Sehendes Sehen: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | ==»Sehendes Sehen«== | ||
+ | Der Ausdruck ‘sehendes Sehen’ wurde geprägt von Max Imdahl (1925-1988), einem deutschen Kunst­histo­riker, der zeit­weise auch als bilden­der Künstler tätig war. Für Imdahls Metho­de der Werk­ana­lyse, von ihm als ‘Iko­nik’ bezeich­net, spielt der Begriff des »sehen­den Sehens« im Zu­sammen­hang mit Imdahls Auf­fassung eines »wieder­erken­nenden Sehens« eine grund­legen­de Rolle. Im Folgen­den soll ein Über­blick gege­ben werden über die folgen­den Aspek­te: Imdahls Ent­wicklung des Begrif­fes »sehen­des Sehen«, Bezug zur »Iko­nik«, Imdahls Bezug­nahme auf und Kritik an Auto­ren wie Fiedler oder Panof­sky, Rezep­tion von Imdahls Metho­de, mögli­che An­knüpfungs­punkte für die aktu­elle bild­wissen­schaftli­che Forschung. | ||
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+ | ==Imdahls Entwicklung des Begrif­fes »se­hen­des Sehen«== | ||
+ | Imdahl entwickelt und konturiert den Begriff des »sehen­den Sehens« durch Bezug­nahme auf sein Verständ­nis von einem »wieder­erken­nenden Sehen« (erst­mals in einem Aufsatz von 1974; vgl. <bib id='Imdahl 1996a'></bib>). Ausgangs­punkt ist für Imdahl dabei die Annah­me einer »prinzi­piell mögli­chen Unter­scheidung« (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 304) zwischen den beiden Weisen zu [[Sehen]]. Für Imdahls weiter­führen­de Über­legun­gen, einmal im Zu­sammen­hang mit – für ihn immer zentra­len – konkre­ten Bild­ana­lysen und dann im Beson­deren grund­legend zur Iko­nik, ist ihm die genaue Bestim­mung des vari­ablen Verhält­nisses zwischen den beiden Sicht­weisen von beson­derem Inte­resse. Dabei steht das »wieder­erken­nende Sehen« – in Bezug­nahme auf das norma­le, „zur Gewohn­heit gewor­dene(n) Gegen­stands­sehen“ – für eine Haltung, die eine Ein­lösung des „im Sehen­den schon vorge­faßte[n] Kon­zept[es]“ (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 304) mit sich bringt. Im Unter­schied dazu wäre dann für ein »sehen­des Sehen« charak­teris­tisch, sich bei der Bild­betrach­tung eben nicht auf schon vorge­gebe­ne Konzep­te zu bezie­hen, sondern Teile einer Bild­konstruk­tion als „optisch auto­nome, imma­nent gere­gelte“ (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 304) zu begrei­fen. Beispiel­gebend für die Darstel­lung einer derar­tigen Bild­konstruk­tion führt Imdahl etwa die [[Malerei|Male­rei]] Cézan­nes an, wobei hier die „Wechsel­bezie­hung zwischen optisch auto­nomer Bild­konstruk­tion und Gegen­stand bedingt [ist] in einer Abwand­lung jener norma­len Verbin­dung zwischen sehen­dem und wieder­erken­nenden Sehen“, wie sie im norma­len Gegen­stand­sehen zu beobach­ten wäre, wobei hierbei die Bild­konstruk­tion „in eben dieser Um­wertung zugleich mit dem Gegen­stande verbun­den“ (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 304) bliebe. Wie bereits erwähnt, ist es ein zentra­les Anlie­gen Imdahls, seine Ana­lyse­metho­den immer am konkre­ten Werk zu ent­wickeln und zu über­prüfen. Erkenn­bar ist diese Haltung auch am Titel des Auf­satzes von 1974, der eben die Namen der zu bespre­chenden Künstler an den Beginn stellt, und nicht etwa das für die Ana­lyse zu­grunde­liegen­de Verhält­nis zwischen Bild­auto­nomie und Gegen­stands­sehen. Exem­plarisch für Imdahls Anwen­dung seiner Über­legun­gen, nachfol­gend eine Passa­ge zum Vergleich der Werke Cézan­nes und Bracques: | ||
