Technische Medien
Unterpunkt zu: Medientheorien: Übersicht
Für die Bezeichnung ‘technische Medien’, die seit den 1980er Jahren nicht nur im medienwissenschaftlichen Feld verbreitet ist, lässt sich kaum eine konsistente Verwendungsweise und kein streng abzugrenzendes Bezugsfeld feststellen. Was technische Medien sind oder auch nur, was in den einschlägigen Debatten damit gemeint ist, kann schwerlich auf einen Nenner gebracht werden, zu unterschiedlich sind die Abgrenzungen und zu vage vor allem das Gegenstandsfeld. Zwar schreibt Friedrich Kittler, auf den die Verwendung maßgeblich zurückgeht, dass technische Medien „physikalische Prozesse [nutzen], die die Zeit menschlicher Wahrnehmung unterlaufen und nur im Code neuzeitlicher Mathematik überhaupt formulierbar sind“ ([Kittler 1993a]Literaturangabe fehlt.
Historischer Bruch und AbgrenzungDie Verwendung des Begriffs ist vor allem im Gefolge technikorientierter Medientheorien aufgekommen, wie sie Friedrich Kittler seit Mitte der 1980er Jahre vertritt und die von zahlreichen Arbeiten aufgenommen wurde ([Kittler 1986a]Literaturangabe fehlt. Der Begriff »technische Medien« wird dabei mitunter affirmativ von der Technizität her gedacht und hat zunächst die Funktion, mittels der Situierung eines historischen Bruches technische von anderen Medien abzugrenzen. Dieser Bruch wird grob im 19. Jahrhundert, durchaus parallel zur industriellen Revolution verortet ([Stiegler 2009a]Literaturangabe fehlt. Mit diesem medienhistorischen Bruch oder vielmehr einer Vielzahl kleinerer Brüche wird eine Zäsur zwischen technischer und vortechnischer Welt markiert, die ein Beschreibungspotential aktiviert, weil Computer oder technische Zeitachsenmanipulation ([Krämer 2004a]Literaturangabe fehlt. Suchbilder. Visuelle Kultur zwischen Algorithmen und Archiven. Berlin: . Eintrag in Sammlung zeigen). Technische Medien übertragen nicht, was sie in ihren Empfangs- und Endgeräten sichtbar, hörbar oder lesbar machen, sie übertragen keine Bilder, Töne oder Buchstaben, sondern codierte Daten, die aufwändig synchronisiert werden müssen. Sie übersetzen Sinnliches oder Schriftliches in Datenflüsse und unterziehen es dabei einer Ausdifferenzierung ([Rieger 2001a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). Der damit vollzogene Bruch, der eine neue Beschreibungskultur mit sich bringt, prägt folgerichtig die Infrastrukturen des Denkens, Wahrnehmens und Handelns.
Universalmedium ComputerDamit ist ein Hinweis auf die zweite Funktion gegeben. Der Bruch gegenüber älteren Medien wie dem Buch oder dem Gemälde dient auch der Selbstsituierung, wird doch das Entfaltungspotential von Medien besonders in der Technik gesucht und ihr ein teleologisches Potential zugesprochen. Vor allem in den vom Internet euphorisierten 90er Jahren lassen viele Medientheorien die Mediengeschichte auf den Computer zulaufen, der als technisches Universalmedium alle anderen Medien in sich aufnehmen soll. Mit dem Computer konvergieren die Anwendungen in einem technischen Gerät, das nunmehr verschiedene Aufgaben übernimmt und mittels des digitalen Codes schlicht alles umwandeln soll. Diese Konvergenz ist häufig als Aufhebung und gleichsam teleologisches Ziel der Medienentwicklung beschrieben und entsprechend aufgeladen worden ([Mersch 2003b]Literaturangabe fehlt. Blickwendung zur Technik als MediumDer Begriff dient schließlich drittens der Reformulierung eines Blickwechsels, der Medienwissenschaft insgesamt prägt, des Blickwechsels weg von den Inhalten und hin auf die Medien, die diese Inhalte vermitteln, in irgendeiner Weise prägen oder bedingen. So hat Sybille Krämer drei Konzepte als „Knotenpunkte“ in der Mediendebatte verortet: literarische Medien, technische Medien und Massenmedien. Technische Medien werden dabei durch die Technisierung von Information mittels Artefakten gekennzeichnet und im weiteren die Technisierung von Wahrnehmungsoptionen und Kommunikationsvorgängen beschrieben. In dieser Hinsicht hat Krämer unterstrichen, dass die Untersuchung technischer Medien über die instrumentelle Dimension von ‘Mitteln für etwas’ hinaus als ‘Mittler von etwas’ beschreibt. (Spur) Technische Medien sollen dahingehend nicht als Werkzeuge