Referenz, Denotation, Exemplifikation: Unterschied zwischen den Versionen
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Nelson Goodmans Symboltheorie ist eine der komplexesten und für die Bildtheorie interessantesten Theorien dieses Typs: Er führt neben der Denotation einen weiteren Typ von Bezugnahmerelation ein, die Exemplifikation, und macht seine Theorie dadurch allgemein anwendbar.Vor allem in diesem Punkt unterscheidet sich Goodmans Theorie auch von der Herangehensweise anderer, ebenfalls einer Referenzsemantik zugerechneter Autoren wie Russell oder Carnap. | Nelson Goodmans Symboltheorie ist eine der komplexesten und für die Bildtheorie interessantesten Theorien dieses Typs: Er führt neben der Denotation einen weiteren Typ von Bezugnahmerelation ein, die Exemplifikation, und macht seine Theorie dadurch allgemein anwendbar.Vor allem in diesem Punkt unterscheidet sich Goodmans Theorie auch von der Herangehensweise anderer, ebenfalls einer Referenzsemantik zugerechneter Autoren wie Russell oder Carnap. | ||
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„Denotation“ nennt man die Bezugnahmerelation zwischen einem Symbol und dem, was es bezeichnet. In diesem Sinn stammt der Begriff aus der Logik, wo man den Begriffsumfang (dem, worauf er zutrifft, der Extension) und dem Inhalt eines Begriffs (dem, was er besagt, der Intension) unterscheidet. „Denotation“ in diesem Sinne bezieht sich auf die Extension und wird in vielen Fällen auch gleichbedeutend mit „Referenz“ allgemein verwendet. <ref> In einem anderen Sinn wird die Bezeichnung „Denotation“ auch manchmal als Gegenbegriff zu „Konnotation“. verwendet, um den deskriptiven, situationsunabhängigen Sinn eines Begriffs zu bezeichnen. </ref> | „Denotation“ nennt man die Bezugnahmerelation zwischen einem Symbol und dem, was es bezeichnet. In diesem Sinn stammt der Begriff aus der Logik, wo man den Begriffsumfang (dem, worauf er zutrifft, der Extension) und dem Inhalt eines Begriffs (dem, was er besagt, der Intension) unterscheidet. „Denotation“ in diesem Sinne bezieht sich auf die Extension und wird in vielen Fällen auch gleichbedeutend mit „Referenz“ allgemein verwendet. <ref> In einem anderen Sinn wird die Bezeichnung „Denotation“ auch manchmal als Gegenbegriff zu „Konnotation“. verwendet, um den deskriptiven, situationsunabhängigen Sinn eines Begriffs zu bezeichnen. </ref> | ||
− | Im Zusammenhang der Bildtheorie kommt der Begriff da ins Spiel, wo es um die Frage geht, was ein Bild zu einem Bild von etwas macht. Nelson Goodman hat diese Frage in Sprachen der Kunst folgendermaßen beantwortet: “The plain fact is that a picture, to represent an object, must be a symbol for it, stand for it, refer to it; […] Denotation is the core of representation […].” (<bib id='Goodman 1968a'>Goodman 1968a</bib>: S.5) Goodman erweitert den Begriff der Denotation von einem bestimmten Typ sprachlicher Ausdrücke auf alle Arten von Symbolen und wendet sich damit gegen die Vorstellung, Abbildbeziehungen beruhten auf Ähnlichkeit.<ref>Kurz gesagt, ist Goodmans Argumentation die folgende: Ähnlichkeit kann weder eine hinreichende Bedingung für bildliche Darstellung sein (da die Ähnlichkeitsrelation symmetrisch und reflexiv ist, die Abbildbeziehung aber nicht), noch kann sie eine notwendige Bedingung sein: „Pei’s pyramid can denote my cat, if we establish a convention to that effect.“ (<bib id='Elgin 1993a'>Elgin 1993a</bib>: S.173) Entscheidend ist aber, daß wir überhaupt kein Kriterium dafür haben, welche der unzähligen Ähnlichkeiten zwischen zwei Objekten hier die ausschlaggebende ist: “[F]or the object before me is a man, a swarm of atoms, a complex of cells, a fiddler, a friend, a fool, and much more. [...] If all are ways the object is, then none is the way the object is. I cannot copy all these at once” (<bib id='Goodman 1968a'>Goodman 1968a</bib>: S.6f.). (Zu den genannten Punkten vgl. <bib id='Scholz 2004a'>Scholz 2004a</bib>: S.17ff.)