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+ | :''Eben im Rahmen dieser grundsätz­lichen Vergleich­barkeit lassen sich die Bilder Cé­zannes und Braques aber auch deutlich vonein­ander unter­scheiden, ja beide Bilder reprä­sentie­ren gerade­zu verschie­dene Grund­typen einer Male­rei, die auf eine optisch auto­nome, um Abbil­dung prinzi­piell unbe­kümmer­te Bild­konstruk­tion abzielt und diese dennoch auf den Gegen­stand bezo­gen hält. Im Falle Cé­zannes besteht – gemäß der Aussa­ge des Malers – die Bild­konstruk­tion als eine optisch auto­nome, imma­nent gere­gelte Zu­sammen­hang­bildung von nur dem gegen­stands­freien Sehen sich zeigen­den Sicht­bar­keits­werten des Gegen­standes: (...) dessen Wahr­nehmung ein zwar gegen­ständli­ches, aber das wieder­erken­nende dem sehen­den Sehen unter­ordnen­des Sehen erzwingt (...). Im Falle Braques besteht dage­gen – gemäß der Aussa­ge des Malers – die optisch auto­nome, imma­nent geregel­te Bild­konstruk­tion als das Produkt eines vom Grund auf ent­werfen­den, von aller wie immer gese­henen Vor­gegeben­heit sich be­freien­den Form­willens, jedoch enthält die Bild­konstruk­tion solche gegen­ständli­chen Bezeich­nungs­werte, die das weni­ger sehen­de als viel­mehr wieder­erken­nende Sehen des Gegen­standes gleicher­maßen bean­spruchen wie auch die diesem Sehen mögli­che Gegen­stands­erfah­rung unter­bieten.'' (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 326) | ||
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+ | ==»Erkennendes Sehen« und »Iko­nik«, Be­zü­ge zu und Kritik an Fiedler und Pa­nof­sky== | ||
+ | Das »sehende Sehen« im Sinne Imdahls steht für eine Sicht­weise, die sich von der Praxis, das betrach­tete Objekt [[Begriff|Begrif­fen]] unter­zuordnen, grund­legend distan­ziert. In der Kritik an einer solchen Praxis sieht sich Imdahl den Auf­fassun­gen Konrad Fiedlers (1841-1895) nahe­stehend, der es scharf verur­teilt, „die Anschau­ung als Mittel, zum Begriff zu gelan­gen“ (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 55, 312), aufzu­fassen. In dieser Kritik sieht Imdahl den „Ausgangs­punkt der Fiedler­schen Lehre“ (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 55). Einge­fordert wäre hier, | ||
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+ | :''daß die Anschauung eine von aller (begriff­lichen) Abstrak­tion unab­hängi­ge Bedeu­tung habe, daß das Vermö­gen der Anschau­ung so gut wie das abstrak­te Denk­vermö­gen ein recht habe, zu einem gere­gelten und bewuß­ten Gebrauch ausge­bildet zu werden (...)'' (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 312). | ||
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+ | Thematisch werden damit – aus heuti­ger Sicht formu­liert – grund­legen­de Fragen zur Natur nicht-[[Proposition|propo­sitio­naler]] Er­kenntnis­formen, in Bezug auf die Wahrneh­mung von Kunst­werken. Auf dieser er­kenntnis­theore­tischen Ebe­ne dürften auch An­knüpfungs­punkte zu aktu­ellen bild­wissen­schaft­lichen Debat­ten zu finden sein, dazu [[#Rezeption von Imdahls Methodik|später]] mehr. | ||
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+ | Imdahl beruft sich somit auf einer er­kenntnis­theore­tischen Ebe­ne und in Bezug auf seine Werk­auffas­sung expli­zit und wieder­holt auf Fiedler (siehe etwa <bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 42-113), aber für die Formu­lierung seiner »Iko­nik«, distan­ziert er sich zu einem späte­ren Zeitpunkt in ent­scheiden­den Punkten wiede­rum grundle­gend, nämlich bezo­gen auf Fiedlers „Defi­nitio­nen von Form und Kompo­sition“ (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 92). Seine Kritik trifft in diesen Punkten und im selben Zu­sammen­hang auch Panof­sky. Beide Auto­ren disku­tiert Imdahl in den Passa­gen, die seine „iko­nische Be­trachtungs­weise“, die »Iko­nik«, begrün­den, im Kapi­tel «Ikono­graphie – Ikono­logie – Iko­nik» seines Buches über Giotto (<bib id='Imdahl 1996b'></bib>: S. 84-98). Imdahls Kritik an Panofs­kys ikono­graphisch-ikono­logi­scher Inter­preta­tions­metho­de ist dabei genau genom­men, bei aller diplo­mati­schen Bezug­nahme in den vorher­gehen­den Passa­gen, grund­legend, da laut Imdahl „[b]eide Inter­preta­tionen (...) jeweils einsei­tig, (...) die der Male­rei mögli­che Bild­leistung [verfeh­len]“ (<bib id='Imdahl 1996b'></bib>: S. 91.).<ref> Ein sehr dif­fe­ren­zier­ter Bei­trag zum Ver­hält­nis Im­dahl/Pa­nof­sky fin­det sich in <bib id='Thürlemann 2009a'>Thür­le­mann 2009a</bib>.</ref> Diese mögli­che Bild­leistung sieht Imdahl gege­ben im Zu­sammen­wirken von sehen­dem und wieder­erken­nendem Sehen, dem »erken­nenden Sehen«: | ||