betrachtet werden, mit denen sich eine bestimmte Arbeit verrichten lässt, sondern als Apparate der Welterzeugung: als Verarbeitungs- oder Verteilungsweisen und schließlich als Erzeuger von Bildern, die es vorher nicht gab. Diese Überlegungen schließen durchaus an den antiken techné-Begriff an, der nicht im Werkzeug aufgeht. Technische Medien allein mit der Unterscheidung von Zwecken und Mitteln zu beschreiben, bleibt demnach unterkomplex, wobei zu fragen ist, was nicht-technische Medien sein sollen, die von der Bezeichnung technische Medien vorausgesetzt werden. In dieser Hinsicht hat Gerhard Gamm betont, dass sich Technik allen Versuchen widersetze, auf eine instrumentelle Funktion reduziert zu werden. Vielmehr müsse Technik als Medium gedacht werden, womit die Perspektive noch einmal verschoben würde ([Gamm 2000a]Literaturangabe fehlt. Die technische Infrastrukturen, die etwa Bilder übertragen oder überhaupt erst hervorbringen, sollen nicht als schlichte Träger konzeptualisiert werden, die Inhalte störungsfrei transportieren. Medien gewinnen stattdessen „ihren Status als wissenschaftliches, d.h. systematisierbares Objekt gerade dadurch, dass sie das, was sie speichern, verarbeiten und vermitteln, jeweils unter Bedingungen stellen, die sie selbst schaffen und sind“ ([Engell 1999a]Literaturangabe fehlt. So ist über die Betonung eines Bruches hinaus, der technische Medien situiert, Technik selbst als Medium und die technische Verfasstheit jedes Vermittlungsgeschehens untersucht worden. Der Begriff der Kulturtechniken beschreibt in dieser Hinsicht heterogene Anordnungen technischer, sozialer und kultureller Konzepte, die über die klassischen Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen hinaus auch operative Verfahren wie Zeichnen oder Messen sowie Ordnungsysteme wie Kataloge oder Suchmaschinen umfassen. Wird Technik in diesem Sinne nicht von bestimmten Apparaten, Verfahren oder einem historischen Bruch her definiert, kann sie vielmehr als Perspektive dienen, den Umgang oder die Welterzeugung durch technische Artefakte und deren Bedingungs- oder Möglichkeitsräume zu beschreiben.
Bildphilosophische AspekteIn Hinsicht auf die Herstellung und massenhafte Verbreitung von technischen Bildern, die mit technischen Medien einsetzen soll ([Kittler 2002b]Kittler, Friedrich (2002).Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999. Berlin: . Eintrag in Sammlung zeigen), ist die Technik von bildgebenden Verfahren in zahlreichen Arbeiten vor allem wissenschaftshistorischer Provenienz beschrieben worden ([Schröter 2009c]Schröter, Jens (2009). 3D. Zur Theorie, Geschichte und Medienästhetik des technischtransplanen Bildes. München: . Eintrag in Sammlung zeigen). Wenn jedes Bild ein verkörperndes oder vermittelndes Medium braucht, in dem es sich zeigt, dann ist Bildproduktion grundsätzlich an technische Verfahren gebunden ([Bredekamp et al. 2008a]Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit; Dünkel, Vera (2008). Das Technische Bild. Kompendium für eine Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie. Eintrag in Sammlung zeigen). Gefragt werden kann in Bezug auf technische Medien damit etwa nach der Materialität von Bildträgern, die sich historisch verändern, wodurch der Status der Bilder modifiziert wird, beispielsweise wenn Gemälde zur Reproduktion gezeichnet, lithografiert, fotografiert oder digitalisiert werden. So hat Vilém Flusser mit seinem Konzept der Technobilder betont, dass technisch erzeugte Bilder, also etwa Fotografien, Diagramme oder Computeranimationen (bis hin zum ⊳ interaktiven Bild), nicht als Abbildungen verstanden werden sollten, sondern Begriffe zeigen (⊳ Exemplifikation). „Ein technisches Bild entziffern heißt nicht, das Gezeigte entziffern, sondern ihr Programm aus ihnen herauslesen“ ([Flusser 1983a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 13). |
Anmerkungen
[Bredekamp et al. 2008a]: Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit; Dünkel, Vera (2008). Das Technische Bild. Kompendium für eine Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie.
[Coy 1997a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [21] und Florian Sprenger [21] — (Hinweis) |