Virtualität: Unterschied zwischen den Versionen
(→1. Mentale Virtualität und Theorie der Subjektivität) |
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− | Niklas Luhmann ist es, der Ende des 20. Jahrhunderts Virtualität und moderne Medientechnologien zusammendenkt und das Medium als „reine Virtualität“ (Luhmann | + | Niklas Luhmann ist es, der Ende des 20. Jahrhunderts Virtualität und moderne Medientechnologien zusammendenkt und das Medium als „reine Virtualität“ (<bib id='Luhmann 1993a'></bib>S. 356) bezeichnet – als pure Potentialität und Möglichkeit. Während Luhmann sein Verständnis von Virtualität noch an jedes beliebige Medium koppelt, weitet sich durch die Entwicklung moderner mobiler Medien eine Sichtweise aus, die Virtualität immer stärker mit den digitalen Medien in Verbindung bringt (diesbezüglich hatte auch schon Heidegger das Technische als das Virtuelle gedacht). Durch Vaihingers Aufsatz Virtualität und Realität – Die Fiktionalisierung der Wirklichkeit und die unendliche Information (1997) kommt es schließlich zu einer Verwechslung bzw. Vermischung der Begrifflichkeiten »Virtualität« mit »Simulation« oder »Virtueller Realität« und somit auf eine Beschränkung des Begriffs auf die digitalen Medien. Aus dieser Perspektive wird Virtualität als eine neue konstruierte Wirklichkeit angesehen, die der Realität entgegensteht. <br> |
− | In dieser technischer Orientierung wird Virtualität als virtuelle Realität beschreibbar, eine „Objektwelt, die Wirklichkeit zu sein verspricht, ohne sie sein zu müssen“ (Vaihinger | + | In dieser technischer Orientierung wird Virtualität als virtuelle Realität beschreibbar, eine „Objektwelt, die Wirklichkeit zu sein verspricht, ohne sie sein zu müssen“ (<bib id='Vaihinger 1997a'></bib>S. 21), die in Abhängigkeit von den Elementen Bild, Raum und Interaktivität konstituiert wird. Generell werden Konstrukte wie Computerspiele, online games oder chatrooms zu den besonders populären Ausprägungen virtueller Realitäten gezählt, da hier eine Konzeption von bildlich vermitteltem Raum (Anwesenheitsraum) wirksam ist, „der nicht existiert, aber dennoch in unsere Realität hineinwirkt – also virtuell ist“ (<bib id='Schwingeler 2008a'></bib>S. 11). Virtuelle Realität bzw. virtuelle Räume sind demnach davon abhängig, dass sie einerseits über eine bildliche Darstellungsfunktion verfügen, darüber hinaus aber „als Räume leiblicher Anwesenheit erfahren werden können“ (<bib id='Böhme 2004a'></bib>S. 139). <br> |
− | Die Möglichkeit, den Darstellungsraum in einer Art und Weise zu modifizieren, dass er leibliche Anwesenheit virtuell erfahrbar macht, wird durch technische Elemente ermöglicht die eine aktive Rezipienten-Handlung strukturieren. In erster Linie sind virtuelle Räume als Kommunikations-Räume konstituiert, in denen durch Textnachrichten und Sprachbotschaften eine soziale Interaktion ermöglicht wird. Zudem fördern (und fordern) vor allem Computerspiele und online games die aktive und sich geographisch orientierende Bewegung innerhalb der Spielwelten mittels Spielcharakter oder Avatar. Da sich der Bild-Raum des Spielvorgangs an die jeweilige und individuell vermittelte Kamera-Perspektive anpasst, verfügt der Spieler über eine arbiträre Perspektive, „im Spiel lenkt der Blick die Kamera“ (Schwingeler | + | Die Möglichkeit, den Darstellungsraum in einer Art und Weise zu modifizieren, dass er leibliche Anwesenheit virtuell erfahrbar macht, wird durch technische Elemente ermöglicht die eine aktive Rezipienten-Handlung strukturieren. In erster Linie sind virtuelle Räume als Kommunikations-Räume konstituiert, in denen durch Textnachrichten und Sprachbotschaften eine soziale Interaktion ermöglicht wird. Zudem fördern (und fordern) vor allem Computerspiele und online games die aktive und sich geographisch orientierende Bewegung innerhalb der Spielwelten mittels Spielcharakter oder Avatar. Da sich der Bild-Raum des Spielvorgangs an die jeweilige und individuell vermittelte Kamera-Perspektive anpasst, verfügt der Spieler über eine arbiträre Perspektive, „im Spiel lenkt der Blick die Kamera“ (<bib id='Schwingeler 2008a'></bib>S. 142). Durch diese freie Perspektivwahl wird das Bild zum „Bildraum und Ereignisfeld. Der Betrachter wird zum User. Der dargestellte Raum und der Raum der leiblichen Anwesenheit werden miteinander verschränkt“ (<bib id='Schwingeler 2008a'></bib>S. 147). <br> |