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+ | : [Diese mögliche Bildleistung] ''besteht aber dann, wenn sich die Erfah­rungen eines auto­nomen, sehen­den Sehens und eines hete­rono­men, wieder­erken­nenden Gegen­stand­sehens und die ihnen entspre­chenden syntak­tischen und seman­tischen Sinn­ebenen zu einer durch nichts ande­res zu substi­tuieren­den Bild­iden­tität inein­ander vermit­teln, wenn das wieder­erken­nende Sehen und das sehen­de Sehen zu den unge­ahnten oder gar unvor­denkli­chen Erfah­rungen eines erken­nenden Sehens zusam­menwir­ken (...)'' (<bib id='Imdahl 1996b'></bib>: S. 92) | ||
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+ | Erst im ''vermittelten Verhältnis'' von sehen­dem und wieder­erken­nendem Sehen sieht Imdahl also seine iko­nische Be­trachtungs­weise reali­siert: | ||
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+ | :''[D]er Ikonik wird das Bild zugäng­lich als ein Phäno­men, in welchem gegen­ständli­ches, wieder­erken­nendes Sehen, und forma­les, sehen­des Sehen sich inein­ander vermit­teln zur Anschau­ung einer höhe­ren, die prakti­sche Seh­erfah­rung sowohl ein­schließen­den als auch prinzi­piell über­bieten­den Ordnung und Sinn­tota­lität.'' (<bib id='Imdahl 1996b'></bib>: S. 92-93) | ||
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+ | ==Rezeption von Imdahls Metho­dik== | ||
+ | Affirmativ etwa <bib id='Boehm 1995a'></bib> in dem von ihm heraus­gege­benen Band «Was ist ein Bild», durch Abdruck des Bei­trages von Imdahl «Ikonik. Bilder und ihre An­schauung» (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 300-324). Im selben Band auch mit direk­ter Bezug­nahme und weiter­führen­den Über­legun­gen Walden­fels mit seinem Aufsatz «Ordnun­gen des Sicht­baren» (<bib id='Waldenfels 1994a'>Walden­fels 1994a</bib>), speziell der Teil «Kunst­theore­tisches Vor­spiel: Sehen­des und wieder­erken­nendes Sehen» (234-237).<ref>Ob es le­gi­tim ist, Im­dahl ex­pli­zit ei­ner [[Phänomenologische Bildtheorien|phä­no­me­no­lo­gi­schen]] Po­si­ti­on zu­zu­ord­nen, blie­be aus mei­ner Sicht noch zu dis­ku­tie­ren. So wä­re et­wa Im­dahls eher ana­ly­ti­scher Be­zug auf [[Pragmatik, Semantik, Syntax|syn­tak­ti­sche und se­man­ti­sche]] Sinn­ebe­nen im Zu­sam­men­hang mit sei­ner »Iko­nik« der Phä­no­me­no­lo­gie doch eher fremd.</ref>. Gottfried Boehm bietet eine Ein­führung zum Band «Refle­xion, Theorie, Metho­de» (<bib id='Imdahl 1996c'></bib>: S. 7-41), wobei er dort Imdahls Unter­scheidung von sehen­dem und wieder­erken­nendem Sehen auf dem Weg zur Iko­nik als „die wohl wichtig­ste, im übri­gen auch die erfolg­reichste Etap­pe“ einstuft (<bib id='Imdahl 1996a'></bib>: S. 92-29). Zur Kritik an Imdahls Geschichts­auffas­sung siehe etwa <bib id='Rosenberg 2006a'>Rosen­berg 2006a</bib>. Kritisch und sehr diffe­renziert zum Verhält­nis Im­dahl/Pa­nofsky: <bib id='Thürlemann 2009a'>Thürle­mann 2009a</bib>. Einmal aus ana­lyti­scher Sicht, aber dann Imdahl kritisch bewer­tend: <bib id='Steinbrenner 1997a'>Stein­brenner 1997a</bib>. Nahe­liegend aus ana­lyti­scher Sicht ist dabei die Verbin­dung von »Iko­nik« zu Good­mans Begriff der [[Referenz, Denotation, Exemplifikation|Exem­pli­fika­tion]]. | ||
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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2019, 14:58 Uhr
Unterpunkt zu: Wahrnehmungstheorien: Übersicht