</ref> | + | Im Zusammenhang der Bildtheorie kommt der Begriff da ins Spiel, wo es um die Frage geht, was ein Bild zu einem Bild von etwas macht. Nelson Goodman hat diese Frage in Sprachen der Kunst folgendermaßen beantwortet: “The plain fact is that a picture, to represent an object, must be a symbol for it, stand for it, refer to it; […] Denotation is the core of representation […].” (<bib id='Goodman 1968a'>Goodman 1968a</bib>: S.5) Goodman erweitert den Begriff der Denotation von einem bestimmten Typ sprachlicher Ausdrücke auf alle Arten von Symbolen und wendet sich damit gegen die Vorstellung, Abbildbeziehungen beruhten auf Ähnlichkeit.<ref>Kurz gesagt, ist Goodmans Argumentation die folgende: Ähnlichkeit kann weder eine hinreichende Bedingung für bildliche Darstellung sein (da die Ähnlichkeitsrelation symmetrisch und reflexiv ist, die Abbildbeziehung aber nicht), noch kann sie eine notwendige Bedingung sein: „Pei’s pyramid can denote my cat, if we establish a convention to that effect.“ (<bib id='Elgin 1993a'>Elgin 1993a</bib>: S.173) Entscheidend ist aber, daß wir überhaupt kein Kriterium dafür haben, welche der unzähligen Ähnlichkeiten zwischen zwei Objekten hier die ausschlaggebende ist: “[F]or the object before me is a man, a swarm of atoms, a complex of cells, a fiddler, a friend, a fool, and much more. [...] If all are ways the object is, then none is ''the'' way the object is. I cannot copy all these at once” (<bib id='Goodman 1968a'>Goodman 1968a</bib>: S.6f.). (Zu den genannten Punkten vgl. <bib id='Scholz 2004a'>Scholz 2004a</bib>: S.17ff.)</ref> |
Um den Referenzbegriff allgemein für jeden Symbolgebrauch anwendbar zu machen, genügt es aber nicht, den Denotationsbegriff zu erweitern, denn es gibt eine ganze Reihe von semantischen Problemen, die auf diese Weise nicht zu lösen sind, z.B.: | Um den Referenzbegriff allgemein für jeden Symbolgebrauch anwendbar zu machen, genügt es aber nicht, den Denotationsbegriff zu erweitern, denn es gibt eine ganze Reihe von semantischen Problemen, die auf diese Weise nicht zu lösen sind, z.B.: | ||
* die Frage der Nulldenotation (was stellen Bilder von fiktionalen Gestalten oder Fabelwesen eigentlich dar?), | * die Frage der Nulldenotation (was stellen Bilder von fiktionalen Gestalten oder Fabelwesen eigentlich dar?), | ||
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*Die Frage nach Unterschieden in der Darstellungsweise hat ebenfalls mit Exemplifikation zu tun. Einige der Eigenschaften, die ein Symbol hat, sagen etwas darüber aus, wie es seinen Gegenstand darstellt. Ein Bild das, um ein Beispiel von Goodman zu verwenden, den Herzog von Wellington darstellt, kann ihn als alten oder jungen Mann darstellen, als Zivilisten oder in Uniform, je nachdem, welchen Typ von Bild es exemplifiziert (vgl. <bib id='Goodman 1968a'>Goodman 1968a</bib>: S.30). Viele dieser Exemplifikationen sind ebenso vertraut wie unauffällig. Auffällig werden sie, wo eine Darstellung widersprechende Typen von Bildern exemplifiziert, z.B. eine Karikatur, die den erwachsenen Winston Churchill als Kind darstellt, ist sowohl ein Mann-Bild als auch ein Kind-Bild und exemplifiziert diese Bildtypen auch – in dieser doppelten Exemplifikation liegt der Witz der Karikatur. Goodman spricht in solchen Fällen von „Repräsentation–als“ im engeren Sinne. (Vgl. <bib id='Goodman 1968a'>Goodman 1968a</bib>: S. 27ff.) | *Die Frage