlich die mit ‘dass’ eingeleiteten Nebensätze (kurz: dass-Phrasen). Der – hinsichtlich eines bestimmten Kontexts – gemeinsame Sachbezug von Äußerungen mit so unterschiedlichen Sätze, wie ‘Paul hinkt nicht mehr.’, ‘Hinkt Paul?’, ‘Paul, bitte hinke.’ und ‘Möge Paul niemals hinken.’ kann somit ausgedrückt werden als Proposition ‘dass Paul hinkt’. Auch die Verwendung eines bildhaften Zeichens hat, zumindest auf den ersten Blick, in der Regel einen Sachbezug: Das, was mit seiner Hilfe gezeigt wird, was das Bild beinhaltet. Daher stellt sich die Frage, ob und in welcher Form Bilder Aussagen gleichgestellt werden können oder sollten, und auf welche Weise dann dabei die Proposition gebildet wird. Bei genauerer Analyse wird diese Interpretation des Sachbezugs piktorialer Zeichenverwendungen allerdings zweifelhaft.
Aspekte von PropositionenNomination und PrädikationPropositionen sind durch eine ganz charakteristische Aufgliederung in unselbständige Teilhandlungen bestimmt: Sie setzen sich stets aus einer Prädikation und mindestens einer Nomination zusammen. Durch die Prädikation wird eine Unterscheidungsgewohnheit, von der der Sender glaubt, sie stelle für den Empfänger neue Information dar, auf Gegenstände angewandt, die über die Nominationen identifiziert werden und als gemeinsam bereits bekannt gelten. Die damit verbundene funktionale Aufspaltung erlaubt es, sich mit Aussagen auf andere Kontexte als die Äußerungssituation zu beziehen. Dabei bestimmt die Modalität der Aussage, welcher Kontext jeweils gemeint ist. Arten von PropositionenPropositionen können einfach sein oder aus anderen Propositionen zusammengesetzt; sie können Einzelnes betreffen (singulär) oder Mehreres (generell); und sie können sich auf Konkretes oder Abstraktes beziehen, wobei sich im letzten Fall tatsächlich auch Regeln hinter den scheinbaren Sachbezügen verbergen können.[4] Von der Art der Proposition hängt die Art und Weise ab, mit der festgestellt wird, ob eine Proposition wahr ist.[5] Um den Vergleich von Proposition und Bild rational nachvollziehbar zu gestalten, ist es wichtig, genau festzulegen, welche Art von Bildern dabei mit welcher Sorte von Propositionen ins Verhältnis gesetzt werden soll. Kontextgebundenheit des SachbezugsZentrale Voraussetzung für den expliziten Sachbezug einer Zeichenhandlung und damit für Propositionen ist die Möglichkeit, sich explizit auf einen Kontext beziehen zu können.[6] Zwar sind prinzipiell alle Zeichenhandlungsinstanzen auf einen Kontext orientiert, nämlich auf die Zeichenhandlungssituation, in der sie stattfinden. Doch allein bei den Zeichenhandlungen mit Sachbezug kann die Fixierung auf den je aktuellen Kontext gelöst und ein Sachverhalt aus einer ganz anderen – vergangenen, zukünftigen, entfernten, hypothetischen oder fiktiven – Situation kommuniziert werden. Daher können Propositionen nur zusammen mit einer (expliziten oder impliziten) Kontextbildung eingesetzt werden, zu der die vorgängigen Äußerungen ebenso beitragen können wie Tempus und Aspekt des verwendeten Satzes. Wahrheit einer PropositionWahrheit (und Falschheit) einer singulären konkreten Proposition ergeben sich aus dem Verhältnis zwischen dem behaupteten Sachverhalt und den Tatsachen in dem gemeinten Kontext.[7] Dabei muss unterschieden werden, ob es möglich ist, die Geltung des behaupteten Sachverhalts in dem Kontext empirisch zu überprüfen oder ob direkter Zugang zu dem Kontext nicht möglich ist und daher nur ein logischer Abgleich mit dem Vorwissen gelingt. Bei den anderen Typen von Propositionen wird Wahrheit auf verschiedene Weisen auf die Basisform der singulären konkreten Propositionen zurück bezogen, abhängig davon, wie sich diese Propositionsform aus den singulär-konkreten Propositionen ergibt.