»Sehendes Sehen«Der Ausdruck ‘sehendes Sehen’ wurde geprägt von Max Imdahl (1925-1988), einem deutschen Kunsthistoriker, der zeitweise auch als bildender Künstler tätig war. Für Imdahls Methode der Werkanalyse, von ihm als ‘Ikonik’ bezeichnet, spielt der Begriff des »sehenden Sehens« im Zusammenhang mit Imdahls Auffassung eines »wiedererkennenden Sehens« eine grundlegende Rolle. Im Folgenden soll ein Überblick gegeben werden über die folgenden Aspekte: Imdahls Entwicklung des Begriffes »sehendes Sehen«, Bezug zur »Ikonik«, Imdahls Bezugnahme auf und Kritik an Autoren wie Fiedler oder Panofsky, Rezeption von Imdahls Methode, mögliche Anknüpfungspunkte für die aktuelle bildwissenschaftliche Forschung.
Imdahls Entwicklung des Begriffes »sehendes Sehen«Imdahl entwickelt und konturiert den Begriff des »sehenden Sehens« durch Bezugnahme auf sein Verständnis von einem »wiedererkennenden Sehen« (erstmals in einem Aufsatz von 1974; vgl. [Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996).Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen). Ausgangspunkt ist für Imdahl dabei die Annahme einer »prinzipiell möglichen Unterscheidung« ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 304) zwischen den beiden Weisen zu Sehen. Für Imdahls weiterführende Überlegungen, einmal im Zusammenhang mit – für ihn immer zentralen – konkreten Bildanalysen und dann im Besonderen grundlegend zur Ikonik, ist ihm die genaue Bestimmung des variablen Verhältnisses zwischen den beiden Sichtweisen von besonderem Interesse. Dabei steht das »wiedererkennende Sehen« – in Bezugnahme auf das normale, „zur Gewohnheit gewordene(n) Gegenstandssehen“ – für eine Haltung, die eine Einlösung des „im Sehenden schon vorgefaßte[n] Konzept[es]“ ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 304) mit sich bringt. Im Unterschied dazu wäre dann für ein »sehendes Sehen« charakteristisch, sich bei der Bildbetrachtung eben nicht auf schon vorgegebene Konzepte zu beziehen, sondern Teile einer Bildkonstruktion als „optisch autonome, immanent geregelte“ ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 304) zu begreifen. Beispielgebend für die Darstellung einer derartigen Bildkonstruktion führt Imdahl etwa die Malerei Cézannes an, wobei hier die „Wechselbeziehung zwischen optisch autonomer Bildkonstruktion und Gegenstand bedingt [ist] in einer Abwandlung jener normalen Verbindung zwischen sehendem und wiedererkennenden Sehen“, wie sie im normalen Gegenstandsehen zu beobachten wäre, wobei hierbei die Bildkonstruktion „in eben dieser Umwertung zugleich mit dem Gegenstande verbunden“ ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 304) bliebe. Wie bereits erwähnt, ist es ein zentrales Anliegen Imdahls, seine Analysemethoden immer am konkreten Werk zu entwickeln und zu überprüfen. Erkennbar ist diese Haltung auch am Titel des Aufsatzes von 1974, der eben die Namen der zu besprechenden Künstler an den Beginn stellt, und nicht etwa das für die Analyse zugrundeliegende Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. Exemplarisch für Imdahls Anwendung seiner Überlegungen, nachfolgend eine Passage zum Vergleich der Werke Cézannes und Bracques:
»Erkennendes Sehen« und »Ikonik«, Bezüge zu und Kritik an Fiedler und PanofskyDas »sehende Sehen« im Sinne Imdahls steht für eine Sichtweise, die sich von der Praxis, das betrachtete Objekt Begriffen unterzuordnen, grundlegend distanziert. In der Kritik an einer solchen Praxis sieht sich Imdahl den Auffassungen Konrad Fiedlers (1841-1895) nahestehend, der es scharf verurteilt, „die Anschauung als Mittel, zum Begriff zu gelangen“ ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996).Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 55, 312), aufzufassen. In dieser Kritik sieht Imdahl den „Ausgangspunkt der Fiedlerschen Lehre“ ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 55). Eingefordert wäre hier,
