Uneigentliche Bilder: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 16. Dezember 2019, 15:14 Uhr
Unterpunkt zu: Auswirkungen der Bildlichkeit
Eigentliche und uneigentliche BildlichkeitDer Begriff »Bildlichkeit« bestimmt im eigentlichen Sinn, was prinzipiell unabdingbar ist, um einen Gegenstand zu einem Bild zu machen. Doch wird das Eigenschaftswort ‘bildlich’ auch auf solche medialen Entitäten angewendet, die normalerweise nicht als Bilder im strikten Sinn klassifiziert würden: So kann eine sprachliche Beschreibung als besonders bildlich gelten. Bei diesen uneigentlichen Fällen von Bildlichkeit werden bestimmte Aspekte dessen, was es ausmacht, ein Bild zu sein, auf Phänomene in anderen Medien übertragen.[1] Wer etwa eine Metapher als ein “Sprachbild” bezeichnet wird meist doch zugestehen, dass damit keineswegs ein Bild im üblichen Sinn gemeint ist: Vielmehr wird der Ausdruck gemeinhin selbst als ein “Sprachbild” – metaphorisch – verstanden. Die Bezeichnung ist dabei nicht zufällig äquivok, wie es etwa bei ‘Bank’ als Gartenmöbel und als Finanzinstitut der Fall ist. Vielmehr ist die Gleichheit des Ausdrucks durch bestimmte Ähnlichkeiten in (der Konzeption der) beiden betrachteten Phänomenbereichen motiviert.
Argumentationen mit Strukturübertragungen vom Begriffsfeld »Bild«Wenn die sprachliche Beschreibung einer Landschaft als besonders bildhaft gilt, wird kaum jemand behaupten wollen, es handele sich dabei im selben engeren Sinne um ein Bild, wie es bei einem Landschaftsgemälde unbezweifelbar der Fall ist. Doch soll mit der Zuschreibung von Bildhaftigkeit offenbar eine gewisse Eigentümlichkeit jenes Textes angesprochen werden: In gewisser Weise zumindest wirke der Text, so die häufig zu findende Erläuterung, wie ein Bild, teile also wenigstens in eingeschränkter Weise Aspekte mit Bildern.[2] Es geht daher, recht besehen, um eine partielle Strukturübertragung des Bildbegriffs und seines Umfeldes auf Begriffsfelder für ganz andere Phänomenbereiche, d.h. um eine Metapher im Sinn der Kognitiven Linguistik ([Lakoff & Johnson 1980a]Lakoff, George & Johnson, Mark (1980).Metaphors We Live By. Chicago & London: University of Chicago Press. Eintrag in Sammlung zeigen).[3] Dass ein Teil der begrifflichen Struktur, also der Argumente stiftenden Zusammenhänge zwischen eng verbundenen Begriffen eines unserer Begriffsfelder, in einer mehr oder weniger weiten, aber stets unvollständigen Isomorphie-Beziehung mit der begrifflichen Struktur eines ganz anderen von uns verwendeten Begriffsfeldes steht, ermöglicht uns, über die Phänomene, die unter ersteres fallen, in gewissen Grenzen so zu reden und so zu argumentieren, als würde es um Phänomene unter dem zweiten Begriffsfeld gehen. Auf diese Weise können insbesondere einige Aspekte des dargestellten Phänomenbereichs auf eine Art hervorgehoben werden, die mit den anderen Ausdrucksmitteln für diesen Bereich meist nur unzureichend möglich wäre. Eine solche metaphorische Zuschreibung von Bildlichkeit kann nicht nur für sprachliche Medien (Artikulationen, Ausdrücke, Texte) Anwendung finden; sie ist auf alle nicht-piktorialen Zeichenvorkommnisse übertragbar: Das reicht von bildhaften Gesten bis zur (Vor-)Bildlichkeit von als Symbole verwendeten Dingen, Personen oder Ereignissen.[4] Was aber sind diese durch die Bildmetaphorik besonders hervorgehobenen Aspekte?
