Sprechen über Bilder

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
Version vom 16. September 2013, 11:26 Uhr von Klaus Sachs-Hombach (Diskussion | Beiträge) (Bezüge zu anderen Begrifflichkeiten)
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Hauptpunkt zu: Bild und Sprache


Fragestellung

Wenn wir etwas über Bilder zum Ausdruck bringen wollen, tun wir dies in der Regel im Medium der Sprache. Die zentrale Frage innerhalb einer sprachanalytischen Betrachtung des Bildphänomens lautet dann: Welche sprachlichen Formen gibt es überhaupt, die uns erlauben, über Bilder zu sprechen? Ebenso wichtig ist die sich hieran anschließende Frage: Wie unterscheidet sich unsere Rede über Bilder von unserer Rede über die Gegenstände selbst? Sprachanalytische Betrachtungen gehen davon aus, dass eine solche Analyse der sprachlichen Mittel, mit denen wir über ein bestimmtes Phänomen sprechen, zum Verständnis dieses Phänomens beiträgt, weil die Art und Weise des (alltäglichen) Sprechens von den Phänomenen beeinflusst wird, über die gesprochen wird.

Die These, dass wir in den seltensten Fällen Bilder nur schweigend betrachten und dass wir also immer auch sprachlich auf Bilder bezogen sind, mag als ketzerisch gelten. Ist es nicht gerade die Funktion insbesondere von künstlerischen Bildern, dass wir sprachlos in sie versinken? Ist es nicht gerade das spezifische Merkmal von Bildern, dass wir sie nie mit den Mitteln der Sprache erschöpfend beschreiben können? Selbst wenn wir dies annehmen und Bildern gewissermaßen einen uneinholbaren Gehalt zu schreiben, ändert dies nichts an der Tatsache, dass Bilder häufig Bezugspunkt sprachlicher Handlungen sind, dass der Gebrauch von Bildern Teil komplexerer kommunikativer Akte ist und selbst der kontemplative Bildgenuss Teil einer Kultur sein muss, die notwendigerweise der Sprache bedarf. So kann nur der lernen, sich in ein Bild zu versenken, der der Sprache mächtig ist. Trivialerweise muss es in dieser Sprache möglich sein, über Bilder zu sprechen.

Formen des über-Bilder-Redens

Gibt es unterschiedliche Formen des über-Bilder-Redens? Und welche sprachlichen Formen sind es, die uns erlauben, über Bilder zu reden? Ein Bild kann in einer sprachlichen Handlung eingebunden sein, ohne dass wir deshalb über das Bild reden. Wenn man beispielsweise ein Bild dazu verwendet, um sein Gegenüber mithilfe des Bildes auf etwas aufmerksam zu mache: redet man dann überhaupt „über“ das Bild? In einer schwachen Lesart kann man hier sicherlich von einem „über etwas reden“ sprechen (vgl. [Steinbrenner 2004a]; Abschn. II.1), da man sich auf einen funktionalen Aspekt des Bildes bezieht (etwa, dass das Bild eine bestimmte Person darstellt). Will man verschiedene Weisen des über Bilder Redens klassifizieren, ist es nötig, sich zumindest einigermaßen über die Eigenarten von Bildern im Klaren zu sein. Man kann sich beispielsweise auf materielle Aspekte von Bildern beziehen, aber ebenso auf Wahrnehmungserlebnisse von Bildern, auf den Inhalt von Bildern u.s.f.[1] Wenn man über Bilder redet, kann man sich auf jeden Aspekt, der das Verstehen einer jeweiligen Stufe des Verstehens eigen ist, beziehen. Diese Bezugnahme garantiert, dass man über das jeweilige Bild spricht. Und dies geschieht beispielsweise in der Kunstgeschichte. Wobei sich die traditionelle Kunstgeschichte zumeist auf die Stufe 5, dem Verstehen des Bildinhalts ([Scholz 2004a]: S. 174-177), und der Stufe 6, dem Verstehen des denotativen Sachbezugs (ebd. 177-182), bezieht und etwa Fragen zur prinzipiellen Zeichenhaftigkeit oder der pragmatischen Einbettung von Bildern zumeist nicht im Mittelpunkt des kunstwissenschaftlichen Denkens standen. Gleichwohl ist der Vergleich von Sprache und Bilder wahrscheinlich so alt, wie die Philosophie und das Nachdenken über Bilder selbst. Die hier zu nennenden Stichworte sind „Ekphrasis“ und „Ut pictura poesis“ (s.u.).

Neben diesen theoretischen Auseinandersetzungen zum Verhältnis Sprache und Bilder sollte aber der alltägliche Gebrauch von Bildern und ihre sprachliche Einbettung Thema einer genaueren Untersuchung sein. Ansätze hierzu finden sich bei Ludwig Wittgenstein (vgl. [Wittgenstein 1971a]) und eine relativ ausgearbeitete Theorie bietet Kendall Walton in seinem Werk Mimesis as Make-Believe: On the Foundations of the Representional Arts ([Walton 1990a]).


Anmerkungen
  1. Man vergleiche dazu die Stufen des Bildverstehens von Oliver R. Scholz, [Scholz 2004a]: Abschn. 5.4.
Literatur                             [Sammlung]

[Scholz 2004a]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Dar­stel­lung, Zeichen. Philo­sophi­sche Theo­rien bild­hafter Dar­stellun­gen. Frank­furt/M.: Kloster­mann.

[Steinbrenner 2004a]: Steinbren­ner, Jakob (2004). Zei­chen über Zeichen. Grundla­gen einer Theorie der Meta­bezug­nahme. Heidel­berg: Synchron Wissen­schaftsver­lag der Auto­ren. [Walton 1990a]: Walton, Kendall L. (1990). Mime­sis as Make-Be­lieve: On the Foun­dations of the Repre­senta­tional Arts. Cam­bridge, Mass. [u.a.]: Har­vard Univ. Press. [Wittgenstein 1971a]: Wittgen­stein, Ludwig (1971). Philo­sophi­sche Unter­suchun­gen. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

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