Thematisch werden damit – aus heutiger Sicht formuliert – grundlegende Fragen zur Natur nicht-propositionaler Erkenntnisformen, in Bezug auf die Wahrnehmung von Kunstwerken. Auf dieser erkenntnistheoretischen Ebene dürften auch Anknüpfungspunkte zu aktuellen bildwissenschaftlichen Debatten zu finden sein, dazu später mehr. Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 42-113), aber für die Formulierung seiner »Ikonik«, distanziert er sich zu einem späteren Zeitpunkt in entscheidenden Punkten wiederum grundlegend, nämlich bezogen auf Fiedlers „Definitionen von Form und Komposition“ ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 92). Seine Kritik trifft in diesen Punkten und im selben Zusammenhang auch Panofsky. Beide Autoren diskutiert Imdahl in den Passagen, die seine „ikonische Betrachtungsweise“, die »Ikonik«, begründen, im Kapitel «Ikonographie – Ikonologie – Ikonik» seines Buches über Giotto ([Imdahl 1996b]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 84-98). Imdahls Kritik an Panofskys ikonographisch-ikonologischer Interpretationsmethode ist dabei genau genommen, bei aller diplomatischen Bezugnahme in den vorhergehenden Passagen, grundlegend, da laut Imdahl „[b]eide Interpretationen (...) jeweils einseitig, (...) die der Malerei mögliche Bildleistung [verfehlen]“ ([Imdahl 1996b]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 91.).[1] Diese mögliche Bildleistung sieht Imdahl gegeben im Zusammenwirken von sehendem und wiedererkennendem Sehen, dem »erkennenden Sehen«:
Erst im vermittelten Verhältnis von sehendem und wiedererkennendem Sehen sieht Imdahl also seine ikonische Betrachtungsweise realisiert:
Rezeption von Imdahls MethodikAffirmativ etwa [Boehm 1995a]Boehm, Gottfried (1995).Bildbeschreibung. Über die Grenzen von Bild und Sprache. In Beschreibungskunst, Kunstbeschreibung: Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart, 23-40. Eintrag in Sammlung zeigen in dem von ihm herausgegebenen Band «Was ist ein Bild», durch Abdruck des Beitrages von Imdahl «Ikonik. Bilder und ihre Anschauung» ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 300-324). Im selben Band auch mit direkter Bezugnahme und weiterführenden Überlegungen Waldenfels mit seinem Aufsatz «Ordnungen des Sichtbaren» ([Waldenfels 1994a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ), speziell der Teil «Kunsttheoretisches Vorspiel: Sehendes und wiedererkennendes Sehen» (234-237).[2]. Gottfried Boehm bietet eine Einführung zum Band «Reflexion, Theorie, Methode» ([Imdahl 1996c]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 7-41), wobei er dort Imdahls Unterscheidung von sehendem und wiedererkennendem Sehen auf dem Weg zur Ikonik als „die wohl wichtigste, im übrigen auch die erfolgreichste Etappe“ einstuft ([Imdahl 1996a]Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode, ???, Wiederauflage der Schrift von 1974. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 92-29). Zur Kritik an Imdahls Geschichtsauffassung siehe etwa [Rosenberg 2006a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . Kritisch und sehr differenziert zum Verhältnis Imdahl/Panofsky: [Thürlemann 2009a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . Einmal aus analytischer Sicht, aber dann Imdahl kritisch bewertend: [Steinbrenner 1997a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . Naheliegend aus analytischer Sicht ist dabei die Verbindung von »Ikonik« zu Goodmans Begriff der Exemplifikation. |
Anmerkungen
[Boehm 1995a]: Boehm, Gottfried (1995). Bildbeschreibung. Über die Grenzen von Bild und Sprache. In: Boehm, Gottfried; Pfotenhauer, Helmut (Hg.): Beschreibungskunst, Kunstbeschreibung: Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart. München: Fink, S. 23-40.
[Imdahl 1996a]: Max Imdahl (1996). Cézanne – Bracque – Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen. In: Boehm, Gottfried (Hg.): Max Imdahl, Gesammelte Schriften, Band 3: Reflexion – Theorie – Methode. Frankfurt/Main: ???, S. ???, Wiederauflage der Schrift von 1974.
[Imdahl 1996b]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [23] und Eva Schürmann [1] — (Hinweis) Zitierhinweis: [Romanacci 2013g-a]Literaturangabe fehlt. |