Evokation von empirischer KontextbildungDie uneigentliche Bildhaftigkeit etwa von sprachlichen Zeichen hängt, folgt man zunächst den Alltagserklärungen, mit der Fähigkeit des Textes zusammen, ein “mentales Bild” des Beschriebenen zu evozieren.[5] Dabei muss zunächst unterschieden werden, ob es sich bei dem Text um eine Beschreibung konkreter Sachverhalte handelt oder um eine Beschreibung abstrakter Sachverhalte. Im Falle konkreter Sachverhalte kann man davon ausgehen, dass es ohne weiteres möglich ist, jene Sachverhalte selbst wahrzunehmen, wenn man sich in der entsprechende Situation befindet. Damit wäre es aber wohl auch möglich, ein entsprechendes Bild (im engen Sinn) davon herzustellen. Die Vorstellung eines solchen Bildes wäre dann das hier passende mentale Bild.[6] Im abstrakten Fall liegen die Dinge etwas komplizierter, da hier offensichtlich keine genuine Wahrnehmung vorliegen kann. Doch gilt hier im Prinzip das Gleiche, wie bei der bildlichen Darstellung abstrakter Zusammenhänge oder nicht sichtbarer Eigenschaften in Strukturbildern: Das eigentlich nicht Sichtbare (Wahrnehmbare) muss zunächst begrifflich auf etwas Sichtbares (Wahrnehmbares) mit analoger Struktur projiziert werden, das dann im (mentalen) Bild erscheint (⊳ Semantik logischer Bilder). Soweit wäre es also einfach ein in den mentalen “Innenraum” verlegtes Bild, das zu evozieren ein Text in der Lage sein sollte, um ihn mit dem Prädikat ‘bildhaft’ zu belegen. Die Rede von mentalen Bildern ist allerdings ausgesprochen heikel, wird doch in direkter Lesart eine Art Gegenstand vorausgesetzt, der ein Bild ist, das gleichwohl aus Prinzip nur von einem einzigen betrachtet werden kann – keine gute Voraussetzung für rationale Argumentation. Günstiger erscheint eine Auffassung, die den Ausdruck metaphorisch versteht. Genauer geht es ja nicht um mentale Bilder als Untersuchungsgegenstände, sondern um das ‹Haben von mentalen Bildern von jemandem›. Die damit abgedeckten Phänomene lassen sich ebenfalls recht gut fassen durch: ‘Sich etwas visuell vorstellen’ – eine Formulierung, die ohne zweifelhafte Reifizierung auskommt. Die mentalen Phänomene, die durch jene Formulierungen bezeichnet werden, sind als Interiorisierungen externer sozialer Verhaltensweisen zu verstehen. Es handelt sich, recht besehen, darum, dass sich derjenige, der sich etwas visuell vorstellt (‹ein entsprechendes mentales Bild hat›), anderen gegenüber darstellt als einer, der etwas sieht, was in der aktuellen Situation nicht gesehen werden kann. Das ist offensichtlich eine Parodie der Bildverwendungssituation, in der er sich ja ebenfalls darstellt als einer, der etwas sieht, was nicht da ist – aber dort können sich alle beteiligten Kommunikationspartner gemeinsam so darstellen, da mit Bildern eine empirische Vergegenwärtigung erfolgt. Wenn von jemandem behauptet wird, er ‘habe ein bestimmtes mentales Bild’, so wird sein Fähigkeit zur rein logischen Kontextbildung in Beziehung gesetzt zur wechselseitig empirisch überprüfbaren Kontextbildung mit wahrnehmungsnahen Zeichen. Die logische Kontextbildung wird als quasi-empirische aufgefasst. Ausdrücke, Texte und andere Formen der nicht-piktorialen Mediennutzung haben mithin die Eigenschaft, mehr oder weniger stark eine quasi-empirische Kontextbildung auszulösen: Sie bringen den Zeichenverwender dazu, sich darzustellen als einer, der etwas nicht Anwesendes sehen (allgemeiner: wahrnehmen) kann. Bildhaft wären also gerade jene medialen Äußerungen, die in besonderem Maße dazu geeignet sind, jemandem die Gelegenheit zu geben, sich als jemand darzustellen, der etwas wahrnehmen kann, was nicht aktuell (oder prinzipiell) wahrgenommen werden kann. Im Rahmen einer begriffsgenetischen Betrachtung zum Bildbegriff weist die Zuschreibung von Bildlichkeit im metaphorischen wie im engen Sinn auf eine spezifisch piktoriale Form der Bedeutungsgenerierung hin, die durch ihre sozial überprüfbare Wahrnehmungsnähe ein höheres Maß an Motiviertheit aufweist und die daher geeignet scheint, stabilisierend auch auf die rein logisch vergegenwärtigende Funktion sprachlicher Ausdrücke zu wirken. Bildlichkeit ist damit ein allgemeines und sehr elementares Merkmal medialer Kulturen, das immer dann auf den Plan tritt, wenn abstrakte Bedeutungshorizonte in situationsunabhängiger Kommunikation an die empirischen Wahrnehmungskontexte zurückgebunden werden sollen. Siehe auch:
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Anmerkungen
[Lakoff & Johnson 1980a]: Lakoff, George & Johnson, Mark (1980). Metaphors We Live By. Chicago & London: University of Chicago Press.
[Liebsch 2012a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [30], Dimitri Liebsch [4] und Emilia Didier [1] — (Hinweis) Zitierhinweis: [Schirra 2013g-3]Literaturangabe fehlt. |