Bild als Proposition: Zum Sachbezug piktorialer ZeichenakteDie Grundfrage einer propositionalen Bildtheorie besteht darin, ob Bilder überhaupt einen Sachbezug aufweisen. Spontan mag man geneigt sein, etwa den Bildinhalt als einen Sachbezug zu verstehen: Mit dem Bild wird, so scheint es doch, offensichtlich etwas zu verstehen gegeben, das sich als Sachbezug prinzipiell in der Form ‘dass etwas der Fall ist’ darstellen lassen müsste. Bei einem Fahndungsphoto könnte das etwa die Proposition ‘dass die gesuchte Person aussieht wie der abgebildete Mann’ sein. Doch ergeben sich mit dieser Intuition eine Reihe von Problemen. Welche Art von Proposition könnte gemeint sein?Obwohl es schwerfällt, den einem Bild(gebrauch) zugeordneten Sachbezug (wenn überhaupt) als eine einfache Proposition zu verstehen, da eine Umschreibung in der Regel Gebrauch von komplexen verbalen Propositionen macht (⊳ Ekphrasis), bleibt auch unklar, auf welche Weise die aussagen- oder prädikatenlogische Zusammensetzung der komplexen Umschreibung sich als isolierbare Strukturen der Bildkomposition verstehen lassen sollen: Konjunktion und Disjunktion etwa würden voraussetzen, dass unabhängig voneinander als Bilder dargestellte Teilpropositionen auf syntaktisch jeweils eindeutige Weise zu einem Gesamtbild komponiert würden. Immerhin scheint klar, dass es sich zumindest bei darstellenden Bildern höchstens um singuläre Propositionen handeln kann, da hier raumzeitlich verortete materielle Einzelgegenstände (etwa ›diese Person‹) und eine Auswahl ihrer visuell wahrnehmbaren Eigenschaften und Relationen zueinander gezeigt werden: Schematisch gefasst, scheint daher der Sachbezug – relativ zu jener Situation – zu sein: ‘Dass diese Einzelgegenstände solche Eigenschaften haben und in solchen Relationen zueinander stehen’. Damit würde es sich zudem um eine konkrete Proposition handeln, insofern keine Abstraktoren verwendet werden. Andererseits ist aber auch eine Interpretation als Existenzaussage nicht völlig abwegig, etwa im Fall des Fahndungsbildes: ‘Es gibt da eine Person, die so aussieht’ – also ein Fall von genereller Proposition.[8] Strukturbilder nähmen hingegen einen merkwürdigen Zwischenstatus ein, da mit ihnen zwar unter Umständen Abstraktes, d.h. raumzeitlich nicht Verortetes, dargestellt würde, aber auf eine konkrete, raumzeitlich arrangierte Weise. Die metaphorische Konkretisierung von Abstraktem bei Strukturbildern würde damit dazu führen, den bildlichen Sachbezug als äquivalent einer Existenzaussage über Abstrakta zu interpretieren. Bei dieser Interpretation bliebe dann allerdings auch noch zu klären, ob die Proposition genauer extensional (Objektebene) oder intensional-begrifflich (Betrachterebene) zu verstehen ist. Soll es heißen, dass etwa bestimmte räumliche Konfigurationen bestimmter Dinge – die unter Umständen metaphorisch für andere Relationen anderer Dinge stehen sollen – in einem gewissen Kontext, der durch die Modalität der Bildzeichenhandlung näher bestimmt ist, existieren (extensionale Leseweise)? Oder soll es bedeuten, dass es sinnvoll ist, einen bestimmten (in der Regel recht komplexen) Begriff zu bilden (begriffliche Leseweise; ⊳ Exemplifikation)? Das Problem der KompositionalitätFalls Bilder einen Sachbezug haben, stellt sich zudem die Frage, auf welche Weise hier die funktionalen Komponenten der Proposition gebildet werden. Gibt es syntaktisch identifizierbare Teile des Bildes, denen auf hinreichend