− | Eine spezifischere Form virtueller Realität, die sich von spieltypischen Zielvorgaben und fest strukturierten Inhalten löst, lässt sich an der 3D Onlinewelt Second Life des US-amerikanischen Unternehmens Linden Lab nachweisen. Second Life zeichnet sich durch quasi unbegrenzte Interaktivität aus, da keine spieltypischen Grenzen und Zielvorgaben existieren. Diese besondere Offenheit konstituiert ein Handlungspotential, welches aus dem traditionellen gamer eines Spiels einen resident einer virtuellen Welt macht und die immersive Bindung des Rezipienten erhöht. Dabei darf der Begriff der virtuellen Welt nicht in einem ‚engen Sinn’ verstanden werden, denn die residents behandeln Second Life „very much as an actual, not a virtual, place“ (Heider | + | Eine spezifischere Form virtueller Realität, die sich von spieltypischen Zielvorgaben und fest strukturierten Inhalten löst, lässt sich an der 3D Onlinewelt Second Life des US-amerikanischen Unternehmens Linden Lab nachweisen. Second Life zeichnet sich durch quasi unbegrenzte Interaktivität aus, da keine spieltypischen Grenzen und Zielvorgaben existieren. Diese besondere Offenheit konstituiert ein Handlungspotential, welches aus dem traditionellen gamer eines Spiels einen resident einer virtuellen Welt macht und die immersive Bindung des Rezipienten erhöht. Dabei darf der Begriff der virtuellen Welt nicht in einem ‚engen Sinn’ verstanden werden, denn die residents behandeln Second Life „very much as an actual, not a virtual, place“ (<bib id='Heider 2009a'></bib>S. 134). Die Partizipationsmöglichkeiten sind dementsprechend komplex und gestützt durch ein dichtes Netz virtueller Infrastrukturen, die Identitätsbildung, Kultur- und Subkulturbildung, flexible Geschlechterorientierung, Landerwerb, Bildungsstrukturen, Vergnügungs- und Luxusbedürfnisse, Kommunikationsprozesse, Produktionsprozesse, kommerzielle Transaktionen (inklusive einer eigenen Währung, den L$ = Linden-Dollars), Besteuerung, Markenetablierung und politische Maßnahmen, ermöglichen. Die komplexen Strukturen innerhalb von Second Life konstituieren ein ‚zweites Leben’ für den Rezipienten: „Virtual worlds have real consequences“ (<bib id='Heider 2009a'></bib>S. 23), demnach sind alle potentiell erlebbaren Elemente und Situationen „as ‚real’ as anything we might experience in our day-to-day ‚real’ lives. Virtual objects can hold the same meaning for people as real objects. Relationships formed in a virtual world […] can have emotional impact on people quite similar to the impact of relationships in the flesh” (<bib id='Heider 2009a'></bib>S. 134). |
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=====Auswirkungen auf andere Begriffe===== | =====Auswirkungen auf andere Begriffe===== |
Version vom 27. November 2010, 22:14 Uhr
Unterpunkt zu: Medientheorien: Übersicht
BegriffsstrukturDer Begriff Virtualität leitet sich aus dem lateinischen virtus ab. Virtus gibt auf Basis der lateinischen Bibelübersetzung die griechischen Wörter dynamis (δύναμις) bzw. dynaton (δυνατόν) wieder und fügt den Grundbedeutungen Tugend, Mannheit, Tüchtigkeit und Tapferkeit den Aspekt der Kraft, des Vermögens, hinzu (vgl.[Okolowitz 2006a]Literaturangabe fehlt.
Engere Begriffsbestimmung
1. Mentale Virtualität und Theorie der SubjektivitätIm modernen Kontext der Konstitution von Subjektivität und deren Analyse kommt dem Begriff der Virtualität eine komplexe Bedeutungsebene hinzu. Gemäß der Selbstmodell-Theorie der Subjektivität gehört Virtualität zum mentalen Paradigma der Konstitution von Selbstbewusstsein, da „so etwas wie Selbste in der Welt“ ([Metzinger 2000a]Literaturangabe fehlt. Das Selbstmodell ist kein greifbares und wirkliches >Selbst<, sondern eine Repräsentation der Gesamtheit aller Kausalbeziehungen. Somit wird der phänomenale Raum in welchem sich das Subjekt bewegt als ein virtueller Raum verstehbar, da in ihm „eine Möglichkeit – die beste Hypothese, die es im Moment gibt – unhintergehbar als eine Wirklichkeit – eine Aktualität – dargestellt wird“ ([Metzinger 2000a]Literaturangabe fehlt. 2. Virtuelle Realität als technisches Konstrukt (Bildansätze)Niklas Luhmann ist es, der Ende des 20. Jahrhunderts Virtualität und moderne Medientechnologien zusammendenkt und das Medium als „reine Virtualität“ ([Luhmann 1993a]Literaturangabe fehlt. Auswirkungen auf andere Begriffe
Literatur
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Anmerkungen
[Bergson 1948a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Böhme 2004a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Duden 1999a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Heider 2009a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Luhmann 1993a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Metzinger 2000a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Okolowitz 2006a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Roth 2000a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Schwingeler 2008a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Vaihinger 1997a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Völker 2010a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. Seitenbearbeitungen durch: Patrick Kruse [27], Joerg R.J. Schirra [24], Lars Grabbe [24], Dimitri Liebsch [18] und Franziska Kurz [4] — (Hinweis) |