nach Unterschieden in der Darstellungsweise hat ebenfalls mit Exemplifikation zu tun. Einige der Eigenschaften, die ein Symbol hat, sagen etwas darüber aus, wie es seinen Gegenstand darstellt. Ein Bild das, um ein Beispiel von Goodman zu verwenden, den Herzog von Wellington darstellt, kann ihn als alten oder jungen Mann darstellen, als Zivilisten oder in Uniform, je nachdem, welchen Typ von Bild es exemplifiziert (vgl. <bib id='Goodman 1968a'>Goodman 1968a</bib>: S.30). Viele dieser Exemplifikationen sind ebenso vertraut wie unauffällig. Auffällig werden sie, wo eine Darstellung widersprechende Typen von Bildern exemplifiziert, z.B. eine Karikatur, die den erwachsenen Winston Churchill als Kind darstellt, ist sowohl ein Mann-Bild als auch ein Kind-Bild und exemplifiziert diese Bildtypen auch – in dieser doppelten Exemplifikation liegt der Witz der Karikatur. Goodman spricht in solchen Fällen von „Repräsentation–als“ im engeren Sinne. (Vgl. <bib id='Goodman 1968a'>Goodman 1968a</bib>: S. 27ff.) | ||
Auf diese Weise sichert die Einführung des Exemplifikationsbegriffs die allgemeine Anwendbarkeit der Symboltheorie. | Auf diese Weise sichert die Einführung des Exemplifikationsbegriffs die allgemeine Anwendbarkeit der Symboltheorie. | ||
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=====Auswirkungen auf andere Begriffe===== | =====Auswirkungen auf andere Begriffe===== |
Version vom 21. Dezember 2012, 11:02 Uhr
Unterpunkt zu: Bildsemantik
Der Begriff der Referenz und das Problem der ÄhnlichkeitEine der grundlegenden Debatten in der Bildtheorie beschäftigt sich mit der Frage, ob Ähnlichkeit konstitutiv für ikonische Darstellung ist. Neuestens hat etwa F. Stjernfelt im Rückgriff auf Peirce diese Position vertreten (vgl. [Stjernfelt 2007a]Stjernfelt, Frederik (2007).Diagrammatology. An Investigation on the Borderlines of Phenomenology, Ontology, and Semiotics. Dordrecht: Springer. Eintrag in Sammlung zeigen). Eine der Gegenpositionen gegen eine solche Ähnlichkeitstheorie vertreten Autoren, die Abbildbeziehungen auf Bezugnahmerelationen zurückführen. Man verwendet für solche Theorien manchmal den Ausdruck "Referenzsemantik" (vgl. etwa [Nöth 2000b]Nöth, Winfried (2000). Handbuch der Semiotik. Stuttgart, Weimar: Metzler. Eintrag in Sammlung zeigen: S.152ff.). Im engeren Sinn meint "Referenzsemantik" die Auffassung, daß die Bedeutung eines Begriffs durch die Gegenstände (im weitesten Sinn) bestimmt ist, auf die der Begriff zutrifft, sich bezieht,referiert. Für die Bildtheorie ist aber vor allem die Verallgemeinerung dieses Gedankens auf unterschiedlichste Arten von Symbolen interessant: Es wäre dann die Referenz, die bestimmt, was etwa ein Bild bedeutet, und ebenfalls die Referenz, die es zu einem Bild von etwas macht. Nelson Goodmans Symboltheorie ist eine der komplexesten und für die Bildtheorie interessantesten Theorien dieses Typs: Er führt neben der Denotation einen weiteren Typ von Bezugnahmerelation ein, die Exemplifikation, und macht seine Theorie dadurch allgemein anwendbar.Vor allem in diesem Punkt unterscheidet sich Goodmans Theorie auch von der Herangehensweise anderer, ebenfalls einer Referenzsemantik zugerechneter Autoren wie Russell oder Carnap. Denotation und Exemplifikation als Modi der Referenz„Denotation“ nennt man die Bezugnahmerelation zwischen einem Symbol und dem, was es bezeichnet. In diesem Sinn stammt der Begriff aus der Logik, wo man den Begriffsumfang (dem, worauf er zutrifft, der Extension) und dem Inhalt eines Begriffs (dem, was er besagt, der Intension) unterscheidet. „Denotation“ in diesem Sinne bezieht sich auf die Extension und wird in vielen Fällen auch gleichbedeutend mit „Referenz“ allgemein verwendet. [1] Im Zusammenhang der Bildtheorie kommt der Begriff da ins Spiel, wo es um die Frage geht, was ein Bild zu einem Bild von etwas macht. Nelson Goodman hat diese Frage in Sprachen der Kunst folgendermaßen beantwortet: “The plain fact is that a picture, to represent an object, must be a symbol for it, stand for it, refer to it; […] Denotation is the core of representation […].” ([Goodman 1968a]Goodman, Nelson (1968).Languages of Art. Indianapolis: Hackett, 2. rev. Aufl. 1976. Eintrag in Sammlung zeigen: S.5) Goodman erweitert den Begriff der Denotation von einem bestimmten Typ sprachlicher Ausdrücke auf alle Arten von Symbolen und wendet sich damit gegen die Vorstellung, Abbildbeziehungen beruhten auf Ähnlichkeit.[2] Um den Referenzbegriff allgemein für jeden Symbolgebrauch anwendbar zu machen, genügt es aber nicht, den Denotationsbegriff zu erweitern, denn es gibt eine ganze Reihe von semantischen Problemen, die auf diese Weise nicht zu lösen sind, z.B.:
Ways of Worldmaking. Indianapolis: Hackett. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 65) Goodman erläutert die Eigenschaften der Exemplifikation am Beispiel von Stoffmustern in einem Musterbuch:
Mit Hilfe der Exemplifikation lassen sich die oben genannten Probleme der Referenz lösen, denn auch Symbole können natürlich Gegenstände von Symbolisierung sein und damit ihrerseits alle diejenigen Symbole exemplifizieren, die auf sie zutreffen.
Auf diese Weise sichert die Einführung des Exemplifikationsbegriffs die allgemeine Anwendbarkeit der Symboltheorie. Auswirkungen auf andere BegriffeIn Sprachen der Kunst geht es Goodman unter anderem darum, formale Eigenschaften von Symbolgebrauch zu finden, die als „symptoms of the aesthetic“ ([Goodman 1968a]Goodman, Nelson (1968).Languages of Art. Indianapolis: Hackett, 2. rev. Aufl. 1976. Eintrag in Sammlung zeigen: S.252) gelten können, die also einen Hinweis darauf geben können, daß eine Darstellung als Kunstwerk gelten könnte. Exemplifikation ist eines dieser Symptome, denn Exemplifikationsrelationen haben mit dem zu tun, was sich an einer Darstellung zeigt. Allerdings ist Exemplifikation für sich genommen nicht mit einem emphatischen Begriff des „Zeigens“ oder „Sich-Zeigens“ gleichzusetzen. Erstens gibt es Exemplifikationen, die digital sind, d.h. es gibt normierte Muster, an denen sich nur zeigt, was zuvor festgelegt wurde. Zweitens sagt Exemplifikation nichts über Präsenz, Unmittelbarkeit oder Ähnliches aus, lediglich etwas über das Verhältnis von Gegenständen und den Symbolen, die auf sie zutreffen aus: „‘immediacy’ becomes a matter of exemplification rather than of intimacy – a function of direction rather than of distance.“ ([Goodman 1968a]Goodman, Nelson (1968). Languages of Art. Indianapolis: Hackett, 2. rev. Aufl. 1976. Eintrag in Sammlung zeigen: S.253)
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Anmerkungen
[Elgin 1993a]: Elgin, Catherine Z. (1993). Relocating Aesthetics. Goodman’s Epistemic Turn. Revue Internationale de Philosophie, Nummer: 46, S. 171-186.
[Goodman 1968a]: Goodman, Nelson (1968). Languages of Art. Indianapolis: Hackett, 2. rev. Aufl. 1976. [Goodman 1978a]: Goodman, Nelson (1978). Ways of Worldmaking. Indianapolis: Hackett. [Nöth 2000b]: Nöth, Winfried (2000). Handbuch der Semiotik. Stuttgart, Weimar: Metzler. [Scholz 2004a]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt/M.: Klostermann. [Stjernfelt 2007a]: Stjernfelt, Frederik (2007). Diagrammatology. An Investigation on the Borderlines of Phenomenology, Ontology, and Semiotics. Dordrecht: Springer. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [28] und Elisabeth Birk [13] — (Hinweis) |