eindeutige Weise die Funktionen von Nominationen und Prädikation zugeordnet sind? Die meisten Bildforscher bezweifeln, dass es möglich oder auch nur sinnvoll sei, eine solche funktionale Aufteilung syntaktischer Bildelemente durchzuführen. Abgesehen davon, dass kein Konsens darüber besteht, was eigentlich syntaktische Einheiten bei Bildern sind (⊳ Bildsyntax), führt auch die kritische Diskussion von nominatorischen oder prädikativen Bildverwendungen nicht zu allgemein verwendbaren Zuordnungen. Vielmehr erscheinen prädikative und nominatorische Funktionen vor allem erst aus dem jeweiligen Verwendungszusammenhang auf den Bildgebrauch projiziert zu werden. Ein weiteres Indiz für eine propositionale Bildtheorie wäre die Möglichkeit, den durch ein Bild vermittelten Sachbezug zu negieren (⊳ Bild und Negation). Da eine Negation eines gegebenen Bildinhalts, die auf piktorialen und nicht auf konventionell eingeführten Mitteln beruht, nicht erkennbar ist, führt auch dieser Hinweis eher zur Ablehnung einer propositionalen Bildtheorie. Verifikation des piktorialen SachbezugsSchließlich bleibt unklar, welches Verifikationsverfahren eingesetzt und welcher Wahrheitsbegriff verwendet werden soll, um den piktorialen Sachbezug zu überprüfen. So mag es auf den ersten Blick zwar sinnvoll erscheinen, zumindest bei Abbildern im Sinne einer komplexen singulären Proposition, das Bild mit der entsprechenden Situation empirisch zu vergleichen. Man mag sich vorstellen, wie der Blick Detail für Detail zwischen Bild und Original hin und her schwenkt – mit jedem Detail gewissermaßen eine bestimmte Teilproposition berücksichtigend (⊳ Naturalismus und Realismus). Doch wo endet dieser Vergleich angesichts der prinzipiellen Unerschöpflichkeit und Interpretationsoffenheit der Bildzeichenhandlung? Zudem ist das Verfahren für Bilder, die keine Abbilder sind, etwa von mythischen Szenen oder geplante Ansichten, unbrauchbar.[9] Hier könnte nur ein logisches Verifikationsverfahren zum Einsatz kommen, bei dem das Dargestellte auf Konsistenz mit dem, was über jene Szenerie anderweitig bekannt ist, geprüft wird. Interpretiert man den angenommenen piktorialen Sachbezug hingegen im Sinne einer Existenzaussage, stellt sich die Frage, welcher Kontext eigentlich gemeint ist, in dem jene so aussehenden Gegenstände sich so zueinander räumlich verhalten: Anders als bei sprachlich eingebundenen Propositionen, für die ein komplexes System sprachlicher Kontextbildungen etabliert ist, das auch regelmäßig zum Einsatz kommt, bleiben, von Bildtiteln oder ähnlichen sprachlichen Hinweisen im Zusammenhang mit der Bildpräsentation abgesehen, wenige Optionen für eine solche Kontextreferenz (⊳ Sprach-Bild-Bezüge). Sinnvoller erscheint die Auffassung, dass die propositionalen Umschreibungen (von Teilen) des hypothetischen Bildsachbezugs tatsächlich sekundäre Zeichenhandlungen darstellen, bei denen der Bildinhalt als Referenzsituation verwenden wird. Entsprechend werden diese Probleme des Sachbezugs einer Bildverwendung in der modalen Bildtheorie, die der Bildverwendung die Funktion der Kontextbildung zuschreibt, umgangen. Siehe auch:
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Anmerkungen
Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [21] und Emilia Didier [1] — (Hinweis) Zitierhinweis: in Literatursammlung. Eintrag in Sammlung zeigen Schirra, Jörg R.J. (2013). Proposition. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024). |